Niedersächsisches OVG, Urteil vom 30.05.2001 - 11 K 4333/00
Fundstelle
openJur 2012, 36976
  • Rkr:

1. Die Verordnungs-Generalklausel des § 55 NGefAG stellt eine tragfähige Ermächtigungsgrundlage für den Erlass der GefTVO dar.

2. Die Annahme der abstrakten Gefährlichkeit von Hunden der Rassen Dobermann und Rottweiler sowie von Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen vor dem Hintergrund der Beteiligung solcher Hunde an schweren Beißzwischenfällen ist zwar für sich gesehen von der Einschätzungsprärogative des Verordnungsgebers gedeckt. Stellt der Verordnungsgeber aber auf den Gesichtspunkt der Schadensauffälligkeit ab, so ist er wegen des Gleichheitssatzes des Art. 3 Abs. 1 GG mit Blick auf die vorliegenden sog. Beißstatistiken und Stellungnahmen im fachwissenschaftlichen Schrifttum aber gehalten, auch in gleicher Weise hervorgetretene Hunde anderer anerkannter Schutzhunderassen, insbesondere die Deutschen Schäferhunde, in das Regelungsregime des § 2 GefTVO einzubeziehen.

Tatbestand

Die Antragsteller wenden sich mit ihren Normenkontrollanträgen gegen die vom Niedersächsischen Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Innenministerium erlassene Gefahrtier-Verordnung vom 5. Juli 2000 (Nds.GVBl. S. 149).

Die Antragsteller halten Hunde der Rasse Rottweiler. Die Antragstellerin zu 1) ist als Inhaberin des Zwingers "vom H." Züchterin im Allgemeinen Deutschen Rottweiler Klub e.V. (ADRK); sie hält drei Rottweilerhündinnen, von denen ein Tier zu Zuchtzwecken verwendet wird. Ihr Ehemann, der Antragsteller zu 2), ist Diensthundeführer, Leistungsrichter und Ausbildungsleiter im Polizeidiensthundewesen in Niedersachsen. Der Antragsteller zu 3), ebenfalls Mitglied im ADRK, hält zwei Rottweilerrüden und nimmt verschiedene Vereinsämter wahr. Der Antragsteller zu 4) ist Funktionsträger im niedersächsischen Polizeidiensthundewesen und derzeit Halter einer Rottweilerhündin.

Die als "Verordnung über das Halten gefährlicher Tiere (Gefahrtier-Verordnung -- GefTVO --)" bezeichnete angegriffene Verordnung hat -- soweit hier von Interesse (die §§ 3, 4 und 5 Abs. 1 betreffen die Haltung von Wildtieren, § 6 normiert Ordnungswidrigkeitstatbestände, § 7 das Inkrafttreten der Verordnung) -- folgenden Wortlaut:

"§ 1

(1) Es ist verboten, nicht gewerblich

1.  Hunde der Rassen Bullterrier und American Staffordshire Terrier,

2.  Hunde des Typs Pit Bull Terrier und

3.  Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen oder dieses Typs zu halten, zu züchten oder zu vermehren.

(2) Der Landkreis oder die kreisfreie Stadt erteilt für die Haltung von Hunden nach Absatz 1, die bei In-Kraft-Treten dieser Verordnung vorhanden waren, eine schriftliche Ausnahmegenehmigung, wenn

1.  die Tierhalterin oder der Tierhalter die Fähigkeit des Hundes zu sozialem Verhalten durch einen Wesenstest vor einer von dem Landkreis oder der kreisfreien Stadt benannten sachverständigen Person oder Stelle nachgewiesen hat,

2.  durch die Haltung dieses Hundes im Einzelfall keine Gefahr für Dritte entsteht und

3.  die Tierhalterin oder der Tierhalter über die persönliche Eignung zur Haltung des Hundes, die auch durch Vorlage eines Führungszeugnisses (Auszug aus dem Bundeszentralregister) nachzuweisen ist, und die notwendige Sachkunde verfügt.

(3) Hunde, die dem Wesenstest nach Absatz 2 Nr. 1 unterzogen worden sind, sind nach Anordnung des Landkreises oder der kreisfreien Stadt leicht erkennbar und dauerhaft zu kennzeichnen.

(4) Hat der Hund den Wesenstest nach Absatz 2 Nr. 1 bestanden, so hat der Landkreis oder die kreisfreie Stadt der Tierhalterin oder dem Tierhalter aufzugeben, den Hund innerhalb einer bestimmten Frist unfruchtbar machen zu lassen.

(5) Wird der Wesenstest nicht bestanden, weil ein außergewöhnliches Aggressionspotential zu erkennen ist, durch das eine erhebliche Gefahr für Menschen besteht, so hat der Landkreis oder die kreisfreie Stadt die Tötung des Hundes anzuordnen.

(6) Die Tierhalterin oder der Tierhalter darf Hunde nach Absatz 1 außerhalb einer Privatwohnung oder eines ausbruchsicheren Grundstücks nur persönlich führen oder eine Person, die eine Bescheinigung des Landkreises oder der kreisfreien Stadt über die notwendige Sachkunde besitzt, damit beauftragen. Beim Führen des Hundes außerhalb einer Privatwohnung oder eines ausbruchsicheren Grundstücks ist dieser anzuleinen und mit einem Maulkorb zu versehen. Außerdem ist die Ausnahmegenehmigung mitzuführen und auf Verlangen berechtigten Personen oder Stellen vorzuzeigen und zur Prüfung auszuhändigen. Die beauftragte Person hat zusätzlich ihre Bescheinigung über die Sachkunde mitzuführen und ebenso vorzuzeigen und zur Prüfung auszuhändigen.

(7) Die Kosten des Wesenstest, des Eignungs- und des Sachkundenachweises nach Absatz 2, der Kennzeichnung nach Absatz 3 und der Unfruchtbarmachung nach Absatz 4 oder der Tötung nach Absatz 5 trägt die Tierhalterin oder der Tierhalter.

§ 2

(1) Wer nicht gewerblich einen in der Anlage 1 aufgeführten Hund hält, hat diesen außerhalb einer Privatwohnung oder eines ausbruchsicheren Grundstücks stets mit Maulkorb versehen und angeleint zu führen.

(2) Der Landkreis oder die kreisfreie Stadt kann vom Gebot des Absatzes 1 Ausnahmen in entsprechender Anwendung des § 1 Abs. 2 genehmigen; § 1 Abs. 3, 6 und 7 gilt entsprechend.

