Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 31.10.2000 - 1 M 3407/00
Fundstelle
openJur 2012, 36340
  • Rkr:

Die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO kann den Nachweis einer Verletzung des Abstimmungsgebotes nach § 2 Abs. 2 BauGB auch dann nicht ersetzen, wenn die genehmigte Verkaufsfläche die des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO weit übersteigt.

Tatbestand

Mit dem angegriffenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht dem Eilantrag der Antragstellerin, einer Nachbargemeinde der gleichfalls unmittelbar südlich von H. gelegenen Beigeladenen zu 2), gegen einen Bauschein stattgegeben, mit dem der Antragsgegner der Beigeladenen zu 1) die Genehmigung zur Errichtung eines über 11.000 m2 Marktes erteilt hatte. Dieser soll dann von einem Wal-Mart genutzt werden. Das Baugrundstück liegt am östlichen Ausgang des Ortskerns der Beigeladenen zu 2) im Gebiet ihres seit Januar 1997 rechtsverbindlichen Bebauungsplanes Nr. 145, der ein Sondergebiet für großflächigen Einzelhandel festsetzt. Zur Begründung hat das Verwaltungsgericht ausgeführt, dieser Plan verstoße gegen das Abwägungsgebot, weil die Beigeladene zu 2) den Fragen interkommunaler Abstimmung nicht einmal nachgegangen sei, welche sich namentlich im Hinblick auf das im Ortskern der Antragstellerin stehende L.-Einkaufszentrum hätten stellen müssen. Dieser Mangel sei nicht nur offensichtlich und auf das Abwägungsergebnis von Einfluss gewesen, sondern "schlage" auch auf die Rechtmäßigkeit der angegriffenen Baugenehmigung "durch", wenn das angegriffene Vorhaben die Antragstellerin unzumutbar in ihrer Planungshoheit beeinträchtige. Das sei entgegen verbreiteter Meinung nicht allein nach dem Umfang des Kaufkraftabflusses, sondern unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln. Die gutachtliche Stellungnahme der Gesellschaft für Handels-, Standort- und Immobilienberatung mbH, Hamburg (sog. gesa-Gutachten), welche die Antragstellerin eingeholt habe, lasse zwar eine abschließende Beantwortung nicht zu. Bei summarischer Prüfung sei eine solche Beeinträchtigung der Planungshoheit der Antragstellerin indes wahrscheinlicher als das Gegenteil. Dementsprechend sei das Interesse der Beigeladenen zu 1) an der Verwirklichung des Vorhabens -- auch zur Vermeidung von Entschädigungsansprüchen, welche die Beigeladene zu 2) jener im Falle einer vergeblichen Errichtung des Marktes zu erfüllen hätte -- einstweilen zurückzustellen.

Die Zulassungsanträge hatten Erfolg.

Gründe

Die zulässigen, namentlich (noch) hinreichend substantiierten Zulassungsanträge haben Erfolg, weil die angegriffene Entscheidung ernstlichen Zweifeln begegnet. Das ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats (vgl. z.B. Beschl. v. 31.7.1998 -- 1 L 2696/98 --, NVwZ 1999, 431) dann der Fall, wenn für das vom Zulassungsantragsteller favorisierte Entscheidungsergebnis -- auf dieses und nicht auf einzelne Begründungselemente kommt es dabei an -- "die besseren Gründe sprechen", das heißt wenn ein Obsiegen in der Hauptsache wahrscheinlicher ist als ein Unterliegen. Das ist aus den folgenden Gründen zu bejahen.

Gesichtspunkte des Raumordnungsrechts vermögen dem Antrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Das Landesraumordnungsprogramm I (Gesetz vom 19. März 1998, GVBl. S. 269), sowie das LROP II (Verordnung vom 19. März 1998, GVBl. S. 270) haben an dem LROP I (vom 2. März 1994, GVBl. S. 130) und dem LROP II vom 18. Juli 1994 (GVBl. S. 317) Entscheidendes nicht geändert. Dementsprechend können die Ausführungen des Senates vom 30. März 2000 (-- 1 K 2491/98 --, NST-N 2000, 193, 195) weiterhin Geltung beanspruchen. Darin hatte der Senat sinngemäß ausgeführt, das LROP I enthalte lediglich allgemeine Programmsätze, nicht jedoch konkret gefasste Ziele, welche im Sinne einer verbindlichen Letztentscheidung mit der erforderlichen Eindeutigkeit und Bestimmtheit das Verhältnis von Nachbargemeinden bestimmte. Weiterhin heißt es dort:

"Ein dahingehender Wille lässt sich auch nicht C1.6 04 LROP II entnehmen. ... In der Teilziffer 04 heißt es dann: "Umfang und Zweckbestimmung von Einzelhandelsgroßprojekten haben der jeweiligen Stufe der zentralen Orte zu entsprechen. Durch solche Objekte dürfen ausgeglichene Versorgungsstrukturen nicht wesentlich beeinträchtigt werden."

