SG Marburg, Beschluss vom 10.11.2011 - S 12 KA 790/11 ER
Fundstelle
openJur 2012, 35299
  • Rkr:

Es ist nicht zu beanstanden, wenn der Berufungsausschuss bei der Prüfung eines lokalen Sonderbedarfs im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie auf in noch höherem Maße wohnortnahe Angebote und bei der Prüfung der Aussagen niedergelassener Psychotherapeuten auf sein Erfahrungswissen abstellt, dass nicht alle Psychotherapeuten den Versorgungsauftrag vollständig ausführen. Es besteht eine besondere Sachkunde bzgl. der Versorgungssituation, wenn eine Beisitzerin des Berufungsausschusses die Genehmigungspraxis bzgl. der Anträge auf Kostenerstattung kennt.

Tenor

1. Es wir die sofortige Vollziehung des Beschlusses desAntragsgegners bis zu einer Entscheidung der Kammer imHauptsacheverfahren mit Aktenzeichen: S 12 KA 642/11angeordnet.

2. Im Übrigen wird der Antrag auf Erlass einer einstweiligenAnordnung abgelehnt.

3. Die Beigeladene zu 1) hat der Antragstellerin ¾ dernotwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten und ¾ derGerichtskosten zu tragen. ¼ der Gerichtskosten hat dieAntragstellerin zu tragen. Weitere Kosten sind nicht zuerstatten.

4. Der Streitwert wird auf 16.375,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten im Rahmen eines einstweiligenAnordnungsverfahrens um eine Sonderbedarfszulassung derAntragstellerin als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin inA-Stadt, UG.Kreis.

Die 1974 geborene und jetzt 37-jährige Antragstellerin wurde imJahr 2009 als Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin approbiert.Sie ist berechtigt, die Richtlinienverfahren tiefenpsychologischfundierte und analytische Therapie auszuüben.

Sie beantragte mit Schreiben vom 11.06.2009 dieSonderbedarfszulassung in A-Stadt (UG.Kreis) zur vertragsärztlichenVersorgung als Kinder- und Jugendlichen-Psychotherapeutin. Sie wiesauf ihre Approbation vom 14.05.2009 und die Eintragung in dasPsychotherapeutenregister hin. Weiter führte sie aus, es besteheeine Unterversorgung in A-Stadt und im gesamten UG.Kreis.

Die zu 1) beigeladene Kassenärztliche Vereinigung Hessen führteunter Datum vom 05.10.2009 aus, der Planungsbereich UG.Kreis seifür Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten gesperrt. DerVersorgungsgrad betrage 103,88 %. Der Planungsbereich habe 407.815Einwohner und es seien zwölf Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten tätig. Ein Kinder- undJugendlichenpsychotherapeut mit der Genehmigung tiefenpsychologischfundierte und analytische Psychotherapie für Kinder- undJugendliche in A-Stadt verfüge über 28 freie Therapieplätze. DieWartezeiten bis zum Erstgespräch betrügen maximal eine Woche undbis zum Beginn der Therapie zwei Wochen. Eine weiterePsychotherapeutin mit gleicher Qualifikation verfüge über fünffreie Therapieplätze (nachmittags). Für das Erstgespräch gebe eskeine Wartezeiten. Die Wartezeiten bis zum Therapiebeginn würdenvier Wochen betragen. Eine Psychotherapeutin mit der Genehmigungtiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie für Kinder undJugendliche in A-Stadt verfüge über zwei Therapieplätze. DasErstgespräch könne kurzfristig durchgeführt werden. Die Wartezeitenbis zum Therapiebeginn seien unterschiedlich. Demnach bestehe keinlokaler und besonderer Versorgungsbedarf. Sie empfehle dieAntragsablehnung.

Die Antragstellerin nahm hierzu unter Datum vom 04.11.2009ausführlich Stellung und wies darauf hin, aufgrund ihrerlangjährigen beruflichen Erfahrung und Ausbildung wisse sie, dasses im gesamten Planungsbereich keine niedergelassenen Kinder- undJugendlichen-Psychotherapeuten gebe, an die überwiesen werdenkönne. Betrachte man die von ihr erstellte Tabelle mit den sechsgrößten Städten des Planungsbereiches, so werde deutlich, dassgerade A-Stadt am schlechtesten versorgt sei. Dies gelte auch füreinen Vergleich mit anderen hessischen Städten. Auch sei dergesamte Planungsbereich wesentlich schlechter als anderePlanungsbereiche versorgt.

Der Zulassungsausschuss/Psychotherapie bei der KassenärztlichenVereinigung Hessen lehnte mit Beschluss vom 03.12.2009 den Antragauf Zulassung ab. Er schloss sich im Wesentlichen dem Ergebnis derBedarfsanalyse der Beigeladenen zu 1) an.

Hiergegen legte die Antragstellerin am 14.05.2010 Widerspruchein. Eine Befragung der niedergelassenen Psychotherapeuten reichewegen des Konkurrenzverhältnisses nicht aus. Soweit einPsychotherapeut 28 freie Therapieplätze angegeben habe, dürfteangesichts der Therapiekapazitäten davon ausgegangen werden, dassdieser überhaupt keine Patienten habe. Bei einer Psychotherapeutinmit Doppelzulassung sei nicht klar, mit welchem Anteil ihrerArbeitszeit sie an der psychotherapeutischen Versorgung im Kinder-und Jugendlichenbereich teilnehme.

