Hessisches LAG, Urteil vom 19.04.2011 - 12 Sa 1178/10
Fundstelle
openJur 2012, 34432
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des ArbeitsgerichtsFrankfurt am Main vom 04. Mai 2010 – 5 Ca 9649/09 –wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat- und hilfsweisen Verdachtskündigung sowie die Zahlung einer im Rahmen eines Aufhebungsvertrages vereinbarten Abfindung.

Die Beklagte ist ein P, das am Markt als Komplettanbieter von IT-Infrastruktur auftritt.

Der am xx geborene Kläger war seit dem 1.08.1990 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als kaufmännischer Leiter der Abteilung „Finance Region Deutschland“ zu einem Bruttomonatsverdienst von zuletzt € 8.617,-- beschäftigt. Grundlage des Arbeitsverhältnisses war der Übertrittsvertrag vom 8.05.2001 (Bl. 13 ff d.A.).

Am 18.03./31.03.2009 schlossen die Parteien einen Aufhebungsvertrag, nach dessen Regelungen das Arbeitsverhältnis am 30.09.2009 enden und die vereinbarte Abfindung – letztlich in Höhe von € 231.040,10 brutto - mit Abschluss des Vertrages entstehen und mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses fällig werden sollte. Für die weiteren Einzelheiten wird auf den Text des Aufhebungsvertrages Bezug genommen (Bl. 29 – 31 d.A.). Am 2.09.2009 schlossen die Parteien eine Zusatzvereinbarung, mit der sie den Auszahlungszeitpunkt der Abfindung auf den 31.01.2010 verschoben (Bl. 36 d.A.). Am 3.09.2009 schlossen sie eine weitere Zusatzvereinbarung, mit der sie das Bestehen des Arbeitsverhältnisses bis zum 31.10.2009 verlängerten (Bl. 34 d.A.).

Der Kläger war in seiner Funktion für die kaufmännische Abwicklung der ihm zugeordneten Vertriebscenter und der dort angesiedelten Kundenprojekte, u.a., das Projekt „B“, zuständig. Diesem lag ein Auftrag der Unternehmen C D und E F zugrunde, in dessen Rahmen sich die Beklagte zur Erbringung der von ihr geschuldeten Leistungen der Fa. G H als R bediente. Geschäftsführer der G H war der Zeuge I. Teil der Vertragsabsprachen zwischen der Beklagten und den beiden Kunden war, dass eine Rechnungsstellung seitens der Beklagten erst nach jeweiliger Abnahme der durchgeführten Arbeiten durch den Kunden erfolgen könne. Entsprechend konnte auch die G H keine vorherige Bezahlung von der Beklagten für die von ihr erbrachten Leistungen erhalten. Da sich die Abnahmen teilweise um Monate verzögerten, waren schon erbrachte Leistungen im Wert von nahezu € 100.000,00 aufgelaufen und die G H geriet wegen der Ausstände finanziell unter Druck. Nach mehreren Gesprächen zwischen dem Geschäftsführer I und dem Kläger zu dieser Thematik traf der Kläger mit dem Geschäftsführer der G H, dem Zeugen I, die Absprache, dass die G H eine Vorabzahlung auf bereits erbrachte, aber noch nicht abgenommene Leistungen in Höhe von € 52.000,00 erhalten solle. Zu diesem Zweck stellte die G H unter dem 27.03.2009 eine Rechnung für erbrachte „AVVL Leistungen, Wartezeiten, Sonstiges“ über diesen Betrag zuzüglich Mehrwertsteuer. Anstelle der sonst üblichen Bestellnummer nannte die Rechnung als Besteller den Namen des Klägers (Bl. 90 d. A.). Der Kläger gab die Rechnung am 30.03.2009 durch alleinige Unterschrift zur Zahlung frei. Die Beklagte beglich die Rechnung am 7.04.2009. Weder im Buchungssystem der Beklagten noch an anderer Stelle ist dokumentiert, dass es sich um eine Vorschusszahlung handelte. Im Buchungssystem wurde die Rechnung am 30.03.2009 auf den SD Kundenauftrag SD 1894999 (GJ 200872009) verbucht. Bei der Beklagten bestehen zwei Buchungskreise, eine für Hard-, der andere für Software. Der Kläger ließ die Rechnung im Buchungskreis Hardware verbuchen. Das Geschäftsjahr bei der Beklagten endet jeweils am 31.03. eines Kalenderjahres.

