LG Hamburg, Urteil vom 16.12.2008 - 309 S 96/08
Fundstelle
openJur 2009, 684
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 716A C 11/08
Zivilrecht
§§ 13, 312b, 312d, 346, 355, 357 BGB
Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek vom 13.06.2008 (Az. 716A C 11/08) abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Gemäß § 540 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO wird anstelle des Tatbestandes auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen.

Mit der Berufung verfolgt die Beklagte ihren erstinstanzlichen Klagabweisungsantrag weiter.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des am 13.06.2008 verkündeten Urteils des Amtsgerichts Hamburg-Wandsbek, Az. 716A C 11/08 die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

Zurückweisung der Berufung und für den Fall des Unterliegens Revisionszulassung.

Hinsichtlich des Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf den Inhalt der eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

Gründe

II.

Die zulässige Berufung der Beklagten ist begründet.

1. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Rückzahlungsanspruch hinsichtlich des Kaufpreises aus §§ 346 Abs. 1, 357 Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 312d Abs. 1, 2, 312b Abs. 1 BGB oder einer anderen Anspruchsgrundlage.

Der Klägerin steht kein Widerrufsrecht aus §§ 355 Abs. 1, 312d Abs. 1, 312b Abs. 1 BGB zu. Die Anwendung der fernabsatzrechtlichen Widerrufsvorschriften scheitert daran, dass die Klägerin nicht als Verbraucherin i.S.d. §§ 13, 312b Abs. 1 BGB anzusehen ist.

a) Verbraucher ist gemäß § 13 BGB jede natürliche Person, die ein Rechtsgeschäft zu einem Zweck abschließt, der weder ihrer gewerblichen noch ihrer selbständigen beruflichen Tätigkeit zugerechnet werden kann. Zweifelhaft ist hinsichtlich der Verbrauchereigenschaft i.S.d. § 13 BGB, ob bei der Auslegung des Verbraucherbegriffs auf den objektiven Empfängerhorizont des Verkäufers als Vertragspartner oder auf den (objektiv) vom Kunden verfolgten Zweck abzustellen ist. Vorliegend sind die genannten Auslegungsalternativen entscheidungserheblich, da aus Sicht eines objektiven Dritten in der Situation der Beklagten bei Vertragsschluss die äußeren Umstände (Rechnungs- und Lieferadresse, E-Mail-Adresse) dafür sprachen, dass die Klägerin als Rechtsanwältin und damit als Unternehmerin handelte. Stellt man demgegenüber auf den tatsächlich von der Klägerin verfolgten Zweck ab, so ist mit dem Amtsgericht das Ergebnis der Beweisaufnahme dahingehend zu würdigen, dass die Klägerin die Lampen für private Zwecke und damit als Verbraucherin erwerben wollte.

Nach Auffassung der Kammer ist die Frage, ob ein Handeln als Verbraucher i.S.d. § 13 BGB vorliegt, danach zu entscheiden, wie sich das Verhalten des Kunden aus der Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers in der Position des Verkäufers darstellt.

Der Bundesgerichtshof hat sich in seinem Urteil vom 22.12.2004 (NJW 2005, 1045) nicht zu der vorliegend relevanten Frage geäußert, sondern nur festgestellt, dass Verbraucherschutzvorschriften keine Anwendung finden, wenn der Kunde arglistig wahrheitswidrig als Gewerbetreibender auftritt, um sich den Vertragsschluss zu erschleichen. Die im Wege richtlinienkonformer Auslegung heranzuziehende Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie (Richtlinie 1999/44/EG) lässt die Frage der Kriterien des Verbraucherbegriffs offen.

Zwar kann für die Relevanz des tatsächlich verfolgten Zweckes der mit der Verbrauchsgüterkauf-Richtlinie verfolgte Zweck des Schutzes des Verbrauchers als des typischerweise strukturell unterlegenen Vertragspartners angeführt werden (vgl. MüKo-Micklitz, 5. Aufl. 2006, § 13, Rn. 33ff.; Soergel-Pfeiffer, 13. Aufl. 2002, § 13, Rn. 28; für den Regelfall auch: Staudinger-Matuschke-Beckmann, Neubearb. 2004, § 474, Rn. 9ff.).