Satz 1 enthält nach Auffassung des Senats ebenfalls noch kein hinreichend bestimmtes "Ziel", welches der Antragsgegnerin bei ihren bauplanerischen Entscheidungen gemäß § 1 Abs. 4 BauGB verbindlich als Letztentscheidung vorgegeben wären. Dafür ist diese Vorschrift für sich allein betrachtet zu wenig bestimmt gefasst. Konkrete Forderungen, mit welchem Ziel die Einzelhandelsgroßprojekte noch "der jeweiligen Stufe der zentralen Orte zu entsprechen" haben, ergeben sich erst in Verbindung mit Satz 2 dieser Vorschrift. Dieser Zusammenhang erhellt, dass das Raumordnungsrecht mit der Verleihung einer bestimmten zentralörtlichen Funktion diesen Orten keinen "Konkurrenzschutz" absoluter Art dahin einräumt, von Ansiedlungen von Betrieben, welche auch auf ihrem Gebiet zulässig wären, verschont zu bleiben. Ein solcher "Cordon sanitair" wird durch die zitierte Bestimmung nicht begründet. Die Antragstellerin soll durch C1.6 04 LROP II lediglich allenfalls davor geschützt werden, dass ihr durch die Ansiedlung großflächiger Einzelhandelsprojekte in niederrangigen Zentren die Erfüllung der oben beschriebenen Aufgabe ("Mindeststandard") erschwert wird, wenn/indem ausgeglichene Versorgungsstrukturen auf ihrem Gebiet wesentlich beeinträchtigt werden. Schon die Einführung des Wesentlichkeitsgebotes zeigt, dass ein Mittelzentrum damit nicht jedweden Einfluss abwehren kann, den ein in einem Unterzentrum zu errichtendes Einzelhandelsgroßprojekt haben kann."

Es kommt hinzu, dass das Angebot, welches der umstrittene Markt offerieren soll, keinen gehobenen Bedarf im Sinne von B 6 03 tire 2 LROP I enthalten soll. Vielmehr soll in dem angegriffenen Objekt Grundbedarf gestillt werden. Damit erledigt sich der Hinweis des Oberverwaltungsgerichts Koblenz (Beschl. v. 8.1.1999 -- 8 B 12650/98 --, NVwZ 1999, 435), bei der Beurteilung der Frage, ob das streitige Vorhaben negative städtebauliche Auswirkungen auf die Nachbargemeinde habe, komme der Überschreitung raumordnerischer Kompetenzen indizielle Bedeutung zu.

Drittens schließlich dürfte die Ausweisung als Mittelzentrum der Antragstellerin nicht als eigenes, rügefähiges und Abwehrrechte begründendes Recht zugewiesen worden sein (vgl. Thür. OVG, Beschl. v. 23.4.1997 -- 1 EO 241/97 --, UPR 1998, 376 = DÖV 1997, 791; Sächs. OVG, Beschl. v. 26.8.1992 -- I S 150/92 --, LKV 1993, 97; OVG Koblenz, Beschl. v. 8.1.1999 -- 8 B 12650/98 --, NVwZ 1999, 435; a.A. wohl OVG Münster, Beschl. v. 9.2.1988 -- 11 B 2505/87 --, NVwZ-RR 1988, 11, 12).

Es bestehen ernstliche Zweifel an der Annahme des Verwaltungsgerichts, die Antragstellerin könne das Vorhaben wegen seiner (möglichen) Auswirkungen auf ihr städtebauliches Gefüge abwehren.