§ 5

(2) Bis zur Erteilung einer Genehmigung nach den §§ 1 oder 2 müssen die Hunde beim Verlassen einer Privatwohnung oder eines ausbruchsicheren Grundstücks einen Maulkorb tragen und angeleint sein.

(3) Das Recht der Verwaltungsbehörden, allgemein durch Verordnung oder im Einzelfall weiter gehende Regelungen über den Umgang mit Hunden, auch hinsichtlich der in § 2 Abs. 1 und in der Anlage 1 genannten Tiere, zu treffen, bleibt unberührt.

Anlage 1 (zu § 2 Abs. 1)

Dem § 2 Abs. 1 unterfallen

1.  Bullmastiff,

2.  Dobermann,

3.  Dogo Argentino,

4.  Fila Brasileiro,

5.  Kaukasischer Owtscharka,

6.  Mastiff,

7.  Mastin Espanol,

8.  Mastino Napoletano,

9.  Rottweiler,

10. Staffordshire Bullterrier,

11. Tosa-Inu und

12. Kreuzungen mit Hunden der Nummern 1 -- 11;

ausgenommen sind Hunde bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats und dienstlich geführte Hunde öffentlicher Stellen."

Hinsichtlich der von der Gefahrtier-Verordnung nicht erfassten gewerblichen Zucht und Haltung von Hunden hat das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten mit Erlass vom 6. Juli 2000 an die niedersächsische Bezirksregierungen verfügt:

"Neufassung der Gefahrtier-Verordnung (GefTVO); Regelungen für gewerbliche Hundezuchten und -haltungen

Durch die neu gefasste GefTVO vom 5. Juli 2000 (Nds. GVBl. S. 149) ist für die nicht gewerbliche Haltung, Zucht und Vermehrung der Bullterrier, American Staffordshire Terrier und Pit Bulls ein generelles Verbot ausgesprochen worden; für zum In-Kraft-Treten der Verordnung vorhandene Hunde dieser Rassen bzw. Typen ist übergangsweise die Möglichkeit zur Gewährung einer Ausnahme vorgesehen, die jedoch an bestimmte Voraussetzungen (u.a. Wesenstest für den Hund, Maulkorb- und Leinenzwang beim Verlassen der Wohnung bzw. des eigenen ausbruchsicheren Grundstücks, persönliche Eignung der Halterin oder des Halters und Beleg der Sachkunde) gebunden ist. Darüber hinaus ist für eine Anzahl von Hunden, die in der Anlage 1 der neuen Verordnung aufgeführt sind, ein genereller Maulkorb- und Leinenzwang festgelegt worden, von dem jedoch nach erfolgreich bestandenem Wesenstest Ausnahmen zugelassen werden können; ausgenommen sind ferner Welpen und Junghunde bis zur Vollendung des sechsten Lebensmonats und dienstlich geführte Hunde öffentlicher Stellen (insbesondere Polizei der Länder und des Bundes, DRK-Suchhunde).

Aus Gründen der öffentlichen Sicherheit muss auch für den von der GefTVO nicht direkt erfassten gewerblichen Bereich ein vergleichbarer Standard erreicht werden.

Aus diesem Grunde bitte ich, durch die zuständigen kommunalen Behörden die nach § 11 TierSchG erteilten Erlaubnisse durch Auflagen ergänzen zu lassen, durch die den Regelungen der §§ 1 und 2 GefTVO auch in diesen Hundezuchten und -haltungen Geltung verschafft wird."

Die Antragsteller haben am 15. Dezember 2000 die Gefahrtier-Verordnung beim Oberverwaltungsgericht im Wege der Normenkontrollklage angegriffen. Ihre Hunde haben einen Wesenstest bisher nicht abgelegt. Sie machen im Wesentlichen geltend:

Im Schrifttum werde mit beachtlichen Gründen die Auffassung vertreten (Caspar, DVBl. 2000, 1580, 1588 f.), dass unter den Aspekten des Gesetzesvorbehalts und des Bestimmtheitsgebots die für den Erlass der Gefahrtier-Verordnung in Anspruch genommene allgemeine gefahrenabwehrrechtliche Verordnungsermächtigung des § 55 Abs. 1 Nr. 4 NGefAG für die ausgesprochenen weitreichenden und differenzierten Reglementierungen zur Hundehaltung nicht als hinreichend angesehen werden könne. Die Regelungen der Verordnung seien außerdem gleichheitssatzwidrig, weil sie die gewerbsmäßige Zucht und Haltung von Hunden aussparten; die für diesen Bereich aufgrund des Erlasses vom 6. Juli 2000 aufgrund des Tierschutzgesetzes getroffenen Maßnahmen seien jedenfalls auf Dauer für eine Lückenfüllung nicht geeignet. Nach dem von ihm verfolgten Regelungskonzept sei es weiterhin gleichheitssatzwidrig, dass der Verordnungsgeber unter dem Gesichtspunkt von Schadensauffälligkeiten von den Schutzhunderassen nur die Rassen Dobermann und Rottweiler, insbesondere aber nicht die Rassen Deutscher Schäferhund, Doggen und Boxer in die sog. Kategorie 2 der Verordnung aufgenommen habe. Gerade die Schäferhunde seien auch unter Berücksichtigung ihrer großen Population nach den sog. Beißstatistiken an Schadensfällen überproportional beteiligt. Die vom Verordnungsgeber für die Nichtberücksichtigung der Schäferhunde angeführten Gründe (anerkannte Schutz- und Gebrauchshunderassen, die seit Jahrzehnten in Deutschland bei sorgfältiger Zuchtauswahl unter Einschluss der Schutzhundprüfung als Zuchtzulassungsvoraussetzung gezüchtet werden) träfen für die Zucht von Rottweilern im Rahmen des ADRK in gleicher Weise zu. Schließlich seien auch die Anforderungen der Verordnung an den Nachweis der Zuverlässigkeit -- hier insbesondere das Erfordernis der Vorlage eines Führungszeugnisses -- und an die Sachkunde der Hundehalter, zumal diese überwiegend nur in den Durchführungshinweisen vom 17. August 2000 zur Verordnung geregelt seien, rechtswidrig.

Die Antragsteller beantragen,

§ 2 Abs. 1 GefTVO i.V.m. Anlage 1 Nr. 9 für nichtig zu erklären, hilfsweise, § 2 Abs. 2 i.V.m. § 1 Abs. 2, 3 und 6 und § 5 Abs. 2 GefTVO für nichtig zu erklären.

