OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 21.06.2011 - 5 U 51/10
Fundstelle
openJur 2012, 34682
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 12.3.2010 verkündeteTeilurteil der 15. Kammer für Handelssachen des LandgerichtsFrankfurt am Main abgeändert.

Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 5.000,00 €nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatzseit dem 14.2.2007 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung derRechte des Klägers im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A AG(Amtsgericht Leipzig, Geschäfts-Nr. 405 IN 2046/06) aus dem Erwerbder Inhaber-Teilschuldverschreibungen der A AG, ISIN …,Zinssatz 6,25%, 5 Stück, Nennbetrag jeweils 1.000,00 €, Nr.… bis ..

Es wird festgestellt, dass sich der Beklagte mit der Annahme dervorgenannten Gegenleistung in Annahmeverzug befindet.

In Höhe eines Anspruchs auf 5 % Zinsen aus 5.000,00 € vom24.3.2005 bis 13.2.2007 wird die Klage abgewiesen und dieweitergehende Berufung zurückgewiesen.

Der Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zutragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wirdnachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Klägers durchSicherheitsleistung in Höhe von 110% des für den Klägervollstreckbaren Betrags abzuwenden, soweit nicht dieser in Höhe von110% des für ihn vollstreckbaren Betrags Sicherheit leistet.

Die Revision des Beklagten wird zugelassen.

Gründe

I

Der Kläger verlangt von dem Beklagten Ersatz für den Erwerb von Inhaberschuldverschreibungen der A AG (künftig nur A), über deren Vermögen nach Insolvenzantrag vom 19.6.2006 am 1.9.2006 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist. Der Beklagte, zu dessen Vermögen ein Insolvenzeröffnungsverfahren läuft, war unter der Firma B e.K. zu 73% Mehrheitsaktionär der A und auf der Grundlage eines Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrags herrschender Unternehmer. Die A war ihrerseits wiederum vertraglich herrschendes Unternehmen bei mehreren Tochtergesellschaften. Für den Konzern wurde vom Beklagten auf Grund von Einzelweisungen ein Liquiditätsmanagement geführt, das dazu führte, dass hohe Einzelzahlungen von der A an den Beklagten erfolgten, die in dem Rechnungswesen der A als werthaltige Forderungen ausgewiesen sind.

In den Jahren 1999 bis 2006 legte die A insgesamt 25 Inhaberschuldverschreibungen ohne Börsenzulassung mit einem rechnerischen Gesamtvolumen von 565 Mio. € auf. Zu diesen 25 Schuldverschreibungen gehörte diejenige, die mit dem Prospekt „…“ beworben wurde, bei einer Laufzeit 3 Jahren bei 6,25% Jahreszinsen (ISIN …). Der vom Vorstand der A unter dem 2. Februar 2005 unterzeichnete Prospekt führte zu einem ersten öffentlichen Angebot vom 24.2.2005. Der Prospekt erwähnt auf S. 33 ohne weitere Erläuterung, dass mit dem Beklagten als Einzelkaufmann der Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag besteht. Die finanzielle Lage des Beklagten bzw. des Konzerns wurde im Prospekt nicht dargestellt. Auf Seite 22, 23 enthält der Prospekt einen Abschnitt mit der Überschrift: „Risikohinweise“. Die Möglichkeit eines Totalverlustes wird wie folgt beschreiben: „Im Fall der Insolvenz der Gesellschaft besteht das Risiko, dass der Anleihegläubiger einen Totalverlust seiner Anlage erleidet.“ Zu den Einzelheiten wird auf den Prospekt verwiesen (Hülle Band I).