Am Mittwoch, den 7.10.2009, teilte der Zeuge I Herrn J, Regionalleiter bei der Beklagten, in einem persönlichen Gespräch mit, dass der Kläger ihm bei einem Mittagessen am 5.10.2009 den Vorschlag unterbreitet habe, die Vorauszahlung aufgrund der Rechnung vom 27.03.2009, die nicht aufgebraucht wurde, auf sein privates Konto zu überweisen. Herr J gab die Information am 8.10.2009 an die Abteilung Compliance der Beklagten weiter. Diese führte im Rahmen ihrer Sachverhaltsermittlungen am 13. und 14.10.2009 telefonische Anhörungen des Zeugen I durch. Am 14.10.2009 wurde der im Urlaub befindliche Mitarbeiter J telefonisch befragt. Am 15.10.2009 forderte sie den Kläger auf, am 16.10.2009 zu einer persönlichen Anhörung zu erscheinen. Da der Kläger das persönliche Erscheinen ablehnte, fand die Anhörung am nächsten Tag in Form einer Telefonkonferenz statt. Der Kläger befand sich vom 7. – 27.10.2009 im Urlaub. Danach waren bis zur vereinbarten Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch drei Arbeitstage vorgesehen. Der Klägerbestritt bei der Anhörung den Vorwurf und stellte den Verlauf der Unterhaltung mit dem Zeugen I am 5.10.2009 anders dar. Er räumte zwar ein, dass die Rechnung vom 27.03.2009 nicht als Abschlags- bzw. Vorschusszahlung zu erkennen sei, wies aber darauf hin, dass in seiner Abteilung bekannt gewesen sei, dass die Beklagte noch Ansprüche auf Rückzahlung oder Verrechnung mit erbrachten Leistungen habe. Darauf hörte die Abteilung Compliance zwischen dem 19. – 21.10.2009 die Mitarbeiter K, L und M aus der Abteilung des Klägers sowie seinen Nachfolger N an. Am 20.10.2009 ging bei der Beklagten per Fax eine eidesstattliche Versicherung des Zeugen I zu den von ihm erhobenen Vorwürfen ein (Bl. 93 d.A.).

Am 22.10.2009 informierte die Beklagte den Betriebsrat schriftlich über eine vor ihr beabsichtigte fristlose Tat- und Verdachtskündigung wegen des Versuchs der Veruntreuung von € 52.000,00 (Bl. 95 – 103 d.A.). Mit Schreiben vom 26.10.2009 widersprach der Betriebsrat der Tatkündigung wegen der bereits abgelaufenen Frist des § 626 Abs. 2 BGB, hinsichtlich der Verdachtskündigung äußerte er Bedenken (Bl. 156 – 157 d.A.). Die Beklagte sprach am 27.10.2009 die fristlose Kündigung gegenüber dem Kläger aus. Wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Erreichen des im Aufhebungsvertrag vereinbarten Beendigungszeitpunkts zum 31.10.2009 verweigerte die Beklagte zudem die Auszahlung der darin vereinbarten Abfindung.

Der Kläger hat am 13.11.2009 beim Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage und Klage auf Zahlung der vereinbarten Abfindung eingereicht.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhalts, des streitigen Vorbringens der Parteien sowie der von ihnen vor dem Arbeitsgericht gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 296 – 307 d. A.)

Das Arbeitsgericht Frankfurt hat nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen I (Terminsprotokoll vom 4.05. 2010, Bl. 290 - 292 d.A.) mit Urteil vom 4.05.2010 (Az.: 5 Ca 9649/09) die fristlose Tatkündigung als wirksam und wegen der vorzeitigen Beendigung durch einen anderen Beendigungsgrund den Abfindungsanspruch als nicht mehr bestehend angesehen und daher die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass für die fristlose Kündigung ein wichtiger Grund in Gestalt des dem Kläger durch die Aussage des Zeugen I nachgewiesenen Versuchs der Untreue gegeben sei. Der Betriebsrat sei vor Kündigungsausspruch ordnungsgemäß angehört worden. Der im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungsanspruch habe unter der aufschiebenden Bedingung gestanden, dass das Arbeitsverhältnis bis zum Zeitpunkt seiner rechtlichen Beendigung fortbestehe. Durch seine vorzeitige Beendigung sei er gegenstandslos geworden. Für die weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des arbeitsgerichtlichen Urteils Bezug genommen (Bl. 307 – 316 d.A.).

Gegen das ihm am 9.07.2010 zugestellte arbeitsgerichtliche Urteil hat der Kläger am 4.08.2010 Berufung eingelegt. Die Berufungsbegründungsschrift ist - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 11.10.2010 - am 11.10.2010 beim Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangen.