Der Senat kann unentschieden lassen, ob der Bebauungsplan der Beigeladenen zu 2) Nr. 145 schon wegen des vom Verwaltungsgericht mit beachtlichen Erwägungen begründeten Abwägungsdefizits nichtig/unwirksam ist; es spricht einiges für die Annahme, die Beigeladene zu 2) hätte die möglichen Auswirkungen auf das unmittelbar angrenzende Gebiet der Antragstellerin (im Sinne der Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 9.11.1979 -- 4 N 1.78 und 4 N 2 bis 4.79 --, BVerwGE 59, 87, 101) "sehen" und den Fragen, die sich im Hinblick auf § 2 Abs. 2 BauGB stellen, -- etwa durch Einholung eigener gutachtlicher Äußerungen -- nachgehen müssen (vgl. dazu etwa auch OVG Koblenz, Beschl. v. 8.1.1999 -- 8 B 12650/98 --, NVwZ 1999, 435). Selbst wenn das zum Vorteil der Antragstellerin zu beantworten wäre, spräche noch nicht Überwiegendes für die Richtigkeit des vom Verwaltungsgericht gefundenen (und für die Anwendung des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO allein ausschlaggebenden) Entscheidungsergebnisses. Es trifft zwar zu, dass ein solcher Mangel nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.12.1989 -- 4 C 36.86 --, BVerwGE 84, 209 = BRS 50 Nr. 193, und v. 11.2.1993 -- 4 C 15.92 --, NVwZ 1994, 285 = DVBl. 1993, 658) einen Vorhaben-/Genehmigungsabwehranspruch der Antragstellerin begründen kann, wenn/weil die Beigeladene zu 2) für die Zulassung des Vorhabens "die Weichen gestellt" hat, das heißt das Vorhaben (auch) in planender Verantwortung der Beigeladenen zu 2) zugelassen worden ist. Der Senat zieht dieses von mehreren Gerichten (vgl. z.B. OVG Münster, Beschl. v. 31.1.2000 -- 10 B 959/99 --, NWVBl. 2000, 314, 315; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.6.1999 -- 3 M 144/98 --, NVwZ-RR 2000, 559, 560; Thür. OVG, Beschl. v. 23.4.1997 -- 1 EO 241/97 --, UPR 1997, 376 = DÖV 1997, 791) geteilte Ergebnis jedenfalls im Zulassungsbeschluss nicht in Zweifel, wenngleich "schlagende Gründe" hierfür nicht genannt werden. Diese Annahme mag sich aus Gesichtspunkten rechtfertigen, welche im Umkreis des Folgenbeseitigungsrechts angesiedelt sind. Voraussetzung für einen erfolgreichen Abwehranspruch der Antragstellerin bleibt ungeachtet einer schon aus mangelnder Ermittlungstätigkeit der Beigeladenen zu 2) herzuleitenden Unwirksamkeit des Bebauungsplanes stets, dass das angegriffene Vorhaben materiell das interkommunale Abstimmungsgebot verletzt. Daran bestehen aus den folgenden Gründen ernstliche Zweifel im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO:

Es mag zwar sein, dass -- wie das Verwaltungsgericht ausführt -- jedenfalls hier die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO das Erfordernis nach eingehender Untersuchung der befürchteten städtebaulichen Auswirkung begründet, welche das angegriffene Vorhaben auf das Gefüge der Antragstellerin haben kann (zurückhaltend insoweit allerdings Thür. OVG, Beschl. v. 23.4.1997 -- 1 EO 241/97 --, DÖV 1997, 791 = UPR 1997, 376: grundsätzlich ohne Aussagekraft, es sei denn, der Standort befinde sich in unmittelbarer Nähe zur Nachbargemeinde und sei nach Lage und Sortiment darauf ausgerichtet, den für den kommerziellen Erfolg erforderlichen Einzugsbereich auf dem Gebiet dieser Gemeinde zu finden; ähnlich wohl OVG Greifswald, Beschl. v. 30.6.1999 -- 3 M 144/98 --, NVwZ-RR 2000, 559, 561). Ersetzen kann die Vermutungsregel des § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO den Nachweis einer Verletzung des § 2 Abs. 2 BauGB trotz des Umstandes indes nicht, dass die genehmigte Verkaufsfläche diejenige weit übersteigt, welche in § 11 Abs. 3 Satz 2 BauNVO aufgeführt ist. § 2 Abs. 2 BauGB verschont die Nachbargemeinden untereinander -- wie der Senat in dem oben zitierten Urteil vom 30. März 2000 (a.a.O.) ausgeführt hat -- nicht vor jedweder Konkurrenz. Das interkommunale Abstimmungsgebot als spezieller Unter- und Anwendungsfall des allgemeinen Abwägungsgebotes (§ 1 Abs. 6 BauGB) soll die Nachbargemeinde nur vor unmittelbaren Auswirkungen gewichtiger Art bewahren, welche auch bei Abwägung mit gegenläufigen Interessen anderer Gemeinden nicht zurücktreten müssen. Je gewichtiger das Ziel ist, welches die Beigeladene zu 2) mit dem Bebauungsplan Nr. 145 verfolgt, desto eher muss das Interesse der Antragstellerin an unveränderter Beibehaltung der derzeitigen Konkurrenzsituation zurücktreten. Umgekehrt können deren Interessen in dem Umfang Berücksichtigung und Durchsetzung verlangen, in dem schützenswerte städtebauliche Belange irreversibel geschädigt zu werden drohen. Als ein solcher städtebaulicher Belang ist allerdings nicht für sich allein schon die Existenz des real-Marktes anzusehen, welcher nach wohl zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts für das L.-Einkaufszentrum "Magnetfunktion" übernimmt. Denn § 2 Abs. 2 BauGB dient nicht dem Konkurrenten-, das heißt dem Schutz ganz bestimmter Gewerbebetriebe.