Der Kläger hat behauptet, er hätte im März 2005 für insgesamt 5.000,00 € Schuldverschreibungen der A erworben, deren Rückzahlungsansprüche in der Insolvenz der A-AG unter Herausgabe der Wertpapiere an den Insolvenzverwalter angemeldet worden seien. Seit 1999 seien Zahlungen der A mit einer Höhe zwischen 37% und 58% der jeweiligen Anleiheeinzahlungen an den Beklagten erfolgt. Im September 2009 hätte er erneut für 5.000,00 € Inhaberschuldverschreibungen bei der A erworben, die, wie unstreitig ist, mit dem Prospekt „…“ beworben worden waren (ISIN …).

Der Kläger hat beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, an ihn 10.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % auf 5.000,00 € ab 13.5.2005 bis Rechtshängigkeit nebst Zinsen in Höhe von 5% auf weitere 5.000,00 € ab dem 24.3.2005 bis Rechtshängigkeit, nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte des Klägers im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A AG (Amtsgericht Leipzig, Geschäfts-Nr. 405 IN 2046/06) aus dem Erwerb der Inhaber-Teilschuldverschreibungen der A AG, ISIN …, verzinslich mit 5,5%, 5 Stück Nennbetrag jeweils 1.000,00 € Nr. …-.. und ISIN …, verzinslich mit 6,25%, 5 Stück, Nennbetrag jeweils 1.000,00 €, Nr. … bis …, sowie

festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung im Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat die Klage für unzulässig angesehen, weil Ansprüche des Klägers entsprechend § 93 InsO nur durch den Insolvenzverwalter der A geltend gemacht werden könnten. Der Beklagte hat sich auf eine Beschränkung seiner Vortragslasten mit Blick auf das laufende Strafverfahren und auf Verjährung berufen. Die Risikohinweise der Prospekte seien ausreichend, rechtliche Erläuterungen seien nicht geboten gewesen.

Das Landgericht hat durch Teilurteil die Klage zu den im März 2005 erworbenen Schuldverschreibungen des Prospekts „…“ abgewiesen. Der Prospekt sei nicht unrichtig, weil die Beteiligungsverhältnisse und der Beherrschungsvertrag dargestellt seien, der auch die Grundlage für Zahlungen der A an den Beklagten sei. Zu dem Beherrschungsvertrag sei eine nähere Darstellung nicht geboten gewesen, weil es sich um einen Begriff“ handele, den der durchschnittliche Anleger verstehe. Auch der Gesamteindruck sei nicht unzutreffend, weil die Einzelzahlen offen gelegt seien. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivortrags und der Entscheidungsgründe wird auf das Teilurteil Bezug genommen (Bl. 396 ff. d.A.).

Der Kläger verfolgt mit der Berufung die abgewiesene Klage weiter. Er wiederholt und vertief im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen und rügt u.a., dass das Landgericht zu hohe Anforderungen an den Prospektleser gestellt habe. Das Risiko für die Rückzahlung der Anleihe sei unvollständig dargestellt und hätte, soweit es sich teilweise aus dem Anhang entnehmen lasse, im Prospekt näher beschrieben werden müssen.

Der Kläger beantragt,

das angefochtene Teilurteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an ihn 5.000,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 14.2.2007 zu zahlen, Zug-um-Zug gegen Übertragung der Rechte des Klägers im Insolvenzverfahren über das Vermögen der A AG (Amtsgericht Leipzig, Geschäfts-Nr. 405 IN 2046/06) aus dem Erwerb der Inhaber-Teilschuldverschreibungen der A AG, ISIN …, verzinslich mit 6,25%, 5 Stück, Nennbetrag jeweils 1.000,00 €, Nr. … bis …, sowie

festzustellen, dass sich der Beklagte mit der Annahme der Gegenleistung im Annahmeverzug befindet.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung.

Mit einem nachgereichten Schriftsatz vom 14.6.2011, auf den verwiesen wird (Bl. 598-601 d.A.), hat er die Wiedereröffnung unter ergänzendem Vortrag zur rechtlichen Beratung begehrt.

