LG Hamburg, Urteil vom 09.07.2004 - 308 O 269/03
Fundstelle
openJur 2009, 798
  • Rkr:
Tenor

I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin € 2.360.508,85 zu zahlen nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 30.07.2003, die Beklagten zu 1) bis 3) darüber hinaus nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für den 27.06.2003 und die Beklagten zu 1) bis 4) darüber hinaus nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz für die Zeit vom 28.06.2004 bis einschließlich 29.07.2003.

Im Übrigen, nämlich wegen weitergehender Zinsen, wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits als Gesamtschuldner.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von den Beklagten wegen der Verletzung ausschließlicher Nutzungsrechte an der Gestaltung des Kinderstuhls „Kinderstuhl T T“ durch den Vertrieb des Kinderstuhls „Kinderstuhl A“ die Zahlung eines Betrages in Höhe von insgesamt € 2.360.508,85 nebst Zinsen.

Die Klägerin ist ein in Norwegen ansässiges Unternehmen der Möbelbranche. Sie firmierte früher unter S... Industrie AS und wickelte zu dieser Zeit die Herstellung und den Vertrieb ihrer Möbel über die Tochtergesellschaft S... Fabrikker AS ab. Mit Wirkung vom 19.10.2000 wurde die S... Fabrikker AS auf die umfirmierte Klägerin als Rechtsnachfolgerin verschmolzen. In Deutschland vertreibt die Klägerin ihr Produktsortiment über ihre hundertprozentige Tochtergesellschaft S... GmbH. Das seit Jahren erfolgreichste Produkt der Klägerin ist ihr mehrfach ausgezeichneter Kinderhochstuhl „Kinderstuhl T T“ gemäß der folgenden Abbildung 1, an dem der Klägerin die ausschließlichen Nutzungsrechte zustehen. Dieser Stuhl wurde Anfang der 70er Jahre durch den Designer Peter O. für die Rechtsvorgängerin der Klägerin, die S... Fabrikker AS, entworfen und entwickelt.

Abbildung 1

Kinderstuhl „Kinderstuhl T T“

[Anmerkung openJur: Abbildung in Entscheidungstext nicht enthalten]

Die Beklagte zu 1) ist ein Möbelherstellungs-Unternehmen. Die Beklagte zu 2) ist Komplementärin der Beklagten zu 1). Die Beklagten zu 3) bis zu 5) sind Geschäftsführer der Beklagten zu 2).

Die Beklagte zu 1) vertrieb mehrere Jahre lang den Kinderhochstuhl „Kinderstuhl A“ gemäß der folgenden Abbildung 2.

Abbildung 2

Kinderstuhl „Kinderstuhl A“

Bild

Wegen des Vertriebs des Stuhls „Kinderstuhl A“, in dem die Klägerin eine Verletzung ihrer Rechte an dem Stuhl „Kinderstuhl T T“ sah, wurden die Beklagten zu 1) bis 4) nach einer Abmahnung vom 10.04.1997 von der Klägerin gerichtlich in Anspruch genommen. Nachdem das Landgericht Hamburg die Klage mit Urteil vom 09.04.1999 (Az.: 308 O 332/97) abgewiesen hatte, untersagte das Hanseatische Oberlandesgericht den Beklagten zu 1) bis 4) mit Urteil vom 01.11.2001 zum Az.: 3 U 115/99 (Anlage K 12, abgedruckt in ZUM-RD 2002, 182 ff; im Folgenden: Urteil im Vorprozess), den streitgegenständlichen Stuhl „Kinderstuhl A“ weiter zu vertreiben, verurteilte die Beklagte zu 1) zur Auskunft über die Vertriebsmenge, und stellte (unter Ziffer 3. des Urteilstenors) fest, „dass die Beklagte zu 1. verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist und noch entstehen wird, dass die Beklagte zu 1) die [...] näher bezeichneten Kinderhochstühle [gemeint: „Kinderstuhl A“] seit dem 10.4.1997 hergestellt, angeboten, beworben, verkauft oder sonst in den Verkehr gebracht hat“. Dieses Urteil ist seit dem 19.12.2002 rechtskräftig.

Aufgrund zwischenzeitlich von der Beklagten zu 1) erteilter Auskünfte (Anlagen K 14 bis K 16) importierte diese 320.686 Vervielfältigungsstücke des Stuhls „Kinderstuhl A“ aus Fernost nach Deutschland und zahlte dafür insgesamt € 7.383.490,28. Davon verkaufte sie in der Zeit von April 1997 bis Oktober 2001 insgesamt 287.686 Stück im deutschen Inland für insgesamt € 9.271.877,31.

Auf der Basis dieser Auskünfte verlangt die Klägerin nunmehr die Zahlung von Schadensersatz. Sie macht dabei die Ansprüche auf Herausgabe des Verletzergewinns, auf Ersatz des Schadens nach der Lizenzanalogie – insoweit stützt sie sich auch auf Bereicherungsrecht - und auf Ersatz des ihr konkret entstandenen Schadens nebeneinander geltend und beruft sich darauf, ihr stehe das freie Wahlrecht zwischen allen Berechnungsarten zu und nach dem Günstigkeitsprinzip sei ihr Anspruch nach derjenigen Methode zu berechnen, bei der sich für sie der höchste Ersatzbetrag ergebe.