Der Antragsgegner beantragt,

die Anträge zurückzuweisen.

Er erwidert: Die allgemeine Verordnungsermächtigung des § 55 Abs. 1 Nr. 4 NGefAG sei angesichts der Präzisierung des gefahrenabwehrrechtlichen Sprachgebrauchs in der Rechtsprechung nach Inhalt, Zweck und Ausmaß auch hinsichtlich der hier streitigen Reglementierungen ausreichend bestimmt und bedürfe keiner weiteren gesetzlichen Regelungen. Die Nichteinbeziehung des Bereichs der gewerbsmäßigen Zucht und Haltung von Hunden in die Regelungen der Gefahrtier-Verordnung habe weiterhin nicht zu Verstößen gegen den Gleichheitssatz geführt, da die gewerbsmäßigen Züchter und Halter den ihren aufgrund von § 11 TierSchG erteilten Erlaubnissen nachträglich beigefügten Auflagen gemäß dem Erlass vom 6. Juli 2000 nicht widersprochen hätten. Soweit es die Einbeziehung der Rassen Dobermann und Rottweiler in die Rassen der Kategorie 2 der Verordnung angehe, sei hinsichtlich der Rottweiler insbesondere der tödliche Angriff auf eine alte Dame durch eine Rottweiler-Hündin in Nordrhein-Westfalen im Frühjahr 2000 ausschlaggebend gewesen. Einer Einbeziehung von Schäferhunden in den Regelungsbereich der Verordnung habe wegen deren hoher Population auch der Gesichtspunkt der Praktikabilität entgegengestanden. Die in der Verordnung und in den Durchführungshinweisen verfügten Regelungen zum Zuverlässigkeits- und Sachkundenachweis von Hundehaltern hielten sich in dem ihm -- dem Verordnungsgeber -- zustehenden Gestaltungsspielraum.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und des vom Antragsgegner zur Akten Akte gereichten Materialordners Bezug genommen.

Gründe

Die Normenkontrollanträge der Antragsteller haben mit dem Hauptantrag Erfolg; einer Entscheidung über den Hilfsantrag bedarf es daher nicht.

1. Gegen die Zulässigkeit der Anträge bestehen keine Bedenken.

Bei der Gefahrtier-Verordnung handelt es sich um eine im Rang unter dem Landesgesetz stehende Rechtsvorschrift, für die der niedersächsische Landesgesetzgeber die Möglichkeit der verwaltungsgerichtlichen Normenkontrolle nach § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO gemäß § 7 Nds. VwGG zugelassen hat. Die Anträge der Antragsteller richten sich ferner nur gegen solche Vorschriften der Verordnung, deren Kontrolle der Gerichtsbarkeit des Oberverwaltungsgerichts unterliegt (vgl. zu dieser Voraussetzung etwa Kopp/Schenke, VwGO, 12. Aufl., Rdnr. 18 zu § 47 m.w.N.).

Die Antragsbefugnis der Antragsteller ist ebenfalls unproblematisch (§ 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Denn sie können als Eigentümer und Halter von Hunden der Rasse Rottweiler geltend machen, durch die angegriffenen, die Haltung ihrer Hunde betreffenden Reglementierungen der Gefahrtier-Verordnung in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1, Art. 3 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 GG verletzt zu werden.

2. In der Sache erweist sich der Hauptantrag, die Gefahrtier-Verordnung für nichtig zu erklären, soweit in den Regelungsbereich der Verordnung in Anlage 1 Nummer 9 zu § 2 Abs. 1 Hunde der Rasse Rottweiler einbezogen worden sind, als begründet. Diese Regelung ist mit höherrangigem Recht nicht vereinbar.

a) Allerdings durfte das Niedersächsische Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als zuständiges Fachministerium im Einvernehmen mit dem Niedersächsischen Innenministerium die Gefahrtier-Verordnung grundsätzlich auf der Grundlage des § 55 Abs. 1 Nr. 4 NGefAG, d.h. der allgemeinen ordnungsbehördlichen Ermächtigungsgrundlage für Verordnungen zur Gefahrenabwehr, erlassen. Der Regelungsgegenstand der Verordnung unterfällt nicht dem Tierschutz, für den gemäß Art. 72, 74 Abs. 1 Nr. 20 GG die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz des Bundes besteht. Die Verordnung bezweckt nicht den Schutz der von ihr erfassten Tiere in Bezug auf Haltung, Pflege, Unterbringung, Beförderung etc. (vgl. zum Inhalt der Gesetzgebungskompetenz für den Tierschutz: Oeter, in: von Mangold/Klein <Hrsg.: Starck>; Das Bonner Grundgesetz, Bd. 2, 4. Aufl. 2000, Art. 74, Rn. 186). Ihr Ziel besteht vielmehr in dem Schutz von Menschen und anderen Tieren vor Gefahren, die von den der Verordnung unterfallenden Tieren ausgehen. Die Gefahrtier-Verordnung ist mithin Teil des allgemeinen Gefahrenabwehrrechts, das gemäß Art. 70 Abs. 1 GG in der Rechtsetzungskompetenz der Länder liegt (vgl. dazu: Stellungnahme der Bundesregierung zum Entwurf eines Gesetzes zum Schutz von Tieren vor Missbrauch durch Aggressionszüchtung und Aggressionsdressur, BT-Drs. 12/977, S. 10 f.; OVG Frankfurt/O., Beschl. v. 20.10.2000 -- 4 B 155/00.NE --, NVwZ 2001, 223, 225; Ziekow, Rechtsgutachten zur Frage der Rechtmäßigkeit der in den sog. Gefahrhundeverordnungen der Länder enthaltenen Rasselisten, S. 27; Götz, Allgemeines Polizei- und Ordnungsrecht, 12. Aufl. 1995, Rn. 621; Caspar, DVBl. 2000, 1580, 1582; Hölscheidt, Nds.VBl. 2000, 1, 2, 3). Dem steht nicht entgegen, dass der Bund zwischenzeitlich die Gefahrtier-Verordnung und die vergleichbaren Regelungen der anderen Bundesländer durch das Gesetz zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12. April 2001 (BGBl. I S. 530) auf der Grundlage seiner Gesetzgebungskompetenzen aus Art. 73 Nr. 5 (Außenhandel), 72 i.V.m. 74 Abs. 1 Nr. 20 (Tierschutz) und 74 Abs. 1 Nr. 1 (Strafrecht) GG und -- soweit es das Zuchtverbot des § 1 Abs. 1 GefTVO betrifft, teilweise sogar überlappend -- durch die Zuchtverbote des § 11 der am 1. September 2001 in Kraft tretenden Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 (BGBl. I S. 838) ergänzt hat. Denn diese aufgrund der Bundeskompetenz erlassenen Vorschriften lassen die länderrechtlichen Regelungen zur Gefahrenabwehr unberührt (vgl. die Gesetzesbegründung, BT-Drs. 14/4451, S. 8).

