Niedersächsisches OVG, Urteil vom 18.09.2001 - 1 L 3779/00
Fundstelle
openJur 2012, 37292
  • Rkr:

1. Eine Gemeinde kann im Falle einer (teilweisen) Planänderung ihr Planungsermessen nicht mehr so frei ausüben wie bei der Neuaufstellung eines Bebauungsplans, weil das Vertrauen eines Betroffenen in die bisherigen Festsetzungen grundsätzlich um so schutzwürdiger und stärker zu gewichten ist, je weiter sie realisiert worden sind.

2. § 1 Abs. 10 BauNVO bietet die Rechtsgrundlage für einen durch Planung zu ermöglichenden erweiterten "Bestandsschutz für Fremdkörper" in einem andersartigen Baugebiet. Größere Anlagen mit erheblichem Umfang wie zusammenhängende Industrieflächen erfordern regelmäßig die Festsetzung eines eigenen Baugebiets.

3. Ob im Hinblick auf die Überplanung eines bebauten Gebiets unter Einbeziehung bisher unbeplanter Flächen uneingeschränkt daran festzuhalten ist, dass gemäß § 1 Abs. 10 Abs. 1 BauNVO zumindest die gesamte Fläche des Baugebiets überwiegend bebaut sein muss, das fragliche Gebiet jedoch über die Grenzen des Baugebiets hinausgehen kann, unterliegt deshalb gewissen Zweifeln, weil es einer Gemeinde möglich wäre, durch die Begrenzung des Bebauungsplans auf das bebaute Gebiet und die gleichzeitige Aufstellung eines weiteren Bebauungsplans für die benachbarten unbebauten Flächen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 10 BauNVO zu erfüllen.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die Beanstandung des Bebauungsplans Nr. 96 "Gewerbepark A." durch den Beklagten.

Dieser Bebauungsplan überplant eine ca. 47 ha große Fläche nördlich des Mittellandkanals zwischen der W. Straße (Landesstraße L 77, im Folgenden L 77 genannt) im Osten und dem F. D. im Westen und erfasst größtenteils den Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 "Industriegebiet nördlich d. Mittellandkanals", dessen Genehmigung am 30. April 1974 öffentlich bekannt gemacht wurde. Der Bebauungsplan Nr. 25 setzt den größten Teil der westlich der A.-B.-Str. gelegenen Fläche als Industriegebiet (GI) und die Flächen auf beiden Seiten unmittelbar entlang dieser Straße als Gewerbegebiet (GE) fest. Im Osten der A.-B.-Str. schließt sich an die Festsetzung Gewerbegebiet (GE) ein Mischgebiet (MI) an.

Der Rat der Klägerin beschloss am 17. November 1994 die Aufstellung und am 25. September 1997 den Bebauungsplan Nr. 96 "Gewerbepark A." nach Prüfung der eingegangenen Bedenken und Anregungen als Satzung sowie die dazu gehörige Begründung einschließlich Grünordnungsplan. Im Bebauungsplan Nr. 96 sollen im westlich der A.-B.-Str. gelegenen Gebiet einschließlich des dort bisher als Industriegebiet festgesetzten Bereichs im Wesentlichen 13 Flächen als Gewerbegebiete mit unterschiedlichen Ausnutzungsgraden festgesetzt werden (GE1 bisGE13). Dabei erfasst die im südwestlichen Teil des bislang festgesetzten Industriegebiets vorgesehene GewerbeflächeGE13(ca. 4,4 ha) einen Teil des Betriebsgeländes der Firma E. GmbH & Co.  KG - im Folgenden Firma E. genannt -, auf dem diese eine Sonderabfallbehandlungsanlage einschließlich zahlreicher Nebeneinrichtungen betreibt (z.B. Hochtemperaturverbrennungsanlage (HTVA) einschließlich der Messwarte, die Kleinstmengenbehandlung für besonders überwachungsbedürftige Kleinmengen aus Haushaltungen, Universitäten und der Industrie, und das stickstoffinertisierte Hochregellager mit seinem rechnergestützten Regalförderfahrzeug für 1.680 Sonderabfall-AS-Behälter). Außerdem gehört ein großer Teil der vorgesehenen GewerbeflächeGE10(ca. 4,8 ha) zum Betriebsgelände der Firma E.. Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen setzt für das Gewerbegebiet flächenbezogene Schallleistungspegel (für dasGE13einen Nachtwert von 60 dB(A)/ m² sowie Geruchskontingente (für das GE 13  17,8 MGE/h bei einem Volumenstrom von 200.000 m³/h) fest. Für das GewerbegebietGE13enthält der Bebauungsplan die Festsetzung "Fläche gemäß § 1 (10) BauNVO". So können beispielsweise Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen von Anlagen zur teilweisen oder vollständigen Beseitigung von Sonderabfällen durch thermische Verwertung (Nr. 1.1 tir. 1 der textlichen Festsetzungen) ausnahmsweise zugelassen werden, wenn bestimmte in den textlichen Festsetzungen näher bezeichnete Voraussetzungen erfüllt sind. Östlich der A.-B.-Str. soll der südliche Bereich nur noch als Mischgebiet festgesetzt werden.

Mit einem beim Beklagten am 29. Januar 1998 eingegangenen Schreiben zeigte die Klägerin den Satzungsbeschluss (erneut) an, nachdem sie zuvor die Anzeige des Satzungsbeschlusses vom 22. Dezember 1997 mit Schreiben vom 28. Januar 1998 zurückgezogen hatte.

Mit Bescheid vom 30. März 1998 versagte die Bezirksregierung Weser-Ems die am 2. Januar 1998 beantragte Genehmigung der vom Rat der Klägerin am 25. September 1997 ebenfalls beschlossenen 29. Änderung des Flächennutzungsplans, die den nördlichen Bereich des vom Bebauungsplan Nr. 96 erfassten Gebiets umfasst. Entsprechend verhielt sie sich mit Bescheid vom 22. April 1998 hinsichtlich der vom Rat der Klägerin am 4. Dezember 1997 beschlossenen Neuaufstellung des Flächennutzungsplans, soweit dieser u.a. den von der 29. Änderung umfassten Bereich erfasst.

Der Beklagte beanstandete mit einem bei der Klägerin am 29. April 1998 eingegangenen Bescheid vom 23. April 1998, dass der Bebauungsplan Nr. 96 "Gewerbepark A." gegen geltendes Recht verstoße. Er sei nicht aus dem Flächennutzungsplan der Klägerin (29. Änderung) entwickelt worden. Die planungsrechtliche Umwandlung des bisherigen Industriegebiets (GI) in ein Gewerbegebiet (GE) stelle einen unzulässigen Eingriff in den Bestandsschutz der im bisherigen Industriebetrieb vorhandenen Betriebe gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 1 GG bezüglich des vorhandenen Anlagenbestandes und der entsprechenden Entwicklungsmöglichkeiten dar. Das Gebot einer gerechten Abwägung sei verletzt. Im Rahmen des Beteiligungsverfahrens sei sowohl von verschiedenen privaten Einwendern als auch von Trägern öffentlicher Belange bemängelt worden, dass eine objektive umfassende Bestandserhebung der Emissionen (Lärm und Gerüche) nicht vorgenommen worden sei. Insbesondere die dem Bebauungsplan beiliegende gutachterliche Stellungnahme beruhe auf falschen Berechnungsgrundlagen, weil die Ermittlung der derzeitigen Geruchsemissionssituation des Anlagenbestandes fehlerhaft sei. Geänderte Bestandserhebungen würden zwangsläufig zu anderen Ergebnissen der maximalen Geruchsemissionskontingente führen. Ferner seien die Immissionen, die von Betrieben außerhalb des Plangebiets sowie der L 77 auf die festgelegten Immissionspunkte (IP 1 - IP 6) ausstrahlten, nach den vorliegenden Unterlagen nicht Gegenstand der gutachterlichen Untersuchung zum vorbeugenden Immissionsschutz - Bereich Lärm - gewesen.

Das Verwaltungsgericht Osnabrück hat auf Klagen der Klägerin die Bescheide der Bezirksregierung Weser-Ems vom 30. März 1998 und 22. April 1998 im angegriffenen Umfang durch Urteil vom 28. Januar 2000 aufgehoben (2 A 95/98 und 2 A 108/98). Den dagegen gerichteten Antrag, die Berufung zuzulassen, hat der Senat mit Beschluss vom 31. Oktober 2000 abgelehnt (1 L 1090/00). Mit Bescheid vom 15. November 2000 hat die Bezirksregierung Weser-Ems die 29. Änderung des Flächennutzungsplans und insoweit auch die Neuaufstellung des Flächennutzungsplans genehmigt. Die Genehmigung ist inzwischen öffentlich bekannt gemacht worden.