Die Beigeladene zu 1) gab unter Datum vom 10.09.2010 eineweitere Stellungnahme ab. Sie trug vor, auch nach den aktuellenBeschlüssen des Landesausschlusses der Ärzte und Krankenkassen inHessen betrage der prozentuale Versorgungsgrad noch 199,30 %. ImPlanungsbereich seien sechs Ärzte/Therapeuten mit der Genehmigungzur tiefenpsychologisch fundierten und/oder analytischenPsychotherapie auch bzw. nur bei Kindern und Jugendlichenniedergelassen. Davon hätten drei Therapeuten ihren Sitz inA-Stadt, ein psychotherapeutisch tätiger Arzt in C-Stadt(Entfernung 40 km), ein psychologischer Psychotherapeut in D-Stadt(Entfernung 30 km), ein Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut inE-Stadt (Entfernung 29 km) und letztlich ein Kinder- undJugendlichenpsychotherapeut in F-Stadt (Entfernung 11,5 km).Daneben befände sich ein Facharzt für Nervenheilkunde mitZusatzbezeichnung Psychotherapie in G-Stadt (Entfernung 60 km) undein Kinderarzt mit der genannten Zusatzbezeichnung in H-Stadt, hiersei jedoch angegeben worden, dass keine Therapien durchgeführtwürden. Die Therapeuten in C-Stadt, D-Stadt, E-Stadt und G-Stadtsowie der Arzt in H-Stadt könnten wegen der Entfernung bzw. wegendes fehlenden Angebots nicht berücksichtigt werden. Die StadtA-Stadt habe 88.358 Einwohner. Allein anhand abstrakterstatistischer Daten lasse sich aber die Versorgungssituation nichtbeurteilen. Der Therapeut mit 28 freien Behandlungsplätzen habe dieTätigkeit erst am 01.04.2009 aufgenommen, weshalb die Angabenplausibel seien. Eine aktuelle Analyse der Abrechnungsdaten zeige,dass weiterhin freie Kapazitäten vorhanden seien. Eine derTherapeuten behandle Kinder und Jugendliche im Umfang von 20%seiner Patienten. Ausgehend von zeitbezogenen Kapazitätsgrenzen inMinuten hätten alle drei Therapeuten noch freie Kapazitäten.

Die Antragstellerin erwiderte mit Schreiben ihresProzessbevollmächtigten vom 27.09.2010, die vorgelegten Kapazitätenwürden maximal 15-20 Behandlungsfälle für eine Stadt von knapp90.000 Einwohnern entsprechen. Sie verweise ferner auf einSchreiben der XX-Klinik in J-Stadt mit Datum vom 30.06.2010.

Die Beigeladene zu 1) ergänzte ihre Ausführungen unter Datum vom12.11.2010. Die zeitbezogene Kapazitätsgrenze in Minuten werde jeHonorargruppe in Minuten festgelegt. Das RegelleistungsvolumenPsychotherapie setzte sich aus antrags- und genehmigungspflichtigenLeistungen Psychotherapie sowie aus den restlichen Leistungen dermorbiditätsbedingten Gesamtvergütung zusammen. Die von ihrdargestellten Leistungen in Minuten stellten nicht ausschließlichgenehmigungspflichtige Psychotherapien dar. Sie liste daher dieLeistungen nochmals auf, jetzt unterteilt nach antrags- undgenehmigungspflichtigen Leistungen Psychotherapie und nach demarztgruppenspezifischen Anteil der restlichen Leistungen dermorbiditätsorientierten Gesamtvergütung. Die Aufstellung zeige,dass hinsichtlich der antrags- und genehmigungspflichtigenLeistungen Psychotherapie noch Kapazitäten vorhanden seien.

Die Antragstellerin legte weitere Schreiben verschiedenerInstitutionen, so einer Praxis für Logopädie, einer Schule undeines Vereins für Jugend- und Familienhilfe vor.

Auf Anfrage des Antragsgegners teilte die Beigeladene zu 1)unter Datum vom 18.05.2011 mit, sie habe die Therapeuten nach denVorgaben des Antraggegners erneut befragt. Sie habe drei Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten, davon zwei aus A-Stadt undeiner aus F-Stadt, befragt. Den seit 01.04.2009 niedergelassenenTherapeuten habe sie nicht nochmals befragt, da dieser klar zumAusdruck gebracht habe, dass eine Ausweitung der Tätigkeit bzw.einer Verlagerung der Tätigkeit zu mehr antragspflichtigenLeistungen beabsichtigt sei. Von den befragten Therapeuten hättenzwei eine Stellungnahme abgegeben. Einmal werde erklärt, dassdurchaus eine Bereitschaft bestehe, den Versorgungsauftrag vollauszuschöpfen und mehr Leistungskapazitäten zur Verfügung zustellen. Da bisher lediglich die Honorarbescheide bis zum QuartalIII/10 vorlägen, lasse sich anhand der Abrechnungsdaten noch keinRückschluss auf eine Anpassung des Leistungsverhaltens ziehen. Diezweite Therapeutin aus F-Stadt habe angegeben, dass sie imSeptember 2011 einen hälftigen Versorgungsauftrag an einen Kollegenabgeben werde, die dann ihre Prüfung als Kinder- undJugendlichenpsychotherapeutin abgelegt habe. Ein dauerhafterVersorgungsbedarf lasse sich demnach nicht konstatieren. DieAntragstellerin sei seit 01.01.2011 mit einem hälftigenVersorgungsauftrag in I-Stadt als Kinder- undJugendlichenpsychotherapeutin niedergelassen. Sie solle erklären,in welchem Umfang sie eine Sonderbedarfszulassung in A-Stadtbegehre und welche Sprechstundenzeiten beabsichtigt seien.

Der Antragsgegner gab mit Beschluss vom 15.06.2011 demWiderspruch statt und hob den Beschluss des Zulassungsausschussesauf. Er lies die Antragstellerin zur vertragspsychotherapeutischenTätigkeit gem. § 24b der Bedarfsplanungsrichtlinie als Kinder- undJugendlichenpsychotherapeutin für den Praxissitz A-Stadt, A-Straße,UG.Kreis zum 01.10.2011 zu. Die Zulassung erteilte er unter derBedingung, dass die hälftige vertragspsychotherapeutische Zulassungder Antragstellerin im Planungsbereich B-Stadt spätestens zum30.09.2011 beendet werde bzw. – falls zum 30.09.2011 keineBestandskraft der Sonderbedarfszulassung eingetreten sei –zum Zeitpunkt der Bestandskraft dieser Entscheidung. Zur Begründungführte er aus, für den speziellen Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapie sei im Unterschied zurpsychotherapeutischen Versorgung von Erwachsen oder zum Bereich dervertragsärztlichen Versorgung darauf zu achten, dass in nochhöherem Maß wohnortnahe Angebote vorhanden seien. Dies sei daraufzurückzuführen, dass bei Kindern und Jugendlichen im Gegensatz zuErwachsen nicht davon ausgegangen werden könne, dass sie größereWegstrecken ohne Begleitung zurücklegen könnten, aber andererseitsnicht immer gewährleistet sei, dass diese Kinder immer von ihrenEltern oder sonstigen erwachsenen Personen begleitet werdenkönnten, zumal hier auch zu beachten sei, das mitunter auch austherapeutischen Gründen eine ständige Begleitung durch die Elternnicht angezeigt sein könne. Kinder- und Jugendliche aus der StadtA-Stadt könnten deshalb nicht ohne weiteres aufpsychotherapeutische Angebote in anderen Teilen des LandkreisesUG.Kreis verwiesen werden. Bereits aus den der Entscheidung desZulassungsausschusses zugrunde liegenden Zahlen ergebe sich, dassgemessen an Einwohnerzahl und Größe die Versorgung der StadtA-Stadt im Bereich der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapieverglichen mit anderen Städten des Landkreises signifikantunterdurchschnittlich sei. Auch gemessen an der RelationEinwohner/Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten sei dieVersorgung im Bereich der Stadt A-Stadt verglichen mit anderenStädten im Lande Hessen weit unterdurchschnittlich. Darüber hinaushabe die Antragstellerin auch durch die Vorlage entsprechenderBelege eine nicht hinreichende Versorgung im Bereich A-Stadtdargelegt. Diese Aussage werde durch die Erfahrungen des MDKbestätigt. Die Vertreterin des MDK, die dem Berufungsausschussangehöre, habe diesem gegenüber in der Verhandlung bestätigt, dassin den letzten Jahren in nicht unbeträchtlichem UmfangKostenerstattungsanträge aus dem Bereich A-Stadt dort vorgelegenhätten. Soweit die Beigeladene zu 1) darauf hingewiesen habe, dassbisher weniger Leistungen der niedergelassenen Psychotherapeutenabgerechnet würden als nach dem jeweiligen zeitbezogenenKapazitätsgrenzen möglich sei, vermöge dies die Argumentation derAntragstellerin nicht zu entkräften. Freie Behandlungskapazitätenseien ohne Bedeutung, wenn es sich lediglich um potenzielle, nichtaber um reale Versorgungsangebote handele. Die bloßeAbsichtsbekundung, künftig mehr Patienten zu behandeln, stelle nochkein reales Versorgungsangebot dar. Auch habe nicht erklärt werdenkönnen, weshalb in der Vergangenheit die niedergelassenen Kinder-und Jugendlichenpsychotherapeuten, die bislang ihrenVersorgungsauftrag nicht voll ausgeschöpft hätten, nurunterdurchschnittlich vertragspsychotherapeutisch tätig gewesenseien. Insgesamt sei damit festzustellen, dass für den BereichA-Stadt eine unterdurchschnittliche psychotherapeutische Versorgungvon Kindern und Jugendlichen vorliege und dieser Versorgungsengpassdurch die Antragstellerin mit den vorgelegten Unterlagen auchbelegt worden sei. Die Antragstellerin habe auch in der mündlichenVerhandlung erklärte, dass sie auf ihre zwischenzeitlich erworbenehälftige Zulassung in I-Stadt verzichten werde.

Hiergegen erhob die Beigeladene zu 1) am 03.08.2011 zumAktenzeichen S 12 KA 642/11 die Klage. Sie hat bisher vorgetragen,der Antragsgegner habe die tatsächlich bestehende Bedarfssituationnicht berücksichtigt. Es bestehe kein lokaler Versorgungsbedarf. Essei gerade der Antragsgegner gewesen, der sie aufgefordert habe,die Therapeuten nach ihrer Bereitschaft zur vollen Ausschöpfung desVersorgungsauftrages zu befragen. Dennoch gebe der Antragsgegner inseiner Begründung nunmehr an, dass diese Befragung nach derRechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht als ausreichendanzusehen sei. Was er darüber hinaus verlange, gebe er seinerseitsnicht an. Wenn dem Antragsgegner die Angaben als nicht ausreichenderschienen seien, hätten ggf. weitere Erkundungen zur Klärung desSachverhalts erfolgen müssen. Die Schlussfolgerung desAntragsgegners, eine Erhöhung sei nicht gewollt, bedeute imErgebnis eine von Anfang an feststehende Folgenlosigkeit derBefragung der Therapeuten. Sie habe bereits damals angegeben, ihrhätten nur die Honorarbescheide bis zum Quartal III/10 vorgelegen,weshalb sich eine Ausweitung der Kapazitätsgrenzen nicht in Zahlenhabe objektivieren lassen. Sie habe auch die Anzahlstatistiken derniedergelassenen Therapeuten beigezogen. Hilfsweise weise siedarauf hin, dass einer der niedergelassenen Therapeuten vorgetragenhabe, im September 2011 eine hälftige Zulassung an eine weitereTherapeutin abgeben zu wollen. Im Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten bestehe naturgemäß die Besonderheit,dass Therapiestunden lediglich vorwiegend nachmittags angebotenwerden könnten, also nach der Schule. Dies führe dazu, dassTherapeuten, die Schulkinder behandelten, nicht im gleichen UmfangTherapiestunden abhalten könnten, wie Therapeuten die nochschulpflichtige Kinder oder zudem Erwachsene behandelten. Durch dieAbgabe einer hälftigen Zulassung an eine andere Therapeutin werdedas Therapieangebot evtl. annähernd verdoppelt, da zukinderspezifischen Zeiten weitere Therapien angeboten werdenkönnten. Eine Sonderbedarfszulassung setze aber gerade einendauerhaften Versorgungsbedarf voraus. Selbst wenn ein solcherbestehen sollte, wäre davon auszugehen, dass dieser jedenfallsnicht dauerhaft sei.

Die Beigeladene zu 1) hat bisher beantragt, den Beschluss desAntragsgegners vom 15.06.2011 aufzuheben und ferner festzustellen,dass der Beschluss des Antragsgegners rechtswidrig sei.

Der Antragsgegner hat bisher beantragt, die Klage abzuweisen. Erhat nochmals darauf hingewiesen, dass insbesondere bei Kindern undJugendlichen darauf geachtet werden müsse, dass die jeweiligenTherapeuten im Nachbereich der Patienten niedergelassen seien, undauf die geringe Versorgungsdichte in der Stadt A-Stadt. Die von derAntragstellerin vorgelegten Bescheinigungen wiesen auch konkreteine mangelhafte Versorgung im Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapeuten nach. Es bestünden teilweiseWartezeiten von mehr als sechs Monaten, was nicht tolerabel sei.Eine Analyse der vorgelegten Statistiken zeige, dass dieniedergelassenen Therapeuten die ihnen zustehenden Zeitkontingentenicht ausschöpften. Gerade im Bereich der Psychotherapie handelt essich um ein immer wieder auffallendes Phänomen. Lediglich ein Teilder befragten Psychotherapeuten habe diesbezüglich geantwortet. Ausden vorgelegten Antworten ergebe sich nicht, dass künftig inzuverlässiger Weise eine volle Ausschöpfung des erteiltenVersorgungsauftrags stattfinde und damit der offenkundigenBedarfssituation Rechnung getragen werde. Maßgeblich sei allein dasreale Versorgungsangebot.

Die zum Verfahren beigeladene Antragstellerin hat ebenfallsbisher beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hält den Antrag aufFeststellung der Rechtswidrigkeit für unzulässig, da dies bereitsim Antrag auf Aufhebung des Beschlusses enthalten sei. Fernerverweist sie auf die Begründung des angefochtenen Beschlusses undträgt ergänzend vor, schon deshalb, weil die niedergelassenenPsychotherapeuten nur 50% des Behandlungskontingents ausschöpften,bestehe ein erheblicher Sonderbedarf. Es bestehe einoffensichtlicher und eklatanter Mangel der Versorgung, der nichtnur vom MDK, sondern auch von allen anderen Stellen bestätigtwerde, die Patienten in ambulante psychotherapeutische Behandlungzu vermitteln versuchten. Der Versorgungsgrad müsse aucharztgruppenspezifisch ermittelt werden.

Am 26.10.2011 hat die Antragstellerin den Antrag auf Erlasseiner einstweiligen Anordnung gestellt. Sie trägt vor, die Klageder Beigeladenen zu 1) habe aufschiebende Wirkung. Die sofortigeVollziehung sei geboten, weil sich die Entscheidung desAntragsgegners als voraussichtlich rechtmäßig darstelle. Es geheauch um die Vermeidung schwerwiegender Nachteile für sie. Die inA-Stadt niedergelassenen Psychotherapeuten schöpften ihreBehandlungskontingente nur teilweise aus. Die vier Behandlerentsprächen faktisch nur zwei in Vollzeit tätigenPsychotherapeuten. Dies erkläre zumindest teilweise die eklatanteMangelsituation im Stadtgebiet A-Stadt. Der Antragsgegner habe dasVerfahren bereits um ein halbes Jahr vertagt gehabt, weil er davonausgegangen sei, dass dann weitere Abrechnungsdaten vorliegenwürden. Die Beigeladene zu 1) habe ihren Vortrag nicht mitAbrechnungsdaten belegt. Das Abstellen auf die Auskünfte laufe aufdie Frage hinaus, ob die niedergelassenen Psychotherapeuten einemit ihnen konkurrierende Praxis für erforderlich hielten. Sie seidarauf angewiesen, bei einem sich möglicherweise über die Instanzenund mehrere Jahre hinziehenden Verfahren, ihre Tätigkeit aufnehmenzu können. Sie habe die Verzichtserklärung für den hälftigenVersorgungsauftrag in Q. abgegeben und dort keinen neuen Patientenangenommen, um die sie nicht durch einen Therapeutenwechsel zubelasten. Auch seien jetzt schon Anfragen wegen einesTherapieplatzes gestellt worden.

Die Antragstellerin beantragt,

die sofortige Vollziehung des Beschlusses des Antraggegnersanzuordnen.

Der Antragsgegner hat keinen Antrag gestellt.

Er verweist auf seine Beschlussbegründung und sein Vorbringen imHauptsacheverfahren. Ergänzend trägt er vor, einen rechtlichrelevanten Anordnungsgrund habe die Antragstellerin nichtvorgetragen. Allerdings könne auch im überwiegenden Interesse einesBeteiligten eine Vollziehungsanordnung getroffen werden,insbesondere wenn dieser von der ihm zugebilligten Rechtspositionüberhaupt nur Gebrauch machen kann, wenn er keinHauptsacheverfahren abwarten muss. Da diese Rechtsgrundsätze vonAmts wegen zu beachten seien, erscheine eine tragfähige eigeneBegründung der Antragstellerin hinsichtlich des Anordnungsgrundesentbehrlich. Im Ergebnis komme es entscheidend auf die Frage derErfolgsaussicht der Klage im Hauptsacheverfahren an.

Die Beigeladene zu 1) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, es sei weder ein Anordnungsanspruch nochein Anordnungsgrund glaubhaft gemacht worden. Der Beschluss desAntragsgegners sei rechtswidrig. Sie verweist hierzu auf ihreAusführungen im Hauptsacheverfahren. Die Antragstellerin habe keineUmstände dargelegt, die über jene hinausgingen, die schon dieSonderbedarfszulassung als solche rechtfertigten. Es sei nicht zuerkennen, weshalb der Antragstellerin ein weiteres Abwarten bis zueiner Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren nicht zugemutetwerden könne.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt derGerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte verwiesen.

II.

Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung ist zulässigund begründet.

Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag in den Fällen, indenen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkunghaben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen (§86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG). DieKlage der Beigeladenen zu 1) gegen den Beschluss des Antragsgegnersvom 15.06.2011 hat aufschiebende Wirkung (§ 86a Abs. 1 SGG).

Bei der Entscheidung, ob die aufschiebende Wirkung desWiderspruchs oder der Klage anzuordnen ist, sind in einem erstenPrüfungsschritt die Erfolgsaussichten der Klage einer summarischenPrüfung zu unterziehen. Je größer die Erfolgsaussichten der Klagesind, umso geringere Anforderungen sind an das Aussetzungsinteressezu stellen. Je geringer umgekehrt die Erfolgsaussichten der Klagezu bewerten sind, umso schwerwiegender muss das Interesse desAdressaten des Verwaltungsakts an der aufschiebenden Wirkung sein,um eine Aussetzung rechtfertigen zu können. Offensichtlichrechtmäßige Verwaltungsakte können in der Regel sofort vollzogenwerden, während an der Vollziehung offensichtlich rechtswidrigerVerwaltungsakte grundsätzlich kein legitimes Interesse besteht.Kann eine endgültige Prognose bezüglich der Erfolgsaussichten(noch) nicht gestellt werden, müssen die für und wieder diesofortige Vollziehung sprechenden Interessen gegeneinanderabgewogen werden (vgl. LSG Bayern, Beschl. v. 30.07.2009 – L12 B 1074/08 KA ER - juris Rdnr. 16). Zu berücksichtigen sindaußerdem sondergesetzlich geregelte Prüfungsmaßstäbe, wie z. B. dasErfordernis ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit desangefochtenen Bescheids bei der Anforderungen von Beiträgen undsonstigen öffentlichen Abgaben (§ 86a Abs. 3 Satz 2, Abs. 2 Nr. 1SGG) oder gesetzliche Wertungen, die dem öffentlichenVollziehungsinteresse im Einzelfall generell den Vorrang einräumen.Letzteres ist vor allem dann anzunehmen, wenn Widerspruch undAnfechtungsklage (schon) kraft Gesetzes keine aufschiebende Wirkunghaben, der Aufschub der Vollziehung also entgegen § 86a Abs. 1 SGGnicht den Regel-, sondern den Ausnahmefall darstellt. Schließlichmuss das Gericht immer bedenken, welche nachteiligen Folgen demAntragsteller aus der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts,vor allem für seine grundrechtlich geschützten Rechtspositionenerwachsen und ob bzw. wie diese ggf. rückgängig gemacht werdenkönnen. Eingriffe in das Grundrecht der Berufsfreiheit (Art 12 Abs.2 GG) im besonderen sind vor Rechtskraft der Entscheidung imHauptsacheverfahren als Präventivmaßnahme nur unter strengenVoraussetzungen zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtigeGemeinschaftsgüter und unter strikter Beachtung des Grundsatzes derVerhältnismäßigkeit zulässig; die hohe Wahrscheinlichkeit, dass dasHauptsacheverfahren zum Nachteil des Betroffenen ausgehen wird,reicht nicht aus. Außerdem darf der Rechtsschutzanspruch (Art. 19Abs. 4 GG) gegenüber dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzugeiner Maßnahme umso weniger zurückstehen, je schwerwiegender dieauferlegte Belastung ist und je mehr die Maßnahmen der VerwaltungUnabänderliches bewirken (vgl. LSG Baden-Württemberg, Beschl. v.11.01.2011 - L 5 KA 3990/10 ER-B - juris Rdnr. 58; LSG Hessen,Beschl. v. 10.11.2009 - L 4 KA 70/09 B ER - juris Rdnr. 35; LSGHessen, Beschl. v. 02.08.2011 - L 4 KA 29/11 B ER -, Umdruck S. 8f.; LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 19.01.2011 - L 5 AS 452/10 B ER- juris Rdnr. 38; BVerfG, Kammerbeschl. v. 15.04.2010 - 1 BvR722/10 - juris Rdnr. 20).

Nach der im einstweiligen Anordnungsverfahren gebotenenkursorischen Überprüfung ist von der offensichtlichenRechtmäßigkeit Beschluss des Antragsgegners vom 15.06.2011auszugehen. Der Antragsgegner hat die Antragstellerin zu Recht alsKinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin für einenVertragsarztsitz in A-Stadt im Rahmen einer Sonderbedarfszulassungzugelassen.

Nach § 101 Satz 1 Nr. 3 SGB V beschließen die Bundesausschüssebzw. jetzt der Gemeinsame Bundesausschuss in RichtlinienBestimmungen über Vorgaben für die ausnahmsweise Besetzungzusätzlicher Vertragsarztsitze, soweit diese zur Wahrung derQualität der vertragsärztlichen Versorgung in einemVersorgungsbereich unerlässlich sind. Der Gesetzgeber hat darin inüberversorgten Gebieten abweichend von § 103 Abs. 1 SGB Vzusätzliche Vertragsarztsitze in Ausnahmefällen zugelassen. DieseAusnahme dient dem Ziel, auch im Einzelfall sicherzustellen, dassangeordnete Zulassungssperren nicht unverhältnismäßig - weil in derkonkreten örtlichen Situation zur Erreichung ihres Zieles nichterforderlich - die Berufsausübung beschränken. Zugleich wurde demBundesausschuss die Aufgabe übertragen, nähere Vorgaben für dieseZulassungen zu normieren. Gegen diese Übertragung der Befugnis zurNormkonkretisierung bestehen keine durchgreifenden rechtlichenBedenken, zumal der Gesetzgeber Inhalt, Zweck und Ausmaß derRegelung präzise vorgegeben und damit die wesentlichen Fragenselbst entschieden hat (vgl. BSG, Urt. v. 19.03.1997 - 6 RKa 43/96- SozR 3-2500 § 101 Nr. 1 m. w. N.). Im vertragsärztlichen Bereichhat der Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen von diesemNormsetzungsauftrag mit den §§ 24 bis 26Bedarfsplanungs-Richtlinie-Ärzte (im Folgenden: BedarfsplRL-Ä)Gebrauch gemacht. Diese Bestimmungen gelten auch für diepsychotherapeutische Versorgung (vgl. § 1 BedarfsplRL-Ä). In § 24Satz 1 Buchst. a bis e BedarfsplRL-Ä hat er fünf Fallgruppen mitspeziellen Sachverhalten umschrieben. Der Antragsgegner ist vomVorliegen eines lokalen Versorgungsbedarfs in Teilen einesPlanungsbereichs auf Grund unzureichender Verteilung der an sichquantitativ ausreichend vorhandenen Vertragsarztsitze (§ 24 Satz 1Buchst. a> BedarfsplRL-Ä) ausgegangen. Soweit möglicherweiseauch die Voraussetzungen nach der nunmehr geänderten Regelung des §24 Satz 1 Buchst. b) BedarfsplRL-Ä vorliegen, da danach auch dieBerufsbezeichnung „Kinder- undJugendlichenpsychotherapeut“ einer weiterbildungsrechtlichenSchwerpunktbezeichnung gleichgestellt wird, kann dies hierdahinstehen, da jedenfalls daneben die Voraussetzungen nach Buchst.a) gesondert zu prüfen sind und der Antragsgegner dieVersorgungslücke allein auf die Stadt A-Stadt und nicht dengesamten Planungsbereich bezogen hat.