Der Kläger ist der Ansicht, die Kündigung scheitere bereits an der nicht ordnungsgemäßen Anhörung des Betriebsrats. Das folge daraus, dass die Beklagte den Betriebsrat nicht darüber informiert habe, dass die Zahlung und ihre Umstände vorher mit verschiedenen Mitarbeitern besprochen worden sei, ebenso, dass der Kunde die Rechnung bezahlt habe, sowie, dass sie dem Betriebsrat nach seiner Anhörung nachgereichte Unterlagen(e-mail-Verkehr) nicht vorgelegt habe. Die Unwirksamkeit folge des Weiteren daraus, dass die Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht eingehalten worden sei. Die Beklagte habe den Sachverhalt nach der Mitteilung des Zeugen I nicht zügig weiter ermittelt. Bereits nach der Anhörung des Zeugen I am 13./14.10.2009 habe sie Kenntnis von dem der Kündigung zugrunde gelegten Sachverhalt gehabt. Hinsichtlich der Verdachtskündigung habe die Beklagte es versäumt, den Kläger innerhalb der Regelfrist von einer Woche anzuhören, sowie, ihm vor der Anhörung die Vorwürfe mitzuteilen.

Der Kläger bestreitet weiterhin, überhaupt am 5.10.2009 versucht zu haben, den Zeugen I als Komplizen einer Unterschlagung zu gewinnen. Zum Urteil des Arbeitsgerichts führt er aus, der Straftatbestand einer Untreue oder Unterschlagung scheide schon deshalb aus, weil der Kläger keinen Einfluss darauf gehabt habe, dass die Beklagte bestehende Forderungen gegenüber der G H nicht geltend macht. Das werde durch den Umstand verstärkt, dass weitere Mitarbeiter, insbesondere der für die Abrechnung des Projekts „B“ zuständige Mitarbeiter K, Kenntnis von der Rechnung als auch von den Umständen, die zur Zahlung führten, hatten. Der Mitarbeiter K habe gegenüber ihm geäußert, er habe den Betrag „auf seinem Monitor gehabt“. Er hätte den Betrag daher gegenüber der G H zur Verrechnung gestellt. Ein Vermögensdelikt kommt nach seiner Ansicht auch deshalb nicht in Betracht, weil kein Vermögensschaden hätte entstehen können; denn der Kunde habe die ihm vorgelegte Rechnung gegenüber der Beklagten in voller Höhe ausgeglichen. Die Rechnung habe als „abschließend“ ausgestellt werden müssen, weil sie sonst gegenüber dem Kunden nicht hätte in Ansatz gebracht werden können. Die Zahlung sei nicht als Vorschuss-, sondern als Abschlagzahlung für bereits erbrachte Arbeiten geleistet worden. Der Kläger ist der Ansicht, der Zeuge I sei nicht glaubwürdig, weil seine Aussage voll von Widersprüchen sei. So sei er bei seinem potenziellen neuen Arbeitgeber nicht in der Kündigungszeit gekündigt worden, im Arbeitsverhältnis mit der Beklagten nicht unzufrieden gewesen und habe keinen Ortswechsel wegen eines neuen Arbeitsplatzes gefürchtet. Außerdem habe er erst auf die Klarstellung des Klägers, dass er keine Umbauten an seinem Haus durchführe, gesagt, dann sei es eben das Haus seiner Tochter, das umgebaut werde. Außerdem habe der Zeuge I durchaus Motive dafür, der Beklagten zu helfen, die Abfindung für ihn zu sparen. Er mag sich dadurch entweder weitere Aufträge von der Beklagten erhofft haben, oder, dass sie ihn aus dem für ihn unattraktiven Vertrag im Rahmen des Projekts „B“ entlasse.

Zum Abfindungsanspruch vertritt der Kläger die Auffassung, dass sie ihm nach den im Aufhebungsvertrag getroffenen Vereinbarungen selbst bei Wirksamkeit der am 27.10.2009 ausgesprochenen Kündigung zustehe. Das folge daraus, dass die im Gegenseitigkeitsverhältnis stehenden Leistungen, nämlich Dispositionsmöglichkeit über den Arbeitsplatz und Zahlung einer Abfindung, trotz der Zusatzvereinbarungen auf den 30.09.2009 bezogen bleiben; denn eine Erhöhung der Abfindungen habe trotz der Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht stattgefunden. Die Beklagte selbst habe in der Verlängerung bis zum 31.10.2009 keinen „Gegenwert“ gesehen. Auch sei die Absprache, dass der Anspruch mit Abschluss der Vereinbarung entstehe und vererblich sei, so auszulegen, dass die Parteien die Zahlung der Abfindung nicht mit einer aufschiebenden Bedingung versehen wollten. Auch sei zu berücksichtigen, dass das Arbeitsverhältnis nicht aus betriebsbedingten Gründen, sondern auf Veranlassung des Klägers geendet habe.