Die von den Antragstellern angegriffenen Regelungen der Gefahrtier-Verordnung gehören auch nicht zu denjenigen wesentlichen Entscheidungen eines grundlegenden normativen Bereichs, die einem Parlamentsgesetz vorbehalten und mithin einer Regelung durch Rechtsverordnung entzogen sind (ebenso speziell für Hundehaltungsverordnungen: VGH Kassel, Beschl.v. 8.9.2000 -- 11 NG 2500/00 --, NVwZ 2000, 1438, 1440; Ziekow, a.a.O., S. 23 ff.; wohl auch: OVG Frankfurt/O., Beschl. v. 20.10.2000, a.a.O., S. 224; vgl. allgemein zur sog. Wesentlichkeitstheorie des BVerfG etwa: Beschl. v. 29.10.1987 -- 2 BvR 624 u.a./83 --, BVerfGE 77, 170, 230 f.; Beschl. v. 4.5.1997 -- 2 BvR 509/96 u. 2 BvR 511/96 --, NJW 1998, 669 f.). Es ist zwar richtig, dass der allgemeinen Ermächtigungsgrundlage des § 55 Abs. 1 NGefAG keine klaren Regelungstendenzen und Inhaltsvorgaben für die Gefahrtier-Verordnung zu entnehmen sind (so Caspar, a.a.O., S. 1588 f., der deshalb -- wie in Hamburg und Bayern bereits vorhanden -- spezielle gesetzliche Ermächtigungen für erforderlich hält). Dieser Forderung ist jedoch entgegen zu halten, dass die Funktion der Gefahrenabwehrverordnungen als anerkannte und unentbehrliche Instrumente zur Abwehr nicht voraussehbarer abstrakter Gefahren gerade darin besteht, ein im Gefahrenabwehrrecht erforderliches flexibles Handeln auch ohne detaillierte Vorentscheidungen des parlamentarischen Gesetzgebers zu ermöglichen (vgl. Drews/Wacke/Vogel/Martens, Gefahrenabwehr, 9. Aufl., S. 484 f.). Was die in Art. 43 Abs. 1 Satz 2 Nds. Verf. enthaltenen Bestimmtheitsanforderungen anbelangt, ist die Verwendung der polizeirechtlichen Generalklausel ebenfalls unbedenklich, weil sie in jahrzehntelanger Entwicklung durch Rechtsprechung und Lehre nach Inhalt, Zweck und Ausmaß hinreichend präzisiert, in ihrer Bedeutung geklärt und im juristischen Sprachgebrauch verfestigt ist (vgl. dazu allgemein: BVerfG, Beschl. v. 23.5.1980 -- 2 BvR 854/79 --, BVerfGE 54, 143, 144; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, 2000, Rn. 734; Götz, a.a.O., Rn. 605 sowie für Hundehaltungsverordnungen: VGH Kassel, Beschl. v. 8.9.2000, a.a.O., S. 1440; Ziekow, a.a.O., S. 25 ff.; wohl auch: OVG Frankfurt/O., Beschl. v. 20.10.2000, a.a.O., S. 224).

b) Mit Blick auf den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Nr. 1 GG rechtlich problematisch ist demgegenüber der Umstand, dass sich das Regelungsregime der Gefahrtier-Verordnung -- im Unterschied zu den Hundeverordnungen der anderen Bundesländer mit Ausnahme von Mecklenburg-Vorpommern (vgl. Caspar, a.a.O., S. 1584) -- auf den Bereich der nicht gewerblichen Hundezucht und -haltung beschränkt, die gewerbsmäßige Hundezucht und -haltung also unberücksichtigt lässt.

Diese Einschränkung des Regelungsbereichs der Verordnung kann nicht vollständig damit gerechtfertigt werden, dass die gewerbsmäßige Zucht (sie ist in der Regel gegeben, wenn drei oder mehr fortpflanzungsfähige Hündinnen gehalten oder drei oder mehr Würfe pro Jahr erzeugt werden, vgl. Nr. 12.2.1.5.1 der Allgem. VwV zum TierSchG vom 9.2.2000, BAnz. Nr. 36 a) und das gewerbsmäßige Halten von Hunden unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 a) TierSchG erlaubnispflichtig sind. Denn dieses Erlaubnisverfahren gewährleistet nur zum Teil die Einhaltung der Anforderungen der Gefahrtier-Verordnung. Zwar sind in diesem Rahmen die Fachkunde und persönliche Zuverlässigkeit der verantwortlichen Personen zu prüfen (vgl. § 11 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 TierSchG). Auch sind die Räumlichkeiten hinsichtlich der Möglichkeit u.a. der ordnungsgemäßen Pflege und Unterbringung der Hunde gemäß § 11 Abs. 2 Nr. 3 TierSchG zu überprüfen, wobei freilich etwa die Forderung des § 1 Abs. 6 GefTVO nach einer Hundehaltung auf einem "ausbruchsicheren Grundstück" nicht einbezogen ist. Entscheidend kommt hinzu, dass Erlaubnissen nach dem Tierschutzgesetz gemäß § 11 Abs. 2 a Satz 1 TierSchG nur zum Schutz der Tiere erforderliche Auflagen und Bedingungen beigefügt werden dürfen; Nebenbestimmungen zum Schutz vor -- hier in erster Linie interessierenden -- Gefahren, die von Tieren selbst ausgehen, finden demgegenüber nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut in § 11 Abs. 2 a Satz 1 TierSchG keine Rechtsgrundlage, so dass aufgrund dieser Vorschrift insbesondere Auflagen, Hunde einem Wesenstest zu unterziehen, und Anordnungen zu einem Maulkorb- und Leinenzwang nicht verfügt werden können (vgl. in diesem Sinne auch Caspar, a.a.O., S. 1584). Zu solchen Auflagen ermächtigt das Tierschutzgesetz auch in der Fassung des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde vom 12. April 2001, mit dem in Art. 2 Nr. 2 lediglich die Bestimmungen des § 11 b TierSchG zum Verbot von Qualzuchten geändert worden sind, nach wie vor nicht.