Nach § 24 Satz 1 Buchst. a) BedarfsplRL-Ä darf unbeschadet derAnordnung von Zulassungsbeschränkungen durch den Landesausschussder Zulassungsausschuss für Ärzte dem Zulassungsantrag einesVertragsarztes der betroffenen Arztgruppe entsprechen, wenn einnachweislicher lokaler Versorgungsbedarf in der vertragsärztlichenVersorgung in Teilen eines großstädtischen Planungsbereichs odereines großräumigen Landkreises besteht. Nach § 25 BedarfsplRL-Ädarf die Zulassung nur an den Ort der Niederlassung gebundenwerden.

Bei der Konkretisierung und Anwendung dieser Tatbestandsmerkmale– „lokaler Versorgungsbedarf“ in einem„Teil“ eines „großräumigen“ Landkreises -verfügen die Zulassungsgremien über einen Beurteilungsspielraum(vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - SozR 4-2500§ 101 Nr. 8 = GesR 2010, 623 = USK 2010-76 = ZMGR 2011, 34, jurisRdnr. 15).

Die Erteilung solcher Sonderbedarfszulassungen ist immer dann zuermöglichen, wenn dies zur Realisierung des Versorgungsanspruchsder Versicherten erforderlich ist, d.h. wenn sonst unter Umständeninakzeptable Versorgungslücken festgeschrieben würden. Patientendürfen bei allgemeinen Leistungen nicht auf Versorgungsangeboteverwiesen werden, die mehr als 25 km entfernt sind. Anders ist diesnur bei sog. spezialisierten Leistungen, was aufpsychotherapeutische Leistungen nicht zutrifft. Soweit Patienten imBereich allgemeiner Leistungen - dazu gehören psychotherapeutischeLeistungen - nicht auf Versorgungsangebote verwiesen werden dürfen,die mehr als 25 km entfernt sind, muss dann, wennVersorgungsangebote unter Umständen mehr als 25 km entfernt sind,die Erteilung von Sonderbedarfszulassungen möglich sein: Damit wärees unvereinbar, bei dem allgemeinen Sonderbedarfstatbestand des §24 Buchst a BedarfsplRL-Ä eine Großräumigkeit z.B. erst bei einerAusdehnung des Landkreises von 80 km anzuerkennen. Denn dannkönnten in Landkreisen geringerer Ausdehnung keineSonderbedarfszulassungen nach § 24 Buchst. a BedarfsplRL-Ä erteiltwerden. Dadurch bestünde die Gefahr, Versorgungslücken etwa imallgemein-medizinischen Bereich nicht beheben zu können. DasBelassen derart ausgedehnter Versorgungsdefizite wäre damitunvereinbar, dass der Versorgungsanspruch der Versicherten esgrundsätzlich erfordert, Versorgungslücken ggf. durchSonderbedarfszulassungen zu schließen. Diese Vorgaben sind bei derBeurteilung der Großräumigkeit zu beachten. Sie dienen derRealisierung des Versorgungsanspruchs der Versicherten und sindsomit vorrangig gegenüber anderen Auslegungsgesichtspunkten. So istnicht entscheidend, was der Normgeber der Richtlinie sichmöglicherweise bei Schaffung des Sonderbedarfstatbestandes des § 24Buchst. a BedarfsplRL-Ä unter dem Merkmal großräumig vorgestellthatte. Unmaßgeblich ist auch ein Durchschnittsvergleichdahingehend, ob die Ausdehnung des Landkreises größer oder kleinerals der Durchschnitt der Landkreise des Bundeslandes oder derBundesrepublik Deutschland ist. Sollten die dargestellten Vorgabenzum Ergebnis führen, dass in einem Bundesland eine Vielzahl vonLandkreisen als großräumig zu qualifizieren ist, so ist dashinzunehmen. Das entspricht auch den Tendenzen der kommunalenNeugliederung vor allem in dünn besiedelten Flächenländern; dasLand Mecklenburg-Vorpommern weist heute nur noch sechs Landkreiseauf (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - a.a.O.,juris Rdnr. 22 – 25).