Wendet man diese Grundsätze auf den Fall an, so ergeben sich ganz beträchtliche Gesichtspunkte für das angegriffene Vorhaben auf Seiten der Beigeladenen zu 2). Denn auch nach dem g-Gutachten vom 8. März 2000 fließt zurzeit in einem überdurchschnittlich hohen Maß, welches die Beigeladene zu 2) nicht auf Dauer hinnehmen muss, Kaufkraft aus deren Gemeindegebiet ab, die auf die Deckung des Bedarfs abzielt, der auch in Grundzentren soll gestillt werden können.

Jedenfalls nach dem derzeitig absehbaren Stand der Dinge bestehen ernstliche Zweifel daran, dass diese Gesichtspunkte durch Belange überwogen werden, welche die Antragstellerin für sich und ihre städtebaulichen Strukturen zu reklamieren vermag. Dabei mag dem Verwaltungsgericht darin grundsätzlich zuzustimmen sein, dass der Abfluss bisher absorbierter Kaufkraft nicht in jedem Fall den alleinigen Indikator für das Maß nachteiliger städtebaulicher Auswirkungen darzustellen vermag, die nach § 2 Abs. 2 BauGB beachtlich sind. Daneben mögen beispielsweise Gesichtspunkte des Verkehrs (Zwingt das angegriffene Vorhaben die Nachbargemeinde dazu, ihre Verkehrswege in einer bestimmten Weise herzurichten?; vgl. z.B. Thür. OVG, Beschl. v. 23.4.1997, a.a.O.; OVG Münster, Beschl. v. 31.1.2000 -- 10 B 959/99 --, NWVBl. 2000, 314, 315) oder auch Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes eine Rolle spielen können (Hat die Nachbargemeinde sich in berechtigtem Vertrauen auf bestimmtes planerisches Verhalten der anderen Gemeinde eingerichtet und/oder wird durch das angegriffene Vorhaben die letzte/eine der letzten Planungsmöglichkeiten der Nachbargemeinde zumindest erheblich erschwert oder gar zunichte gemacht?). Auf all diese Fragen kommt es hier jedoch nicht an. Denn die Antragstellerin stützt -- außer auf raumordnerische Gesichtspunkte -- ihren Antrag im Wesentlichen darauf, die Versorgungsstrukturen ihres Ortszentrums würden bei Zulassung des angegriffenen Vorhabens in gewichtigem Umfang ernstlich in Mitleidenschaft gezogen; denn es absorbiere unter anderem/namentlich zu Lasten des real-Marktes Kaufkraft mit der Folge, dass dieser seine Magnetfunktion für das L.-Einkaufszentrum nicht mehr zu erfüllen vermöge und dieses selbst, welches ihr Ortszentrum bilde, auf Dauer daher insgesamt nicht mehr lebensfähig sei. Für diese Fragen sind im Wesentlichen allein Gesichtspunkte des Kaufkraftabflusses von Bedeutung.