Den Verletzergewinn berechnet die Klägerin in der Weise, dass sie von dem Verkaufserlös für 287.686 Stühle von € 9.271,877,31 einen Einkaufspreis von € 6.623.682,42 in Abzug bringt, letzterer berechnet nach einem Durchschnittseinkaufspreis je Stuhl von € 23,024 multipliziert mit der Zahl der abgesetzten Stühle. Weiter bringt sie einen pauschal zugestandenen Vertriebskostenanteil von jeweils € 1,00 in Abzug, mithin insgesamt weitere € 287.686,00. Es verblieben dann € 2.360.508,85 Gewinn der Beklagten. Weiter von den Beklagten geltend gemachte Abzugspositionen erachtet sie nicht für zureichend dargetan, hilfsweise bestreitet sie die Richtigkeit des diesbezüglichen Vortrags. Im Übrigen trägt die Klägerin zu entsprechend hohen Ansprüchen nach der Lizenzanalogie und auf Ersatz des konkreten Schadens vor.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin € 2.360.508,85 nebst 8 % Zinsen über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagten beantragen,

die Klage abzuweisen.

Sie meinen, es fehle das für einen Schadensersatzanspruch erforderliche Verschulden. Die Klägerin habe während eines Zeitraums von 12 Jahren keinen Anstoß an dem Vertrieb des „Kinderstuhl A“-Stuhls genommen. Ebenso habe sich die Beklagte zu 1) auf die Richtigkeit des im Rechtsstreit zwischen ihr und der Klägerin ergangenen erstinstanzlichen Urteils des Landgerichts Hamburg vom 09.04.1999 verlassen dürfen. Jedenfalls führten diese Umstände in analoger Anwendung der §§ 14a Abs. 1 Satz 3 GeschmMG, 139 Abs. 2 Satz 2 PatG bei einer allenfalls leicht fahrlässigen Begehung zu einer erheblichen Anspruchsminderung, auch sei ein nach Sachlage sogar überwiegendes Mitverschulden der Klägerin zu berücksichtigen.

Ein Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns sei durch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts vom 01.11.2001 ohnehin nicht rechtskräftig festgestellt worden. Denn dieses Urteil betreffe allein eine Schadensersatzpflicht der Beklagten zu 1), aber keine Pflicht zur Gewinnherausgabe, die allein auf dem Gesichtspunkt der angemaßten Eigengeschäftsführung beruhe. Die Beklagten zu 2) bis 5) schuldeten ohnehin keine Gewinnherausgabe, weil sie keinen eigenen Gewinn erzielt hätten; bei Anwendung des Gedankens der unerlaubten Eigengeschäftsführung bestehe keine gesamtschuldnerische Haftung.

Jedenfalls habe die Klägerin den Verletzergewinn zu hoch berechnet. Es seien noch weitere Kosten abzuziehen. Das folge aus einem Parteigutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC Deutsche Revision vom 05.09.2003 (Anlage B 6). Dabei sei durch Rückfrage bei der Prüfungsgesellschaft sichergestellt, dass es sich bei den abgezogenen Positionen allein um solche handele, die ausschließlich und eindeutig nur auf den streitgegenständlichen Stuhl bezogen seien. Im Einzelnen gelte zu den abzugsfähigen Kosten folgendes:

Die abzugsfähigen Vertriebskosten beliefen sich auf € 990.804,63. Hierzu rechneten pro verkauftem Exemplar 2% Delkredere- und Zentralregulierungsprovision und 3% Bonus für Verkaufsförderung (dies seien die üblichen Beträge, wie sie sich aus einem Vertrag der Beklagten mit der ... der Kinderausstatter eG (Anlage B 3) ergäben), 5% Skonto pro Stück (auch dieser Wert sei branchenüblich, wie sich aus einer Konditionenliste Anlage B 4 ergebe) sowie Entsorgungs- und Reparaturkosten (worauf das Gutachten Anlage B 6 hinweise). Weiter abzuziehen seien besondere Versicherungskosten, die sich für die in Deutschland verkauften „Kinderstuhl A“-Stühle auf € 23.791,63 beliefen, und Umschlagkosten in Höhe von € 501.078,52; das seien Frachtkosten, Be- und Entladeaufwand und Retourenkosten.

Auch von dem verbleibenden Gewinn sei aber allenfalls ein Teilbetrag herauszugeben, der kausal auf der Verletzung der absoluten Berechtigung beruhe. Denn der „Kinderstuhl A“ sei keine identische Nachahmung des „Kinderstuhl T T“, sondern übernehme nur Teile von dessen Gestaltung. Die Elemente „mitwachsender Kinderstuhl“ und „freischwingend“, die Abmessungen und die Verwendung des bestimmten Materials sowie technisch bedingte Elemente des Sitz- und Fußbrettes sowie der Befestigung hätten als vorbekannt außer Betracht zu bleiben. Wenn der „Kinderstuhl A“-Stuhl daher lediglich in der „L-Form“ und der „Formsymmetrie“ relevante Ähnlichkeiten zum „Kinderstuhl T T“ aufweise, sei der Grad der rechtsverletzenden Übernahme eindeutig ein sehr geringer. Angemessen sei daher nur ein Bruchteil von 20% des errechneten Verletzergewinns als Schadensersatz.

Im Übrigen seien sowohl der Umsatz als auch der Gewinn in gleichem Umfang auf die eigene Vertriebsaktivität und Werbeleistung der Beklagten zu 1) zurückzuführen, dies insbesondere vor dem Hintergrund eines wesentlich günstigeren Angebots des Produkts. Auch diese Tatsachen wirkten sich in erheblicher Weise anspruchsmindernd aus.

Die Beklagten bestreiten den Tatsachenvortrag der Klägerin zur Berechnung der angemessenen fiktiven Lizenz und des konkreten Schadens.

Schließlich machen die Beklagten geltend, bei Bemessung des Schadens sei der Betrag anzurechnen, der der Klägerin in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg zur Geschäftsnr. 308 O 485/03 gegen einen ihrer Abnehmer des Stuhls „Kinderstuhl A“ zugestanden werde. Das müsse zum einen schon deshalb geschehen, weil die Beklagte zu 1) insoweit mit einem Regress ihrer Abnehmerin rechnen müsse, und zum anderen unter Berücksichtigung der Grundsätze zur Erschöpfung.

Die Klage ist den Beklagten zu 1) bis 3) am 27.06.2003, dem Beklagten zu 4) am 28.06.2004 und der Beklagten zu 5) am 30.07.2003 zugestellt worden.

Die Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung am 21.04.2004 einen Schriftsatz vom 20.04.2004 übergeben und erklärt, dieser enthalte nur Rechtsausführungen.

Gründe

Die zulässige Klage ist mit Ausnahme eines Teils der Zinsforderung begründet. Der Klägerin steht gegen die Beklagten als Gesamtschuldner wegen des Vertriebs des Stuhls „Kinderstuhl A“ im Zeitraum vom 10.04.1997 bis Ende Oktober 2001 ein Anspruch auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von € 2.360.508,85 zu.

I. Die Beklagten haften der Klägerin dem Grunde nach auf Schadensersatz gemäß § 97 Abs. 1 UrhG.

1. Die Haftung dem Grunde nach ist für die Beklagte zu 1) im Urteil im Vorprozess rechtskräftig festgestellt worden.

2. Aus der rechtskräftig festgestellten Haftung der Beklagten zu 1) folgt faktisch auch die Haftung der Beklagte zu 2) als deren Komplementärin aus §§ 161 Abs. 2, 128 S. 1 HGB. Zwar hat das Urteil gegen die Beklagte zu 1) keine unmittelbare Rechtskraftwirkung gegen die Beklagte zu 2). Gemäß § 129 Abs. 1 HGB kann die Beklagte zu 1) aber außer persönlichen Einwendungen nur solche geltend machen, die auch noch von der Beklagten zu 1) erhoben werden können. Einwendungen der Beklagten zu 1) sind nach rechtskräftiger Feststellung ihrer Haftung aber nicht mehr möglich und damit auch der Beklagten zu 2) verwehrt und persönliche Einwendungen macht die Beklagte zu 2) nicht geltend. Im Übrigen gilt die persönliche Haftung aus § 128 HGB für alle Verbindlichkeiten einer KG, gleich aus welchem Rechtsgrund, daher auch für solche aus Delikt (z.B. Baumbach/Hopt, HGB, 31. Aufl. 2003, § 128 Rz. 2).

3. Die Beklagten zu 3) bis 5) haften als Geschäftsführer und damit handelnde gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 2).

a) Ein gesetzlicher Vertreter haftet persönlich für Verletzungen von Immaterialgüterrechten, wenn er die Rechtsverletzung als Störer verursacht hat, sei es durch eine eigene Handlung, sei es, dass er bzgl. einer Handlung eines anderen für die juristische Person Kenntnis und die Möglichkeit hatte, diese Handlung zu verhindern (BGH GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen). Dabei obliegt es ihm auch, organisatorische Maßnahmen zu treffen, um rechtzeitig Kenntnis von derartigen Verletzungshandlungen zu erlangen. Daher sind Abmahnungen und Klagen wegen Verletzung von Immaterialgüterrechten als „Chefsache“ zu behandeln (vgl. Klaka, GRUR 1988, 729, 731 f.). Werden dem gesetzlichen Vertreter solche Mitteilungen nicht vorgelegt, haftet er wegen Organisationsverschulden.

b) Unter Anwendung dieser Grundsätze ist eine Haftung der Beklagten zu 3) bis 5) hier zu bejahen.

Die Beklagte zu 1) hat durch den Vertrieb des Stuhles „Kinderstuhl A“ eine Urheberrechtsverletzung zu Lasten der Klägerin begangen. Das ist zwar im Prozessrechtsverhältnis der Klägerin zu den Beklagten zu 3) bis 5) bisher nicht rechtskräftig festgestellt worden. Die Kammer nimmt insoweit jedoch vollen Umfangs Bezug auf die Ausführungen unter lit. I. der Gründe des Urteils im Vorprozess, deren Inhalt sie sich zu Eigen macht, und denen die Beklagte zu 3) bis 5) auch nicht in erheblicher Weise entgegen getreten sind.

Für die Zeit seit dem 10.04.1997 haben die Beklagten zu 3) bis 5) danach aufgrund der Abmahnung der Klägerin erkennen können und in Betracht ziehen müssen, dass die Beklagte zu 1) mit dem Vertrieb des Stuhls „Kinderstuhl A“ eine Rechtsverletzung beging, und dass sie als gesetzliche Vertreter der Beklagten zu 2) und damit in ihrer Eigenschaft als Organwalter für die Beklagte zu 1) in der Lage und gehalten waren, zumindest weitere Verletzungshandlungen für die Zukunft zu unterbinden.

Das daraus abzuleitende Verschulden jedenfalls in Form fahrlässigen Handelns entfällt nicht dadurch, dass die Klägerin – was im Einzelnen streitig ist - vor der Abmahnung während eines längeren Zeitraums keinen Anstoß an dem Vertrieb des „Kinderstuhl A“-Stuhls genommen hatte. Denn durch die Abmahnung war in jedem Falle eine erneute Prüfung und Reaktion veranlasst. Ebenso wenig durften die Beklagten auf den Bestand des im Rechtsstreit 308 O 332/97 zwischen ihnen und der Klägerin ergangenen erstinstanzlichen Urteil der Kammer vom 09.04.1999 verlassen. Denn auch derjenige handelt fahrlässig, der seinem Verhalten eine bestimmte, von ihm geprüfte und für richtig gehaltene Rechtsauffassung zugrunde legt, da ein Rechtsirrtum nicht entschuldigt (Fromm/Nordemann/Nordemann, Urheberrecht, 9. Aufl. 1998, § 97 Rz. 34). Der Nutzer trägt das Risiko des Rechtsirrtums (Schricker/Wild, Urheberrecht, 2. Aufl. 1999, § 97 Rz 54). Die Beklagten hätten daher damit rechnen können und müssen, dass der „Kinderstuhl T T“-Stuhl urheberrechtlichen Schutz genießt und sich der „Kinderstuhl A“-Stuhl als unfreie Bearbeitung darstellt, dessen Vertrieb die Rechte der Klägerin verletzt. Für eine analoge Anwendung der §§ 14 a Abs. 1 Satz 3 GeschmMG, 139 Abs. 2 Satz 2 PatG ist hier kein Raum. Es gibt keinen Anhaltspunkt für eine planwidrige Regelungslücke im Urheberrecht. Zudem sind derartige Ausnahmevorschriften generell nicht analogiefähig.

II. Die Klägerin hat der Höhe nach gegen die Beklagten als Gesamtschuldner gemäß § 97 Abs. 1 Satz 2 UrhG einen Anspruch auf Herausgabe, d.h. Zahlung, des von der Beklagten zu 1) mit dem Vertrieb des Verletzungsmusters erzielten Gewinns in der mit der Klage geltend gemachten Höhe von € 2.360.508,85. Ob ein solcher Anspruch der Klägerin daneben auch im Wege der Lizenzanalogie oder nach dem ihr konkret entstandenen Schaden besteht, kann danach offen bleiben.

1. Entgegen der Auffassung der Beklagten erfasst die Feststellungswirkung des Urteils im Vorprozess auch einen Anspruch auf Herausgabe des Verletzergewinns. Soweit für einen solchen Anspruch teilweise (z.B. von Tilman GRUR 2003, 647 ff.) die Anwendung von GoA-Grundsätzen befürwortet wird und hierfür auf die Entscheidung BGH GRUR 2001, 329 – Gemeinkostenanteil – verwiesen wird, ergibt sich gerade aus dieser Entscheidung (a.a.O. 330), dass in einem Falle, in dem im Vorprozess eine Schadensersatzpflicht rechtskräftig festgestellt worden ist, der Verletzte berechtigt ist, im Betragsverfahren als Schadensersatz auch die Herausgabe des Gewinns zu verlangen, den der Verletzer erzielt hat. Die Klägerin kann diesen Anspruch ebenfalls gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) geltend machen. Denn als Mitstörer trifft die Schadensersatzpflicht auch diese, wenn sie selbst keinen Gewinn erzielt haben. Die Beklagten haften dabei als Gesamtschuldner, denn der Rechtsnatur nach handelt es sich um gleich gerichtete Schadensersatzansprüche gegen sie, so dass § 830 BGB anwendbar ist (Möhring/Nicolini/Lütje, a.a.O. § 97 Rz. 176; Schricker/Wild, a.a.O. § 97 Rz. 68; anders Ulmer, Urheber- und Verlagsrecht, 3. Aufl. 1980, § 131 II 3).

2. Die Berechnung des Schadensersatzes nach der Höhe des Verletzergewinns ergibt einen Anspruch auf Zahlung von € 2.360.508,85.

a) Der Verletzergewinn errechnet sich aus dem von der Beklagten zu 1) durch den Verkauf von 287.686 Stühlen im streitigen Zeitraum erzielten Netto-Preis von insgesamt € 9.271.877,31 abzüglich € 6.623.682,46 Einkaufs- bzw. Materialkosten. Weiter in Abzug zu bringen sind von der Klägerin pauschal zugestandene Vertriebskosten in Höhe von € 1,00 pro Stuhl, mithin insgesamt € 287.686,-. Danach verbleibt ein Verletzergewinn in Höhe von € 2.360.508,85.

b) Weitere Kosten sind nicht abzuziehen, weil die Beklagten die Kostenpositionen und ihre Abzugsfähigkeit nicht hinreichend dargetan haben. Nach Sinn und Zweck des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns ist es grundsätzlich gerechtfertigt, von den erzielten Erlösen die variablen vom Beschäftigungsgrad abhängigen Kosten für die Herstellung und den Vertrieb der schutzrechtsverletzenden Gegenstände abzuziehen, nicht jedoch die Fixkosten, d.h. solche Kosten, die von der jeweiligen Beschäftigung unabhängig sind, wobei die Darlegung und der Nachweis solcher Kosten dem Verletzer obliegt (BGH GRUR 2001, 329, 331 – Gemeinkostenanteil).

aa) Die von den Beklagten geltend gemachten höheren Vertriebskosten sind entweder schon ihrer Art nach nicht abzugsfähig oder doch jedenfalls von den Beklagten nicht nachvollziehbar dargetan worden. Eine ausreichende Aufschlüsselung ergibt sich insbesondere auch nicht aus dem Gutachten der Wirtschaftsprüfergesellschaft PwC (Anlage B 6; im folgenden GA), auf das die Beklagten Bezug nehmen.

Im Einzelnen gilt zu den von den Beklagten weiter geltend gemachten Abzugspositionen folgendes:

(1) Vertreterprovisionen, Skonti und Bonuszahlungen (GA Rz. 15, 16, 23, 28, 29):

Solche Kosten sind zwar produktbezogen und damit im Rahmen der Gewinnermittlung grundsätzlich abzugsfähig. Vorliegend haben die Beklagten aber die von ihnen behaupteten Kosten nicht nachvollziehbar dargelegt. Der pauschale Verweis auf einen Generalvertrag mit der ARDEK (Anlage B 3), aus dem sich solche den Gewinn mindernden Kosten ergeben sollen, genügt nicht. Die Klägerin hat ausdrücklich bestritten, dass Verkäufe an ARDEK-Vertragslieferanten der ARDEK gegenüber auch angezeigt und deren Vertragsbedingungen angewandt worden seien. Die Beklagten hätten daher darlegen müssen, welcher Anteil „Kinderstuhl A“-Stühle über die ARDEK abgesetzt worden ist, so dass man hätte nachvollziehen können, für wie viele Stühle überhaupt eine Provisionen nach den ARDEK-Vertragsbedingungen angefallen sind. Andere Verträge, die Grundlage der Bonuszahlungen gewesen sein könnten, sind nicht vorgelegt worden. Auch ist nicht nachvollziehbar dargetan, wie sich die Summe der Bonuszahlungen ergibt. Das GA weist unter Rz. 29 auf einerseits umsatzbezogene und andererseits einmalige Bonuszahlungen hin. Das Verhältnis beider Positionen zueinander und die Bezogenheit der Einmalzahlungen gerade auf das Produkt „Kinderstuhl A“ sind nicht erkennbar. Die bloße Versicherung der Beklagten, eine nochmalige Nachfrage bei der Wirtschaftprüfergesellschaft habe die Richtigkeit der Zahlen ergeben, ersetzt den gebotenen Vortrag nicht.

(2) Werbekostenzuschüsse (GA Rz. 16, 27, 29):

Bei dieser Position rügt die Klägerin zu Recht, dass schon unklar bleibt, um welche Art von Kosten es sich hier handeln soll. Weder der Schriftsatz der Beklagten vom 05.09.2003 noch das GA enthalten insofern Erläuterungen.

(3) Delkredere-/Zentralregulierungskosten (GA Rz. 16, 27, 29):

Nach dem Vortrag der Beklagten soll es sich offenbar um zusätzliche Kosten der Beklagten zu 1) für den Erhalt von Zahlungsgarantien handeln. Sowohl nach dem Vortrag im Schriftsatz vom 05.09.2003 (S. 9) als auch im GA (Rz. 29) kommt zum Ausdruck, dass derartige Kosten bei Verkäufen an Einkaufsgemeinschaften wie die ARDEK angefallen sein sollen. Auch hier genügte jedoch der generelle Verweis auf den Vertrag (Anlage B 3) nicht, um den tatsächlichen Anfall solcher Provisionen zu substantiieren (vgl. oben zu Provisionen, Skonti und Boni).

(4) Entsorgungs-/Transportkosten (GA 6 Rz. 16, 27):

Auch diese Position ist nicht nachvollziehbar dargetan worden. Die Beklagten haben sie nicht erläutert und sie nicht gegenüber weiter von ihnen geltend gemachten Position „Fracht/Porto“ abgegrenzt. Aus dem GA ergibt sich nur, dass es sich um mit der ARDEK ausgehandelte Konditionen handeln soll. Der Generalvertrag der Beklagten zu 1) mit der ARDEK gibt insofern aber auch keinen Aufschluss.

(5) Reparaturkosten (GA Rz. 7 und 27):

Die Beklagten machen die Personalkosten für einen Mitarbeiter geltend, der im streitgegenständlichen Zeitraum ausschließlich mit Reparaturarbeiten von defekten „Kinderstuhl A“-Hochstühlen beschäftigt gewesen sein soll. Die Klägerin hat die Beschäftigung eines solchen Mitarbeiters bestritten. Die Beklagten haben insofern keinen Beweis angetreten. Das GA besagt nicht, inwiefern geprüft worden ist, ob derartige Kosten tatsächlich angefallen sind; das Gutachten weist lediglich aus, dass die Beklagte zu 1) entsprechende Abzüge vorgenommen habe, nicht aber, inwiefern sie belegt worden sind. Im Übrigen weist die Klägerin aber auch zu Recht darauf hin, dass solche Personalkosten ohnehin im Betrieb der Beklagten zu 1) angefallen wären und daher keine abzugsfähigen produktbezogenen Kosten darstellen. Etwas anderes ergäbe sich nur dann, wenn die Beklagte zu 1) den Mitarbeiter von anderen Aufgaben freigestellt und zu deren Erledigung weitere Kosten hätten aufwenden müssen. Dazu ist aber nichts vorgetragen worden.

(6) Versicherungskosten (GA Rz. 18):

Die Beklagten können auch die von ihnen veranschlagten Kosten für Transportversicherung, Produkthaftpflichtversicherung und H.-Kreditversicherung nicht in Abzug bringen. Sie haben nicht nachvollziehbar dargetan, dass es sich um produktbezogene Kosten handelt. Das gilt insbesondere für angebliche Kosten für eine H.-Kreditversicherung. Bei Produkthaftpflicht- und Transportversicherungskosten ist ein Bezug zum Produkt „Kinderstuhl A“-Hochstuhl zwar denkbar, aber nicht hinreichend vorgetragen. Die Angabe im GA unter Rz. 18 und 31, die Versicherungsprämien seien umsatzabhängig, genügt insofern nicht. Weder aus dem Beklagtenvortrag noch aus dem GA wird hinreichend klar, ob die zugrunde liegenden Versicherungsverträge gerade Risiken bzgl. des „Kinderstuhl A“-Stuhls erfassen. Die Ausführungen in Rz. 18 des Gutachtens deuten sogar eher darauf hin, dass es sich bei den in Rz. 31 genannten Konditionen ersichtlich um „ermittelte“ Durchschnittswerte aus verschiedenen Versicherungen handelt, die nicht nur den Stuhl „Kinderstuhl A“ betreffen. Es hätten aber die speziell für den „Kinderstuhl A“ maßgeblichen Konditionen mitgeteilt werden müssen.

(7) Fracht/Porto (GA Rz. 20, 32):

Die Fracht- und Portokosten für Lieferungen zur Beklagten zu 1) und von ihr zu den Abnehmern gehören zwar grundsätzlich zu den produktbezogenen und damit abzugsfähigen Kosten. Die Beklagten haben aber nicht deutlich gemacht, inwiefern diese Kosten den bereits von der Klägerin angesetzten Betrag von € 1,- pro Stuhl übersteigen. Die Klägerin rügt zu Recht, dass die Beklagten nicht näher dargestellt haben, ob die behaupteten teureren Transporte allein den „Kinderstuhl A“ oder auch andere Produkte betrafen und wie sich etwaige Kostenanteile auf die „Kinderstuhl A“-Stühle erstrecken. Auch das GA enthält insofern keine Aufschlüsselung. Die einzig konkrete Zahl betrifft einmalige zusätzliche Kosten von knapp € 1.200,- (Rz. 33), deren Relevanz aber offen bleibt. Im Übrigen bleiben auch die Angaben im Gutachten vage. So ist etwa nicht erkennbar, ob und in welchem Umfang eine Spedition Bischoff überhaupt „Kinderstuhl A“-Stühle transportiert hat.

(8) Be-/Entladeaufwand (GA Rz. 21, 32):

Diese Kosten sind nicht produktbezogen. Aus Rz. 21 des GA folgt, dass es sich um Personalkosten für Mitarbeiter der Beklagten zu 1) handeln soll. Solche Kosten wären aber ohnehin angefallen und zählen daher zu den nicht absatzfähigen Gemeinkosten. Dass die Beklagte zu 1) wegen der Be- und Entladung mit „Kinderstuhl A“-Stühlen gebundenes Personal an anderer Stelle durch neu einzustellende weitere Mitarbeiter habe ersetzen müssen, haben die Beklagten nicht geltend gemacht.

(9) Retourenkosten (GA Rz. 2 und 32):

Die Beklagten machen Porto- und Personalkosten für die Bearbeitung von Retouren des „Kinderstuhl A“-Stuhls geltend. Diese Kosten werden aber weder im GA näher aufgeschlüsselt noch teilen die Beklagten mit, welche Retouren überhaupt angefallen sind und worin die Personalkosten bestanden haben sollen.

bb) Bei der Berechnung des Anspruchs auf Herausgabe des Verletzergewinns sind entsprechende Ansprüche, welche die Klägerin wegen des Verletzungsprodukts auf anderen Handelsstufen abgeschöpft hat, grundsätzlich nicht anzurechnen. Ob und inwieweit das bei der Berechnung des konkreten Schadens und insbesondere eines Anspruches nach der Lizenzanalogie anders ist, kann dahingestellt bleiben, da über solche Ansprüche nicht entschieden worden ist. Offen bleiben kann auch, ob die Beklagte zu 1) den Betrag gewinnmindernd geltend machen kann, den die Klägerin in dem Rechtsstreit vor dem Landgericht Hamburg zur Geschäftsnr. 308 O 485/03 gegen einen der Abnehmer des Stuhls „Kinderstuhl A“ verlangt mit der Folge, dass die Beklagte zu 1) nach Darstellung der Beklagten insoweit mit einem Regress ihrer Abnehmerin ausgesetzt ist. Denn es fehlt jeder konkrete Vortrag zu Regresszahlungen und ein Freihalteanspruch ist nicht geltend gemacht worden.

