LG Hamburg, Urteil vom 13.04.2007 - 331 O 79/06
Fundstelle
openJur 2009, 594
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • nachfolgend: Az. 14 U 95/07
Verkehrsrecht Zivilrecht
§ 249 BGB; § 7 StVG
Tenor

I.

Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin

1. € 2.592,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29.09.2005 sowie

2. € 361,90 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 06.04.2006

zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

III.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für die Klägerin allerdings nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von dem Beklagten Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall, der sich am 15.07.2005 auf dem Rasthof Weiskirchen auf der BAB 3 Fahrtrichtung Würzburg ereignete.

Die Klägerin ist Eigentümerin eines BMW M6 Coupé mit dem amtlichen Kennzeichen ... 1234. Das Fahrzeug, welches die Klägerin zum Preis von € 97.379,30 netto zzgl. Überführungs- und Zulassungskosten als Geschäftsfahrzeug erworben hatte, wurde am 14.07.2005 erstmals zum Verkehr zugelassen. Bereits am 15.07.2005 wurde das Fahrzeug durch den bei dem Beklagten quasi-haftpflichtversicherten Sattelzug der Fa. M... spedice mit dem amtlichen Kennzeichen ... (Zugmaschine) bzw. ... (Auflieger) beschädigt. Die Haftung des Beklagten ist unstreitig.

Der Beklagte regulierte den Schaden am Klägerfahrzeug nach Maßgabe des als Anlage K 9 vorgelegten Schreibens der mit der Schadensabwicklung beauftragten A... Versicherungs-AG vom 26.09.2005. Danach zahlte der Beklagte vorprozessual Netto-Reparaturkosten in Höhe von € 5.379,38, Gutachterkosten in Höhe von € 585,45 netto, Wertminderung in Höhe von € 3.500,00 sowie eine Kostenpauschale von € 20,00.

Die Klägerin verlangt die Abrechnung des Schadens auf Neuwagenbasis. Sie trägt vor, dass das Fahrzeug derart erheblich beschädigt worden sei, dass der Klägerin die Durchführung einer Reparatur nicht zumutbar sei. Zur Reparatur sei über die gutachterlichen Feststellungen hinaus u.a. eine Achsvermessung erforderlich sowie auch ein Austausch des Lenkgetriebes. Außerdem handele es sich bei dem BMW um ein Luxusfahrzeug mit einem besonderen Affektionsinteresse. Im Übrigen betrügen die erforderlichen Reparaturkosten nach Maßgabe des als Anlage K 4 vorgelegten Schadensgutachtens des Sachverständigen Dipl.Ing. T. € 5.653,68 netto. Schließlich verlangt die Klägerin den Ersatz von Mietwagenkosten nach Maßgabe der als Anlage K 7 vorgelegten Rechnung vom 27.07.2005 in Höhe von € 2.592,00 netto.

Mit der Klage hat die Klägerin zunächst die Zahlung von € 107.342,62 nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe des Klägerfahrzeugs sowie den Ersatz der nicht anrechenbaren vorprozessualen Anwaltskosten verlangt.

In der mündlichen Verhandlung vom 02.02.2007 zahlte der Beklagte an die Klägerin auf die Reparaturkosten weitere 137,08 nebst Zinsen. Die Parteivertreter erklärten übereinstimmend, dass damit die Reparaturkosten ausgeglichen bzw. erledigt sind. Wegen der weiteren noch streitigen Reparaturkosten in Höhe von € 137,22 und der versehentlich geltend gemachten Umsatzsteuer für die Beschaffung eines Neufahrzeugs hat die Klägerin die Klage zurückgenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr noch,

den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin

1. € 88.940,43 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2005 Zug um Zug gegen Übereignung des verunfallten Kraftfahrzeugs des Herstellers BMW Typ M 6 Coupé mit der Fahrzeugidentifikationsnummer 91 B # 0 zu zahlen,

2. € 2.592,00 (Mietwagenkosten) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.09.2005 zu zahlen sowie

3. € 1.301,05 (Anwaltskosten) nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Parteien haben sich mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt.