Der lokale Sonderbedarf muss nach dem Kontext des § 24 Buchst. aBedarfsplRL-Ä in einem Teil des großräumigen Landkreises bestehen.Nicht tragfähig wäre es, einen lokalen Versorgungsbedarf mit derglobalen Erwägung zu verneinen, die überwiegende Zahl der Einwohnerhabe nur relativ kurze Entfernungen - nämlich deutlich weniger alsdie 25 km - bis zu einer Stadt mit umfassender ärztlicher undpsychotherapeutischer Versorgung. Eine Verweisung auf eine(angeblich) umfassende Versorgung ist auch im Falle größererZentren zu pauschal. Ein Erfahrungssatz, jede Städte halte fürjeden Versorgungsbereich Versorgungsangebote vor und jederVersicherte könne in zumutbarer Weise dorthin gelangen, bestehtnicht. Vielmehr muss das Vorliegen ausreichender und zumutbarerreichbarer Versorgungsangebote konkret ermittelt und festgestelltwerden, dabei ist zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichenzu differenzieren. Dabei ist es den Zulassungsgremien überlassen,ob sie - zugunsten von mehr Sonderbedarfszulassungen - über dasnotwendige Minimum an Versorgung hinausgehen wollen und auch dann,wenn in einer anderen, ausreichend nah gelegenen Stadt ein an sichgerade noch ausreichendes Versorgungsangebot besteht und inzumutbarer Weise erreichbar ist, in jeder weiteren größeren Stadtdie wichtigsten Fachgebiete eigenständig vertreten sehen wollen.Dem Versorgungsanspruch der Versicherten ist nicht schon dannGenüge getan, wenn deren überwiegende Anzahl ihn realisieren kann.Vielmehr steht der Versorgungsanspruch jedem einzelnen Versichertenzu (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - a.a.O., jurisRdnr. 26 – 28). Der Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapie stellt dabei einen gesondertenVersorgungsbereich dar, für den im Falle eines Antrags aufSonderbedarfszulassung eigenständig eine Bedarfsprüfung vorzunehmenist. Einem solchen Sonderbedarfsantrag können nurVersorgungsangebote speziell im Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapie entgegengehalten werden (vgl. BSG, Urt.v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - a.a.O., juris Rdnr. 30).

Bei der Prüfung, ob in dem einschlägigen Versorgungsbereichausreichende Versorgungsangebote vorliegen oder ein Sonderbedarfbesteht, ist schließlich zu beachten, dass die Patienten nicht ohneWeiteres darauf verwiesen werden können, andere Psychotherapeutenleisteten in ihrer Praxis täglich nur zwischen zwei und vierTherapiestunden und hätten also noch freie Behandlungskapazitäten.Diese sind ohne Bedeutung, wenn es sich lediglich um potenzielle,nicht aber um reale Versorgungsangebote handelt. Solange dieseLeistungserbringer nicht tatsächlich zu weiterenVersorgungsleistungen bereit sind, kann auf sie nicht verwiesenwerden (vgl. BSG, Urt. v. 23.06.2010 - B 6 KA 22/09 R - a.a.O.,juris Rdnr. 32).

Ausgehend von diesen Grundsätzen, der den Zulassungsgremieneinen weiten Beurteilungsspielraum einräumt, hat der Antragsgegnerals Grundlage seiner Bedarfsanalyse auf die Besonderheit im Bereichder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie hingewiesen, wonach innoch höherem Maße wohnortnahe Angebote vorhanden sind. Hiervon gehtauch generell die Kammer aus. Für die Genehmigung einer Zweigpraxishat sie entschieden, es müsse berücksichtigt werden, dassinsbesondere Eltern mit kleineren Kindern, die oftmals den Arzt nurmit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichen könnten und weitereGeschwisterkinder mangels anderweitiger Unterbringungsmöglichkeitenmitnehmen müssten, auf möglichst kurze Wege angewiesen seien. UnterBerücksichtigung der genannten spezifisch kinderärztlichenVersorgungsbedürfnisse mit kurzen Wegen liege eineVersorgungsverbesserung vor (vgl. SG Marburg, Urt. v. 07.05.2008 -S 12 KA 403/07 - <rechtskräftig> juris Rdnr. 25 = GesR 2008,437). Dies gilt auch für die psychotherapeutische Versorgung vonKindern und Jugendlichen. Zutreffend weist der Antragsgegner inseinem angefochtenen Beschluss darauf hin, dass bei Kindern undJugendlichen im Gegensatz zu Erwachsen nicht davon ausgegangenwerden könne, dass sie größere Wegstrecken ohne Begleitungzurücklegen könnten, aber andererseits nicht immer gewährleistetsei, dass diese Kinder immer von ihren Eltern oder sonstigenerwachsenen Personen begleitet werden könnten, zumal hier auch zubeachten sei, das mitunter auch aus therapeutischen Gründen eineständige Begleitung durch die Eltern nicht angezeigt sein könne.Hinzu kommt, dass eine psychotherapeutische Behandlung im Regelfallauf mehrere Wochen oder Monate mit einer hohen, z. T. wöchentlichenFrequenz angelegt ist. Das Aufsuchen der psychotherapeutischenPraxis ist daher nicht nur einmal oder für wenige Maleerforderlich. Von daher geht der Antragsgegner zutreffend davonaus, dass allein die Versorgungssituation in der Stadt A-Stadt undnicht in den benachbarten Gemeinden zu berücksichtigen ist.

Für die Stadt A-Stadt hat der Antragsgegner unter Verweis aufdie Versorgungslage in anderen hessischen Städten zunächstzutreffend dargelegt, dass im Bereich der Kinder- undJugendlichenpsychotherapie nur ein geringer Versorgungsgradvorhanden ist. Ferner hat er darauf hingewiesen, dass die von derAntragstellerin vorgelegten Auskünfte einer Praxis für Logopädie,eines Gymnasiums und eines Vereins der Jugend- und Familienhilfeauf Versorgungsdefizite hingewiesen haben, insbesondere auch aufWartezeiten von sechs Monaten und länger. Hinzu kommt, dass derAntragsgegner insofern mit besonderer Sachkunde bzgl. derVersorgungssituation ausgestattet war, als eine Beisitzerin dieGenehmigungspraxis bzgl. der Anträge auf Kostenerstattung kannteund dem Antragsgegner insofern bekannt war, dass in den letztenJahren in nicht unbeträchtlichem Umfang Kostenerstattungsanträgeaus dem Bereich A-Stadt dort vorgelegen haben. Dieses von demAntragsgegner festgestellte Versorgungsdefizit wird auchoffensichtlich nicht von den bisher in der Stadt A-Stadtvertragsärztlich tätigen Therapeuten abgedeckt. Insofern gehörtauch das Erfahrungswissen des Antragsgegners zu seinemBeurteilungsspielraum, dass nicht alle Psychotherapeuten denVersorgungsauftrag vollständig ausführen. Dieses Erfahrungswissenwird von der Beigeladenen zu 1) mit den vorgelegten Statistikennicht widerlegt, sondern im Gegenteil eher bestätigt. ImQuartalsverlauf der zeitbezogenen Quantifizierung der tatsächlicherbrachten psychotherapeutischen Leistungen im Bereich der Kinderund Jugendlichen ergibt sich keine Zunahme, in der Tendenzinsgesamt eher eine Abnahme der Leistungserbringung. Soweit dieBeigeladene zu 1) darauf hinweist, ihr lägen keine aktuellerenUnterlagen vor, so hat zum Einen der Antragsgegner bereits dieErmittlungen durch weitere Nachfragen vertieft und das Verfahrenhinausgezögert, womit er seiner Pflicht zur Amtsermittlungausreichend nachgekommen ist. Zum anderen kann auch nicht auferwartete und d. h. hier rein spekulative Versorgungsmöglichkeitenabgestellt werden. Dies gilt insbesondere für die möglicherweisegeplante Abgabe eines halben Versorgungsauftrags an eine weitereBehandlerin. Hierdurch wird eher bestätigt, wenn die Beigeladene zu1) ausführt, dadurch ergebe sich potentiell eine Verdoppelung aufzwei Behandler, das gegenwärtig der Versorgungsauftrag von derbereits zugelassenen Behandlerin nicht in vollem Umfang ausgeübtwird.