3. Auch die weitergehenden Einwendungen der Beklagten gegen die klägerische Schadensberechnung greifen nicht durch.

Der Verletzergewinn ist im vorliegenden Fall nicht deshalb zu kürzen, weil der von der Beklagten zu 1. vertriebene Stuhl trotz aller Übereinstimmungen keine identische Nachbildung des „Kinderstuhl T T“-Stuhls der Klägerin darstellt, sondern in Teilbereichen, wie auch der Vergleich der Abbildungen beider Stühle im Tatbestand auf Seite 2 dieses Urteils zeigt, anders gestaltet ist. Zwar kann Schadensersatz durch Herausgabe des Verletzergewinns wegen der rechtswidrigen Verwertung einer Bearbeitung grundsätzlich nur insoweit verlangt werden, als der Gewinn auf der unbefugten Benutzung des geschützten Gutes beruht (vgl. BGH GRUR 2002, 532, 535 – Unikatrahmen, m.w.N.). Im Streitfall steht jedoch eine rechtwidrige Verwertung des benutzten Werkes als eines einheitlichen Wirtschaftsgutes in Rede. Wie im Vorprozess festgestellt, handelt es sich bei dem Verletzungsmuster um eine die prägenden Elemente übernehmende unfreie Bearbeitung des „Kinderstuhl T T“-Stuhls im Sinne des § 23 UrhG, mithin insgesamt und nicht nur in abtrennbaren Teilen um eine widerrechtliche Gestaltung. Die Formelemente, in denen die schöpferische Eigenart und künstlerische Gestaltung des „Kinderstuhl T T“ originär zum Ausdruck kommt, sind nachgeahmt worden, wobei ein außerhalb des Schutzbereichs des „Kinderstuhl T T“-Stuhls liegender Gesamteindruck eben nicht vermittelt wird; dann wäre eine freie Benutzung im Sinne des § 24 UrhG anzunehmen gewesen, die aber gerade nicht vorliegt. Der entscheidende Anreiz für einen etwaigen Kaufentschluss zugunsten des Verletzungsmusters liegt daher in der ganz ähnlichen Gesamtgestaltung bei einem bedingt vor allem auch durch die fehlende Lizenzierung gegenüber dem Original günstigeren Preis. In einem solchen Fall ist der von der Beklagten zu 1) erzielte Gewinn vollen Umfangs kausal auf die Verletzung der absoluten Berechtigung der Klägerin zurückzuführen. Eine „Zerlegung“ des erzielten Gewinns nach einzelnen übernommenen oder nicht übernommenen bzw. geschützten oder gemeinfreien Elementen ist nicht veranlasst.

In dem günstigeren Preis des Verletzungsmusters liegt für sich genommen ebenfalls kein Umstand, der dazu führt, dass von der Klägerin unter dem Gesichtspunkt der (fehlenden) Kausalität nur ein Teil des verlangten Geldbetrages beansprucht werden kann. Dabei kann dahinstehen, inwieweit der vom BGH im Urteil vom 17.06.1992 zur Geschäftsnummer I ZR 107/90 (in: NJW 1992, 2753, 2756 – Tchibo/Rolex II) für Uhren der Firmen Tchibo einerseits und Rolex andererseits zur Anwendung gebrachte Gedanke, einen niedrigen Preis als eigenständige, eine Gewinnerstattung insoweit ausschließende Kaufursache zu bewerten, generell zu folgen ist. Jedenfalls im vorliegenden Fall stellt sich das Preisverhältnis zwischen dem Verletzungs- und dem Klagemuster nicht in einer vergleichbaren Unterschiedlichkeit dar, die es rechtfertigen könnte, von einem selbständigen Kaufentschluss auszugehen. Eine schlichte Unterbietung der Verkaufspreise rechtfertigt nicht eine nur teilweise Zuerkennung des erzielten Gewinns als Verletzergewinn (vgl. BGH GRUR 2001, 329, 332 – Gemeinkostenanteil). Ein Teil des geringeren Preises ergibt sich bereits aus der ersparten Lizenz und kann sich keinesfalls schadensmindernd auswirken. Zudem wird ein Kinderhochstuhl im Regelfall gekauft, weil ein Bedarf besteht und nicht nur - wie etwa bei einem „Impulskauf“ - deshalb, weil er gerade günstig ist. Der Gestaltung als Imitat kommt demgemäß die wesentliche Rolle für den Kaufentschluss zu, weil einerseits eine Anlehnung an den bekannten „Kinderstuhl T T“-Stuhl und andererseits durch diese Anlehnung zugleich ein vorteilhafter Abstand zu den Produkten rechtstreuer dritter Wettbewerber erreicht wird.

Besondere, außerhalb der Gestaltung liegende Eigenschaften, die für den erzielten Erlös sonst noch von Bedeutung sein könnten (vgl. BGH GRUR 2001, 329, 332 – Gemeinkostenanteil), weist der „Kinderstuhl A“ daneben nicht auf.

4. Dem danach begründeten Schadensersatzanspruch steht keine wirksame Einrede der Verjährung entgegen.

Bis zum Termin zur mündlichen Verhandlung am 20.04.2004 haben die Beklagten die Einrede nicht erhoben. Ihre bis dahin gemachten Ausführungen bezogen sich allein auf eine bereits vor 1997 eingetretene Verwirkung, nicht aber auf eine nach 1997 eingetretene Verjährung der Schadensersatzansprüche.

Im Termin vom 21.04.2004 ist die Einrede der Verjährung nicht wirksam erhoben worden. Zwar haben die Beklagten den Schriftsatz vom 20.04.2004 übergeben, in dem sich auf Seite 3 die Einrede findet. Dieser Teil des Schriftsatzes ist aber nicht prozessordnungsgemäß zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden. Wegen § 128 Abs. 1 ZPO kann grundsätzlich nur der mündliche Vortrag einer Partei berücksichtigt werden. Zwar erlaubt § 137 Abs. 3 ZPO auch Bezugnahmen auf Schriftstücke. Bringt die mündliche Bezugnahme aber zum Ausdruck, dass ein Schriftsatz nur einen begrenzten Inhalt habe, so ist ein tatsächlich weitergehender Inhalt nicht wirksam mit in Bezug genommen, da sich weder Gericht noch Gegner auf solche „versteckten“ Inhalte einstellen können. Die Bezugnahme der Beklagten im Termin am 21.04.2004 war in diesem Sinne beschränkt. Denn die Beklagten haben (zu Protokoll) erklärt, der Schriftsatz enthalte ausschließlich Rechtsausführungen, woraufhin das Gericht auf eine weitere Erörterung des Schriftsatzes und die Klägerin auf die Beantragung einer Erklärungsfrist nach § 283 ZPO verzichteten. Bei diesem Verfahrensgang ist die Verjährungseinrede nicht wirksam durch die Beklagten in Bezug genommen, denn sie stellt keine bloße „Rechtsausführung“ (d.h. Äußerung einer rechtlichen Meinung), sondern ein eigenständiges Verteidigungsmittel dar, zu dem der Gegenseite rechtliches Gehör zu gewähren gewesen wäre, wenn sie wirksam vorgebracht worden wäre.