Gründe

Die Klage ist nur in geringem Umfang begründet.

I.

Die Klägerin hat gegen den Beklagten Anspruch auf Ersatz der Mietwagenkosten und auf Erstattung von vorprozessualen Anwaltskosten (1.). Hingegen kann die Klägerin keine Abrechnung auf Neuwagenbasis verlangen (2.).

1. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Ersatz der von ihr geltend gemachten Mietwagenkosten in Höhe von € 2.592,00 netto (Anlage K 7).

Die Klägerin war berechtigt, für die Zeit, in der das in Rede stehende Fahrzeug wegen einer durchzuführenden Reparatur nicht zur Verfügung stand, ein entsprechendes Ersatzfahrzeug anzumieten. Die Klägerin hat mit ihrem Schriftsatz vom 02.03.2007 substantiiert dargelegt, dass die Anmietung der Ersatzfahrzeuge in der Zeit bis zum 26.07.2005 sachgerecht war; insbesondere ist nicht ersichtlich, dass im Hause der Klägerin eine zumutbare Möglichkeit bestand, auf ein anderes Fahrzeug aus dem Fuhrpark auszuweichen. Der entsprechende Bedarf ergibt sich bereits daraus, dass das in Rede stehende Fahrzeug jedenfalls Ende September 2005 durch die langfristige Anmietung eines anderen Fahrzeugs ersetzt worden ist (Anlagen KR 4). Der Höhe nach sind die geltend gemachten Mietwagenkosten unstreitig.

Ferner kann die Klägerin von dem Beklagten Ersatz der vorprozessualen nicht anrechenbaren Anwaltskosten in Höhe von € 361,90 verlangen. Der Klägerin standen berechtigte Ansprüche in Höhe von € 9.484,83 (vorprozessuale Zahlung) + € 137,08 (weitere Reparaturkosten) + € 2.592,00 (Mietwagenkosten) = € 12.213,91 zu. Nach Maßgabe dieses Gegenstandswertes waren daher auch die vorprozessualen Anwaltskosten erforderlich. Die nicht anrechenbaren vorprozessualen Anwaltskosten sind daher in Höhe von € 341,90 (0,65-Gebühr) + € 20,00 (Pauschale) = € 361,90 ersatzfähig.

Der Zinsanspruch ergibt sich aus den §§ 286 ff. BGB.

2. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Abrechnung ihres Fahrzeugschadens auf Neuwagenbasis.

Die Abrechnung auf Neuwagenbasis ist nur dann zulässig, wenn bei einem Unfall ein neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden ist. Mag es sich vorliegend bei dem BMW auch um ein neues Fahrzeug gehandelt haben, so fehlt es jedenfalls an der erheblichen Beschädigung. Die Beschädigung des Fahrzeugs stellt sich nicht als so schwerwiegend dar, dass ein zureichender Schadensersatz nur dann möglich wäre, wenn es nicht lediglich repariert, sondern durch ein gleichwertiges Neufahrzeug ersetzt würde.

Die Abrechnung auf Neuwagenbasis kommt nur in Betracht, wenn der Unfall nicht ausschließlich solche Teile des Fahrzeugs betroffen hat, durch deren spurenlose Auswechslung der frühere Zustand voll wiederhergestellt werden kann. Danach ist insbesondere erforderlich, dass Karosserie oder Fahrwerk des Fahrzeugs so stark beschädigt sind, dass sie in wesentlichen Teilen wieder aufgebaut werden müssen und nicht bloß Montageteile auszutauschen sind, selbst wenn dies mit einer Teillackierung der Karosserie einhergeht (OLG Celle, NZV 2004, 586 und OLGR 2002, 278; OLG Düsseldorf, Urt. v. 19.12.2003 – 1 U 139/03; OLG Hamm, NZV 2001, 478; LG Heilbronn, NZV 2003, 95). Sogar dann, wenn zusätzlich zum Austausch von Blechteilen auch Richtarbeiten geringeren Umfangs bei den tragenden Fahrzeugteilen erforderlich sind, ist dem Geschädigten die Weiternutzung des reparierten Unfallfahrzeugs zuzumuten (OLG Celle, a.a.O.).