Für den weiteren Vortrag des Klägers in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungsbegründungsschrift vom 11.10.2010 und seine Schriftsätze vom 18.03.2011 und vom 18.04.2011 (Bl. 357 – 378, 458 – 479 u. 518 - 522 d. A.) Bezug genommen

 Der Kläger beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 4.05.2010 (Az. 5 Ca 9649/ 09) abzuändern;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 27.10.2009 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.10.2009 fortbestand;

festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien auch nicht durch die außerordentliche Verdachtskündigung der Beklagten vom 27.10.2009 aufgelöst worden ist, sondern bis zum 31.10.2009 fortbestand;

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger € 231.040,10 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Februar 2010 zu zahlen;

hilfsweise für den Fall des Obsiegens mit den Feststellungsanträgen zu 2. und 3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis mit dem Beendigungsdatum 31.10.2009 zu erteilen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das arbeitsgerichtliche Urteil. Sie behauptet zum Kündigungsvorwurf weiterhin, der Kläger habe am 5.10.2009 telefonisch einen Termin zu einem gemeinsamen Mittagessen vereinbart und den Zeugen I dazu an dessen Firmensitz abgeholt. Der Kläger habe ihm im Restaurant zunächst mitgeteilt, dass er die Beklagte zum 31.10.2009 verlassen werde und sei dann auf die Rechnung vom 27.03.2009 zu sprechen gekommen. Er habe dem Zeugen I offenbart, dass er den daraus noch offenen Betrag für sich vorgesehen habe. Er habe zur Abwicklung vorgeschlagen, er könne der G H seinerseits eine Handwerkerrechnung über € 25.000,-- für Umbauarbeiten am Haus seiner Tochter und für weitere € 17.000,-- Rechnungen für Beratungsleistungen für die Zeit nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses bei der Beklagten stellen. Die restlichen € 10.000,-- könnten der Zeuge I und sein Mitgeschäftsführer behalten. Zwischen dem Kläger und dem Zeugen I habe über die der Rechnung zugrunde liegenden Leistungen immer das Verständnis bestanden, dass sie mangels Abnahme durch den Kunden noch nicht zur Zahlung fällig waren. Der Kläger habe die Mitarbeiterin L zur Buchung der Rechnung in den Buchungskreis Hardware angewiesen. Der Mitarbeiter K sei für den Buchungskreis Dienstleistungen zuständig gewesen und habe keinen Zugriff auf die Rechnung gehabt. Das Handeln des Klägers habe auf jeden Fall zu einer Vermögensgefährdung bei der Beklagten geführt und berechtige angesichts der vom Kläger innegehabten Position zur fristlosen Kündigung. Um gegenüber dem seit 19 Jahren unbeanstandet arbeitenden Kläger nicht vorschnell eine Kündigung auszusprechen, habe sie den Sachverhalt wie geschehen sorgfältig ermitteln müssen. Von einer sicheren Kenntnis habe sie erst ausgehen können, nachdem der Zeuge I bereit war, eine eidesstattliche Versicherung über den von ihm mitgeteilten Vorfall abzugeben. Die Beklagte ist weiter der Ansicht, dem Betriebsrat bei der Anhörung den gesamten von ihr zur Kündigung herangezogenen Sachverhalt mitgeteilt zu haben. Die Aussage des Zeugen I habe keinen neuen Kündigungsgrund zutage gefördert. Aufgrund der wirksamen vorzeitigen Kündigung sei die Geschäftsgrundlage für die im Aufhebungsvertrag vereinbarte Abfindungszahlung an den Kläger entfallen.

Für den weiteren Vortrag der Beklagten in der Berufungsinstanz wird auf die Berufungserwiderung vom 22.12.2010 und ihren Schriftsatz vom 11.04.2011 (Bl. 420 – 434 u. 508 – 511 d. A.) Bezug genommen.

Gründe

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt vom 4.05.2010 ist gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b, c ArbGG statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 64 Abs. 6 ArbGG, 519, 520 Abs. 1 und 3 ZPO).

In der Sache hat die Berufung jedoch keinen Erfolg. Die von der Beklagten am 27.10.2009 ausgesprochene fristlose außerordentliche (Tat-)Kündigung ist gemäß § 626 Abs. 1 und 2 BGB wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit dem Zeitpunkt ihres Zugangs am selben Tag beendet. Die Beklagte hat die Kündigung innerhalb der vierzehntägigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB nach Kenntnis des Kündigungssachverhalts ausgesprochen. Auch hat sie den Betriebsrat vor Ausspruch der Kündigung gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört. Dem Kläger steht der Anspruch auf Zahlung der im Aufhebungsvertrag vom 18.3./31. 03.2009 vereinbarten Abfindung wegen der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch wirksame außerordentliche Kündigung nicht zu.