Im Ergebnis sprechen jedoch die besseren Argumente für ein Abstellen auf den objektiven Empfängerhorizont im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (vgl. LG Bonn, Urteil vom 25.02.2005, Az. 2 O 426/03, zit. nach juris; Müller, NJW 2003, 1975 (1979); wohl auch Palandt-Heinrichs, 66. Aufl. 2007, § 13, Rn. 4): Entscheidende Bedeutung kommt insoweit dem Argument des Verkehrsschutzes zu. Der Belang des Verkehrsschutzes ist nicht grundsätzlich nachrangig gegenüber dem des Verbraucherschutzes; nur der Kunde hat es in der Hand, sich in Zweifelsfällen klar und eindeutig zu verhalten, während sich der Verkäufer im Hinblick auf Möglichkeiten des Gewährleistungsausschlusses und Belehrungspflichten auf das Auftreten seiner Geschäftspartners verlassen muss. Auch Abgrenzungsprobleme, die sich bei der Ermittlung des objektiv verfolgten Zwecks ergeben (etwa, wenn die Lampen in den beruflich und in den privat genutzten Räumen ausprobiert werden sollen, um zu entscheiden, wo sie besser passen), sprechen für ein Abstellen auf den objektiven Empfängerhorizont des Verkäufers bei Vertragsschluss. Ein Abstellen auf die Sicht eines objektiven Erklärungsempfängers steht im Übrigen systematisch im Einklang mit dem allgemeinen Grundsatz, dass bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht der empirische Wille des Erklärenden, sondern der durch normative Auslegung zu ermittelnde objektive Erklärungsgehalt aus Sicht des Erklärungsempfängers entscheidend ist (vgl. Palandt-Heinrichs, BGB, 66. Aufl. 2007, § 133, Rn. 9).

Im vorliegenden Fall musste ein objektiver Erklärungsempfänger in der Position der Beklagten das Gesamtverhalten der Klägerin (Angabe beruflicher Rechnungs- und Lieferadresse sowie E-Mail-Adresse) so verstehen, dass die Klägerin nicht als Verbraucherin, sondern als Rechtsanwältin handelte. Es kommt hinzu, dass die Klägerin durch ihr eigenes Verhalten nach außen hin den Eindruck vermittelt hat, sie handele als Rechtsanwältin, so dass es auch im Ergebnis nicht unbillig erscheint, sie als solche zu behandeln und an ihrem eigenen Verhalten festzuhalten.

b) Der Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben versagt, sich auf die fehlende Verbrauchereigenschaft der Klägerin zu berufen.

Eine Selbstbindung der Beklagten durch Vornahme einer Widerrufsbelehrung in den Eingangsbestätigungen (vgl. z.B. K 1) liegt zwar hinsichtlich der Frist vor; diese Frist (14 Tage nach Eingang der Eingangsbestätigung) war bei Widerruf durch die Klägerin abgelaufen (die Frist des § 312d Abs. 2 BGB, die auf den Eingang der Ware abstellt, hingegen nicht). Eine Bindungswirkung hinsichtlich der Zuerkennung der Verbrauchereigenschaft entfaltet die Widerrufsbelehrung indes nicht, da diese auch aus Kulanz gegenüber allen Kunden erfolgen kann. Auch die Rücknahme einer (nicht streitgegenständlichen) Lampe durch die Beklagte bindet diese in der Folge nicht.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

3. Die Revision war gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO zur Fortbildung des Rechts zuzulassen, da der vorliegende Fall Veranlassung gibt, Leitsätze für die Auslegung des Verbraucherbegriffs des § 13 BGB aufzustellen. Bislang ist die vorliegend entscheidungserhebliche Frage, ob für die Auslegung des Verbraucherbegriffs des § 13 BGB auf den objektiven Empfängerhorizont des Verkäufers als Vertragspartner oder auf den vom Kunden tatsächlich verfolgten Zweck abzustellen ist, nicht revisionsgerichtlich geklärt.

Eine Pflicht der Kammer zur Vorlage der Auslegungsfrage an den EuGH gemäß Art. 234 EGV bestand vorliegend nicht, da das Landgericht wegen der zugelassenen Revision nicht als letztinstanzliches Gericht zu entscheiden hatte.