LG Ellwangen, Urteil vom 13.06.2008 - 5 O 60/08
Fundstelle
openJur 2009, 279
  • Rkr:
Zivilrecht
§§ 284, 323, 347, 433, 434, 437 BGB
Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 11.239,19 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank hieraus seit dem 06.03.2008 Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeuges Mercedes-Benz E 220 T CDI, Fahrgestell-Nummer: ..., zu zahlen.

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des unter Ziffer 1 näher bezeichneten Kraftfahrzeuges in Verzug befindet.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich entstandene Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 837,52 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit 06.03.2008 zu zahlen.

4. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

5. Von den Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger 15 % und der Beklagte 85 %.

6. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar, für den Kläger jedoch nur gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

Der Kläger kann die Vollstreckung des Beklagten (wegen der Kosten) gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert: 13.500,00 Euro

(Klageantrag Ziffer 1: 13.200,00 Euro,

Klageantrag Ziffer 2: 300,00 Euro,

Klageantrag Ziffer 3 -)

Tatbestand

Der Kläger begehrt vom Beklagten die Rückabwicklung eines Kaufvertrages über einen gebrauchten Pkw sowie die Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 02.06.2007 erwarb der Kläger vom Beklagten, einem Autohändler, den Pkw der Marke Mercedes-Benz E 220 T CDI Avantgarde Kombi mit der Fahrzeug-Ident-Nr.: ..., Erstzulassung: Januar 2001, zum Preis von 13.200,00 Euro. Hinsichtlich der Sachmängelhaftung enthält der Kaufvertrag eine vorformulierte Regelung dahin, dass diese "insbesondere im Hinblick auf sichtbare und unsichtbare Mängel, des Kilometerstandes, ... auf ein Jahr beschränkt" ist (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Kaufvertrag vom 02.06.2007, Anlage Bl. 9 d.A., verwiesen). Dieser Vertrag wurde durch eine Anzeige des Beklagten im Internetportal "autoscout24.de" angebahnt. In dieser Internet-Anzeige, auf die sich der Kläger an den Beklagten wandte, gab der Beklagte die Laufleistung des Pkws mit 190.000 Kilometern an. Tatsächlich hatte der Pkw zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses eine Laufleistung von über 250.000 Kilometern.

Am 07.06.2007 erhielt der Kläger nach vollständiger Bezahlung des Kaufpreises vom Beklagten das Fahrzeug nebst dazugehörigen Fahrzeugunterlagen übergeben. Zu diesen Unterlagen gehörte u. a. das Service-Heft und eine Prüfbescheinigung vom 06.06.2007 über die Durchführung der Abgasuntersuchung. In dieser Prüfbescheinigung ist der Kilometerstand des Pkws mit 156.602 angegeben.

Am 22.01.2008 stellte der Kläger fest, dass bei dem Pkw der Kilometerstand im elektrischen Tachometer manipuliert worden war. Mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2008 focht er deshalb gegenüber dem Beklagten den Kaufvertrag vom 02.06.2007 an und erklärte hilfsweise den Rücktritt vom Kaufvertrag. Gleichzeitig forderte er den Beklagten zur Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von 13.200,00 Euro Zug um Zug gegen Herausgabe und Rückübereignung des gekauften Pkw bis zum 13.02.2008 auf (wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Anwaltsschreiben vom 23.01.2008, Anlage Bl. 9 d.A., verwiesen).

Der Kläger trägt vor,

dass der Beklagte wegen arglistiger Täuschung und wegen Vorliegens eines erheblichen Sachmangels zur Rückabwicklung des Kaufvertrages verpflichtet sei.

Während im Service-Heft des Pkws, das dem Beklagten zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses vorgelegen habe, beim dortigen letzten Eintrag vom 29.12.2003 ein Kilometerstand von 161.310 dokumentiert sei, habe der Pkw zum Zeitpunkt der Übergabe an den Kläger am 07.06.2007 einen Tachostand von 156.809 Kilometern aufgewiesen. Dem Beklagten hätte daher als gewerblichem Kfz-Händler bei Durchsicht des Service-Heftes auffallen müssen, dass die dort dokumentierte Laufleistung deutlich höher ist als die auf dem digitalen Tachometer des Fahrzeuges angegebene Kilometerlaufleistung. Hierauf hätte der Beklagte den Kläger unaufgefordert hinweisen müssen, was er aber nicht getan habe.

Abgesehen davon liege ein zum Rücktritt berechtigender Sachmangel vor, da der gekaufte Pkw zum Zeitpunkt der Übergabe am 07.06.2007 mit einem Sachmangel behaftet gewesen sei. Denn bei der Übergabe habe das Fahrzeug entgegen den Angaben in der Internetanzeige des Beklagten nicht eine Laufleistung von 190.000 Kilometern, sondern von über 250.000 Kilometern aufgewiesen.

Vorteile der Nutzung des Fahrzeugs müsse sich der Kläger nicht anrechnen lassen, da aufgrund der wesentlich über der zu erwartenden Gesamtlaufleistung des Fahrzeuges liegenden tatsächlichen Laufleistung zum Zeitpunkt des Gefahrübergangs die allgemeine Formel der Rechtssprechung zum Nutzungsvorteil nicht anwendbar sei. Im Übrigen rechne der Kläger hilfsweise gegen etwaige diesbezügliche Gegenansprüche des Beklagten mit Ersatzansprüchen in einer Gesamthöhe von 1.379,19 Euro auf, da der Kläger folgende notwendigen bzw. nützlichen Verwendungen auf das Fahrzeug mit anhaltendem Wertgewinn getätigt habe:

21.12.2007 Glühlampe 6,38 Euro

24.09.2007 Winterreifen 498,99 Euro

07.07.2007 Mercedes-Stern-Logo 18,50 Euro

10.12.2007 neue Batterie 193,04 Euro

08.12.2007 Wischerblätter 16,72 Euro

30.01.2008 TÜV-Neuabnahme 50,50 Euro

Reparaturarbeiten zur Erlangung des TÜVs 595,06 Euro

Aufwendungen gesamt 1.379,19 Euro

Zudem befinde sich der Beklagte mit der Annahme des Pkws im Verzug, da er es mit Schriftsatz seines Anwalts vom 22.01.2008 abgelehnt habe, der Aufforderung des Klägers zur Rückabwicklung des Kaufvertrages nachzukommen.

Schließlich schulde der Beklagte dem Kläger auch die Erstattung außergerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 899,40 Euro, die sich wie folgt zusammensetzen würden:

Gegenstandswert: 13.200,00 Euro

1,3-Geschäftsgebühr gemäß §§ 13, 14, Nr. 2300 VV RVG 735,80 Euro

Pauschale für Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro

Zwischensumme netto 755,80 Euro

19 Prozent Mehrwertsteuer Nr. 7008 VV RVG 143,60 Euro

Gesamtbetrag 899,40 Euro

Der Kläger beantragt daher:

1. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger Euro 13.200,00 zu bezahlen ab Rechtshängigkeit verzinslich mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB, dies Zug um Zug gegen Übergabe und Übereignung des Kraftfahrzeugs Mercedes Benz E 220 T CDI, Fahrgestell-Nr.: ...

2. Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme des unter Ziffer 1 näher bezeichneten Kraftfahrzeugs in Verzug befindet.

3. Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger außergerichtlich entstandene und nicht verrechenbare Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von Euro 899,40 ab Rechtshängigkeit verzinslich mit 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz der EZB zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt

Klageabweisung.