Der Antragsgegner hat sich auch nicht leichtfertig über die vonder Beigeladenen zu 1) angeführten Befragungen der niedergelassenenPsychotherapeuten hinweggesetzt, ob wohl ihm die Originalaussagennicht vorlagen und die Kammer ihn grundsätzlich für verpflichtethält, die Ermittlungen selbst durchzuführen. Zur Ermittlung derBedarfssituation ist es sachgerecht und statthaft, die bereitsniedergelassenen Ärzte nach ihrem Leistungsangebot und derAufnahmekapazität ihrer Praxen zu befragen. Dabei ist jedoch dieGefahr zu beachten, dass die Äußerungen der befragtenniedergelassenen Ärzte in starkem Maße auf deren subjektivenEinschätzungen beruhen und von deren individueller Interessenlagemit beeinflusst sein können, was eine kritische Würdigung derAntworten durch die Zulassungsgremien erfordert. Die Angaben derpotentiellen künftigen Konkurrenten des Bewerbers um einenzusätzlichen Praxissitz sind nicht ohne weiteres alsEntscheidungsgrundlage geeignet, sondern müssen sorgfältigausgewertet, soweit möglich durch weitere Ermittlungen ergänzt undso objektiviert werden (vgl. BSG, Urt. v. 28.06.2000 - B 6 KA 35/99R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr. 5, juris Rdnr. 38 m.w.N.;LSG Nordrhein-Westfalen v. 14.07.2004 - L 11 KA 21/04 - GesR 2004,526, juris Rdnr. 18). Hierfür ist es erforderlich, etwa dieAnzahlstatistiken der in Frage kommenden Vertragsärzte beizuziehen,um festzustellen, inwieweit im Bereich des streitigen Sonderbedarfsvon diesen Ärzten Leistungen erbracht werden (vgl. BSG v.28.06.2000 - B 6 KA 35/99 R - BSGE 86, 242 = SozR 3-2500 § 101 Nr.5, juris Rdnr. 38 m.w.N.). Diesen Anforderungen ist derAntragsgegner mit seiner Bewertung der von der Beigeladenen zu 1)vorgelegten Unterlagen in nicht zu beanstandender Weisenachgekommen. Insofern verkennt die Beigeladene zu 1), dass dieBefragung der Niedergelassenen nur ein Erkenntnismittel ist, dassfür sich allein zur Bedarfsprüfung keinesfalls ausreichend ist,vielmehr aufgrund der geschilderten Interessenlage kritisch zubewerten ist.

Angesichts der offensichtlichen Rechtmäßigkeit des Beschlussesdes Antragsgegners waren an den Anordnungsgrund keine besonderenAnforderungen zu stellen. Ergeht keine einstweilige Anordnung, sowird für die weitere Dauer des Verfahrens ohne Rechtsgrundlage indie grundrechtlich geschützte Berufsfreiheit der Antragstellerinnach Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen.

Insofern war dem Antrag im tenorierten Umfang stattzugeben.

Der Antrag war aber insoweit abzulehnen, als das Gericht nur biszur Entscheidung in der Hauptsache eine Anordnung treffen kann. DieAntragstellerin hat im Antragsschriftsatz ausdrücklich dieeinstweilige Anordnung für die gesamte Dauer des Rechtsstreitsbegehrt. Dem konnte nicht in vollem Umfang entsprochen werden, daeine Zuständigkeit der Kammer nur bis zum Verfahrensabschluss inder Instanz besteht.

Nach allem war dem Antrag im tenorierten Umfangstattzugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 155 Abs.1 Verwaltungsgerichtsordnung. Die Antragstellerin war mit Kostenfür den Teil des Unterliegens zu belasten. Der Antragsgegner warmit Kosten nicht zu belasten und hat seine Kosten selbst zu tragen.Für ihn hat die Beigeladene zu 1) die Kosten allein zu tragen, dadas Hauptsacheverfahren von ihr geführt wird und nur aus diesemGrund der Antrag von der Antragstellerin gestellt wurde. DerAntragsgegner hat in diesem Verfahren keinen Antrag gestellt.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den gesetzlichenVorgaben.

In Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist,soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach den sichaus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sachenach Ermessen zu bestimmen. Bietet der Sach- und Streitwert für dieBestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, so istein Streitwert von 5.000,00 Euro anzunehmen (§ 52 Abs. 1 und 2GKG).

Der Streitwert war, ausgehend vom vorläufigenStreitwertbeschluss vom 05.08.2011 - S 12 KA 642/11 -, anhandeines Zeitraums von 1/2 Jahr bis zur erstinstanzlichen Entscheidungzu berechnen. Dies ergab den festgesetzten Streitwert.

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