Nach der eigenen Einschätzung des Verordnungsgebers ist es auch von der Sache her nicht gerechtfertigt, den Bereich der gewerblichen Hundezucht und -haltung von den Anforderungen der Gefahrtier-Verordnung freizustellen. Denn er hat selbst in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem Inkraftsetzen der Verordnung in seinem an die Bezirksregierungen gerichteten Erlass vom 6. Juli 2000 betont, es müsse in diesem Bereich aus Gründen der öffentlichen Sicherheit ein "vergleichbarer Standard" erreicht werden. Der in diesem Erlass vorgesehene Weg, den notwendigen Schutz durch Nebenbestimmungen zu den Erlaubnissen nach § 11 TierSchG sicherzustellen, ist freilich -- wie dargelegt -- rechtlich zweifelhaft.

Der aufgezeigte Regelungsmangel der Verordnung hat allerdings nach den Angaben des Antragsgegners, an denen zu zweifeln der Senat keinen Anlass hat, bisher nicht zu gleichheitssatzwidrigen Zuständen geführt. Denn die gewerblichen Züchter und Halter haben die ihnen gegenüber auf der Grundlage des § 11 TierSchG verfügten Anordnungen diesen Angaben zufolge unanfechtbar werden lassen. In einem tatsächlichen Sinne scheint danach durch Verwaltungsvollzug dem Gleichheitssatz derzeit noch Genüge getan zu sein. Zudem dürfte jedenfalls der Bereich der gewerblichen Zucht und Haltung von Hunden der Kategorie 1 wegen des Zuchtverbots des § 11 der Tierschutz-Hundeverordnung vom 2. Mai 2001 künftig an Bedeutung verlieren.

c) Den Antragstellern kommen ebenfalls nicht Regelungsmängel des Verordnungsgebers in Bezug auf die Reglementierung der Zucht und Haltung von Hunden der sog. Kategorie 1 in § 1 GefTVO zugute. Zwar liegt es nahe, dass eine Nichtigkeit der vom Verordnungsgeber insoweit erlassenen Regelungen zur Gesamtnichtigkeit der die Haltung und Zucht von Hunden betreffenden Vorschriften der Gefahrtier-Verordnung führen würde. Denn es ist nicht anzunehmen, dass es dem Willen des Verordnungsgebers entspräche, bei einem Wegfall der von ihm für besonders bedeutsam erachteten Vorschriften zu Hunden der Kategorie 1 mindestens die Reglementierungen für Hunde der Kategorie 2 aufrecht zu erhalten. Die diesbezüglichen Vorschriften des § 1 der Gefahrtier-Verordnung hat der Senat indessen zwar teilweise beanstandet. Er hat sie jedoch nicht für nichtig, sondern sie unter bestimmten Maßgaben für vorläufig weiter anwendbar -- längstens bis zum 31. Dezember 2001 -- erklärt (vgl. dazu die Senatsurteile vom heutigen Tage in den Parallelverfahren 11 K 2877/00, 11 K 3268/00 und 11 K 4233/00).

d) Dem Normenkontrollantrag der Antragsteller ist im Hauptantrag aber zu entsprechen, weil auch in Ansehung der dem Verordnungsgeber zustehenden grundsätzlich weiten Beurteilungs- und Einschätzungsprärogative (vgl. etwa BayVerfGH, Entscheidung vom 12.10.1994 -- Vf. 16-VII-92 --, NVwZ-RR 1995, 262; Waechter, Polizei- und Ordnungsrecht, Rdnr. 271) die Einbeziehung von Hunden der Rasse Rottweiler unter Nummer 9 in die Rasseliste der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 GefTVO mit dem Gleichheitssatz unvereinbar ist. Für diese Regelung kann der Verordnungsgeber kein in sich stimmiges Regelungskonzept vorweisen.

Allerdings ist es im Ausgangspunkt rechtlich unbedenklich, dass der Verordnungsgeber unter Berücksichtigung seines Zieles, den Schutz insbesondere der Bevölkerung vor gefährlichen Hunden zu verbessern, nur Hunde bestimmter Rassen und deren Halter dem Regelungsregime der Gefahrtier-Verordnung unterstellt hat.

Zwar gelangt die vom Senat ausgewertete fachwissenschaftliche Literatur fast durchgängig zu dem Ergebnis, dass es nach wissenschaftlichen Erkenntnissen keine per se gefährlichen Hunderassen, sondern nur gefährliche Hundeindividuen gebe, aggressives Verhalten von Hunden stets von mehreren Faktoren verursacht sei und es in jedem Einzelfall vor allem auf die Bedingungen der Sozialisation der Tiere, das soziale Umfeld und die Beziehungen zwischen Hund und Halter ankomme (vgl. etwa: Feddersen-Petersen, in: VGH <Hrsg.> Kampfhunde? Gefährliche Hunde?, 2000, S. 14; dies., Der praktische Tierarzt 1990, 19, 22; dies., Deutsche tierärztliche Wochenschrift 1998, 15 ff.; Eichelberg, in: VDH <Hrsg.>, a.a.O., S. 6; dies., Deutsche tierärztliche Wochenschrift 2000, 91 ff.; Maciejewski, in: Interessengemeinschaft Mensch und Hund <Hrsg.>, Symposium am 18.11.2000 in Düsseldorf; Schöning, Deutsches Tierärzteblatt 2000, 904, 906; Stur, Zur Frage der besonderen Gefährlichkeit von Hunden aufgrund der Zugehörigkeit zu bestimmten Rassen, 19.10.2000). Diese Erkenntnis rechtfertigt jedoch nicht den Schluss, die Anknüpfung der Regelungen in Hundeverordnungen an Rassen sei sachwidrig. Ein solcher Ansatz drängt sich im Gegenteil von der Sache her auf, wenn sich der Verordnungsgeber -- wie in Niedersachsen -- nicht darauf beschränkt, gegen individuell auffällig gewordene Hunde vorzugehen (wofür bereits die Generalklausel des § 11 NGefAG eine Rechtsgrundlage bietet), sondern -- was zulässig ist -- Gefahrenprophylaxe betreiben will. Da auf der anderen Seite unbestreitbar nicht alle Hunde ein gleiches Gefahrenpotential aufweisen (so sind etwa Gefährdungen durch kleinrahmigere Tiere, obwohl auch sie -- wie etwa der Rote Cocker-Spaniel, vgl. Unshelm, VDH <Hrsg.>, a.a.O., S. 21 -- als Angstbeißer hervortreten können, von geringerem Gewicht), ist eine typisierende Anknüpfung an großrahmige Rassen oder solche mit auch genetisch bedingter besonderer Aggressivität im Rahmen einer vorbeugenden Gefahrenabwehr jedenfalls naheliegend und damit vertretbar. Die gerichtliche Überprüfung kann sich daher nur darauf beziehen, ob der Verordnungsgeber ein jedenfalls vertretbares Regelungskonzept in Bezug auf die Auswahl bestimmter Rassen unter dem Gesichtspunkt des den Hunden anhaftenden Gefahrenpotentials und in Bezug auf die an die Rassenzugehörigkeit anknüpfenden Reglementierungen verwirklicht hat (so etwa auch Ziekow, a.a.O., S. 38, 48 f., 51). Das ist, soweit es die Einbeziehung von Hunden der Rasse Rottweiler (und -- was hinzugefügt sei -- der Rasse Dobermann und Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen, Nrn. 2 und 12 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 GefTVO) anbetrifft, nicht der Fall.