I. Die fristlose Kündigung vom 27.10.2009 ist als Tatkündigung wirksam und hat das Arbeitsverhältnis der Parteien mit ihrem Zugang am selben Tag beendet.

1. Die Beklagte hat zunächst vor Ausspruch der Kündigung den Betriebsrat gemäß § 102 BetrVG ordnungsgemäß angehört.

Nach § 102 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d.h. der Arbeitgeber muss schriftlich oder mündlich dem Betriebsrat neben näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers die Art und den Zeitpunkt der Kündigung und die seiner Ansicht nach maßgeblichen Kündigungsgründe mitteilen (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG 23.06.2009 – 2 AZR 474/07- Rn. 34; 23.10.2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 18; 15.11.1995 - 2 AZR 974/94 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 73). Der für seinen Kündigungsentschluss maßgebende Sachverhalt ist unter Angabe der Tatsachen näher so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden (Senat 6. Februar 1997 - 2 AZR 265/96 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 85 = EzA BetrVG 1972 § 102 Nr. 96). Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach und unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam (Senat 27. Juni 1985 - 2 AZR 412/84 - BAGE 49, 136, 142). Allerdings ist die Mitteilungspflicht des Arbeitgebers subjektiv determiniert. An sie sind nicht dieselben Anforderungen zu stellen wie an die Darlegungs- und Beweislast des Arbeitgebers im Kündigungsschutzprozess. Es müssen dem Betriebsrat also nicht alle objektiv kündigungsrechtlich erheblichen Tatsachen, sondern nur die für den Kündigungsentschluss des Arbeitgebers ausschlaggebenden Umstände mitgeteilt werden (st. Rspr., zuletzt etwa Senat 23. Oktober 2008 - 2 AZR 163/07 - Rn. 19; 6. Juli 2006 - 2 AZR 520/05 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 80 = EzA KSchG § 1 Soziale Auswahl Nr. 68, jeweils mwN). Dagegen führt eine aus Sicht des Arbeitgebers bewusst unrichtige oder unvollständige und damit irreführende Darstellung zu einer fehlerhaften Anhörung des Betriebsrats (BAG 23.06.2009 – 2 AZR 474/07; 6.10.2005 - 2 AZR 316/04 - AP BetrVG 1972 § 102 Nr. 150; 22.09.1994 - 2 AZR 31/94 - BAGE 78, 39, 47 f.; 13.05.2004 - 2 AZR 329/03 - BAGE 110, 331, 334).

Von diesen Grundsätzen ausgehend hat die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 22.10.2009 (Bl. 94 ff d.A.) dem Betriebsrat den für ihren Kündigungsentschluss maßgeblichen Sachverhalt detailliert mitgeteilt, ohne den Betriebrat dabei bewusst unvollständig und/oder unrichtig zu informieren. Hierzu wird zunächst auf die Ausführungen im arbeitsgerichtlichen Urteil (S. 18) verwiesen (§ 69 Abs. 2 ArbGG).

Die Rügen des Klägers, die Beklagte habe weder darüber informiert, dass die Zahlung und ihre Umstände verschiedenen Mitarbeitern bekannt gewesen sei, noch darüber, dass der Kunde die Rechnung bezahlt habe, sowie, dass sie später nachgereichte Unterlagen dem Betriebsrat nicht vorgelegt habe, greifen nicht durch. Die Beklagte hat den Betriebsrat auf Seiten 5 u. 8 der Anhörung (Bl. 98, 101 d.A.) über das Ergebnis ihrer Befragungen informiert, wonach wohl einige der vom Kläger in seiner Anhörung genannten Mitarbeiter Kenntnis von der Absprache zwischen ihm und dem Zeugen I hatten. Der nicht mitgeteilte Umstand, dass der Kunde die Rechnung bezahlt habe, ändert am Kündigungsvorwurf, der Kläger habe versucht, sich am Vermögen der Beklagten zu bereichern, nichts. Da er für die Beurteilung des Kündigungsvorwurfs ohne Bedeutung ist, hat seine Nichterwähnung keine Auswirkungen auf die Betriebsratsanhörung. Letztlich ist der Arbeitgeber im Rahmen der Anhörung des Betriebsrats nach § 102 BetrVG nicht verpflichtet, diesem über die Mitteilung der erforderlichen Tatsachen hinaus Unterlagen oder Beweismittel vorzulegen (KR- Etzel 9. Aufl. § 102 BetrVG Nr. 68 mit Nachw. aus der Rechtsprechung)

2. Die Beklagte hat die fristlose Kündigung innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB innerhalb von zwei Wochen nach Kenntnis des Kündigungsgrundes rechtzeitig ausgesprochen.