Aber auch wenn die Verjährungseinrede wirksam in den Rechtsstreit eingeführt worden wäre, könnte nicht von einer Verjährung ausgegangen werden, weil es an einem zureichenden Sachvortrag der darlegungsbelasteten Beklagten dazu fehlt, welcher Teil der der Klagforderung von einer Verjährung erfasst sein kann. Nach dem unstreitigen Sachverhalt wären Ansprüche wegen der Verletzungshandlungen bis Juni/Juli 2000 gegenüber den Beklagten zu 2) bis 5) verjährt gewesen, da eine dreijährige Verjährungsfrist gilt (§ 102 UrhG a.F. bzw. jetzt § 102 UrhG n.F. i.V.m. § 195 BGB n.F.) und der Lauf der Verjährungsfrist durch Klagerhebung im Juni/Juli 2003 gehemmt wurde (§ 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB n.F.). Welche für die Berechnung des Schadensersatzanspruch erforderlichen Auswertungshandlungen in danach verjährter Zeit vorgenommen worden sind und welcher Verletzergewinn bis dahin erzielt worden ist und damit nicht mehr geltend gemacht werden kann, ergibt sich aus dem unstreitigen Sachverhalt aber nicht, denn die Absatzzahlen sind nur insgesamt für den Zeitraum von 1997 bis 2001 vorgetragen worden. Dazu hätte es demgemäß weiteren Vortrags von den Beklagten bedurft, um eine Berechnung des danach verjährten Anspruchs zu ermöglichen. Daran fehlt es.

Eine erst im Termin am 21.04.2004 erhobene wirksame Verjährungseinrede wäre schließlich auch als verspätet i.S.v. § 296 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen gewesen. Ihre Berücksichtigung hätte den Rechtsstreit verzögert, denn er war ohne die Einrede insgesamt entscheidungsreif, hätte aber bei wirksamer Einrede weiterer Sachaufklärung bedurft. Das ergibt sich schon aus den vorstehenden Ausführungen zu den Absatzzahlen in verjährter und in unverjährter Zeit. Das Gericht wäre nicht veranlasst gewesen, die Auswertungszahlen (aus den Anlagen K 14 bis K 16) selbst zu ermitteln, ohne rechtliches Gehör mit ausreichend langen Stellungnahmefristen zu gewähren. Insofern wäre es zu einer Verzögerung des Rechtsstreits gekommen. Diese hätte allein darauf beruht, dass die Beklagten die Einrede in grob nachlässiger Weise verspätet erhoben hätten. Es sind keinerlei Gründe dafür ersichtlich, warum die Verjährungseinrede erst kurz vor Schluss der mündlichen Verhandlung hätte erhoben werden müssen. Sie hätte gleich mit der Klagerwiderung vorgebracht werden können, so dass beide Seiten ausreichend Zeit gehabt hätten, das umfangreiche Zahlenmaterial auch unter dem Verjährungsgesichtspunkt aufzubereiten. Daher hätte § 296 Abs. 2 ZPO in dieser Lage zum Ausschluss der zu spät vorgebrachten Verjährungseinrede führen müssen.

III. Danach erweist sich die Klage in der Hauptforderung als begründet. Ob die Klägerin daneben auch mit Erfolg Ansprüche gemäß § 1 UWG und/oder §§ 812 Abs. 1 Satz 1 2. Alt., 818 Abs. 2 BGB geltend machen kann, kann offen bleiben.

IV. Der Zinsanspruch folgt aus § 291 S. 1 Hs. 1 BGB. Der einen Zinssatz von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz übersteigende Klageantrag war allerdings abzuweisen. Die Zinshöhe ergibt sich aus § 291 S. 2 i.V.m. § 288 Abs. 1 BGB. Der höhere Zinssatz aus § 288 Abs. 2 BGB findet keine Anwendung, da es sich nicht um Ansprüche aus Rechtsgeschäften handelt. Zu höheren Zinsen aus anderem Rechtsgrund (§ 288 Abs. 3 BGB) hat die Klägerin nichts vorgetragen. Für die Verzinsungszeiträume war wegen § 308 Abs. 1 S. 2 ZPO auf die im Verhältnis zu den verschiedenen Beklagten unterschiedlichen Rechtshängigkeitszeitpunkte (§§ 253, 261 ZPO) abzustellen. Die Zinspflicht beginnt wegen § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 BGB am Tag nach Eintritt der Rechtshängigkeit (Palandt/Heinrichs, BGB 63. Aufl. 2004, § 187 BGB Rz. 1 m.w.N.).

V. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2, 100 Abs. 4 S. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 ZPO.