LG Mannheim, Urteil vom 17.11.2006 - 1 S 227/05
Fundstelle
openJur 2012, 65496
  • Rkr:

Ein Facharzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, der jährlich viele hundert MRT des Kniegelenks durchführt, verstößt gegen § 37 Heilberufekammergesetz BW. Der mit dem Patienten geschlossene Behandlungsvertrag ist gemäß § 134 BGB insoweit nichtig. Dem Arzt steht weder ein Honoraranspruch aus § 1 Abs. 2 GoÄ noch ein Anspruch aus § 812 BGB zu.

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Amtsgerichts Mannheim vom 18.11.2005 - 1 C 299/05 - wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten der Berufung.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor Vollstreckung in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

4. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

I.

Die Klägerin, die eine privatärztliche Verrechnungsstelle betreibt, macht mit der Klage aus abgetretenem Recht des behandelnden Arztes das Honorar für ärztliche Leistungen geltend.

Der Beklagte suchte am 21.07.2004 P, Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie, wegen Beschwerden am linken Knie auf. Es wurde eine Magnet-Resonanz-Tomographie (im folgenden: MRT) erstellt.

Die Klägerin berechnete dem Beklagten für die von P erbrachten Leistungen unter dem 05.10.2004 EUR 662,55 (I, 31). Hiervon entfallen auf dessen Tätigkeit bei der MRT insgesamt EUR 588,65, die gemäß Ziff. 5730, 5731, 5733 und 75 der GOÄ abgerechnet wurden.

Die Parteien stritten und streiten in erster Linie darüber, ob der Rechtsvorgänger der Klägerin, der Arzt für Chirurgie und Unfallchirurgie ist, berechtigt war, die MRT durchzuführen und abzurechnen oder ob es sich um eine Leistung handelt, die regelmäßig in das Fachgebiet der Radiologie gehört und deshalb von einem Chirurgen/Unfallchirurgen im Regelfall weder erbracht noch abgerechnet werden darf.

Die Klägerin hat in erster Instanz beantragt, den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin EUR 662,55 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 03.04.2005 zu zahlen.

Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

...Das Amtsgericht hat den Beklagten zur Zahlung von EUR 73,90 nebst hieraus resultierender Zinsen verurteilt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Es hat einen Honoraranspruch des Rechtsvorgängers der Klägerin für die in Zusammenhang mit der MRT stehenden Leistungen verneint, weil der auf die Erbringung dieser Leistung gerichtete Vertrag wegen Verstoßes gegen ein gesetzliches Verbot nichtig sei...

Hiergegen richtet sich die vom Amtsgericht zugelassene Berufung der Klägerin, mit der sie ihr erstinstanzliches Begehren, soweit die Klage abgewiesen wurde, weiter verfolgt.

Die Berufung rügt die Rechtsauffassung des Amtsgerichts, dass der zwischen P und dem Beklagten abgeschlossene Behandlungsvertrag, gemäß § 37 Abs. 1 HBKG BW (Heilberufekammer-Gesetz) unwirksam sei, soweit er die Durchführung der MRT betrifft...

Die Klägerin beantragt,

unter teilweiser Abänderung des Urteils des Amtsgerichts Mannheim vom 18.11.2005 (Az.: 1 C 299/05) den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin weitere EUR 588,65 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 03.04.2005 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt;

die Berufung zurückzuweisen....

Gründe

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Klägerin ist zulässig (§ 511 Abs. 4 ZPO). Ihr war jedoch in der Sache der Erfolg zu versagen.

Die Kammer folgt der Rechtsauffassung des Amtsgerichts, dass dem Rechtsvorgänger der Klägerin für die bei Durchführung der MRT erbrachten Leistungen kein Vergütungsanspruch aus §§ 611 Abs. 1, 612 Abs. 1 u. 2, 398 BGB, 1, 4 u. 5 Abs. 1 GOÄ zusteht, weil die zwischen den Beteiligten getroffene Vereinbarung über die Durchführung dieser Maßnahme gemäß § 134 BGB nichtig ist. Es wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils verwiesen, die die Kammer für richtig erachtet.

Ergänzend ist, auch im Hinblick auf das Berufungsvorbringen der Klägerin, auszuführen:

Gemäß § 37 Abs. 1 HBKG BW darf, wer als Arzt eine Gebietsbezeichnung führt, grundsätzlich nur in dem Gebiet tätig sein, dessen Bezeichnung er führt.

Die hierin enthaltene Beschränkung ärztlicher Tätigkeit, stellt ein gesetzliches Verbot dar, das zur Nichtigkeit einer Vereinbarung über die Erbringung einer dem Arzt hiernach nicht gestatteten Leistung führt.

Hierbei ist es unerheblich, dass das Verbot in einer landesrechtlichen Regelung enthalten ist (Vgl. BGH NJW 1986, 2360), da die Regelung in landesrechtlicher Zuständigkeit erfolgt ist. Die berufsrechtliche Regelungskompetenz steht den Ländern gemäß Art. 70 GG zu.