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel hat ganz überwiegend Erfolg, weil das angefochtene Urteil nach der Wertung des Senats auf einem Rechtsfehler beruht (§ 513 Abs.1 ZPO iVm. § 546 ZPO) und abweichende tatsächliche Feststellungen des Berufungsverfahrens entweder nicht zu treffen sind oder die angefochtene Entscheidung nicht zu stützen vermögen (§ 513 Abs.1 ZPO iVm. § 529 Abs.1 ZPO).

Das Landgericht konnte in zulässiger Weise durch Teilurteil entscheiden (§ 301 Abs.1 ZPO), weil mit den verschiedenen Erwerbsvorgängen zu verschiedenen Prospekten unterschiedliche Streitgegenstände vorliegen und die Gefahr eines Entscheidungswiderspruchs nicht besteht. Dass die verschiedenen Prospekte vergleichbare Fehler haben können, beruht auf der gleichen Bewertung abstrakter Rechtsfragen.

Die Klage ist im Umfang der Teilentscheidung zulässig, insbesondere besteht eine Klagebefugnis. § 309 Abs.4 Satz 5 AktG ist nicht anzuwenden, weil ein möglicher Ersatzanspruch der A gegen den Beklagten aus der Verletzung von Weisungsbefugnissen im Konzern zu dem geltend gemachten Anspruch aus einem Verkauf der Schuldverschreibungen im Streitgegenstand verschieden ist. Auch kommt eine entsprechende Anwendung des § 93 InsO, wie aber der Beklagte gemeint hat, nicht in Betracht, weil bei einem Missbrauch der beherrschten Aktiengesellschaft durch den Konzernherrn ebenfalls ein anderer Streitgegenstand betroffen wäre und dazu wegen § 309 Abs.4 Satz 5 AktG eine Regelungslücke nicht bestünde. Eine Vermögensvermischung, die zu den Wirkungen des § 93 InsO führen könnte, ist vom Beklagten nicht ausreichend geltend gemacht. § 92 InsO sperrt hier ebenfalls nicht, denn die verspätete Insolvenzantragstellung mit der Entstehung eines Gesamtschadens stellt sich gegenüber der Prospekthaftung als anderer Streitgegenstand dar.

Die Klagen sind in der Hauptforderung aus § 13 Abs.1 Nr.1 VerkProspG iVm. § 44 Abs.1 Satz 1 BörsG a.F. begründet.

Nach der Überleitungsvorschrift des § 18 Abs.2 Satz 4 VerkProspG gelten für Wertpapiere von Nichtkreditinstituten zeitlich unbegrenzt § 13 VerkProspG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.6.1996 und die Vorschriften der §§ 45 bis 49 des BörsenG in der Fassung der Bekanntmachung vom 17.6.1996, wenn der Prospekt vor dem 1.7.2005 im Inland veröffentlicht wurde. Das war für den Prospekt „…“ der Fall. Denn das erste öffentliche Angebot der Schuldverschreibungen erfolgte schon am 24.2.2005 (Bl. 18 d.A.). Der Hinweis der Überleitungsvorschrift auf §§ 45 bis 49 BörsenG an Stelle der §§ 44 bis 48 BörsenG a.F. stellt ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers dar (vgl. Unzicker, VerkProspG, 2010, § 18 Rz.8 Fn. 7).

Das Verkaufsprospektgesetz ist anzuwenden, weil es sich bei den Inhaberschuldverschreibungen um öffentlich angebotene Wertpapiere handelte, die nicht an einer inländischen Börse zum Handel zugelassen waren (§ 1 VerkProspG a.F.).

Der Kläger erwarb die Inhaberschuldverschreibungen. Davon ist der Senat, wiewohl in pauschaler Weise von dem Beklagten bestritten, überzeugt an Hand der vorgelegten Annahmeerklärung der A vom 29.4.2005 (Anl. K 2). Anhaltspunkte für eine unwahre, nach Lage der Dinge betrügerische Darstellung in der Klageschrift bestehen ohnehin nicht und sind auch nicht vorgetragen.

Das Erwerbsgeschäft fand im Haftungszeitraum des § 13 Abs.1 Ziff.1 VerkProspG a.F. von sechs Monaten nach dem ersten öffentlichen Angebot im Inland statt. Das erste öffentliche Angebot erfolgte am 24.2.2005, der Erwerb im April 2005.

Wesentliche Angaben im Zusammenhang mit dem Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag, die für die Beurteilung der Schuldverschreibungen erforderlich waren, waren in dem Prospekt iSd. § 13 Abs.1 VerkProspG unvollständig. Der Prospekt war unvollständig, weil er nicht darauf hinwies, dass der Beklagte in Abweichung von der Gesetzeslage dem Vorstand der A nachteilige Weisungen erteilen konnte, die nur dem Beklagten oder anderen Konzerngesellschaften nützlich wären, wie dies in § 308 Abs.1 Satz 2 AktG umschrieben ist, und weil er die Abhängigkeit der Rückzahlung von der nicht offen gelegten Vermögenslage des Beklagten verschwieg.

Eine Verpflichtung, hierauf hinzuweisen, ergab sich aus § 5 Nr.6 VerkProspV und aus § 2 VerkProspV. In § 5 Nr. 6 VerkProspV ist vorgesehen, dass der Prospekt eine kurze Beschreibung des Konzerns und der Stellung des Emittenten in diesem zu geben hat, wenn der Emittent, wie hier, § 18 Abs.1 AktG, ein Konzernunternehmen ist. In § 2 VerkProspV ist geregelt, dass der Prospekt über die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Beurteilung der angebotenen Anlage notwendig sind, Auskunft zu erteilen hat. Die Einbeziehung der Folgen des Unternehmensvertrags mit dem Beklagten war zur Beurteilung der Anleihe notwendig. Denn mit dem Unternehmensvertrag ergab sich, dass die Rückzahlung des Anlagebetrags nicht nur von dem geschäftlichen Erfolg der A abhängen würde, sondern auch von demjenigen des Beklagten, über dessen Vermögensverhältnisse und Verwendungszwecke der Anleger aber im Unklaren blieb, wie die Deckung auch vom Leistungswillen des Beklagten als dem herrschenden Unternehmer abhängen konnte. Es ist anerkannt (BGH vom 7.12.2009, II ZR 15/08- ZIP 2010, 176 Rz. 17 bei juris), dass ein Prospekt unvollständig ist, wenn eine Mittelverwendung in einem Tochterunternehmen erfolgen soll und dessen Geschäftsmodell und die sich daraus ergebenden Chancen und Risiken nicht dargestellt sind. Dies hat erst recht zu gelten, wenn die Mittel über einen Unternehmensvertrag dem Gesamtkonzern zugeführt werden.

Die Angabepflicht ist nicht erfüllt worden. Der prospektierte Hinweis auf den Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag erfüllte die Anforderungen nicht, jedenfalls nicht ausreichend. Das Schaubild auf S.17 des Prospekts, das unstreitig unvollständig war, weil es über 90 Konzerngesellschaften gab, und die Beschreibung S.33 lassen weder eine Beurteilung von Risikofaktoren zu, die sich aus dem Unternehmensvertrag ergeben, noch den Grad des Risikos hieraus.

Die Risikofaktoren sind nicht erkennbar, weil die wirtschaftliche Lage des Konzerns nicht deutlich wird, die aber für die Rückzahlungserwartung Bedeutung hatte.