Die Klägerin hat am 15. Mai 1998 Klage erhoben.

Sie hat zur Begründung ihrer Klage gegen die Beanstandung des Bebauungsplans Nr. 96 vorgetragen, dass der gerügte Verstoß gegen das Abwägungsgebot nicht vorliege. Insbesondere stelle die planungsrechtliche Umwandlung des bisherigen Industriegebiets in ein Gewerbegebiet für den Eigentümer der in diesem Bereich gelegenen Sonderabfallbehandlungsanlage keinen unzulässigen Eingriff in den Bestandsschutz dar, weil durch eine das gesamte betroffene Betriebsgelände erfassende Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO sichergestellt sei, dass künftige Erweiterungen, Änderungen und Erneuerungen des bestehenden Betriebes zugelassen werden könnten. Auch durch die Festlegung von flächenbezogenen Schallleistungspegeln und bestimmten Geruchskontingenten werde der Betrieb der Sonderabfallbehandlungsanlage nicht nachhaltig eingeschränkt. Schließlich sei der durch gewerbliche Betriebe außerhalb des Plangebiets verursachte Fremdgeräuschpegel ausreichend niedrig und führe deshalb auch unter Berücksichtigung der im Plangebiet selbst erzeugten Geräusche nicht dazu, dass der für das im Plangebiet ausgewiesene Mischgebiet maßgebliche Orientierungswert von 45 dB(A) nachts überschritten werde.

Die Klägerin hat beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 23. April 1998 aufzuheben.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat im Wesentlichen die im angegriffenen Bescheid enthaltenen Ausführungen wiederholt und vertieft.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 28. Januar 2000 (2 A 111/98) abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Beklagte habe im Ergebnis zu Recht eine Verletzung von Rechtsvorschriften geltend gemacht. Die Klägerin habe im Rahmen der Abwägung die Bedeutung der privaten Belange der in dem bisherigen Industriegebiet ansässigen Industriebetriebe, insbesondere der Firma E., verkannt und diese im Hinblick auf die von ihr angenommenen entgegenstehenden Belange unzutreffend gewichtet. Dabei sei zu berücksichtigen, dass bei der Änderung eines bestehenden Bebauungsplans die Grundsätze der Plangewährleistung und des Vertrauensschutzes besondere Bedeutung bei der Gewichtung und Gegenüberstellung der Belange erhielten. Dies gelte insbesondere dann, wenn sich private Dritte in dem betreffenden Baugebiet angesiedelt und im Vertrauen auf den Bestand der ursprünglichen Planung bereits in einer bestimmten Weise eingerichtet hätten, wie dies hier insbesondere hinsichtlich der im südwestlichen Teil des Plangebiets ansässigen Firma E. unzweifelhaft der Fall sei. Diese habe auf der Grundlage der seit dem Jahre 1974 geltenden Industriegebietsausweisung nicht nur eine - regelmäßig nur in einem Industriegebiet zulässige - Sonderabfallbehandlungsanlage einschließlich zahlreicher Nebeneinrichtungen errichtet, sondern darüber hinaus bereits seit etwa Mitte 1994 ausdrücklich, unter anderem auch der Klägerin gegenüber, ihre Absicht bekundet, auf ihrem Betriebsgelände bzw. den daran angrenzenden Flächen eine Anlage zur thermischen Restabfallbehandlung zu errichten. Insoweit müssten regelmäßig besonders hoch zu veranschlagende (entgegenstehende) öffentliche Interessen vorliegen, um derartige private, vertrauensgeschützte Belange zu überwinden. Im Übrigen bedürfe es insoweit einer besonders sorgfältigen Prüfung etwaiger Planungsalternativen, die zur Wahrung derartiger öffentlicher Belange (in etwa) in gleicher Weise geeignet seien, gleichzeitig aber zu einer geringeren Beeinträchtigung der von den Betroffenen privaten Belange führten. Daran fehle es hier.

Gegen das Urteil richtet sich die mit Beschluss des Senats vom 31. Oktober 2000 (1 L 1087/00) zugelassene Berufung der Klägerin, die zur Begründung geltend macht:

Das Verwaltungsgericht habe sich nicht darauf beschränkt, die von ihr vorgenommene Gewichtung auf die Unverhältnismäßigkeit des Abwägungsergebnisses hin zu überprüfen, sondern habe, zumindest faktisch, selbst eine Gewichtung vorgenommen, die darüber hinaus noch an erheblichen Rechtsfehlern leide. Das Gericht habe die städtebaulichen Ziele der Planung verkannt und das Interesse der Firma E. an der Planerhaltung in nicht vertretbarer Weise überbewertet. Keinesfalls bestehe gerade deshalb ein besonderer Vertrauensschutz, weil der Bebauungsplan Nr. 25 besonders alt sei. Er sei vielmehr nichtig. Selbst wenn ein Abwägungsmangel wegen Zeitablaufs nicht mehr zur Nichtigkeit des Bebauungsplans führte, ändere dies nichts daran, dass er objektiv gegeben sei und eine Änderung des Bebauungsplans nahe lege. Dem Interesse der Firma E., den bestehenden Betrieb einer Sonderabfallbehandlungsanlage fortführen und weiterentwickeln zu können, habe sie durch eine Festsetzung nach der hier anwendbaren Vorschrift des § 1 Abs. 10 BauNVO ausreichend Rechnung getragen. Als Alternative wäre nur die Festsetzung eines Industriegebiets in Betracht gekommen, die sie aber zu Recht verworfen habe. Der erforderliche gleichzeitige Ausschluss aller für ein Industriegebiet typischen, nämlich erheblich störenden Nutzungen, hätte einen "Etikettenschwindel" dargestellt. Auch wäre es nicht möglich gewesen, ein "eingeschränktes Industriegebiet" in der Weise festzusetzen, dass in ihm nur die bei Inkrafttreten des Bebauungsplans bereits bestehenden Anlagen sowie deren Änderungen und Erweiterungen im Rahmen des Bestandsschutzes zulässig wären, im Übrigen aber nur nicht erheblich belästigende Gewerbebetriebe im Sinne von § 8 Abs. 2 BauNVO. Die gewerbliche Nutzung des gesamten Planbereichs des Bebauungsplans Nr. 96 sei mit der in der Nähe befindlichen Wohnbebauung nur dann vereinbar, wenn für den gesamten Planbereich einschließlich des Bereichs des Bebauungsplans Nr. 25 eine Begrenzung der Lärm- und Geruchsimmissionen vorgesehen werde. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass von den als Industriegebiet und Gewerbegebiet bisher ausgewiesenen Bereichen bereits so starke Lärm- und Geruchsimmissionen ausgingen, dass bei zusätzlichen Belastungen durch das anschließende Gewerbegebiet eine Vereinbarkeit mit der in der Nähe befindlichen Wohnbebauung nicht gegeben wäre. Der vom Verwaltungsgericht in den Vordergrund gestellte Schutz der Interessen der Firma E. laufe auf die Forderung hinaus, eine weitere Beplanung des angrenzenden Gebiets zum Zwecke gewerblicher Ansiedlungen zu unterlassen. Die geplante thermische Abfallanlage sei planungsrechtlich unzulässig. Diese Einschränkung der bisher gegebenen Nutzungsmöglichkeit sei durch das höhergewichtige Interesse der Allgemeinheit an der Schaffung eines größeren Gewerbegebiets, das mit dem in der Nähe befindlichen Wohngebiet verträglich sei, gerechtfertigt. Im Bereich der Klägerin bestehe ein Bedarf an gewerblich nutzbaren Grundstücken. Der Sondermüllverbrennungsanlage sei als dem am stärksten emittierenden Betrieb auch der größte Anteil der zur Verfügung stehenden Immissionsanteile zugebilligt worden. Der östlich der A.-B.-Str. gelegene Bereich, der im Bebauungsplan Nr. 25 als Gewerbegebiet festgesetzt sei, habe sich tatsächlich zum Mischgebiet entwickelt. Mit der entsprechenden Ausweisung sei der tatsächlich vorhandenen Bebauung und Nutzung Rechnung getragen und das östlich angrenzende Mischgebiet nach Westen hin bis zur A.-B.-Str. erweitert worden. Entgegen der Darstellung des Verwaltungsgerichts befinde sich östlich des Geländes der Firma E. kein einziger nach dem BImSchG genehmigter Betrieb.