Der Nichtigkeit entsprechender Vereinbarungen entgegenstehende Regelungen (§ 134, 2. Halbsatz BGB) ergeben sich weder ausdrücklich aus dem Heilberufekammer-Gesetz noch aus dem Regelungszweck des § 37 Abs. 1 HBKG BW.

Soweit die Regelung normiert, dass der Arzt grundsätzlichnur in dem Gebiet tätig sein darf, dessen Bezeichnung er führt, lässt sie zwar auch erlaubte gebietsfremde Tätigkeiten zu. Diese sind aber auf einzelne Ausnahmefälle beschränkt, wie sie sich in der täglichen Praxis ergeben können, in der die Abgrenzung der Fachgebiete nicht immer eindeutig ist. Nicht zulässig ist es nach Auffassung der Kammer allerdings, wenn, wie das vorliegend der Fall ist, sämtliche im Praxisbetrieb des P als notwendig angesehenen MRT's gebietsfremd durchgeführt werden. Darauf, welchen Anteil die von ihm durchgeführten MRT-Untersuchungen (in den letzten Jahren über 6000) an seinem Praxisbetrieb haben, kommt es nicht an.

Auch der Umstand, dass § 37 Abs. 1 HBKG den verwendeten Begriff "grundsätzlich" nicht näher definiert, steht der Annahme eines Verbotsgesetzes nicht entgegen. Derartige generalisierende Regelungen sind vielfach üblich, um eine Vielzahl einzelner Regelungen zu vermeiden, hier zum Beispiel eine Aufzählung von Ausnahmetatbeständen, die letztlich nie vollzählig sein könnte.

Auch aus dem Zweck der Regelung in § 37 Abs. 1 HBKG BW ergibt sich nichts, was die Annahme der Nichtigkeit einer gegen die Regelung verstoßenden Vereinbarung hindert.

Die Regelung in § 37 HBKG sichert u.a. die medizinische Versorgung der Bevölkerung in dem bestehenden Facharztsystem. Wenn alle diagnostischen Untersuchungen den jeweiligen Fachgebieten zugeschlagen würden, bliebe für die ausschließlich diagnostisch tätigen Fachärzte, wie diejenigen für diagnostische Radiologie nur ein geringer medizinischer Bedarf und für sie wäre ein wirtschaftlich gesicherter Lebensraum nicht gegeben. Das wäre geeignet, die ärztliche Versorgung der Bevölkerung in Gebieten zu gefährden, in denen die Facharztdichte ohnehin gering ist und sich Fachärzte scheuen, die erforderlichen Geräte anzuschaffen. Auch wird durch die Trennung der Aufgabengebiete, die zum einen nach Fachgebieten (wie z.B. bei der Frauenheilkunde, der inneren Medizin und der Chirurgie) und zum anderen nach Tätigkeitsbereichen fachgebietsübergreifend (wie z.B. bei der Laboratoriumsmedizin, der Nuklearmedizin und diagnostischen Radiologie) vorgenommen wird, ein gewisser Kosten einsparender Effekt für das Gesundheitssystem erreicht, weil dadurch, dass es fachübergreifend tätige Ärzte gibt, die Anschaffung bestimmter teurer Geräte auf bestimmte Tätigkeitsgebiete konzentriert wird. Zudem soll durch das Verbot gebietsfremder Tätigkeiten generell auch eine Qualitätssicherung erreicht werden (Vgl. Laufs/Uhlenbruck, Handbuch des Arztrechts, 3. Aufl. § 11 Rdnr. 10), die den Patienten letztendlich zu Gute kommt. So wird nämlich erreicht, dass grundsätzlich Diagnose- und Behandlungsmaßnahmen von einem Arzt durchgeführt werden, für die er seine Qualifikation durch eine entsprechenden Fortbildung und Prüfung nachgewiesen hat.

Auch der Umstand, dass sich das Verbot nur einseitig an den behandelnden Arzt und nicht an den eine entsprechende Vereinbarung schließenden Patienten richtet, steht der Nichtigkeit des abgeschlossenen Vertrages nicht entgegen. Zwar ist von der Rechtsprechung anerkannt, dass ein einen Verstoß gegen ein Verbotsgesetz beinhaltendes Rechtsgeschäft dann in der Regel gültig ist, wenn sich das Verbot, wie das vorliegend der Fall ist, nur an einen der Geschäftspartner richtet (Vgl. Palandt, BGB, 65. Aufl., § 134 Rdnr. 9 mit weiteren Nachweisen). Das gilt aber dann nicht, wenn der Zweck des Verbotes die Annahme einer Nichtigkeit des Geschäftes gebietet (Vgl. BGHZ 37, 262; BGHZ 132,229; BAG BB 2005, 782).

Das ist vorliegend nach den Ausführungen im vorangegangenen Absatz der Fall. Der Zweck der gesetzlichen Regelung würde vereitelt, wenn sie durch trotz Verstoßes wirksame Vereinbarungen unterlaufen werden könnte.