Der Senat kann jedenfalls im Zulassungsverfahren unentschieden lassen, welche Größenordnung Kaufkraftabflüsse erreichen müssen, um als wesentliche Auswirkung auf die Nachbargemeinde angesehen werden zu können (vgl. OVG Brandenburg, Beschl. v. 16.12.1998 -- 3 B 116/98 --, NVwZ 1999, 434 = BauR 1999, 154 unter Hinweis auf OVG Münster, Beschl. v. 5.9.1997 -- 7 A 2902/93 --, NVwZ 1998, 717 = BauR 1998, 309: Faustformel: mindestens 10 v.H.; Thür. OVG, Beschl. v. 23.4.1997 -- 1 EO 248/97 --, DÖV 1997, 791 = UPR 1997, 376: etwa 30 v.H.; OVG Greifswald, Beschl. v. 30.6.1999 -- 3 M 144/98 --, NVwZ-RR 2000, 559, 561: 10 bis 30 v.H.; OVG Koblenz, Beschl. v. 8.1.1999 -- 8 B 12650/98 --, NVwZ 1999, 435: wohl 10 bis 20 v.H., allerdings möglicherweise zu differenzieren nach Innenstadthandel insgesamt oder bestimmten Branchen). Denn in Blick zu nehmen sein dürfte hier die wohl nicht zu leugnende Magnetfunktion, welche der real-Markt erfüllt. Dementsprechend ist zu ermitteln, ob das angegriffene Vorhaben diesen eines Umfangs Kaufkraft kosten wird, dass er auf Dauer nicht wird lebensfähig sein/bleiben können. Es sprechen nach den Überlegungen, welche in dem g-Gutachten vom 8. März 2000 angestellt worden sind, eher Gründe für die Annahme, dies sei zum Vorteil des angegriffenen Vorhabens nicht der Fall.

Gegen die Annahme, der Abzug von Kaufkraft könne die Existenzfähigkeit des real-Marktes im L.-Einkaufszentrum irreversibel bedrohen, sprechen schon die eigenen Planungen, welche die Antragstellerin verfolgt und auf die die im ersten Rechtszug unterlegenen Beteiligten in ihren Zulassungsanträgen zu Recht verweisen. Diese (namentlich das ca. 8.000 m2 umfassende Vorhaben "Kaufland" an der S Straße) werden zwar (unter anderem) auf Seite 18 des g-Gutachtens aufgeführt, in den Ausführungen auf Seiten 38 und 48 ff. indes wohl nicht berücksichtigt. Diese Vorhaben sind von dem L.-Einkaufszentrum nicht so weit entfernt, dass sie nicht als ernsthafte Konkurrenten in Betracht kämen.

Nicht berücksichtigt wird in dem g-Gutachten des Weiteren, dass an der Südgrenze des Stadtgebietes ... in den ehemaligen Räumen des InterSpar am Südende der H Straße zwischenzeitlich ein Wal-Mart bereits eingezogen ist und von seiner Lage her dem real-Markt bereits Konkurrenz macht.

Vor allem aber begründen die folgenden Gesichtspunkte ernstliche Zweifel an der Richtigkeit der angegriffenen Entscheidung, nämlich daran, es seien gewichtige Auswirkungen städtebaulicher Art auf den Ortsmittelpunkt der Antragstellerin (Niedergang des L.-Einkaufszentrums durch Existenzgefährdung des real-Marktes) zu befürchten:

Es ist bereits nicht ganz nachvollziehbar, wie das g-Gutachten (vgl. unter anderem Seite 45) dem L.-Einkaufszentrum einen Umsatzverlust von insgesamt 17 Millionen, davon 8 bis 9 Millionen für den real-Markt vorhersagen kann. Dies lässt sich mit den Angaben zu der Einteilung der drei Marktzonen (Seite 15 des Gutachtens) nicht ohne weiteres in Übereinstimmung bringen. Das L.-Einkaufszentrum gehört danach der Marktzone 3 zu, für welche auf Seite 21 des Gutachtens eine Umsatzeinbuße von 2,5 % prophezeit wird. Bei einem derzeitigen Umsatz von 180 Millionen DM für das L.-Einkaufszentrum (Seite 43 oben des Gutachtens) hätten daher möglicherweise "an sich" nur Umsatzeinbußen in der Größenordnung von 4,5 Millionen DM vorhergesagt werden können.

Selbst wenn man aber die im g-Gutachten gefundenen Zahlen (Zusammenfassung Seite 45 des Gutachtens) zugrunde legt und annimmt, der real-Markt als Magnet des L.-Einkaufszentrums müsse infolge des angegriffenen Vorhabens einen Umsatzverlust von 8 bis 9 Millionen DM pro Jahr gewärtigen, vermag dies die für eine Antragsstattgabe erforderlichen städtebaulichen Auswirkungen gewichtiger Art voraussichtlich nicht vollständig zu begründen. Das ergibt sich aus mehreren Gesichtspunkten.