Mit § 8 Abs.2 VerkProspV können sich die Prospektverantwortlichen nicht entlasten. Danach muss freilich ein Konzernabschluss nur dann mitgeteilt werden, wenn der Emittent zu dessen Erstellung verpflichtet war und dieser neben dem Einzelabschluss für die Anlage bedeutsame Informationen enthielt. Der Beklagte war jedoch als Einzelkaufmann nach § 290 Abs.1 HGB nicht konzernabschlusspflichtig. Dass die Voraussetzungen des § 10 Abs.1 Publizitätsgesetz vorlagen, ist zum Nachteil der Kläger ebenfalls nicht ersichtlich. Das ist indessen unschädlich und entlastet den Beklagten nicht, denn die VerkProspV enthält nur Mindestanforderungen (vgl. Groß, Kapitalmarktrecht, 2. Aufl., 2002, VerkProspV §§ 1-15 Rz.3). Der Begriff „Angabe“ in der Haftungsnorm des § 13 VerkProspG ist ohnehin nicht selektiv zu verstehen, sondern umfassend und schließt Meinungen, Werturteile und Prognosen ein (Unzicker, wie oben, § 13 VerkProspG Rz. 14 mwN.).

Auch das Risiko selbst kann aus der Sicht eines aufmerksamen Lesers und durchschnittlichen Anlegers mit der Erwähnung des Unternehmensvertrags nicht erfasst werden, namentlich genügte der allgemein gehaltene Hinweis auf die Möglichkeit eines Totalverlustes des Anleihekapitals nicht, um das besondere Risiko aus dem Unternehmensvertrag zu erfassen. Der Verständnishorizont des Anlegers ist auf der Grundlage der europarechtlicher Vorgaben zu bestimmen, wobei Definitionen aus der Zeit vor der EU- Prospektrichtlinie, keine Leitfunktion mehr haben können. Auf Anhang V der EU-Prospektrichtlinie-DurchführungsVO vom 29.4.2004 zur Umsetzung der EU-Prospektrichtlinie (ABl. L 149 vom 30.4.2004, abgedruckt bei Keunecke, Prospekte im Kapitalmarkt, 2. Aufl. 2009, Anhang) kann es dabei – hier - allerdings noch nicht ankommen, weil diese Verordnung erst ab 1.7.2005 in Kraft trat, also für den Prospekt nicht anzuwenden war.

Die Prospektrichtlinie vom 4.11.2003 (Richtlinie 2003/71 EG, ABl. L 345 vom 31.12.2004, S.64 ff.) verlangte jedoch in Art.5 Abs.1 S.2, dass die Informationen zur Beurteilung der Anlage, einschließlich der Zukunftsaussichten des Emittenten, „in leicht zu analysierender und verständlicher Form“ dargelegt werden (jetzt auch § 5 Abs.1 Satz 1 WpPG). In Erwägungsgrund Nr.21 ist ausgeführt, dass die Information in „allgemein verständlicher Sprache“ abgefasst sein muss, in Erwägungsgrund Nr.16, dass den unterschiedlichen Schutzanforderungen für die verschiedenen Anlegerkategorien und ihrem jeweiligen Sachverstand Rechnung zu tragen ist. Dem entsprachen die berufständischen Anforderungen nach den damals geltenden IDW S4 des Verbands der Wirtschaftsprüfer (WPg 2000, 922, 929). Danach waren die Risiken der Anlage ausführlich darzustellen und zu gewichten.

Der Prospekt wandte sich jedenfalls auch, wie unstreitig ist und sich aus der auch möglichen kleinen Stückelung ergibt, an Kleinanleger. Dem dort zu erwartenden Verständnis, wie aber auch schon dem eines sonstigen verständigen und durchschnittlichen Anlegers, genügte der unkommentierte Hinweis auf den Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag nicht, weil die Wirkungen des Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrages nicht zum Allgemeinwissen gehören, sondern ihre Erkenntnis juristisches oder wirtschaftwissenschaftliches Fachwissen erfordert.

Die Aufklärung über die Auswirkungen des Unternehmensvertrags hätte auch keine unerlaubte Rechtsberatung dargestellt, sondern eine notwendige Information über das Anlageprodukt selbst.