Er wendet ein,

dass er den Kläger nicht arglistig getäuscht habe. Schon beim allerersten (telefonischen) Verkaufsgespräch habe er den Kläger unaufgefordert darüber informiert, dass die im Internetportal "autoscout 24.de" angegebene Laufleistung von 190.000 km nicht zutreffend sei, da das Fahrzeug aufgrund des Austauschs des Kombiinstruments eine erheblich höhere Laufleistung aufweise. Der Beklagte meine, dass sogar im Service-Heft des Pkws eine entsprechende Eintragung vorhanden gewesen sei, die er dem Kläger sogar noch gezeigt habe. Der Kläger habe erklärt, dass die höhere Laufleistung für ihn nicht so gravierend sei, allerdings müsse der Beklagte dem Kläger entgegenkommen, und zwar durch eine Herabsetzung des Kaufpreises. Daraufhin habe der Beklagte dem Kläger alternativ vorgeschlagen, dass die am Fahrzeug vorhandenen erheblichen Steinschlagschäden im Bereich der Motorhaube und der beiden vorderen Kotflügel auf Kosten des Beklagten beseitigt würden, so dass man – so der Kläger wortwörtlich – nicht sofort die hohe Laufleistung sehen könne. Auf Letzteres hätten sich die Parteien auch dann verständigt (vgl. Eintrag im Kaufvertrag unter der Rubrik "Besondere Vereinbarungen": "Die Motorhaube und die Kotflügelspitzen vorne rechts und links werden ausgebeult und ... lackiert. Die Kosten übernimmt der Verkäufer. Die Kofferraumabdeckung ist nicht mit dabei.", Anl. Bl. 9 d.A.).

Das Gericht hat Beweis erhoben durch die uneidliche Vernehmung der Zeugin .... Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 11.04.2008 (Bl. 32 ff. d.A.) verwiesen.

Zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst jeweiligen Anlagen sowie auf das Protokoll der Güteverhandlung und mündlichen Verhandlung vom 11.04.2008 (Bl. 32 ff. d.A.) samt Anlage (Mercedes-Benz-Heft "Serviceleistungen", Bl. 41 d.A., auch Service-Heft genannt) Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist zulässig und überwiegend begründet.

I.

Der Beklagte schuldet dem Kläger gem. §§ 433 Abs. 1, 434, 437 Nr. 2, 323, 347 Abs. 2, 284 BGB Zug um Zug gegen Erstattung des um den Wert der Gebrauchsvorteile verminderten Kaufpreises sowie Aufwendungsersatz die Rücknahme des Fahrzeuges (1.). Mit der Rücknahmeverpflichtung befindet sich der Beklagte nach Rücktritt und Fristsetzung durch den Kläger in Verzug (2.). Außerdem ist der Beklagte verpflichtet, dem Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in einer Gesamthöhe von Euro 837,52 zu erstatten (3.).

1. Der Kläger kann vom Beklagten die Rückzahlung von Euro 11.239,19 Zug um Zug gegen Rückgabe des gekauften Pkw gemäß §§ 433, 434 Abs. 1 S. 1, 437 Nr. 2, 323, 349 Abs. 2, 284 BGB verlangen.

a. Zwischen den Parteien wurde am 02.06.2007 ein wirksamer Kaufvertrag über den streitgegenständlichen Pkw geschlossen. Dieser Kaufvertrag ist durch die vom Kläger mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2008 (vgl. Anl. Bl. 9 d.A.) gegenüber dem Beklagten erklärte Anfechtung nicht rückwirkend nichtig geworden. Es mangelt an einem Anfechtungsgrund. Eine arglistige Täuschung durch den Beklagten hat der Kläger nicht nachgewiesen.

b. Der vom Kläger beim Beklagten gekaufte Pkw war bei Übergabe nicht frei von Mängeln, weil er hinsichtlich der Laufleistung nicht die (konkludent außerhalb der Vertragsurkunde) vereinbarte Beschaffenheit hatte, § 434 Abs. 1 S. 1 BGB.

aa) Sowohl zum Zeitpunkt des Kaufvertragsschlusses am 02.06.2007 als auch zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeuges an den Kläger hatte der Pkw nicht, wie in der Internetanzeige des Beklagten angegeben, eine Laufleistung von 190.000 km, sondern tatsächlich eine Laufleistung von über 250.000 km (vgl. Protokoll vom 11.04.2008, S. 8, viertletzter Absatz (Bl. 39 d.A.)). Die Angabe des Beklagten in seiner Anzeige im Internetportal "autoscout24.de", dass der Pkw eine Laufleistung von 190.000 km hat, ist (konkludent) Bestandteil des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrages geworden (vgl. LG Köln, DAR 2002, 272; LG Kleve, NJW-RR 2005, 422; Reinking-Eggert, Der Autokauf, 5. Aufl., RN 1300 m. w. N. in Fußnote 284). Zwar ist diese Laufleistung im schriftlichen Kaufvertrag vom 02.06.2007 nicht aufgenommen, doch ist dies mangels eines Formzwanges auch nicht erforderlich. Im vorliegenden Fall kommt hinzu, dass der Kaufvertrag ausdrücklich eine Regelung über die Sachmängelhaftung hinsichtlich des Kilometerstandes enthält: "Die Sachmängelhaftung wird insbesondere im Hinblick ... des Kilometerstandes auf ein Jahr beschränkt" (vgl. Kaufvertrag vom 02.06.2007, Anl. Bl. 9 d.A.). Es handelt sich – jedenfalls – um eine "einfache" Beschaffenheitsvereinbarung nach § 434 Abs. 1 Satz 1 BGB. Der Beklagte hat nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass er seine schriftliche Aussage in der genannten Internetanzeige vor Vertragsschluss gegenüber dem Kläger "klar und erkennbar" widerrufen hat (vgl. Reinking/Eggert, a. a. O., RN 1300 m. w. N. in Fußnote 286). Zwar hat der Beklagte angegeben, dass er den Kläger am 02.06.2007 sowohl bei der Probefahrt als auch bei den anschließenden Vertragsverhandlungen vor Unterzeichnung des Kaufvertrages darauf hingewiesen habe, dass bei dem Fahrzeug ein Tachowechsel stattgefunden und das Fahrzeug eine wesentlich höhere Kilometerlaufleistung als in der Internet-Anzeige angegeben habe, jedoch stellt dies der Kläger – auch bei seiner Anhörung im Verhandlungstermin vom 11.04.2008 – in Abrede. Soweit der Beklagte vortragen lässt, dass er "meine", dass im Serviceheft des Fahrzeuges der Tachowechsel eingetragen sei und er diesen Eintrag dem Kläger vor Abschluss des Kaufvertrages gezeigt habe (vgl. Schriftsatz d. Bekl.Vertr. vom 06.03.2008, S. 2 (Bl. 15 d.A.)), ist zu konstatieren, dass es einen solchen Eintrag im Serviceheft nicht gibt (vgl. Serviceheft, Anlage zum Protokoll vom 11.04.2008 (Bl. 41 d.A.)). Das Gericht vermag die Angaben des Beklagten jedenfalls nicht glaubhafter als die des Klägers und den Beklagten nicht als glaubwürdiger als den Kläger anzusehen. Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben des Beklagten spricht, dass dieser bekundet hat, dass der Kläger auf den Hinweis der höheren, nicht genau bekannten Laufleistung während der Probefahrt nicht besonders reagiert habe und bei den Vertragsverhandlungen im Büro den Hinweis lediglich zum Anlass genommen habe, eine Reduzierung des Kaufpreises zu erreichen. Eine solche Reaktion eines Kaufinteressenten wäre ungewöhnlich, da die Laufleistung als eine erhebliche wertbildende Eigenschaft eines Pkws ein wesentliches Kriterium für die Kaufentscheidung ist, zumal wenn wie hier, die Laufleistung nach der Internetanzeige bereits 190.000 km beträgt. Es wäre vielmehr zu erwarten gewesen, dass bei Kenntnis eines Tachowechsels zu einem unbekannten Zeitpunkt (!) und einer ungewissen, über 190.000 km liegenden Laufleistung der Käufer sich nur bei einem erheblichen Abschlag vom Kaufpreis zum Kauf entscheidet oder vom Kauf Abstand nimmt und nicht – wie hier – sich mit Ausbesserungsarbeiten an der Motorhaube und den Kotflügelspitzen (vgl. Kaufvertrag Anl. Bl. 9 d.A.) begnügt, für die der Beklagte nach seinen eigenen Angaben "insgesamt rund Euro 800,00 brutto" aufwenden musste (vgl. Protokoll vom 11.04.2008, S. 3 (Bl. 34 d.A.)). Ein Indiz gegen die Richtigkeit der Angaben des Beklagten ist auch, dass der schriftliche Kaufvertrag zwar einen Eintrag über die vom Beklagten vorzunehmenden Ausbesserungsarbeiten enthält, nicht aber über einen Tachowechsel bzw. eine nicht genau bekannte Fahrleistung des Kaufgegenstandes, obwohl hierüber laut den Angaben des Beklagten wiederholt gesprochen worden sein soll. Von einem Autohändler wie dem Beklagten wäre zu erwarten, dass in einem solchen Fall der Tachowechsel bzw. die nicht genau bekannte Fahrleistung in die Kaufvertragsurkunde aufgenommen wird. Die Zeugin ... des Beklagten, hat die Angabe des Beklagten, dass er den Kläger in Gegenwart seiner Ehefrau darauf hingewiesen habe, dass das Fahrzeug eine gegenüber der Angabe in der Internet-Anzeige höhere Laufleistung habe, so nicht bestätigt. Sie hat lediglich ausgesagt, dass der Beklagte bei den Vertragsverhandlungen am 02.06.2007 im Büro zum Kläger gesagt habe, dass der Tacho zu einem nicht bekannten Zeitpunkt gewechselt worden sei und er, der Beklagte, nicht sagen könne, wie der genaue Tachostand laute. Hierauf, so die Zeugin, habe der Kläger zunächst nicht reagiert. Später habe er dann im Rahmen der Besprechung verlangt, dass der Preis deswegen reduziert werde. Gegen die Glaubhaftigkeit dieser Angaben der Zeugin spricht, dass aus den bereits dargelegten Gründen nur schwer nachvollziehbar ist, dass der Kläger auf den Hinweis des Beklagten, dass der genaue Tachostand und der Zeitpunkt des Tachowechsels nicht bekannt sei, zunächst nicht reagiert haben soll, und der Tachowechsel keinen Eingang in die Kaufvertragsurkunde gefunden hat. Das Gericht vermag aufgrund der Aussage der Zeugin ... nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, dass der Beklagte vor Kaufvertragsschluss seine Angaben in der Internet-Anzeige in Bezug auf die Laufleistung des Pkw widerrufen hat. Die verbleibenden Zweifel gehen zu Lasten des Beklagten. Die Abweichung zwischen der vereinbarten Laufleistung von 190.000 km und der tatsächlichen Laufleistung von über 250.000 km stellt einen Sachmangel dar (§ 434 Abs, 1 Satz 1 BGB), der nicht unerheblich ist (§ 323 Abs. 5 BGB). Mangels Entscheidungserheblichkeit kann dahinstehen, ob die in den Kaufvertrag (konkludent) einbezogene Angabe der Laufleistung im Internet-Angebot des Beklagten sogar als Beschaffenheitsgarantie (§ 444 Alt. 2 BGB) zu werten ist (vgl. dazu BGH, NJW 2007, 1346, 1348 RZ 23 f.).

Die weitere Voraussetzung für einen Rücktritt nach §§ 437 Nr. 2, 323 Abs. 1 BGB, dass der Käufer vor dem Rücktritt dem Verkäufer erfolglos eine angemessene Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt haben muss, ist entbehrlich, weil es sich bei der Abweichung zwischen der vereinbarten und der tatsächlichen Laufleistung um einen unbehebbaren Mangel handelt. Die Nachlieferung eines anderen, gleichwertigen Fahrzeuges scheidet zwar nicht schon deshalb aus, weil es sich um einen Stückkauf handelt. Jedoch ist beim Kauf eines gebrauchten Fahrzeuges die Lieferung eines gleichwertigen Ersatzfahrzeugs nur ausnahmsweise möglich (BGH, NJW 2007, 1346, 1347 RZ 17; BGH, NJW 2006, 2839 (unter II. 2. a)). Dass diese Möglichkeit im Streitfall besteht, ist weder vorgetragen noch ersichtlich.

cc) Der Kläger hat auch bereits mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2008 und damit innerhalb der einjährigen Sachmängelfrist (vgl. Kaufvertrag vom 02.06.2007, Anl. Bl. 9 d.A. und §§ 474 Abs. 1 Satz 1, 475 Abs. 2, 13, 14 BGB) den Rücktritt vom Kaufvertrag erklärt.