Die Klägerin beantragt,

unter Änderung des angefochtenen Urteils den Bescheid des Beklagten vom 23. April 1998 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert: Das Verwaltungsgericht habe sich darauf beschränkt, den Bebauungsplan auf die relevanten Abwägungsfehler hin zu überprüfen, und den Maßstab für die Prüfung zutreffend dargestellt. Gerade die Tatsache, dass ein Plan in der Vergangenheit lange als Entscheidungsgrundlage gedient habe, könne ein besonderes Vertrauen in den Fortbestand begründen. Der Plan habe insbesondere die Firma E. zu erheblichen Investitionen veranlasst. Diese beliefen sich - nach Aktenlage - auf insgesamt ca. 105 Millionen DM für die bereits vorhandenen und ca. 3,5 Millionen DM für die noch geplanten Anlagen. Dadurch, dass die Klägerin im Bebauungsplan Nr. 25 das Gebiet der Firma E. bereits ausdrücklich für die Abfallentsorgung ausgewiesen habe, habe sie eine langfristige planerische Entscheidung für die Zukunft getroffen. Im Übrigen stelle die Abfallentsorgung gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB einen im Interesse der Allgemeinheit zu berücksichtigenden öffentlichen Belang dar. Der Bebauungsplan Nr. 25 sei nicht nichtig. Ferner hätte die Klägerin die Belange der Wirtschaft gemäß § 1 Abs. 5 Nr. 8 BauGB zu berücksichtigen gehabt. Zu diesen Belangen zähle auch das Interesse am Erhalt und an der Schaffung von Arbeitsplätzen. Bei der Firma E. arbeiteten derzeit etwa 230 Personen. Durch den Bebauungsplan Nr. 96 werde die Firma E. erheblich schlechter gestellt. Die bereits ausgeübte Nutzung vertrage sich nicht mit der Ausweisung eines Gewerbegebiets und die geplante Nutzung werde von vornherein unmöglich gemacht. Durch die Herabstufung zum Gewerbegebiet und die Festsetzung der Geruchsgrenzwerte werde die zur Erhaltung der Konkurrenzfähigkeit zwingend gebotene Fortentwicklung der Firma E. in ganz erheblichem Maße beeinträchtigt. Die Voraussetzungen für Festsetzungen auf der Grundlage des § 1 Abs. 10 BauNVO lägen nicht vor. Die gesamte Fläche des Baugebiets sei nämlich nicht überwiegend bebaut. Ferner dürften größere Industrie- oder Gewerbekomplexe über § 1 Abs. 10 BauNVO nicht abgesichert werden. Dazu zähle auch eine Anlage wie die der Firma E.. Deren Industriekomplex umfasse den größten Teil des bisherigen Gebiets des Bebauungsplans Nr. 25 und präge seine Umgebung. Außerdem werde sie dadurch beeinträchtigt, dass das frühere Gewerbegebiet östlich der A.-B.-Str. nunmehr zu einem Mischgebiet herabgestuft werde. Erst dadurch könnten die Anwohner die von dieser Festsetzung ausgehenden spezifischen Schutzwirkungen vollständig in Anspruch nehmen. Das Problem eines möglichen städtebaulichen Nutzungskonflikts habe die Klägerin selbst dadurch verschärft. Die rechtmäßig in einem Industriegebiet angesiedelten Betriebe hätten einen Anspruch darauf, dass störempfindliche Nutzungen in der Nachbarschaft nicht genehmigt würden bzw. sie nach dem Gebot der Rücksichtnahme eine relative Zurückstellung des Immissionsschutzes zu ihren Lasten hinzunehmen hätten. Fehlerhaft sei außerdem, dass durch die konkrete Planung der zusätzlichen Gewerbeflächen im Norden des Plangebiets eine Erweiterung des Betriebsgeländes der Firma E. in diesem Bereich nachhaltig erschwert werde. Durch den bloßen Hinweis auf den Bestandsschutz der Klägerin ergebe sich nicht, dass sie die Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes und der Plangewährleistung hinreichend berücksichtigt habe. Das mit dem Bebauungsplan Nr. 25 verfolgte Ziel, Flächen für die Industrieansiedlung zu schaffen, habe sich bereits deshalb verwirklicht, weil ein wesentlicher Teil der dort ausgewiesenen Flächen im Eigentum der Firma E. stehe und industriell voll entwickelt sei. Tatsächlich befänden sich im Industriegebiet eine Reihe von erheblich belästigenden Gewerbebetrieben. Angesichts der Tatsache, dass die Firma E. für geplante Erweiterungen zusätzliche Industrieflächen benötige und dies der Klägerin auch bekannt gewesen sei, diene es nicht als Rechtfertigung, dass nach Gewerbeflächen im Gegensatz zu Industrieflächen nach dem Vorbringen der Klägerin zukünftig Bedarf bestehe. Es werde keine einleuchtende Begründung dafür gegeben, weshalb bei der Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 96 die südwestlichen Bereiche des Bebauungsplans Nr. 25 in vollem Umfang hätten mit einbezogen werden müssen. Die Festsetzung von Immissionsgrenzwerten sei auch in Industriegebieten zulässig und die Firma E. hätte sich im Falle der Beibehaltung der Festsetzung Industriegebiet nicht der grundsätzlichen Unzulässigkeit ihrer bereits geplanten Erweiterungen ausgesetzt gesehen.

Der Senat hat die Örtlichkeit am 18. September 2001 in Augenschein genommen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Niederschrift vom gleichen Tage verwiesen.

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge zu diesem und zum Verfahren 1 L 1090/00 Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige, namentlich rechtzeitig begründete Berufung ist nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Die als Anfechtungsklage zulässige Klage (zur Klageart vgl. VGH Mannheim, Urteil vom 9. Mai 1997 - 8 S 2357/96 -, NVwZ-RR 1998, 422 <422>; OVG Münster, Urteil vom 19. November 1991 - 7 A 799/90 -, NVwZ-RR 1992, 536 <536> m. w. N.; a.A. Jäde, UPR 1993, 4 <4 f.> ) ist unbegründet. Der angegriffene Bescheid des Beklagten vom 23. April 1998 ist rechtmäßig (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Der Beklagte war berechtigt (und verpflichtet), gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 Baugesetzbuch in der bis zum 31. Dezember 1997 gültigen Fassung (BauGB a. F.) die Verletzung von Rechtsvorschriften geltend zu machen. Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin den Satzungsbeschluss erst am 29. Januar 1998 und damit nach dem Inkrafttreten des Baugesetzbuches in der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung (BauGB) anzeigte und der angegriffene Bescheid am 23. April 1998 erlassen wurde. Denn gemäß § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB werden "Verfahren nach diesem Gesetz", die vor dem Inkrafttreten einer Gesetzesänderung förmlich eingeleitet worden sind, nach den bisher geltenden Rechtsvorschriften abgeschlossen, soweit nachfolgend nichts anderes bestimmt ist. Nach Satz 2 können, wenn mit gesetzlich vorgeschriebenen einzelnen Schritten des Verfahrens noch nicht begonnen worden ist, diese auch nach den Vorschriften "dieses Gesetzes" durchgeführt werden. Bei den "Verfahren nach diesem Gesetz" handelt es sich um Verfahren, die es auch noch nach den geänderten Vorschriften des BauGB in der seit dem 1. Januar 1998 geltenden Fassung gibt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. April 1998 - 4 B 184/97 -, BRS 62 Nr. 125) und mehrere Verfahrensschritte umschließen wie die Aufstellung von Bauleitplänen (vgl. Löhr in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, Komm., 7. Aufl. 1999, § 233 Rdnr. 2). Die Klägerin hatte das Verfahren zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 96 durch den Beschluss vom 17. November 1994 eingeleitet.

Bei der Überprüfung der materiellen Rechtmäßigkeit des angegriffenen Bescheides ist zu beachten, dass im Falle der Anzeige eines Bebauungsplans gemäß § 11 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. die Verletzung von Rechtsvorschriften, die eine Versagung der Genehmigung nach § 6 Abs. 2 BauGB a.F. gerechtfertigt hätten, innerhalb von drei Monaten nach Eingang der Anzeige geltend zu machen ist.