Die Annahme, der real-Markt werde bei solchen Umsatzeinbußen ernsthaft in seiner Existenz gefährdet, wird in dem Gutachten voraussichtlich nicht ausreichend belegt. Hervorzuheben ist, dass der real-Markt mit 11.000,-- DM/m2 einen überdurchschnittlich großen Umsatz macht (Seite 43 des Gutachtens); denn der durchschnittliche Umsatz soll diesem Gutachten zufolge (Seite 12) 9.683,-- DM/m2 betragen. Wenn daher das Gutachten auf seiner Seite 45 annimmt, eine Zulassung des angegriffenen Vorhabens werde den Umsatz je Quadratmeter auf 9.400,-- DM sinken lassen, so liegt dies dermaßen knapp unter dem Durchschnittswert, dass die Behauptung echter, zumindest langfristiger Existenzgefährdung des real-Marktes sehr fragwürdig erscheint. Das gilt jedenfalls angesichts des Umstandes, dass auf Seite 21 des Gutachtens dem angegriffenen Vorhaben ein Umsatz von voraussichtlich nur knapp 8.000,-- DM/m2 Verkaufsfläche zugesagt, dies aber offenbar als ausreichend angesehen wird, dass sich der W.-Markt längerfristig hält. Denn ohne ein längerfristiges Engagement des Wal-Martes wäre langfristig betrachtet die Prognose einer Existenzgefährdung des real-Marktes nicht zu rechtfertigen. Es fragt sich angesichts dessen, ob es nicht auch dem real-Markt möglich ist, sogar mit noch geringerem Umsatz, als auf Seite 45 des Gutachtens angenommen wird, bestehen zu bleiben.

Folgendes kommt selbständig tragend hinzu: Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 15.12.1989 -- 4 C 36.86 --, BVerwGE 84, 209 = NVwZ 1990, 464 = BRS 50 Nr. 193; vgl. auch OVG Koblenz, Beschl. v. 8.1.1999 -- 8 B 12650/98 --, NVwZ 1999, 435) ist bei der nach §§ 2 Abs. 2, 1 Abs. 6 BauGB gebotenen Abwägungsentscheidung auch zu berücksichtigen, ob es der Nachbargemeinde zugemutet werden kann und möglich ist, die im Zusammenhang mit dem angegriffenen Vorhaben befürchteten/erwarteten Beeinträchtigungen durch eigene Planungen zumindest zum Teil, nämlich so weit wieder auszugleichen, dass unmittelbare Auswirkungen gewichtiger Art nicht eintreten. Das liegt auch auf der Linie der Rechtsprechung des Senats (vgl. das oben zitierte Urt. v. 30.3.2000, a.a.O.), wonach Gemeinden untereinander keinen wettbewerbsrechtlichen "Cordon sanitair" beanspruchen können. Insoweit fällt Folgendes ins Gewicht. Unter anderem auf den Seiten 18, 19 und 43 des g-Gutachtens wird ausgeführt, der real-Markt, der "Magnet" des L.-Einkaufszentrums, weise unter anderem dadurch strukturelle Schwächen auf, dass die Wege zu den Parkflächen zu lang seien und die Verkaufsfläche von etwa 4.700 m2 unglücklich auf zwei Ebenen verteilt sei. Diesen Defiziten kann durch die Maßnahmen, welche zum Teil schon projektiert sind (vgl. Seite 43 des Gutachtens) erheblichen Umfangs begegnet werden. In Rede steht die Vergrößerung der Erdgeschossebene um immerhin 2.000 m2. Damit wird nicht nur die Verkaufsfläche in einer Weise vergrößert, welche die Konkurrenzchancen gegen den Wal-Mart verbessert. Vielmehr wird dadurch zugleich zweierlei erreicht, nämlich zum einen, in der Erdgeschossebene fast die Verkaufsfläche nunmehr präsentieren zu können, welche bisher auf zwei Ebenen verteilt war. Zum anderen wird es mit dem Umbau dem real-Markt/der Antragstellerin möglich sein, der zweiten strukturellen Schwäche zu begegnen. Dazu ist erforderlich, dass sich der real-Markt (statt wie bisher nach Süden, nunmehr) nach Norden öffnet, das heißt er seine Eingangszone an die Nordseite verlegt und so einen erheblich besseren Zugang zu den umfangreichen Parkflächen nördlich des real-Marktes erhält.

All das zusammengenommen spricht für die Einschätzung, das angegriffene Vorhaben werde nicht zu Auswirkungen städtebaulicher Art führen, welche der Antragstellerin nicht mehr zuzumuten sind.