c. Der Beklagte schuldet daher die Rückzahlung des Kaufpreises in Höhe von Euro 13.200,00. Er muss sich jedoch die Vorteile der Nutzung des Fahrzeuges anrechnen lassen. Die Gebrauchsvorteile, die der Kläger durch die Benutzung des Fahrzeugs erlangt hat, bemessen sich auf insgesamt Euro 3.340,00 (aa). Allerdings ist ein Aufwendungsersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten in Höhe von Euro 1.379,19 gegenzurechnen (bb), sodass der Kläger vom Beklagten die Zahlung von insgesamt Euro 11.239,19 (Euro 13.200,00 ./. Euro 3.340,00 + Euro 1.379,19) verlangen kann.

aa) Beim Gebrauchtwagenkauf berechnet das Gericht die Nutzungsvorteile nach einer linearen Amortisation unter Berücksichtigung der gefahrenen Kilometer und der Restlaufleistung des Fahrzeugs, die die Parteien bei ihrem Vertragsschluss (stillschweigend) zugrunde gelegt haben (vgl. auch OLG Koblenz, NJW 2004, 1670, 1671; OLG Düsseldorf, NJW-RR 1999, 278; Reinking/Eggert, a. a. O., RN 1455).

Hier kann nicht darauf abgestellt werden, dass der Mercedes-Benz im Zeitpunkt der Übergabe tatsächlich über 250.000 km gelaufen war. Vielmehr ist mangels entgegenstehender Anhaltspunkte davon auszugehen, dass der Kaufpreis von Euro 13.200,00 unter Berücksichtigung der angenommenen (bisherigen) Gesamtlaufleistung von 190.000 km marktangemessen war. Die anzunehmende Restlaufzeit schätzt das Gericht bei dem vorliegenden Fahrzeug der gehobenen Mittelklasse mit einem Dieselmotor (Erstzulassung: Januar 2001) auf dieser Grundlage auf etwa 90.000 km.

Der Nutzungsvorteil pro Kilometer wird demnach dadurch errechnet, dass der Kaufpreis von Euro 13.200,00 multipliziert wird mit der unstreitigen Fahrleistung des Klägers von rund 22.700 km (vgl. Protokoll vom 11.04.2008, S. 36, 4. Absatz (Bl. 36 d.A.)), sodann dividiert durch die angenommene Restlaufleistung von 90.000 km (vgl. auch OLG Koblenz, NJW 2004, 1670, 1671; Reinking/Eggert, a. a. O., RN 1460). Danach ergibt sich eine Nutzungsentschädigung von 0,147 Euro/km, multipliziert mit der gefahrenen Anzahl der Kilometer ein Nutzungsvorteil von (gerundet) Euro 3.340,00.

bb) Demgegenüber kann der Kläger seinerseits mit den von ihm im Einzelnen unwidersprochen vorgetragenen notwendigen bzw. nützlichen Verwendungen in einer Gesamthöhe von Euro 1.379,19 gegenrechnen. Denn es liegen sowohl die Voraussetzungen des § 347 Abs. 2 BGB als auch die des § 284 BGB vor. Zu den notwendigen Verwendungen (§§ 347 Abs. 2, 994 BGB) bzw. gewöhnlichen Erhaltungskosten (vgl. Palandt-Grüneberg, BGB, 65. Aufl., § 347 RN 4) und zu den Aufwendungen, die der Käufer im Vertrauen auf eine mangelfreie Leistung getätigt hat und die infolge der mangelbedingten Rückabwicklung des Vertrages vergeblich waren ("frustrierte Aufwendungen"), gehören die vom Kläger im Einzelnen geltend gemachten Aufwendungen (Öllampe, Winterreifen, Mercedes-Stern/Logo, neue Batterie, Wischerblätter, TÜV-Neuabnahme, Reparaturarbeiten zur Erlangung des TÜV) in einer Gesamthöhe von Euro 1.379,19. Auch die Anschaffung von Winterreifen stellt eine nützliche und sinnvolle, wenn nicht sogar notwendige Investition in ein Fahrzeug dar, weil hierdurch seine Verkehrssicherheit entsprechend den Straßenverhältnissen erheblich verbessert wird (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 06.05.2005 – I-1 W 17/05).