Dabei besitzt die Vorschrift des § 11 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. eine materielle Präklusionswirkung mit der Folge, dass im weiteren Verfahren nur das Vorliegen der fristgerecht geltend gemachten Rechtsverletzung zu prüfen ist. Weder kann die Aufsichtsbehörde weitere Rechtsverstöße nachschieben, noch das Gericht die Geltendmachung der Rechtsverletzung aus einem von der Aufsichtsbehörde selbst nicht benannten Gesichtspunkt bestätigen. Diese Auslegung ergibt sich nicht nur aus dem Wortlaut des Gesetzes, sondern auch aus dem Zweck der Regelung. Die Vorschrift dient insbesondere der Beschleunigung des Verfahrens. Während nämlich § 11 BBauG in der bis zum 30. Juni 1987 geltenden Fassung mit Ausnahme des Verfahrens im Wege der vereinfachten Änderung nach § 13 BBauG ausschließlich ein Genehmigungsverfahren mit der Möglichkeit der Fristverlängerung vorsah (s. § 11 Satz 2 i.V.m. § 6 Abs. 4 Satz 2 BBauG), ist eine Fristverlängerung im Anzeigeverfahren nach dem BauGB ausgeschlossen. Gegenüber der Mitwirkung der staatlichen Verwaltung im Sinne einer positiven Präventivkontrolle im Genehmigungsverfahren wird die Kontrolle im Anzeigeverfahren auf ein Eingriffsrecht der  höheren Verwaltungsbehörde reduziert, das den weiteren Verfahrensgang (Inkraftsetzen des Bebauungsplans) aufhalten kann. Damit soll zugleich der Verfahrensablauf erleichtert werden (vgl. OVG Münster, Urteil vom 19. November 1991, a.a.O. <536 f.>; VG Sigmaringen, Urteil vom 21. Juni 1996 - 4 K 2841/94 -, UPR 1996, 460 (Leitsatz); W. Schrödter: in Schrödter, BauGB, Komm., 6. Aufl. 1998, § 246 Rdnr. 9; Bielenberg: in Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB 1987, Komm., Stand: November 1997, § 11 Rdnr. 25; a.A. Gierke in Brügelmann, Komm., Stand: Februar 2001, § 10 Rdnr. 216; vgl. auch Jäde, a.a.O. <6>). Mit der Benennung der Verletzung von Rechtsvorschriften durch die höhere Verwaltungsbehörde nach § 11 Abs. 3 Satz 2 BauGB 1986 soll die Gemeinde in den Stand gesetzt werden, den Konfliktstoff verlässlich abzuschätzen, der aus der Sicht der höheren Verwaltungsbehörde einem Inkraftsetzen des Bebauungsplans entgegen steht. Eine materielle Präklusion der Geltendmachung von Rechtsverstößen führt auch nicht zu einer Rechtsschutzlücke. Denn gemäß § 47 Abs. 2 Satz 2 VwGO kann jede Behörde innerhalb von zwei Jahren nach Bekanntmachung der Rechtsvorschrift einen Normenkontrollantrag stellen. Offen bleiben kann, ob die in § 246 Abs. 1 a Satz 2 BauGB genannte Frist von einem Monat zur Geltendmachung einer Verletzung von Rechtsvorschriften angemessen ist (dagegen Gierke, a.a.O.). Denn § 11 Abs. 3 Satz 1 BauGB a.F. räumte der zuständigen Behörde noch eine Frist von drei Monaten ein, die der Beklagte hier auch eingehalten hat. Eine so bemessene Frist ist jedenfalls ausreichend, um eine umfassende rechtliche Überprüfung durchzuführen.

Im Entscheidungssatz (Tenor) des Verwaltungsakts brauchte zwar nur zum Ausdruck gebracht zu werden, dass Rechtsverletzungen geltend gemacht werden. Erforderlich war es jedoch, jedenfalls in der Begründung die betreffenden Rechtsvorschriften in ausreichendem Maße zu benennen und den Sachverhalt darzulegen, der die Verletzung oder den Mangel begründen soll. Den vom Gesetz verfolgten Zielen würde es widersprechen, wenn die "Anzeigebehörde" berechtigt gewesen wäre, die geltend gemachten Verstöße gegen Rechtsvorschriften nach Ablauf der Frist durch weitere neue Tatsachen (neu) zu begründen. Dies würde auch dem Interesse der Gemeinde widersprechen, möglichst frühzeitig umfassend informiert zu werden.

Ausgehend von diesem Maßstab ist neben der Frage, ob der Bebauungsplan aus dem Flächennutzungsplan der Klägerin (29. Änderung) entwickelt worden ist (Nr. 1 im angegriffenen Bescheid), nur entscheidungserheblich, ob der Beklagte die unter Nr. 2 bis 4 im angegriffenen Bescheid geltend gemachten Verstöße, die im Zusammenhang zu betrachten sind, zu Recht beanstandet hat. Nicht zu überprüfen ist dagegen insbesondere die Frage, ob der Bebauungsplan den Belangen von Natur und Landschaft ausreichend Rechnung trägt. Dies begegnet angesichts des im Geltungsbereich des Bebauungsplans lediglich zu 65 % erfolgten Ausgleichs der naturschutzrechtlichen Eingriffe nicht unerheblichen Bedenken (vgl. dazu Urteil des Senats vom 21. Juli 1999 - 1 K 3526/97 -, ZfBR 2000, 269 <271 f.>).

Der Beklagte hat im Ergebnis zu Unrecht gerügt, dass der Bebauungsplan nicht aus dem Flächennutzungsplan der Klägerin (29. Änderung) entwickelt worden sei. Dabei war insoweit für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt der Entscheidung durch den Senat abzustellen. Zwar ist für die Prüfung des Entwicklungsgebots grundsätzlich der Zeitpunkt des Inkrafttretens des Bebauungsplans maßgeblich (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. September 1978 - 4 C 30.76 -, BVerwGE 56, 283 <285 f.> = NJW 1979, 1516; Löhr, a.a.O., § 8 Rdnr. 5). Zu berücksichtigen ist aber, dass der Bebauungsplan Nr. 96 noch nicht öffentlich bekannt gemacht worden ist. Dem steht nicht entgegen, dass es bei einer Anfechtungsklage in der Regel auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung ankommt (das Widerspruchsverfahren war hier gemäß § 133 Abs. 2 NGO entbehrlich). Denn dieser Grundsatz steht unter dem Vorbehalt, dass das materielle Recht - wie hier - einen anderen Zeitpunkt als maßgeblich bestimmen kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 6. April 2000 - 3 C 6/99 -, NVwZ 2001, 322 <323>).

Hiervon ausgehend erweist sich die genannte Beanstandung als unberechtigt. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. sind Bebauungspläne aus dem Flächennutzungsplan zu entwickeln. Unter dieser Voraussetzung ist ein Bebauungsplan genehmigungsfrei und der höheren Verwaltungsbehörde nur anzuzeigen (§ 11 Abs. 1 BauGB a.F.). Zwar machte der Beklagte fristgerecht mit Bescheid vom 23. April 1998 zu Recht geltend, dass ein Verstoß gegen das Entwicklungsverbot vorliege. Denn zu diesem Zeitpunkt hatte die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheiden vom 30. März und 22. April 1998 die Genehmigung der 29. Änderung des Flächennutzungsplans für den hier einschlägigen Bereich versagt. Zu berücksichtigen ist nunmehr jedoch, dass die Bezirksregierung Weser-Ems mit Bescheid vom 15. November 2000 die vom Rat der Klägerin am 25. September 1997 beschlossene 29. Änderung und den entsprechenden Bericht der am 4. Dezember 1997 beschlossenen Neuaufstellung des Flächennutzungsplans im Anschluss an den rechtskräftigen Abschluss der ursprünglich beim VG Osnabrück anhängigen Klageverfahren 2 A 95/98 und 2 A 108/98 genehmigte und die Klägerin die Erteilung der Genehmigung öffentlich bekannt gemacht hat (s. § 6 Abs. 5 Satz 1 BauGB). Damit ist jetzt der Verstoß gegen das Entwicklungsgebot weggefallen.