So liegt die Sache hier. Der Schadensumfang ergibt sich gut nachvollziehbar aus den beiden Schadensgutachten vom 18.07.2005 (Anlage K 4) und vom 11.08.2005 (Anlage K 10). Selbst in dem von der Klägerin eingeholten Schadensgutachten des Sachverständigen Dipl.Ing. T. findet sich lediglich folgende Beschreibung des Schadensbildes (vgl. Seite 3 der Anlage K 4):

„Linke Fahrzeugseite

Tür und Kotflügel stark verformt.
Spiegel abgerissen.
Felge verschrammt und Reifen beschädigt.
Stoßfänger vorne verbogen und eingerissen.
Diverse Anbauteile zerstört.“

Gemäß Seite 5 des Gutachtens sind zur Reparatur dieser Schäden folgende Arbeiten erforderlich:

„Stoßfänger vorne, Seitenwand vorne, Tür links sowie Scheibenrad vorne links erneuern, A-Säule links instand setzen, Vorder- und Hinterachse nach der Reparatur einstellen; Hohlraumkonservierung, Unterbodenschutz, Seitenwand vorne links nachbehandeln.“

Dabei ist für die Instandsetzung der A-Säule links lediglich ein Aufwand von 12 AW = 1 Std. 12 Minuten vorgesehen, wobei es sich ersichtlich um die Arbeiten für das Einpassen der Tür/Schaniere vorne links handelt (vgl. Anlage K 10).

Auch die Klägerin selbst stellt nicht in Abrede, dass diese Beschädigungen bei sorgfältiger Reparatur spurenlos beseitigt werden können. Deshalb spekuliert die Klägerin darüber hinaus, dass auch eine Achsvermessung und der Austausch des Lenkgetriebes erforderlich sein könnten und sich im Übrigen Unsicherheiten daraus ergeben könnten, dass die Reparatur möglicherweise nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt werde und dass etwa auch unentdeckte Haarrisse im Bereich der Vorderachse entstanden sein könnten etc.. Die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin sind jedoch ohne jede Substanz, da sie selbst in dem von der Klägerin vorgelegten Schadensgutachten keine Grundlage finden. Dort ist von derartigen Beschädigungen keine Rede. Etwas anders ergibt sich auch nicht aus den in Kopie vorliegenden Schadensfotos und dem beschriebenen Unfallhergang. Vielmehr handelt es sich bei diesem Vortrag der Klägerin ersichtlich um konstruierte und willkürliche Behauptungen „ins Blaue hinein.“

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Umstand, dass es sich bei dem in Rede stehenden Fahrzeug um ein solches der sog. „Luxusklasse“ handelt. Auch die diesbezüglichen Ausführungen der Klägerin wirken eher künstlich und bestätigen damit vielmehr, dass solider Vortrag nicht zur Verfügung steht. So ist nicht ersichtlich, warum für hochpreisige Fahrzeuge etwas anderes gelten soll, als für günstigere.

Ebenso wenig ist ein besonderes Affektionsinteresse weder erkennbar noch relevant. Mag der Anschaffungspreis auch hoch sein, so handelt es sich doch noch immer nur um ein Serienfahrzeug, welches – gebraucht oder neu – in nicht unerheblicher Zahl gehandelt wird. Abgesehen davon beabsichtigt auch die Klägerin mit dem Fahrzeug nichts anderes als die gewerbliche Nutzung.

Nach allem ist es nicht zu beanstanden, dass der Beklagte bzw. dessen Regulierungsbeauftragte die Klägerin auf die Durchführung der zumutbaren Reparatur verwiesen hat. Auch weitere vorprozessuale Anwaltskosten als unter Ziff. 1. festgestellt sind daher nicht ersatzfähig.

II.

Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92, 708 Nr. 11, 709, 711 ZPO.