Nach den in ständiger Rechtsprechung vom Bundesarbeitsgericht (BAG 1.02.2007 – 2 AZR 333/06; 18.05.2005 – 2 AZR 245/04) entwickelten Grundsätzen beginnt die Frist, wenn der Kündigungsberechtigte eine zuverlässige und möglichst vollständige positive Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen hat und ihm deshalb die Entscheidung über die Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses möglich ist. Zu den maßgeblichen Tatsachen gehören sowohl die für als auch gegen die Kündigung sprechenden Umstände. Dazu gehört auch, mögliche Beweismittel zu beschaffen und zu sichern. Der Kündigungsberechtigte, der Anhaltspunkte für einen kündigungsrelevanten Sachverhalt hat, kann deshalb Ermittlungen anstellen und den Betroffenen anhören, ohne dass die Frist zu laufen beginnt. Dabei sollen ihn die zeitlichen Grenzen des § 626 Abs. 2 BGB weder zu hektischer Eile antreiben oder ihn veranlassen, ohne eine genügende Prüfung voreilig zu kündigen. Der Zweck der Ausschlussfrist, nämlich für den Arbeitnehmer schnell Klarheit darüber zu schaffen, ob ein Kündigungsberechtigter einen Sachverhalt als Anlass für eine außerordentliche Kündigung nimmt, erfordert allerdings auch, dass die nach pflichtgemäßem Ermessen notwendig erscheinenden Ermittlungsmaßnahmen mit der gebotenen Eile ergriffen und durchgeführt werden. Die Frist ist daher nur solange gehemmt, wie Ermittlungen mit der gebotenen Eile durchgeführt werden. Im Falle der Verdachtskündigung geht das Bundesarbeitsgericht für die Anhörung des Arbeitnehmers von einer Regelfrist von einer Woche aus (BAG 10.6.1988 – 2 AZR 25/88). Die Darlegungs- und Beweislast für die Einhaltung der zweiwöchigen Erklärungsfrist liegt bei derjenigen Partei, die die Kündigung ausspricht.

Nach diesen Grundsätzen war die Ausschlussfrist zumindest bis zur Anhörung des Klägers am 16.10.2010 gehemmt. Bei der Schwere und besonderen Sensibilität des von einer außerhalb des Betriebs stehenden Person an sie herangetragenen Vorwurfs war es unverzichtbar, den Sachverhalt durch eingehendes Befragen des Informanten (Zeuge I), des Informierten (Mitarbeiter J) und des Betroffenen (Kläger) – in dieser Reihenfolge - zu eruieren und sorgfältig abzuwägen, wie zu reagieren sei. Dafür durfte die Beklagte insgesamt 9 Tage nach der ersten Information durch den Zeugen I in Anspruch nehmen. Es ist dabei zu berücksichtigen, dass alle drei genannten Personen während der Ermittlungen durch die Beklagte sich nicht im Betrieb befanden, also nicht jederzeit abrufbar waren. Der Kläger und der Mitarbeiter J befanden sich im Urlaub, der Zeuge I führte seinen eigenen Betrieb. Zudem lag ein Wochenende dazwischen. Unter diesen Umständen hat die Beklagte ihre Ermittlungen zügig durchgeführt und die Kündigung vor Ablauf der Ausschlussfrist ausgesprochen.

3. Für die fristlose außerordentliche Kündigung vom 27.10.2009 ist ein wichtiger Grund i.S.d. § 626 Abs. 1 BGB gegeben.

Die Prüfung des wichtigen Grundes vollzieht sich in zwei voneinander zu trennenden Schritten. Zunächst muss ein bestimmter Sachverhalt festgestellt werden, der an sich geeignet ist, einen wichtigen Grund abzugeben. Dann ist wertend zu untersuchen, ob unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalles und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen die konkrete Kündigung gerechtfertigt ist, weil dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses auch nur bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist nicht mehr zugemutet werden kann (BAG 17.5.1984 in EzA zu § 626 BGB Nr.90).

Aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit folgt des Weiteren, dass bei jeder Kündigung, die auf ein steuerbares Verhalten des Arbeitnehmers gestützt wird, das Abmahnungserfordernis zu prüfen ist, solange eine Wiederherstellung des Vertrauens erwartet werden kann. Der Ausspruch einer Abmahnung ist allerdings dann entbehrlich, wenn es sich um schwere Pflichtverletzungen handelt, deren Rechtswidrigkeit ohne weiteres erkennbar und bei denen eine Hinnahme des Verhaltens durch den Arbeitgeber offensichtlich ausgeschlossen ist, es dem Arbeitnehmer also klar vor Augen steht, dass er mit seinem Verhalten seinen Arbeitsplatz aufs Spiel setzt (BAG 4.6.1997 in EzA zu § 626 BGB Nr. 168; 10.2.1999 in EzA zu § 15 KSchG n.F. Nr. 47). Letzteres ist insbesondere bei gegenüber dem Arbeitgeber versuchten oder begangenen Vermögensdelikten der Fall.

Für die kündigungsrechtliche Beurteilung eines Fehlverhaltens ist weder die strafrechtliche noch die sachenrechtliche Bewertung maßgebend. Entscheidend ist der Verstoß gegen vertragliche Haupt- oder Nebenpflichten und der mit ihm verbundene Vertrauensbruch (BAG 25.11.2010 – 2 AZR 801/09 - juris; 19. April 2007 - 2 AZR 78/06 - Rn. 28, AP BGB § 611 Direktionsrecht Nr. 77; 2. März 2006- 2 AZR 53/05 - Rn. 29, AP BGB § 626 Krankheit Nr. 14; 21. April 2005 - 2 AZR 255/04). Auch eine nicht strafbare, gleichwohl erhebliche Verletzung der sich aus dem Arbeitsverhältnis ergebenden Pflichten kann deshalb ein wichtiger Grund iSv. § 626 Abs. 1 BGB sein. Es kann deshalb hier die strafrechtliche Bewertung dahin stehen, ob es sich um die versuchte Anstiftung oder Mittäterschaft zu einer Untreue, einer Unterschlagung oder eines Betruges (durch Aufrechterhalten einer Täuschung) handelt.

Nach diesen Grundsätzen liegt im Verhalten des Klägers gegenüber dem Zeugen I am 5.10.2009 eine erhebliche, als wichtiger Grund geeignete Pflichtverletzung vor. Nach dem Ergebnis der erstinstanzlichen Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen I in Verbindung mit den unstreitigen Tatsachen ist davon auszugehen, dass der Kläger an diesem Tag nachhaltig versucht hat, den Zeugen I dazu zu bewegen, dem Kläger und sich selbst zum Nachteil der Beklagten einen Vermögensvorteil in Höhe von € 52.000,00 zu verschaffen, der keinem von ihnen zustand. Der Kläger hat ihm den Vorschlag unterbreitet, die Summe von € 52.000,00, die er namens der G H der Beklagten am 27.03.2009 in Rechnung gestellt und die er lediglich als Vorschusszahlung auf zwar schon erbrachte, aber noch nicht vom Kunden abgenommene Leistungen erhalten hatte, nicht an diese zurückzuzahlen, sondern zu einem großen Teil an den Kläger auszukehren (€ 42.000,00) und einen kleineren Teil (€ 10.000,00) zwischen ihm und seinem Mitgeschäftsführer aufzuteilen. Den insoweit vom erstinstanzlichen Gericht im Wege der Zeugenvernehmung festgestellten und gewürdigten Sachverhalt legt das Berufungsgericht seiner Verhandlung und Entscheidung gemäß § 529 Abs. 1 Zif. 1 ZPO zugrunde. Veranlassung für eine erneute Vernehmung des Zeugen I bestand nicht; denn konkrete Anhaltspunkte, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der durchgeführten Beweisaufnahme und ihrer Würdigung durch das Arbeitsgericht begründen könnten, bestanden nach der Kammerberatung im unmittelbaren Anschluss an die mündliche Verhandlung nicht.