Die Klägerin hat, wie der Beklagte unter Nr. 2 bis 4 seines Bescheides ausgeführt hat, das Abwägungsgebot gemäß § 1 Abs. 6 BauGB nicht in ausreichendem Maße beachtet. Dabei ist zu beachten, dass § 214 Abs. 3 Satz 1 BauGB für die Abwägung die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Beschlussfassung über den Bauleitplan als maßgebend bestimmt. Diese Vorschrift zielt zwar in erster Linie auf die gerichtliche Kontrolle im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens, gilt aber ebenso für die administrative Prüfung in Verfahren nach den §§ 6, 11 BauGB (a.F.) (vgl. BVerwG, Beschluss vom 3. Juni 1995 - 4 NB 11/95 -, NVwZ 1996, 374 <374 f.>).

Nach § 1 Abs. 6 BauGB, der auch für die Änderung von Bebauungsplänen gilt (s. § 2 Abs. 4 BauGB), sind bei der Aufstellung der Bauleitpläne die öffentlichen und die privaten Belange gegeneinander und untereinander gerecht abzuwägen. Die maßgeblichen Gesichtspunkte für die Abwägung ergeben sich aus der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12. Dezember 1969 (- IV C 105.66 -, BVerwGE 34, 301 <309>). Sie lassen sich wie folgt zusammenfassen: Eine sachgerechte Abwägung muss überhaupt stattfinden. In diese muss eingestellt werden, was nach Lage der Dinge in sie eingestellt werden muss. Dabei darf die Bedeutung der betroffenen privaten Belange nicht verkannt und muss der Ausgleich zwischen den von der Planung betroffenen öffentlichen Belangen in einer Weise vorgenommen werden, der zur objektiven Gewichtigkeit einzelner Belange im Verhältnis steht. Innerhalb des so gezogenen Rahmens wird das Abwägungsgebot nicht verletzt, wenn sich die Gemeinde in der Kollision zwischen verschiedenen Belangen für die Bevorzugung des einen und damit notwendig für die Zurückstellung eines anderen entscheidet. Für den Fall der Planänderung hat der Senat zwar Zweifel, ob der vom (ehemaligen) 6. Senat des Nds. OVG und im Anschluss daran vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung in vollem Umfang zu folgen ist, regelmäßig müssten dann besonders hoch zu veranschlagende öffentliche Interessen vorliegen, da den vertrauensgeschützten Positionen ein ihrerseits "sehr hohes" Gewicht zukomme (Urteil vom 6. Dezember 1989 - 6 K 16, 21/89 - NVwZ 1990, 576 <577>). Das kann aber letztendlich offen bleiben. Denn jedenfalls kann eine Gemeinde im Falle einer (teilweisen) Planänderung ihr Planungsermessen nicht mehr so frei ausüben wie bei der Neuaufstellung eines Bebauungsplans, weil das Vertrauen eines Betroffenen in die bisherigen Festsetzungen grundsätzlich um so schutzwürdiger und stärker zu gewichten ist, je weiter sie realisiert worden sind (vgl. Urteil des Senats vom 27. August 2001 - 1 K 2089/00 -, V.n.b.).

Der Bebauungsplan Nr. 96 erfasst zwar zum Teil bisher nicht beplante Flächen. Im südlichen Teil seines Geltungsbereichs soll aber insbesondere westlich der A.-B.-Str. das bisher im Bebauungsplan Nr. 25 festgesetzte Industriegebiet (GI) unter Einschluss des schon bisher als Gewerbegebiet (GE) festgesetzten Bereichs geändert werden in ein aus 13 Teilflächen gegliedertes Gewerbegebiet. Außerdem soll östlich der A.-B.-Str. der bisher als Gewerbegebiet (GE) festgesetzte Bereich in ein Mischgebiet (MI) umgewandelt werden. Die Klägerin kann sich in diesem Zusammenhang nicht darauf berufen, dass der Bebauungsplan Nr. 25 nichtig ist. Dabei kann offen bleiben, ob die Begründung des Bebauungsplans unvollständig ist, weil dies gemäß den §§ 233 Abs. 2, 214 Abs. 1 Nr. 2 2. Halbs. BauGB unbeachtlich wäre. Des Weiteren kann dahin gestellt bleiben, ob der Bebauungsplan Nr. 25 an einem Abwägungsmangel litt. In der allgemeinen Übergangsvorschrift des § 233 Abs. 1 Satz 1 BauGB ist § 244 Abs. 2 BauGB a.F. als frühere speziellere Übergangsvorschrift inhaltlich in ihrem bisherigen Geltungsbereich mit erfasst (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. November 1998 - 4 BN 50/98 -, NVwZ-RR 1999, 424 <424>). Gemäß § 244 Abs. 2 Satz 1 BauGB a.F. sind Mängel der Abwägung von Satzungen, die - wie hier - vor dem 1. Juli 1987 bekannt gemacht worden sind, unbeachtlich, wenn sie nicht innerhalb von 7 Jahren nach dem 1. Juli 1987 schriftlich gegenüber der Gemeinde geltend gemacht worden sind, wobei der Sachverhalt, der die Mängel begründen sollte, darzulegen war. Es ist weder erkennbar noch von der Klägerin vorgetragen worden, dass diese Voraussetzungen hinsichtlich des Bebauungsplans Nr. 25 erfüllt sind. Dabei hatte die Hinweispflicht gemäß § 244 Abs. 2 Satz 2 BauGB lediglich eine deklaratorische Bedeutung (vgl. BVerwG, Beschluss vom 8. Mai 1995 - 4 NB 16/95 - NVwZ 1996, 372 <373>).

Ein Abwägungsmangel besteht darin, dass die Klägerin den Interessen der Fa. E. am Fortbestand und der Entwicklung ihres Abfallbehandlungsbetriebes nicht ausreichend Rechnung getragen hat. Sie hat die Voraussetzungen des § 1 Abs. 10 BauNVO verkannt hat mit der Folge, dass die von ihr getroffene entsprechende Festsetzung bezüglich der das Betriebsgelände der Firma E. erfassenden GewerbeflächeGE13rechtswidrig ist und damit den vorhandenen, entwickelten Industriegebietsnutzungen imGE13der "eigentumsrechtliche und bauliche Bestandsschutz" (vgl. Begründung S. 36) entzogen wird. Durch die Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO sollte den bestehenden Anlagen nämlich die im Plan festgesetzten Entwicklungsmöglichkeiten im Rahmen einer Ausnahmeregelung gegeben werden.

Nach § 1 Abs. 10 BauNVO kann im Bebauungsplan, wenn bei der Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 BauNVO in überwiegend bebauten Gebieten bestimmte vorhandene bauliche und sonstigen Anlagen unzulässig wären, festgesetzt werden, dass Erweiterungen, Änderungen, Nutzungsänderungen und Erneuerungen dieser Anlagen allgemein zulässig sind oder ausnahmsweise zugelassen werden können (Satz 1). Ferner gelten diese Bestimmungen auch für die Änderung von Bebauungsplänen (Satz 4). § 1 Abs. 10 BauNVO steht in einem sachlichen Zusammenhang mit  § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 4 BauGB, wonach es zu den Aufgaben der Bauleitplanung gehört, vorhandene Ortsteile zu erhalten, zu erneuern und fortzuentwickeln. Die Vorschrift ermöglicht eine am Bestand orientierte Planung und schafft insbesondere für Gewerbebetriebe Planungs- und Investitionssicherheit. Sie beruht auf der Erwägung, dass die Baugebietsvorschriften der BauNVO trotz der Differenzierungsmöglichkeiten, die § 1 Abs. 4 - 9 BauNVO bieten, nicht in allen Fällen Planungsergebnisse gewährleisten, die den Belangen der Betroffenen angemessen Rechnung tragen.  § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO erweitert den Kreis der Anlagen, die nach den  §§ 2 - 9 BauNVO zulässig sind oder im Wege der Ausnahme zugelassen werden können. Seine Anwendung setzt die Festsetzung eines Baugebiets voraus, die zur Unzulässigkeit der Anlage führt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai. 1999 - 4 BN 15/99 -, NVwZ 1999, 1338 <1340>; Fickert/Fieseler, BauNVO, Komm., 9. Aufl. 1998, § 1 Rdnr. 131; Ziegler in: Brügelmann, BauNVO, Komm., Stand: Febr. 2001, § 1 Rdnr. 399 f.). Dabei dient die Norm in erster Linie zur Standortsicherung von nicht gebietstypischen Gewerbebetrieben, um die Gemengelagenproblematik zu lösen. Sie bietet die Rechtsgrundlage für einen durch Planung zu ermöglichenden erweiterten "Bestandsschutz für Fremdkörper" in einem andersartigen Baugebiet. Hiervon ausgehend setzt § 1 Abs. 10 BauNVO (i. d. R. genehmigte) "vorhandene bauliche und sonstigen Anlagen" voraus, die im Verhältnis zur Größe des Baugebiets kleinere "Einsprengsel" von geringerem Flächenumfang darstellen. Größere Anlagen mit erheblichem Umfang wie zusammenhängende Industrieflächen erfordern dagegen regelmäßig die Festsetzung eines eigenen Baugebiets (vgl. Fickert/Fieseler, a.a.O., Rdnr. 130 ff. <130, 132, 136 und 139>).