Ausweislich eines vom Antragsgegner vorgelegten Vermerks (Anhang 4 des Materialbandes, S. 2) waren für die Bildung des Rassenkatalogs für Hunde der Kategorie 2 folgende Erwägungen und Einschätzungen ausschlaggebend:

"Hier wurden Hunde aufgenommen, die sich aus ihrer Veranlagung her eignen, wie die Hunde nach § 1 GefTVO missbraucht zu werden, da ein Verbot bestimmter bevorzugter Rassen ein Ausweichen auf andere geeignete Rassen nach sich zieht. Sie gehören zu den "alten klassischen Kampfhunden".

Außerdem wurden Hunde mit aufgenommen, die zwar in ihrer Zuchthistorie keine "Kampfhundevergangenheit" aufweisen, jedoch in den letzten Jahren in schwere, auch tödlich verlaufene, Beißzwischenfälle verwickelt waren (tödlicher Beißzwischenfall mit Rottweilern in NRW im Frühjahr diesen Jahres) oder aus den Erfahrungsberichten verhaltenstherapeutischer Praxen in stärkerem Maße wie andere Rassen Probleme in der Hundehaltung aufweisen, die auch unbeherrschte Aggressivität zur Folge haben können (Dobermann)."

Es bedarf vorliegend keiner Entscheidung, ob die Bildung der Rasseliste der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 GefTVO, soweit sie sich auf Hunderassen mit "Kampfhundevergangenheit" bezieht, insgesamt sachgerecht ist (vgl. dazu das zitierte Senatsurteil in dem Verfahren 11 K 4233/00), da die Antragsteller dadurch nicht in ihren Rechten verletzt werden und etwaige Rechtsverstöße lediglich zu einer entsprechenden Teilnichtigkeit der Verordnung führten (vgl. für eine insoweit vergleichbare Problematik BVerwG, Urt. v. 19.1.2000 -- 11 C 8.99 --, DVBl. 2000, 918, 921 zur erhöhten Hundesteuer für sog. Kampfhunde).

Dem Hauptantrag der Antragsteller ist aber deshalb zu entsprechen, weil die streitgegenständliche Einbeziehung von Hunden der Rasse Rottweiler (und der Rasse Dobermann und von Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen) in den Katalog der Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 GefTVO auf einem dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG widerstreitenden Regelungskonzept des Verordnungsgebers beruht. Auch unter Berücksichtigung des dem Verordnungsgeber zustehenden grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraums fehlt es an hinreichend sachbezogenen Gründen dafür, Hunde der Rassen Dobermann und Rottweiler -- die zu den anerkannten Schutz- und Gebrauchshunderassen in Deutschland gehören -- unter dem Aspekt der Schadensauffälligkeit dem Regime der Gefahrtier-Verordnung zu unterwerfen, Hunde anderer anerkannter Schutzhunderassen -- insbesondere den Deutschen Schäferhund --, die nach Größe, Beißkraft und Schadensauffälligkeit ein gleiches Gefahrenpotential aufweisen, demgegenüber von den Reglementierungen freizustellen. Für das diesbezüglich vom Verordnungsgeber verfolgte Regelungskonzept sind hinreichend sachbezogene, die ungleichen Rechtsfolgen nach Art und Gewicht rechtfertigende Gründe nicht zu erkennen.

Es ist freilich sachgerecht, wohl sogar naheliegend, in den Regelungsbereich einer Verordnung, die der Bevölkerung ein Mehr an Schutz vor gefährlichen Hunden bringen soll, auch und gerade Tiere solcher Rassen einzubeziehen, die in der Vergangenheit vermehrt bei gravierenden Beißvorfällen hervorgetreten sind (vgl. in diesem Sinne auch OVG Saarlouis, Urt. v. 1.12.1993, OVGE, 412, 415; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.12.2000, NordÖR 2001, 122). Die bisher ganz überwiegende Verordnungspraxis, die in Deutschland verbreiteten Gebrauchs- und Schutzhunderassen unreglementiert zu lassen (auch in den jetzigen Hundeverordnungen der Länder werden Dobermann und Rottweiler außer in Niedersachsen nur in Nordrhein-Westfalen und Brandenburg erfasst), mag mit einer "höheren Akzeptanz" der Hunde in der Bevölkerung zu rechtfertigen sein (vgl. BayVerfG, Entscheidung v. 12.10.1994, a.a.O., S. 266; ähnlich BVerwG, Urt. v. 19.1.2000, a.a.O., S. 921 zur steuerrechtlichen Problematik, das insoweit auch von einem "positiven Vorurteil" spricht; a.A. z.B. VGH Mannheim, Urt. v. 18.8.1992, NVwZ 1992, 1105, 1107 und Urt. v. 26.4.1999, NVwZ 1999, 1016, 1018; OVG Bremen, Urt. v. 6.10.1992, DÖV 1993, 576, 577 f.; OVG Saarlouis, a.a.O., S. 425); unter dem Blickwinkel der Gefahrenabwehr ist sie jedoch keineswegs zwingend. Denn es darf mit Recht bezweifelt werden, ob auch ein hyperaggressiver Gebrauchshund in der Bevölkerung tatsächlich nennenswerte Akzeptanz genießt.