Die Bedeutung des Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrags war eine wesentliche Angabe. Wesentlichkeit liegt vor, wenn ein durchschnittlicher Anleger die Umstände „eher als nicht“ bei seiner Anlageentscheidung berücksichtigen würde (Unzicker, wie vor). Das war hier der Fall, denn der Wert einer Anleihe wird dadurch bestimmt, ob die Rückzahlung sicher bzw. unsicher ist. Über § 308 AktG konnte aber der Beklagte als Beherrscher der A Liquidität und Vermögen entziehen und hatte nur im jeweiligen Zeitpunkt der Jahresabschlussfeststellung einen Jahresfehlbetrag auszugleichen.

Ob der Prospekt weiterhin durch Verschweigung der besonderen Umstände des Cash-Managements im Konzern unvollständig war, kann damit dahin stehen.

Der Beklagte ist Prospektverantwortlicher, weil er ihn veranlasst hat (§ 44 Abs.1 Ziff.2 BörsG). Entscheidend für die Hintermannhaftung des Beklagten ist, dass der Prospekt mit seiner Kenntnis in Verkehr gebracht worden ist, mitgestaltend musste er nicht beteiligt gewesen sein (BGH vom 8.12.2005, VII ZR 372/03ZIP 2006, 420 Rz.14 bei juris). Die Überzeugung von der Kenntnis des Beklagten stützt der Senat darauf, dass er Mehrheitsgesellschafter zu 73% war, durch einen Beherrschungsvertrag begünstigt und er, wie nun unstreitig ist, durch Weisungen zu Zahlungsflüssen unmittelbar in das Geschäft eingriff.

Ein Haftungsausschlusstatbestand gemäß § 45 BörsG a.F.ist nicht gegeben.

Der Beklagte hat nicht geltend gemacht, dass der Kläger die Wertpapiere ausschließlich auf Grund anderer Umstände erwarb (§ 45 Abs.2 Ziff.1 ZPO). Es ergibt sich auch sonst nicht, dass eine die gesetzliche Vermutung stützende Anlagestimmung ausnahmsweise keine Bedeutung bekommen hatte (vgl. Schwark, Kapitalmarktrecht, 4. Aufl. 2010, §§ 44, 45 BörsG Rz. 46).

Der Beklagte hat sich nicht vom Vorwurf grob fahrlässiger Unkenntnis entlastet.

Dass die Bundesanstalt den Prospekt nicht untersagte, lässt das Verschulden ebenfalls nicht entfallen. Eine inhaltliche Prüfung findet nämlich im Verfahren nach § 8a Abs.2 VerkProspG nicht statt.

Verjährung nach § 46 BörsenG ist nicht eingetreten. Nach dieser Bestimmung ist der Anspruch in einem Jahr ab Kenntniserlangung von der Unrichtigkeit verjährt. Eine Hemmung der Verjährung ist mit der Anhängigkeit der Klage am 11.1.2007 eingetreten, auf die es wegen der demnächst erfolgten Zustellung ankommt, § 167 ZPO. Die Zustellung geschah am 14.2.2007 (Bl. 29 d.A.). Dass der Kläger von dem Prospektmangel bereits am 11.1.2006 Kenntnis hatte, also zu einem Zeitpunkt, zu dem A weitere Emissionen anbot, ist nicht ersichtlich. Der Insolvenzantrag stammt vom 19.6.2006.

Rechtsfolge ist der Rückzahlungsanspruch Zug-um Zug gegen Übernahme der Wertpapiere (§ 44 Abs.1 BörsG a.F.). Da diese beim Insolvenzverwalter in Besitz sind, wie im Senatstermin auf Befragen unwidersprochen und unter Beleg durch eine Bescheinigung (Bl. 593 d.A.) vorgetragen worden ist, genügt die Verschaffung des Eigentums durch Abtretung des Herausgabeanspruchs nach § 931 BGB. Das bedingte Übereignungsangebot liegt jedenfalls in dem Zug-um-Zug beschränkten Klageantrag, wie auch ein bedingtes Angebot der Abtretung des Herausgabeanspruchs.