Gemessen an diesem Maßstab kann offen bleiben, wie die Tatbestandsmerkmale "Festsetzung eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9 BauNVO" und "in überwiegend bebauten Gebieten" zu bestimmen sind. Denn unabhängig davon ist die Festsetzung gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO rechtswidrig. Der Senat hat mit Beschluss vom 4. August 2000 (- 1 M 681/00 -, veröff. in JURIS) in einem auf einstweiligen Rechtsschutz gerichteten Normenkontrollverfahren die Auffassung vertreten, nach dem klaren Wortlaut des § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO komme eine dem Schutz eines vorhandenen, städtebaulich an sich unzulässigen Gewerbebetriebs dienende Festsetzung nur in "überwiegend bebauten Gebieten" in Betracht. Erforderlich sei also, dass zumindest die gesamte Fläche des Baugebiets überwiegend bebaut sein müsse, das fragliche Gebiet jedoch über die Grenzen des Baugebiets hinausgehen könne (vgl. auch Fickert/Fieseler, a.a.O., Rdnr. 138; König/Röser/Stock, BauNVO, Erläuterung, 1999, § 1 Rdnr. 102; Ziegler, a.a.O., Rdnr. 402: "Gebiet" sei das Baugebiet, um dessen Festsetzung es gehe). Hiervon ausgehend wäre das Baugebiet, wenn man auf das aus 13 Teilflächen bestehende Gewerbegebiet abstellt, nicht überwiegend bebaut, wie sich unschwer schon dem Bebauungsplan Nr. 96 entnehmen lässt. Lediglich im südlichen Bereich befinden sich insbesondere die baulichen Anlagen der Firma E. und einige weitere Gebäude. Dabei spricht für eine derartige Bestimmung des Baugebiets auch die Formulierung "eines Baugebiets nach den §§ 2 bis 9". Ob an dieser Rechtsprechung im Hinblick auf die Überplanung eines bebauten Gebiets unter Einbeziehung bisher unbeplanter Flächen jedoch uneingeschränkt festzuhalten ist, unterliegt gewissen Zweifeln, weil es einer Gemeinde jedenfalls bei der Überplanung großer Flächen ohne weiteres möglich wäre, durch die Begrenzung des Bebauungsplans auf das bebaute Gebiet und die gleichzeitige Aufstellung eines weiteren Bebauungsplans für die benachbarten unbebauten Flächen die Voraussetzungen des § 1 Abs. 10 BauNVO zu erfüllen. Dann aber erscheint es jedenfalls zweifelhaft, ob mit der gängigen Formulierung (auch der Kommentarliteratur) die gesamte Fläche des festgesetzten Baugebiets überwiegend bebaut sein muss.

Würde man dagegen als "Baugebiet" i.S.v. § 1 Abs. 10 Satz 1 BauNVO lediglich das bisher festgesetzte Industriegebiet oder die nunmehr alsGE13  festgesetzte Fläche in den Blick nehmen, wäre das Baugebiet zwar überwiegend bebaut. Gleichwohl wäre die Festsetzung gemäß § 1 Abs. 10 BauNVO auch in diesem Fall unzulässig, weil die "bestimmte(n), vorhandene(n) baulichen und sonstige(n) Anlagen" sich nicht auf den Umfang einer nicht gebietstypischen Nutzung in einem andersartigen Baugebiet beschränken, sondern nach Umfang und Ausdehnung bereits die Größe und Bedeutung eines Baugebiets erreichen. Die bestandssichernde, anlagenbezogene Planung i. S. des § 1 Abs. 10 BauNVO ist auf einzelne nicht gebietstypische Nutzungen in einem andersartigen Umfeld beschränkt, und erlaubt es nicht ganze Baugebiete auf den Zulässigkeitsmaßstab des § 1 Abs. 10 BauNVO "einzufrieren", in dem sie in den Zusammenhang eines noch größeren Gebiets gestellt werden. So aber liegt es hier. Die Fläche als GE 13 hat eine Ausdehnung in Ost-West-Richtung an der Straße "Am Kanal" von ca. 250 m und in Nord-Süd-Richtung von ca. 100 m bis 180 m. Die ca. 4,4 hat große Fläche wird - wie die Ortsbesichtigung bestätigt hat - durch die umfangreichen Baulichkeiten der Fa. E. - vom ca. 1800 m² großen aufgeständerten Biofilter bis hin zum Hochregallager - industriell geprägt und geht damit nach Umfang und prägender Kraft weit über eine nicht gebietstypische Nutzung hinaus.

Die unzutreffende Festsetzung nach § 1 Abs. 10 BauNVO hat schon deshalb unmittelbare Auswirkungen auf die von der Klägerin vorgenommene Abwägung, weil sich dem bereits dargestellten Auszug aus der Begründung (S. 36) entnehmen lässt, dass diese Festsetzung für die Klägerin bei der Abwägung von erheblicher Bedeutung war. Sie geht - ebenso wie der Beklagte - zutreffend davon aus, dass die Anlage der Firma E. in einem Gewerbegebiet planungsrechtlich nicht zulässig wäre. Denn es handelt sich, was keiner näheren Begründung bedarf, nicht um einen nicht erheblich belästigenden Gewerbebetrieb i.S.v. § 8 Abs. 1 BauNVO (vgl. Beschluss des Senats vom 31. Oktober 2000 - 1 L 1090/00 -, V.n.b.). Der Umstand, auf der Grundlage der bisherigen Planung von der Möglichkeit des § 1 Abs. 10 BauNVO nicht Gebrauch machen zu können, würde für die Firma E. bedeuten, dass sie - im Rahmen des herkömmlichen Bestandschutzes - im Wesentlichen lediglich Reparatur- und Erhaltungsmaßnahmen vornehmen könnte (vgl. BVerwG, Beschluss vom 11. Mai 1999, a.a.O.). Damit werden die Interessen der Firma E., deren Anlage nach den bisher gültigen Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 25 planungsrechtlich zulässig ist, nicht in ausreichendem Maße berücksichtigt. Die Fa. E. hat sich auf der Grundlage des Bebauungsplanes Nr. 25 angesiedelt und hat im Vertrauen auf die Festsetzung des Industriegebietes hohe Investitionen getätigt, die der Beklagte mit mehr als 100 Millionen DM beziffert hat. Dieses Vertrauen ist schutzwürdig. Dies ist nach der Begründung des Bebauungsplans offenbar auch die Auffassung der Klägerin. Schon dieser Verstoß gegen das Abwägungsgebot begründet die Rechtmäßigkeit des Bescheides.

Der Klägerin ist ferner - ebenfalls selbst tragend - die Abwägung im Zusammenhang mit der Festsetzung der GewerbeflächeGE13einerseits  und der erstmaligen Festsetzung des Mischgebiets unmittelbar östlich der A.-B.-Str. andererseits deshalb misslungen, weil sie der Wohnbebauung östlich der A.-B.-Str. unter Berücksichtigung der besonders schutzwürdigen Interessen der Firma E. ein zu großes Gewicht beigemessen hat. Zur Überplanung des bisher unmittelbar östlich der A.-B.-Str. festgesetzten Gewerbegebietes heißt es in der Begründung (S. 38) zwar, das gewerbliche Baugebiet sowie das östlich daran angrenzende Mischgebiet - dessen Festsetzung übrigens nicht zu beanstanden ist - seien nahezu vollständig entwickelt und stellten sich vom Charakter ihrer Nutzung her inzwischen als zusammenhängend bebaut dar. In dem ursprünglich als Gewerbegebiet ausgewiesenen Bereich habe das früher nur an die Betriebe gebundene Wohnen sich eigenständig entwickelt und die überwiegende Mehrzahl der Bauflächen in Anspruch genommen. Die potenziellen Nutzungsmöglichkeiten der baulichen Anlagen und Grundstücke sowie vorhandene Gewerbebetriebe ließen die Ausweisung eines Mischgebiets nach § 6 BauNVO anstelle des Gewerbegebiets gemäß § 8 BauNVO städtebaulich geboten erscheinen. Die Entwicklung vom Gewerbegebiet zu einem auch durch allgemeines Wohnen geprägten Gebiet östlich der A.-B.-Str. - drei Grundstücke - hat die Ortsbesichtigung bestätigt. Die Klägerin hat aber nicht ausreichend berücksichtigt, dass die Wohnnutzung nach den bisherigen Festsetzungen formell und materiell illegal war (und ist). Gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO 1968 können nur ausnahmsweise Wohnungen für Aufsichts- und Bereitschaftspersonen sowie für Betriebsinhaber und Betriebsleiter zugelassen werden. Jeder Wechsel von einer betriebsbezogenen zu einer allgemeinen Wohnnutzung in Gewerbegebieten stellt wegen der Erkenntnis, dass die Immissionsbelastung im Gewerbegebiet den allgemeinen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse (s. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 1 BauGB) nicht immer gerecht wird, eine genehmigungspflichtige Nutzungsänderung dar (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. März 1983 - 4 C 67.78 -, BRS 40 Nr. 56, S. 135 <136, 138>; Stock in König/Röser/Stock, a.a.O., § 8 Rdnr. 40 f.). Der Beklagte hat die Nutzungsänderungen zu allgemeiner Wohnnutzung nicht durch Baugenehmigungen legalisiert. Hätte die Klägerin den Gesichtspunkt der Illegalität berücksichtigt, hätte dies zwangsläufig zu einer geringeren Gewichtung der tatsächlichen Wohnnutzung auf drei Grundstücken führen müssen mit der Folge, dass die Klägerin die bisher als Gewerbegebiet festgesetzte Fläche östlich der A.-B.-Str. nicht zu Lasten der bisher als Industriegebiet festgesetzten Betriebsfläche der Fa. E. in ein Mischgebiet hätte ändern dürfen. Denn den besonders schutzwürdigen Interessen der Firma E., die in der Vergangenheit aufgrund einer erlaubten Nutzung viele Millionen DM in den Standort investierte, steht nur eine ungenehmigte Wohnnutzung auf wenigen Grundstücken gegenüber.

Das "Entwicklungsinteresse" der Firma E. lässt sich entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht unter Hinweis auf den Bedarf an Gewerbeflächen überwinden. Die Klägerin hat in der Begründung zwar dargelegt, Anlass zur Aufstellung des Bebauungsplans Nr. 96 sei gewesen, dass der qualitative und quantitative Bedarf an Gewerbeflächen mittelfristig nicht abzudecken sei. Nach dem "Gutachten für eine Bedarfs- und Zielgruppenanalyse des Gewerbe- und Industriegebiets im Ortsteil E. der Stadt Bramsche" ergebe sich in den nächsten 10 Jahren ein geschätzter Bedarf an "gewerblichen Bauflächen" von rund 30 bis 40 ha. Sie verfolge das Ziel, bereits bestehende gewerbliche Standorte weiter zu entwickeln, um für ansiedlungswillige Unternehmen Bauflächen zu schaffen. Gleichzeitig sollten die vorhandenen gewerblichen Standorte städtebaulich geordnet und einer zeitgemäßen gewerblichen Nutzung zugeführt werden. Diese Ziele seien am Standort A. umsetzbar (S. 24 f.). An anderer Stelle ist von fehlenden gewerblichen Nettobauflächen von 55 bis 70 ha die Rede (S. 32). Ferner wird in der Begründung sinngemäß ausgeführt, inzwischen habe sich der damals erkennbare Bedarf an Industriegebietsflächen reduziert und die Ansiedlung von Gewerbebetrieben sei statt dessen in den Vordergrund gerückt. Für die seinerzeit festgesetzten Industriegebiete bedeute dies, dass sie nur zu einem geringen Teil tatsächlich entsprechend ihrer Ausweisung genutzt würden. Weit überwiegend stellten sich die Flächen heute als fast vollständig entwickelte Gewerbegebiete gemäß § 8 BauNVO dar. Über die im Plangebiet des Bebauungsplans Nr. 25 bereits vollzogenen Gewerbeansiedlungen hinaus bestehe ein großer Bedarf an gewerblichen Bauflächen. Ihre Vorgehensweise werde durch das "Gutachten für eine Bedarfs- und Zielgruppenanalyse des Gewerbe- und Industriegebiets im Ortsteil E. der Stadt Bramsche" unterstützt (S. 33 f.).

Soweit die Klägerin sich auf das genannte Gutachten (vom 15. Juni 1995) stützt, ist es zwar zutreffend, dass es dort heißt (s. S. 17 des Gutachtens), wesentliche Bedeutung für eine künftige zielgruppenorientierte Neuansiedlungspolitik einerseits und die Schaffung optimaler Entwicklungsmöglichkeiten für die ansässigen Unternehmer andererseits hätten daher die geplanten Erweiterungsflächen in den Ortsteilen A. und E. (s. S.  34 der Planbegründung, vorletzter Absatz). Hervorzuheben ist jedoch, dass es unmittelbar danach in dem genannten Gutachten heißt, vor allem böten diese Gebiete von ihrer Lage und ihrem Charakter her optimale Voraussetzungen, "auch für größere Industriebetriebe". Diese Aussage wird in der Begründung jedoch ebenso "verschwiegen" (s. S. 34, a.a.O.) wie der Hinweis, auch schon die Überlegungen im Rahmen der Bedarfsprognose hätten zu dem Ergebnis geführt, dass für die weitere wirtschaftliche Entwicklung der Klägerin vorrangig Industriegebietsflächen (GI) notwendig seien. Auch bei der Zielgruppenanalyse habe sich gezeigt, dass die für die Neuansiedlungspolitik erfolgversprechendsten Branchen bzw. Unternehmens-Kategorien weitestgehend GI-Flächen benötigten. Im Übrigen ist - abweichend von der oben bereits wieder gegebenen Aussage in der Planbegründung (S. 24 f.) - im Gutachten von einem Bedarf an Gewerbe- und Industrieflächen  von rund 30 - 40 ha die Rede (S. 52 des Gutachtens). Hinzu kommt, dass dies auch nicht im Widerspruch zum Gewerbeflächenentwicklungskonzept für den Landkreis Osnabrück vom 6. September 1995 steht. Dort wird vielmehr u.a. hinsichtlich der Wirtschaftsstruktur der Klägerin ausgeführt, das produzierende Gewerbe habe eine überdurchschnittliche Bedeutung und es handele sich um einen großen Industriestandort (4. Rang im Landkreis) (Bd. 1, S. 40). Das Angebot an Flächen für industrielle Nutzung (GI-Flächen) sei ausgesprochen gering und der Bedeutung des "Industriestandortes Landkreis Osnabrück" nicht angemessen (S. 65). Außerdem ist zu berücksichtigen, dass gerade im bisher festgesetzten Industriegebiet im Geltungsbereich des Bebauungsplans Nr. 25 ein Bedarf an Industrieflächen besteht. Die Klägerin teilte schon mit Schreiben vom 6. Februar 1995 mit, dass sie auf der Grundlage der Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 25 die Errichtung und den Betrieb einer Anlage zur "thermischen Restabfallbehandlung", die von Nr. 8.1, Spalte 1 des Anhangs zur 4. BImSchV erfasst werde, beabsichtige. Bereits am 7. Juni 1994 sei die Unterrichtung der Genehmigungsbehörde über das geplante Vorhaben erfolgt. Außerdem wies der Beklagte mit Schreiben vom 13. Februar 1996 darauf hin, dass der Antrag zur Errichtung und zum Betrieb einer Müllverbrennungsanlage seinem abfallwirtschaftlichen Interesse entgegenkomme. Die Verschärfung der Festsetzungen führe dazu, dass insgesamt für den Investor/Betreiber die Errichtung und der Betrieb einer thermischen Restabfallbehandlungsanlage unwirtschaftlich werden könnte. Den Plänen könne daher nicht zugestimmt werden (s. auch Stellungnahme des Beklagten vom 2. Oktober 1996). Dabei ist zu beachten, dass auch die Belange der Abfallentsorgung bei der Aufstellung/Änderung eines Bebauungsplans zu berücksichtigen sind (s. § 1 Abs. 5 Satz 2 Nr. 8 BauGB). Des Weiteren wies auch die IHK Osnabrück-Emsland in ihrer Stellungnahme vom 15. Oktober 1996 im Verfahren zur 29. Änderung des Flächennutzungsplans darauf hin, dass ein ausreichend großes Angebot industrieller Flächen in verkehrsgünstiger Lage ein wichtiger Standortvorteil und eine Anlage zur Behandlung von Abfällen nur im Industriegebiet zulässig sei. Diese Stellungnahmen/Aussagen hat die Klägerin nicht in ausreichendem Maße gewichtet.