P hat vorliegend auch gegen das aus § 37 Abs. 1 HBKG BW resultierende Verbot gebietsfremder Tätigkeit verstoßen.

Er ist Chirurg/Unfallchirurg. Was zu seinem Fachgebiet gehört wird gemäß § 38 in Verb. m. §§ 32, 33 HBKG durch die Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg in der Fassung vom 01.10.2003, die zum Zeitpunkt der Behandlung des Beklagten durch den Kläger galt (im Folgenden: WBO) geregelt.

Nach deren Abschnitt I, Ziff. 7, 1 gehören zur Chirurgie nur folgende bildgebende Diagnoseverfahren:

- die gebietsbezogene Röntgendiagnostik des Stütz- und Bewegungssystems und der Notfalldiagnostik der Schädel-. Brust- und Bauchhöhle und der intraoperativen Röntgendiagnostik einschließlich des Strahlenschutzes;

- die Sonographie bei chirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen;

Zum Schwerpunkt Unfallchirurgie gehört zusätzlich die Sonographie bei unfallchirurgischen Erkrankungen, Verletzungen und Fehlbildungen und die Befundbewertung weiterer diagnostischer Verfahren wie CT und MRT.

Nicht gehören zur Chirurgie und Unfallchirurgie die von der zuletzt aufgeführten Maßnahme zu unterscheidende Erstellung einer MRT und ihre Befundung. Eine solche Maßnahme ist nach der WBO auf dem Fachgebiet der Chirurgie nur im Schwerpunkt Gefäßchirurgie für die Darstellung periphärer Arterien vorgesehen.

Dagegen gehört die Erstellung von MRT und Kernspektrographien im Übrigen nach der WBO zum Fachgebiet der Diagnostischen Radiologie.

Die WBO stellt zudem in § 1 Abs. 3 nochmals klar, dass auch wenn für den Erwerb der eingehenden Kenntnisse und Erfahrungen auf einem Fachgebiet auch der Erwerb von Kenntnissen aus anderen Gebieten vorgeschrieben ist, die Facharztanerkennung nur die Ausübung der ärztlichen Tätigkeit auf dem anerkannten Gebiet erlaubt. Der Nachweis sonstiger Kenntnisse in anderen Gebieten solle die Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen Fachärzten vertiefen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem von der Klägerin für ihre Auffassung herangezogenen § 2 Abs. 2 und 4 WBO in der derzeit geltenden Fassung. Auch dort wird in Abs. 4 Satz 4 klar gestellt, dass die Gebietsgrenzen fachärztlicher Tätigkeit durch Zusatzweiterbildungen nicht erweitert werden. Dass die Neufassung der WBO die Regelung des § 37 HBKG nicht mehr wiederholt, wie das in der vorhergehenden Fassung der WBO der Fall war, hat keinen Einfluss auf die Geltung des § 37 HBKG.

Der Klägerin steht damit der mit der Klage verfolgte Honoraranspruch nicht zu.

Darüber hinaus ist die Kammer auch der Auffassung, dass unabhängig von der Wirksamkeit der die Durchführung der MRT betreffenden Vereinbarung die Voraussetzungen für das Entstehen eines Vergütungsanspruchs nicht gegeben sind. Zu vergüten sind gemäß § 1 Abs. 2 GoÄ nur Leistungen die den Regeln der ärztlichen Kunst entsprechen. Dies ist vorliegend, da der Rechtsvorgänger der Klägerin eine seinem Fachgebiet fremde Leistung erbracht hat, nach Auffassung der Kammer nicht der Fall.

Der von der Klägerin beanspruchte Betrag kann auch nicht auf §§ 812 Abs. 1, 398 BGB gestützt werden.

Zum einen scheint bereits fraglich, ob die von P mit der Klägerin vereinbarte Abtretung, die sich auf "ärztliche Forderungen" des Zedenten bezieht, Ansprüche aus ungerechtfertigter Bereicherung umfasst.

Diese sind vorliegend aber gemäß § 817 Abs. 1 Satz 2 BGB ausgeschlossen, weil er durch seine Leistung gegen ein gesetzliches Verbot verstoßen hat. Insoweit stellt § 817 Abs. 1 Satz 2 BGB einen allgemeinen Grundsatz auf, der für alle Leistungskondiktionen Anwendung findet, unabhängig davon, ob die Voraussetzungen des Satz 1 gegeben sind (Vgl. Palandt, BGB, 65. Aufl., § 817,Rdnr. 12 mit weiteren Nachweisen).

Der Rechtsvorgänger der Klägerin hat die MRT, wie dargelegt, unter Verstoß gegen die angeführten gesetzlichen Berufsausübungsregeln erbracht. Die Kammer ist auch davon überzeugt, dass er insoweit vorsätzlich zumindest aber leichtfertig handelte. [wird ausgeführt]

Gemäß § 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO war die Revision zur Fortbildung des Rechts und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen...