Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 22.05.2002 - 11 LA 100/02
Fundstelle
openJur 2012, 38183
  • Rkr:

1. § 46 a Abs. 1 LMBG setzt eine Unterscheidung zwischen nicht gebührenpflichtigen "allgemeinen" und gebührenpflichtigen Überwachungsmaßnahmen aus besonderem Anlass voraus. Untersuchungen und Probenahmen, die aufgrund eines konkreten Verdachtes oder einer Verbraucherbeschwerde vorgenommen werden ("Verdachts- oder Verfolgsproben") sind daher im Gegensatz zu den allgemeinen Überwachungsmaßnahmen ("Planproben") nach Maßgabe des Nds. Verwaltungskostengesetzes gebühren- und auslagenpflichtig (Bestätigung der bisherigen Rspr. des Senats, vgl. Beschl. v. 13.7.2000 - 11 L 312/00 und v. 18.07.2000 -11 L 1163/00).

2. Mitteilungen und sonstige Unterstützungsbehandlungen, die andere Behörden gegenüber den zuständigen Behörden in Erfüllung ihrer Verpflichtung aus § 40 Abs. 3 LMBG erbringen, führen nicht zu einer im kostenrechtlichen Sinn "rechtlichen Einbindung" in das Verwaltungsverfahren. Da die mitteilende oder unterstützende Behörde mithin zu der Amtshandlung nicht Anlass gegeben hat, ist sie nicht Kostenschuldner im Sinne des § 5 Abs. 1 NVwKostG.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichtes Osnabrück vom 23. Januar 2002 bleibt ohne Erfolg. Die von der Klägerin vorgetragenen ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen ebenso wenig wie die Sache besondere rechtliche Schwierigkeiten aufwirft oder ihr grundsätzliche Bedeutung zukommt.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils ( § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) bestehen nicht.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage der Klägerin gegen den Bescheid des Beklagten vom 3. Juli 1998 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides der Bezirksregierung Weser-Ems vom 9. April 1999, mit dem sie zu Gebühren in Höhe von 785,03 DM für Kosten einer Lebensmitteluntersuchung herangezogen worden ist, im Wesentlichen mit der Begründung abgewiesen, dass es sich bei den durchgeführten Probenahmen und Probeuntersuchungen um Amtshandlungen i. S. d. § 46 a Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 LMBG handele, die als "Verfolgungsprobe" über die gebühren- und auslagefreien vorbeugenden allgemeinen Überwachungsmaßnahmen hinausgingen und somit kostenpflichtig seien, da sie aufgrund eines Hinweises des Zentralen Instituts des Sanitärdienstes der Bundeswehr wegen des Verdachtes eines unzutreffenden Produktbeschreibung vorgenommen worden seien. Die Klägerin sei auch Kostenschuldnerin gemäß § 5 Abs. 1 Satz 1 NVwKostG, da sie als Hersteller und Vertreiber des Lebensmittels zu der Amtshandlung Anlass gegeben habe. Das Zentrale Institut des Sanitärdienstes der Bundeswehr sei hingegen nicht als Veranlasser im kostenrechtlichen Sinn anzusehen, weil es mit der Unterrichtung des Beklagten über den Verdachtsfall nur seiner im Rahmen der Lebensmittelüberwachung obliegenden Pflicht zur Wahrnehmung der Aufgaben der Lebensmittelüberwachungsbehörde gemäß § 40 Abs. 2 LMBG nachgekommen sei.

Die Einwände der Klägerin hiergegen greifen nicht durch. Nach § 46 a Abs. 1 LMBG werden Gebühren und Auslagen für nach diesem Gesetz vorzunehmende Amtshandlungen, die

1. in die Zuständigkeit der Länder fallen,

2. über die allgemeinen Überwachungsmaßnahmen hinaus gehen und

3. zur Durchführung von Rechtsakten der Organe der Europäischen Gemeinschaft erforderlich sind,

erhoben. Die Klägerin meint, die Voraussetzungen der Nr. 2 und Nr. 3 dieser Vorschrift seien in ihrem Fall nicht erfüllt, weil es sich bei der Überwachungsmaßnahme einer Probenahme mangels einer Differenzierung in "Planproben" und "Verdachtsproben" um eine einheitliche Maßnahme handele, die ausweislich der Entstehungsgeschichte der Vorschrift grundsätzlich der nicht gebührenpflichtigen allgemeinen Überwachung zuzurechnen sei, und diese keinen Bezug zu besonderen Amtshandlungen nach den Richtlinien 89/608/EWG, 89/662/EWG und 90/675/EWG aufweise. Dies trifft hingegen nicht zu. In der Rechtsprechung des Senats ist bereits geklärt, dass § 46 a Abs. 1 LMBG entgegen der Ansicht der Klägerin sehr wohl eine Unterscheidung zwischen nicht gebührenpflichtigen "allgemeinen" und gebührenpflichtigen Überwachungsmaßnahmen aus besonderem Anlass (wie im vorliegenden Fall aufgrund der Mitteilung des Zentralen Instituts des Sanitärdienstes der Bundeswehr) voraussetzt (Beschl. v. 13.7.2000 - 11 L 312/00 - und v. 18.7.2000 - 11 L 1163/00 -). Damit befindet er sich in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung etwa des Bay. VGH (Urt. v. 26.5.2000 - 25 B 96/1735 -, GewArch 2001, 173, 174). In dem zitierten Beschluss hat sich der Senat auch im Einzelnen mit der Entstehungsgeschichte des § 46 a LMBG auseinandergesetzt. Der Senat hat hier des Weiteren ausgeführt, dass eine ähnliche Differenzierung bei den Überwachungsmaßnahmen auch in Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 89/397/EWG vom 14. Juni 1989 vorgesehen sei. Die von der Klägerin angeführten Richtlinien beziehen sich hingegen auf einen Vorschlag des Bundesrates, der indessen gerade nicht Gesetz geworden ist (vgl. hierzu Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Kommentar, Band 2, C 100 - Stand: 1. Juli 1995, § 46 a Rdnr. 1 f.).

Aus der Richtlinie 89/397/EWG ergibt sich im Übrigen, dass die Probenahmen der Beklagten, die Grundlage des angefochtenen Gebührenbescheides sind, Amtshandlungen zur Durchführung von Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften i. S. d. § 46 a Abs. 1 Nr. 3 LMBG darstellen. Hierauf hat das Verwaltungsgericht eingangs seiner Entscheidungsgründe, gegen deren Richtigkeit die Klägerin keine ernstlichen Zweifel vorgetragen hat, zutreffend hingewiesen.

Auch die Erwägung des Verwaltungsgerichtes, dass die Klägerin Kostenschuldnerin i. S. d. § 5 Abs. 1 NVwKostG ist, begegnet keinen ernstlichen Zweifeln. Nach dieser Vorschrift ist Kostenschuldner derjenige, der zu der Amtshandlung Anlass gegeben hat, d.h. also willentlich einen Tatbestand geschaffen hat, der die Behörde zur der Amtshandlung veranlasst hat. Nicht erforderlich ist, dass die Amtshandlung von dem Betroffenen willentlich hergeführt worden ist. Hier hat die Klägerin (als Rechtsnachfolgerin der Fa. H. G. Service) durch das Herstellen und Vertreiben von Frikadellen unmittelbar Anlass für die nach dem oben Gesagten gemäß § 46 a Abs. 1 LMBG gebührenpflichtige "Verdachtsprobe" gegeben und ist damit Kostenschuldnerin i. S. d. § 5 Abs. 1 NVwKostG.

Entgegen ihrer Ansicht ist das Zentrale Institut des Sanitärdienstes der Bundeswehr hingegen nicht als (vorrangiger) Kostenschuldner in diesem Sinne anzusehen, da es nur Hinweisgeber war und damit bereits nicht von Rechts wegen in das Verfahren eingebunden ist (vgl. zu diesem Abgrenzungskriterium Loeser, NVwKostG, Kommentar, Stand: Januar 1999, § 1 Anm. 5 a (1)). Dass § 40 Abs. 2 LMBG der Bundeswehr den Gesetzesvollzug für ihren Bereich zuweist und in § 40 Abs. 3 LMBG bestimmte Mitteilungs- und Unterstützungspflichten der jeweils zuständigen Behörden statuiert sind, führt nicht zu einer im kostenrechtlichen Sinn "rechtlichen Einbindung" in das vom Beklagten durchgeführte Verfahren. Bei der Frage nach dem Veranlasser im kostenrechtlichen Sinn geht es um die individuelle Zurechenbarkeit der entgoltenen staatlichen Leistung. Nicht das Zentrale Institut hat durch seinen Hinweis an den Beklagten, sondern die Klägerin hat durch die Herstellung und den Vertrieb der Frikadellen den Tatbestand, der zu der Amtshandlung geführt hat, willentlich gesetzt, so dass die Probenahme ihrer Rechtssphäre zuzurechnen ist.

Dies gilt unabhängig von den - im Übrigen nicht näher dargelegten - Spekulationen der Klägerin darüber, ob die vom Zentralen Institut durchgeführten Untersuchungen aufgrund eines Untersuchungs- oder Beurteilungsfehlers des Zentralen Institutes zu einem unzutreffenden Ergebnis geführt habe, und auch unabhängig davon, dass dies nach Meinung der Klägerin mangels einer Gegenprobe auch im Nachhinein nicht mehr überprüft werden könne. Der Beklagte hatte aufgrund des Hinweises des Zentralen Institutes jedenfalls ausreichend Anlass zu der Probenahme. Die Rolle des Zentralen Institutes erschöpft sich im hier interessierenden Zusammenhang allein in der des Hinweisgebers; das Institut ist mithin vergleichbar einem Verbraucher, der eine Beschwerde über die Zusammensetzung eines Lebensmittels führt. Ein Anzeigeerstatter oder Hinweisgeber ist aber am Verfahren im kostenrechtlichen Sinn grundsätzlich nicht beteiligt (Loeser, a. a. O., § 1 Anm. 5 a (1)). Im Übrigen ist ausweislich des bei den Verwaltungsvorgängen befindlichen Berichtes der einsendenden Dienststelle der Bundeswehr vom 22. Oktober 1996 seinerzeit eine Gegenprobe sehr wohl hinterlassen worden. Deshalb bedarf es auch nicht der Aussetzung des weiteren Berufungsverfahrens bis zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes in der von der Klägerin angeführten Rechtssache C - 276/01.

2. Die Sache weist auch keine besonderen rechtlichen Schwierigkeiten (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) auf, da sich nach dem oben Gesagten die Gebührenpflichtigkeit der hier durchgeführten Probenahmen bereits aus dem Wortlaut des § 46 a LMBG ergibt und auch die Frage der individuellen Zurechenbarkeit dieser Leistung im Sinne des Verwaltungsgebührenrechtes keine besonderen Schwierigkeiten aufwirft.   

3. Aus diesen Gründen liegt auch keine grundsätzliche Bedeutung der Sache (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) vor, zumal die Klägerin insoweit bereits den aus § 124 a Abs. 4 Satz 3 VwGO folgenden Darlegungspflichten nicht genügt und die grundsätzliche Bedeutung einer streitentscheidenden Rechtsfrage nicht wie erforderlich im Einzelnen aufgezeigt hat.