Dass der niedersächsische Verordnungsgeber unter dem Aspekt der Schadensauffälligkeit einen Regelungsbedarf hinsichtlich der Rassen Dobermann und Rottweiler (und Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen) gesehen hat, ist für sich gesehen ebenfalls nicht ermessenswidrig. Hunde beider Rassen (und Mischlinge) waren nach den dem Senat vorliegenden Statistiken mit beachtlicher Quote in der Vergangenheit an Beißvorfällen beteiligt (vgl. etwa Deutscher Städtetag <Hrsg.>, Hunde in Städten, 1992, DST-Beiträge zur Kommunalpolitik, Reihe A Heft 17, S. 45; ders., Der Stadthund, 1997, DST-Beiträge zur Kommunalpolitik, Reihe A Heft 24, S. 47; zu den Zahlen für 1999 vgl. Tierschutz aktuell Nr. 90/00, S. 4; Bündnis/DIE GRÜNEN <Hrsg.>, Der tut nix, der will nur spielen, 2000, S. 5 für Berlin im Jahre 1998; für Berlin 1998 auch Rossi-Broy, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 2000, 94, 97; Antwort des Senats der Freien und Hansestadt Hamburg auf eine Große Anfrage vom 12.12.2000, Drucks. 16/5062, S. 3; Hartwig, Unser Rassehund 1998, 10, 12 für NRW für den Zeitraum 1989-1997); nach der Untersuchung von Sachs/Sinclair/Gilchrist/Golab/Lockwood zu "Hunderassen, die in den USA von 1979 bis 1998 an tödlichen Angriffen auf Menschen beteiligt waren" (Vet Med Today September 2000 steht der Rottweiler/Rottweiler-Mischling nach dem Pit-Bull-Typ an zweiter Stelle; auch der Dobermann ist signifikant vertreten (vgl. die deutsche Übersetzung der Untersuchung, S. 4). Weitere Untersuchungen weisen aus, dass u.a. Rottweiler und Dobermänner ein relativ häufigeres aggressives Verhalten gezeigt haben und bei Schadensfällen überrepräsentiert waren (vgl. dazu etwa Unshelm/Rehm/Heidenberger, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 1993, 383, 385 f. sowie die zusammenfassenden Darstellungen bei Unshelm, in: VDH <Hrsg.>, a.a.O., S. 20 f. und Stur, a.a.O., S. 15ff.). Diese Untersuchungen sind zwar statistisch nicht abgesichert, weil insbesondere die Population der jeweiligen Hunderassen nicht mit der gebotenen Genauigkeit ermittelt werden konnte (vgl. Unshelm/Rehm/Heidenberger, a.a.O., S. 386; Stur, a.a.O., S. 21). Ihre Ergebnisse stützen jedoch qualitativ die Einschätzung des Verordnungsgebers, dass beiden Rassen (und Kreuzungen) ein eine abstrakte Gefahr im polizeilichen Sinne begründendes beachtliches potentielles Gefahrenpotential innewohnt, und rechtfertigen daher grundsätzlich -- wie in § 2 GefTVO vorgesehen -- die Anordnung eines Maulkorb- und Leinenzwangs mit der Möglichkeit einer Befreiung bei bestandenem Wesenstest und Sachkunde des Hundeführers.

Bei Berücksichtigung des Kriteriums der Schadensauffälligkeit ist indessen kein hinreichender sachlicher Grund dafür ersichtlich, von den Schutzhunderassen nur den Dobermann und den Rottweiler zu maßregeln. Denn andere Schutzhunderassen -- insbesondere der Deutsche Schäferhund -- weisen ein gleiches Gefahrenpotential auf. Die für die ungleiche Regelung vom Verordnungsgeber angeführten Erwägungen vermögen nicht zu überzeugen.

Fast alle zuvor angeführten Zusammenstellungen weisen die Schäferhunde und Mischlinge als diejenigen Hunde aus, die am häufigsten an Beißvorfällen beteiligt waren (vgl. dazu ergänzend auch Eichelberg, Deutsche tierärztliche Wochenschrift 2000, 91, 92; Redlich, Tierärztliche Umschau 2000, 175, 177). In Nordrhein-Westfalen waren z.B. Hunde der Rasse Deutscher Schäferhund an 41,9 % der Beißattacken auf Menschen in den Jahren 1989 bis 1997 beteiligt (vgl. Hartwig, Unser Rassehund 1998, a.a.O.). Auch die Beteiligung an tödlichen Angriffen auf Menschen ist groß (siehe etwa die Falldarstellungen bei Breitsamer, Die Polizei 1986, 267 und Hartwig, Unser Rassehund 1991, 7, 8 ff.). Nach fachwissenschaftlicher Beurteilung ist dies nicht allein auf die große Population von Schäferhunden in Deutschland zurückzuführen (die Zahlenangaben schwanken zwischen 220.000 und 600.000 Tieren, Unshelm/Rehm/Heidenberger, a.a.O., S. 386), sondern auch auf eine deutlich über dem Durchschnitt der gesamten Hundepopulation liegende Aggressivität und Gefährlichkeit der Hunde sowohl gegenüber Menschen als auch gegenüber anderen Hunden (vgl. Unshelm, in: VDH <Hrsg.>, a.a.O., S. 22, der insoweit die Rassen Deutscher Schäferhund, Rottweiler, Dobermann, Boxer und Doggen gleichstellt; ähnlich Juhr, in: Bündnis 90/Die Grünen <Hrsg.>, a.a.O., S. 15, der u.a. Rottweiler, Deutscher Schäferhund und Dobermann als Hunde mit hoher Aggressivität bezeichnet; Hartwig, Unser Rassehund 1998, a.a.O., S. 13, 14 benennt Mischlinge, Schäferhunde und Rottweiler als bei der behördlichen Überprüfung in NRW auffällig gewordene Rassen/Typ).

Die Gründe, die der Verordnungsgeber in dem bereits angeführten Vermerk zur Aufstellung der Rassenliste für Hunde der Kategorie 2 für die Nichtberücksichtigung der Deutschen Schäferhunde, aber auch der Boxer und der Deutschen Doggen herausgestellt hat (Vermerk S. 9 f.), sind vor diesem Hintergrund nicht geeignet, die verglichen mit Hunden der Rassen Dobermann und Rottweiler ungleiche Regelung zu tragen. Soweit darauf abgestellt wird, die Hunde der nicht reglementierten drei Rassen gehörten zu den anerkannten Gebrauchshunden, trifft dies für Dobermann und Rottweiler in gleicher Weise zu. Auch das Argument, Deutsche Schäferhunde, Boxer und Deutsche Doggen würden in Deutschland seit Jahrzehnten nach festgelegten Standards und bei sorgfältiger Zuchtauswahl gezüchtet, rechtfertigt nicht die unterschiedliche Reglementierung. Denn die Zucht von Dobermännern und Rottweilern findet ausweislich der dem Senat vorliegenden Zuchtbestimmungen auf gleichem Niveau seit langer Zeit im 1899 gegründeten Dobermann-Verein e.V. und im 1907 gegründeten Allgemeinen Deutschen Rottweiler-Klub e.V. statt. Dass bei den Deutschen Schäferhunden die Schutzhundprüfung Zuchtzulassungsvoraussetzung ist, mag ein geeignetes Zuchtauswahlkriterium sein (so Feddersen-Petersen, Gutachten vom 12.7.2999 an den Verein für Deutsche Schäferhunde e.V.); es ist jedoch nichts dafür ersichtlich, dass unter diesem Aspekt die Begleithundeprüfung weniger geeignet sein sollte, die Zuchtzulassungsvoraussetzung bei den Rottweilern ist und sich auch auf die Überprüfung des Wesens der Hunde bezieht. Interessant war in diesem Zusammenhang für den Senat insbesondere der -- unwidersprochen gebliebene -- Hinweis eines der Antragsteller, dass nach Auskunft von Prof. Dr. Hackbarth von der Tierärztlichen Hochschule Hannover der relativ hohe Prozentsatz von Hunden der Rassen Dobermann und Rottweiler, die beim Wesenstest in Niedersachsen mit Auflagen belegt worden sind (vgl. dazu die Anlage zum Schriftsatz des Antragsgegners vom 11.5.2001), Hunde mit Schutzhundeprüfung betraf, deren Aggressivitätsverhalten gegenüber anderen Hunden nicht angemessen erschien; das könnte darauf hindeuten, dass die Schutzhundeausbildung zwar die Aggressivität gegenüber Menschen kanalisiert, gleichzeitig aber das Verhalten gegenüber Tieren ungünstig beeinflusst. Das bedarf jedoch keiner weiteren Vertiefung. Denn eine Privilegierung der Rassen Deutscher Schäferhund, Boxer und Deutsche Dogge gegenüber den Rassen Dobermann und Rottweiler mit der Begründung einer sorgfältigen Zuchtreglementierung trägt -- was entscheidend hinzu kommt -- dem tatsächlichen Zuchtgeschehen nicht angemessen Rechnung. Denn nach den Angaben des Verbandes für das Deutsche Hundewesen e.V. werden nur etwa ein Drittel der in Deutschland insgesamt gezüchteten Hunde nach den Regeln seiner Mitgliedszuchtvereine gezüchtet (vgl. die Stellungnahme des VDH anlässlich der Anhörung zum Qualzuchtgutachtensentwurf am 20.10.1997; Unshelm/Rehm/Heidenberger, a.a.O., S. 386 gehen von ca. 25 % aus). Das bedeutet, dass die ganz überwiegende Anzahl der Hunde der hier interessierenden Rassen eben nicht aus reglementierter und überwachter Zucht stammt; für Mischlinge gilt dies ohnehin. Außerdem liegt die Annahme nicht fern, dass die "Problemhunde" jedenfalls überwiegend aus dem Bereich der ungeregelten Zucht hervorgegangen sind, sieht man von dem daneben bestehenden allgemeinen Problem ab, dass das Aggressionspotential jeden Hundes unbestritten durch unsachgemäße Haltung, Erziehung und Konditionierung seitens verantwortungsloser Halter unvertretbar gesteigert werden kann.

Eine alleinige Reglementierung der Rassen Dobermann und Rottweiler (und Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen) von den in Deutschland anerkannten Schutzhunderassen lässt sich ebenso wenig mit der Erwägung halten, hiermit werde der Bevölkerung mindestens im Sinne eines "ersten Schrittes in die richtige Richtung" ein Mehr an Schutz vor gefährlichen Hunden verglichen mit dem früheren Rechtszustand geboten. Es ist richtig, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem jeweils zuständigen Normgeber nicht die Verpflichtung obliegt, allen vergleichbaren Gefahrenlagen entgegen zu wirken, zu deren Bekämpfung kein einheitlicher Erkenntnisstand vorliegt (BVerfGE 90, 145 ff.). Denn hier geht es darum, ob es mit dem allgemeinen Gleichheitssatz vereinbar ist, bei gleichem Erkenntnisstand und gleicher Gefahrenlage nur sektoral einen Gesamtproblembereich mit der Folge zu regeln, dass ohne sachlichen Grund nur ein Teil der Betroffenen belastet wird. Diese Frage ist eindeutig zu verneinen, da bei anderer Betrachtung einer Aushebelung des Gleichheitssatzes das Tor geöffnet würde (vgl. hierzu zuletzt Felix, NordÖR 2001, 125). Auch der Hinweis des Antragsgegners in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, eine Einbeziehung besonders von Hunden der Rasse Deutscher Schäferhund in das Regime der Gefahrtier-Verordnung sei wegen der hohen Population der Hunde "unpraktikabel", ändert an dem festzustellenden Verstoß gegen den Gleichheitssatz nichts (vgl. auch VGH Mannheim, Urt. v. 18.8.1992, NVwZ a.a.O., S. 1109). Denn das Argument, die Erstreckung der Vorschriften der Gefahrtier-Verordnung auch auf Schäferhunde überfordere die Verwaltungskraft der Behörden, verkennt, dass ein in sich stimmiges Regelungskonzept zu Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung vor gefährlichen Hunden gerade Hunde der Rasse nicht aussparen kann, die -- nachgewiesen -- überproportional an Beißvorfällen, die den Anlass für die Verordnung gegeben haben, beteiligt waren.

Nach alledem ist die Gefahrtier-Verordnung nichtig, soweit sie in Anlage 1 zu § 2 Abs. 1 unter den Nummern 2, 9 und 12 auch Hunde der Rassen Dobermann, Rottweiler und Kreuzungen mit Hunden dieser Rassen einbezieht.

Dem auf die Nummer 9 der Anlage 1 bezogenen Haupt-Nichtigkeitsfeststellungsantrag der Antragsteller hinsichtlich der Einbeziehung von Hunden der Rassen Rottweiler ist daher zu entsprechen. Dadurch erübrigt sich eine Entscheidung über den Hilfsantrag der Antragsteller.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

Der Senat hat die Revision zugelassen, weil der Rechtssache wegen der Frage der Vereinbarkeit der in Rede stehenden Regelungen der GefTVO mit dem Grundrecht des Art. 3 Abs. 1 GG grundsätzliche Bedeutung zukommt (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).