2. Der Beklagte befindet sich auch mit der Annahme des im Tenor näher bezeichneten Fahrzeuges in Verzug, da der Kläger ihn mit Anwaltsschreiben vom 23.01.2008 (vgl. Anl. Bl. 9 d.A.) unter Fristsetzung bis zum 13.02.2008 vergeblich zur Rücknahme des Pkw Zug um Zug gegen Erstattung des Kaufpreises aufgefordert hat.

3. Soweit der Kläger im Rahmen eines gesonderten Zahlungsantrages (obiger Klageantrag Ziffer 3) in Höhe von Euro 899,40 Ersatz für die vorprozessuale Inanspruchnahme seiner jetzigen Prozessbevollmächtigten zur Durchsetzung seiner Sachmängelansprüche gegen den Beklagten verlangt, ist der Beklagte einer begründeten Leistungsverpflichtung in Höhe von Euro 837,52 aus §§ 437 Nr. 3, 280, 281 BGB ausgesetzt.

a. Wie bereits oben unter 1. ausgeführt, hat der Beklagte seine Pflicht zur Übereignung des Pkws mit einer Laufleistung von 190.000 km verletzt, da das Fahrzeug zum Zeitpunkt der Übergabe eine Laufleistung von über 250.000 km aufwies. Der Beklagte hat auch nicht nachgewiesen, dass er diese Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat (vgl. § 280 Abs. 1 S. 2 BGB).

b. Die weitere Voraussetzung für einen Schadensersatzanspruch nach § 281 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass der Käufer dem Verkäufer erfolglos eine Frist zur Leistung oder Nacherfüllung gesetzt haben muss, ist entbehrlich, weil es sich – wie bereits oben unter 1. dargelegt – bei der Abweichung zwischen der vereinbarten und der tatsächlichen Laufleistung um einen unbehebbaren Mangel handelt.

c. Kosten der Rechtsverfolgung sind erstattungspflichtig, wenn und soweit sie erforderlich gewesen sind. Ein Verzug des Schädigers ist nicht Voraussetzung. Es reicht aus, wenn die Einschaltung des Anwalts aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte erforderlich und zweckmäßig gewesen ist. Diese Voraussetzungen sind im vorliegenden Fall zu bejahen. Denn streitgegenständlich ist ein nicht ganz alltäglicher Gebrauchtwagenkauf, bei dem eine erhebliche Abweichung der vereinbarten Laufleistung von der tatsächlichen Laufleistung vorliegt, wobei die tatsächliche Laufleistung unklar ist.

Was die Höhe der geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten betrifft, begegnet die verlangte und auch vom Beklagten nicht in Zweifel gezogene 1,3-fache Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV RVG im Ansatz keine Bedenken. Da der Kläger gegen den Beklagten, wie oben dargelegt, jedoch lediglich einen Zahlungsanspruch in Höhe von Euro 11.239,19 hat, kann der Kläger lediglich aus diesem Gegenstandswert eine 1,3-fache Geschäftsgebühr verlangen. Die vorprozessuale 1,3-fache Geschäftsgebühr nach dem Gegenstandswert (bis zu) Euro 13.000,00 beträgt Euro 683,80. Unter Hinzurechnung der Entgeltpauschale von Euro 20,00 (Nr. 7002 VV RVG) sowie der gesetzlichen Mehrwertsteuer von 19 % (Nr. 7008 VV RVG) macht die begründete Gebührenforderung des Klägers die Summe von Euro 837,52 aus. Eine Anrechnung der vorgerichtlichen Geschäftsgebühr auf die gerichtliche Verfahrensgebühr bleibt dem gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren vorbehalten (BGH, Urteil vom 07.03.2007 – VIII ZR 86/06 = NJW 2007, 2049).

II.

1. Die zugesprochenen Zinsen folgen in Grund und Höhe aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2 BGB i. V. mit § 187 Abs. 1 BGB entsprechend. Die Klage wurde dem Beklagtenvertreter am 05.03.2008 zugestellt.

2. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 709, 708 Nr. 11, 711 ZPO.