Offen bleiben kann nach alledem, ob der Beklagte auch zu Recht beanstandet hat, dass die gutachterliche Stellungnahme zur Überprüfung der Geruchsemissionssituation durch den Betrieb der Firma E. (Bericht Nr. 1622 013 496) vom 16. August 1996 auf falschen Berechnungsgrundlagen beruht (Nr. 3), was unmittelbar zur Folge hätte, dass die Festsetzung der Geruchskontingente im Bebauungsplan (s. auch Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen) rechtswidrig wäre. Zwar ergaben olfaktometrische Messungen am 14. und 16. Dezember 1998 im Reingas der Biofilteranlage eine mittlere Geruchsstoffkonzentration von 268 GE/m³ (s. Bericht des RWTÜV v. 12. Januar 1999) und das Staatliche Gewerbeaufsichtsamt Osnabrück führte hierzu unter dem 6. August 2001 aus, zum Zeitpunkt der Messung sei die Biofilteranlage mit einem Abluftstrom von ca. 131.000 m³/h beaufschlagt worden, woraus sich ein Geruchsmassenstrom von 35,1 MGE/h errechne. Bei voller Auslastung der Biofilteranlage und einer unveränderten Geruchsstoffkonzentration würde sich ein Geruchsmassenstrom von 53,6 MGE/h ergeben. Dagegen ist im Bebauungsplan lediglich ein Wert von 17,8 MGE/h für die GewerbeflächeGE13festgesetzt worden. Die Klägerin hat jedoch geltend gemacht, der Biofilter sei nicht ausreichend funktionsfähig und die geruchsbeladene Abluft sei im Filterbett nicht ausreichend gereinigt worden. Dieses Vorbringen war ohne die Einholung eines Sachverständigengutachtens nicht überprüfbar.

Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin Biofiltergerüche bereits im unmittelbaren Nahbereich häufig nicht mehr feststellbar seien, wenn der Biofilter ordnungsgemäß betrieben werde. Nur bei Abständen von weniger als 100 m könne nicht ausgeschlossen werden, dass erkennbare Biofiltergerüche aufträten. Dann aber dürfte sich die Frage stellen, ob die Festsetzung von Geruchseinheiten im Bebauungsplan (s. auch Nr. 1.2 der textlichen Festsetzungen) überhaupt erforderlich ist. Sie kann aber ebenso offen bleiben wie die weitere Frage, ob eine derartige Festsetzung entsprechend denjenigen flächenbezogener Schallleistungspegel zur Gliederung von Baugebieten nach § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 BauNVO zulässig ist (vgl. Gierke, NdsVBl. 2001, 201 <215>, der darauf hinweist, dass zur Zeit mit Fachleuten diskutiert werde, wie eine solche Festsetzung bei Geruchsemissionen zu definieren wäre; zur Rechtsgrundlage für die Festsetzung flächenbezogener Schallleistungspegel: BVerwG, Beschluss vom 18. Dezember 1990 - 4 N 6/88 -, NVwZ 1991, 881 <882>).

Außerdem kann dahin gestellt bleiben, welche Auswirkungen der Umstand hat, dass in der gutachterlichen Stellungnahme zur Sicherstellung des vorbeugenden Immissionsschutzes (Geruchsimmissionen) eine Quellhöhe von 15 m für die GewerbeflächeGE10angenommen wurde (s. Bericht Nr. 1622003494, S. 15). In der Begründung zum Bebauungsplan wird ausgeführt, die Rahmenbedingungen würden aus den Festsetzungen des Bebauungsplans abgeleitet werden, wobei sie sich jeweils an den entsprechenden Baunutzungszahlen (z.B. zulässige Gebäudehöhe, Baumassenzahl, überbaubare Grundfläche) orientierten. Hiervon ausgehend hätte jedoch möglicherweise für die GewerbeflächeGE10eine Quellhöhe von 30 m angenommen werden müssen, weil dies der Festsetzung im Bebauungsplan entspricht (30 m OK).

Der Senat konnte ferner von der Überprüfung absehen, ob der Beklagte zu Recht beanstandete, dass eine umfassende Bestandserhebung hinsichtlich der Lärmimmissionen nicht vorgenommen worden sei. Hinzuweisen ist allerdings darauf, dass die Vorbelastungsmessungen des von der Klägerin beauftragten Gutachters nicht hinreichend aussagekräftig gewesen sein dürften. Nach dem nachträglich vorgelegten Gutachten zu der Geräuschsituation in der Nachbarschaft der Firma D. in Bramsche-A. (Bericht Nr. 1622 020 298) vom 3. Juni 1998 wurde die Messung am 7. Mai 1998 lediglich in der Zeit von 22.30 Uhr bis 24.00 Uhr durchgeführt. Vielmehr wären wohl Messungen über einen längeren Zeitraum erforderlich gewesen wie sie vom Niedersächsische Landesamt für Ökologie (NLÖ) durchgeführt wurden. Offen bleiben konnte indes, ob dessen Stellungnahmen zur Summe aus Vorbelastung und Zusatzbelastung, die sich unter Zugrundelegung der vom Niedersächsische Landesamt vorgeschlagenen Gliederung innerhalb des Bebauungsplans Nr. 96 mit Hilfe von flächenbezogenen Schallleistungspegeln ergeben soll, in vollem Umfang aussagekräftig sind. Nach dem Schreiben vom 4. November 1998 betrugen die mittleren Langzeitpegel in den Werktagsnächten an den Häusern A.-B.-Str. 2 (APK, 27.8. bis 1.10.1998) 43,8 dB, R weg 1 A (APH, 9.9. bis 7.10.1998) 37,8 dB und Fürstenauer Damm 1 (APL, 1.10. bis 19.10.1998) 37,0 dB. Diese Werte sind nach Ansicht des NLÖ als repräsentativ für die Vorbelastung durch die vorhandenen Gewerbebetriebe heranzuziehen. Die Auswertung der Frequenzanalysen durch das NLÖ ergibt, dass die Vorbelastung in der Nachtzeit sowohl am APK als auch am APH auf die konstant und kontinuierlich emittierenden Quellen der Firma D. zurückzuführen ist. Die Summe aus Vorbelastung und Zusatzbelastung, die sich unter Zugrundelegung der vorgeschlagenen Gliederung innerhalb des Bebauungsplans Nr. 96 mit Hilfe von flächenbezogenen Schallleistungspegeln ergebe, beträgt danach am APK theoretisch maximal bei voller Belegung aller Teilflächen des Bebauungsplans Nr. 96 ungefähr 47 dB in der Nachtzeit. Ob der Einwand der Klägerin, bei der Ermittlung der Vorbelastung sei die Firma E. bereits berücksichtigt worden und dürfe daher bei der Zusatzbelastung nicht erneut berücksichtigt werden, durchgreift, bedarf keiner abschließenden Prüfung.

Im Übrigen hätte es sich auf die Festsetzung der flächenbezogenen Schallleistungspegel für die Tag- und Nachtzeit ausgewirkt, wenn die Klägerin das Gewerbegebiet östlich der A.-B.-Str. aus den o.g. Gründen nicht als Mischgebiet festgesetzt hätte. Denn dann wären Immissionsrichtwerte von 65 dB(A)/50 dB(A) tags/nachts statt 60 dB(A)/45 dB(A) zu berücksichtigen gewesen (s. Nr. 6.1 lit. b) und c) TA Lärm).