Der Beklagte befindet sich in Annahmeverzug, denn jedenfalls mit der Klageschrift ist die Übereignung der Schuldverschreibungen Zug-um-Zug wörtlich angeboten worden. Das wörtliche Angebot ist zugleich das tatsächliche Angebot iSd. § 294 BGB, weil die Übereignung durch Abtretung des Herausgabeanspruchs keine körperliche Leistung verlangt, sondern die Abgabe von Willenserklärungen. Der Beklagte hat die Gegenleistung nicht angeboten, sodass er bei der Zug-um-Zug-Leistung nach § 298 BGB in Annahmeverzug sind.

Zinsen kann der Kläger als Verzugsschaden ab Rechtshängigkeit verlangen (§ 286 Abs.1 S.2 BGB iVm. § 288 Abs.1 BGB). Weitergehende Verzugsansprüche sind nicht schlüssig vorgetragen, weil Verzug in der vorhergehenden Zeit nicht vorgetragen ist. Deliktszinsen nach § 849 BGB setzen die Entziehung einer Sache oder deren Beschädigung voraus. Ob ein Anspruch aus § 823 Abs.2 BGB iVm. § 264a Abs.1 Ziff.1 StGB einen Anspruch auf entgangenen Gewinn aus einer unterlassenen Alternativanlage vom Zeitpunkt der Anschaffung bis zur Rechtshängigkeit verschaffen kann, kann dahin stehen, weil der Kläger nicht vorgetragen hat, dass er auf die Anleihe von der A keine Verzinsung erhalten hatte. Nach dem Prospekt war (S.23) war der erste Zinsschein bereits am 1.3.2006 fällig, der Insolvenzantrag ist aber erst am 19.6.2006 gestellt worden. Die Unschlüssigkeit der Nebenforderung war nach § 139 Abs.2 ZPO nicht hinweisbedürftig.

Die Voraussetzungen für die Gewährung des in der Sitzung vom 3.5.2001 beantragten Schriftsatznachlasses liegen nicht vor, namentlich nicht die des § 139 Abs.5 ZPO. Denn einen förmlichen Hinweis hat der Senat, wiewohl die Sach- und Rechtslage mit den Parteien erörtert worden ist, nicht erteilt. Trotz der Vielschichtigkeit der von dem Kläger erhobenen Vorwürfe, musste doch dem Beklagten deutlich sein, dass in der Ausrichtung der A auf ihn und wegen seiner Einflussnahmen, also in der sich aus der Beherrschung ergebenden Lage, der prospektrechtliche Schwerpunkt des Rechtsstreits zu finden sein könnte, für den eine Entlastung geboten sein könnte.

Der nachgereichte Schriftsatz des Beklagten rechtfertigt keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung, § 156 Abs.1, 2 ZPO. Diese ist verfahrenfehlerfrei geschlossen worden, denn Hinweise waren, wie bereits ausgeführt, nicht zu erteilen. Die Wiedereröffnung wäre auch nicht sachgerecht, weil das nachgereichte Vorbringen noch immer unerheblich ist. Es ist nicht zu entnehmen, wie die Darstellung und Auseinandersetzung des Beraters mit Rechtsprechung, Fachliteratur und den vorhandenen Üblichkeiten, etwa geprägt durch die IDW-Grundsätze, erfolgt ist und sich aufdrängende Bedenken zerstreuen konnte.

Die prozessrechtlichen Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs.1, 92 Abs.2, 708 Nr.10 und 711 ZPO.

Die Revision des Beklagten wird wegen der Auswirkung für die sehr große Zahl vergleichbarer Fälle zugelassen, § 543 Abs.2 Nr.1 ZPO, die noch bei den Landgerichten in Frankfurt am Main und Leipzig anhängig sind.