Die Aussage des Zeugen I ist glaubhaft. Die Berufungskammer schließt sich den Ausführungen des arbeitsgerichtlichen Urteils zur Glaubhaftigkeit der Aussage des Zeugen I an (Seiten 14 – 17 der Entscheidungsgründe) und mach sich diese zu Eigen. Der Zeuge I selbst ist auch als glaubwürdig anzusehen. Dafür spricht zunächst, dass er eine sehr detailreiche Aussage, einschließlich der Schilderung seiner emotionalen Reaktion auf das Ansinnen des Klägers, gemacht hat. Aussagen zu vorher erdachten oder abgesprochenen Sachverhalten ist es eher eigen, dass sie sich auf das zentrale Thema beschränken und außerhalb desselben detailarm bleiben. Zudem kann nach dem tatsächlichen Geschehensverlauf den Überlegungen des Klägers, der Zeuge habe sich einen Vorteil bei der Beklagten versprochen, wenn er ihr helfe, die mit dem Kläger vereinbarte Abfindung einzusparen, nicht gefolgt werden. Da der Zeuge I erst am 5.10.2009 in dem auf Initiative des Klägers stattgefundenen Treffen erfahren hat, dass der Kläger unter Zahlung einer Abfindung in ihm nicht mitgeteilter Höhe ausscheidet, müsste er innerhalb eines Tages, bis zum 7.10.2009, ein Interesse der Beklagten, die Abfindung sparen zu wollen, eruiert und den Plan dafür geschmiedet haben, mit welcher Geschichte er den Kläger belasten könnte, ohne dabei Probleme für sich selbst und die G H zu produzieren. Dafür, dass die Beklagte die Abfindungszahlung an den Kläger überhaupt sparen wollte, gibt es keinerlei Anhaltspunkte; denn das Arbeitsverhältnis mit dem Kläger war bis dahin in keiner Weise belastet. Deshalb ist auch nicht vorstellbar, dass die Beklagte etwa an den Zeugen I mit dem Anliegen herangetreten wäre, mit einer den Kläger schwerwiegend belastenden Anschuldigung an sie heranzutreten, damit sie die Abfindung für den Kläger sparen könne. Das hätte zudem Initiativen seitens des Zeugen I vorausgesetzt, um mit einer entsprechenden Anschuldigung aufwarten zu können. Das Treffen mit dem Kläger am 5.10.2009 ist aber auf Initiative des Klägers und nicht des Zeugen I zustande gekommen.

Für die Berufungskammer ist nach den gesamten Umständen nur ein Motiv des Klägers für das durch die Aussage des Zeugen I nachgewiesene Verhalten des Klägers erkennbar, nämlich, dass er hier, in Verunsicherung über seine weitere Zukunft nach dem Scheitern der erwarteten Anschlussbeschäftigung bei der Fa. O, die Möglichkeit gesehen hat, seine nunmehr ungewisse wirtschaftliche Zukunft um € 42.000,00 verbessert abzusichern. Der Entschluss, sich persönlich zu bereichern, ist wahrscheinlich nicht bereits bei der Verbuchung der Rechnung als abgeschlossener Vorgang gefasst worden, sondern als der Kläger wusste, dass er ohne Anschlussbeschäftigung ausscheiden werde. Er konnte nach den unstreitigen besonderen Umständen der Rechnungsstellung und ihrer Verbuchung zum Ende des Geschäftsjahres und unmittelbar vor dem zum 10.4.2009 erfolgten Übergang auf ein neues Unternehmen davon ausgehen, dass er mit seinem Plan Erfolg haben könnte. Das wird auch durch die Aussage des Zeugen I bestätigt, dass es im Mai 2009 Gespräche mit der Beklagten gab, in denen die erbrachten Leistungen der G H und die dafür erhaltenen Zahlungen gegenübergestellt wurden. Die Zahlung auf die Rechnung vom 27.03.2009, insbesondere ihre Natur als mit künftigen Rechnungsstellungen verrechenbare Zahlung, kam dabei nicht zur Sprache. Dass die Rechnungsstellung und die Eigenart der Zahlung vorher mit anderen Mitarbeitern besprochen wurden und der Mitarbeiter K sie nach Behauptung des Klägers „auf dem Monitor hatte“, steht der Annahme der Kammer nicht entgegen. Da der Vorgang auf das am 31.03.2009 abgelaufene Geschäftsjahr als abgeschlossen, ohne einen Vermerk oder Hinweis auf seine Verrechenbarkeit gebucht war, hatte im Oktober 2009 kein Mitarbeiter diesen Vorgang mehr „auf dem Monitor“; d.h., keinem Mitarbeiter musste der Vorgang mehr gegenwärtig sein und insbesondere hatte kein Mitarbeiter mehr irgendeine Veranlassung, den Status des Vorgangs noch zu überprüfen. Im Ergebnis konnte der Kläger davon ausgehen, dass die Nichtzurückführung des an die G H geleisteten Betrages unentdeckt bleibt.

Angesichts der Schwere seines Fehlverhaltens in seiner Position als kaufmännischer Leiter musste dem Kläger klar sein, dass die Beklagte ein derartiges Verhalten auf keinen Fall hinnehmen würde, sondern es zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses führen würde. Die Beklagte konnte daher das Verhalten des Klägers ohne eine vorher ausgesprochene Abmahnung zum Anlass einer Kündigung nehmen.

Die abschließende Abwägung der beiderseitigen Interessen führt zu dem Ergebnis, dass hier das Interesse der Beklagten an der sofortigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses das Interesse des Klägers an seiner Fortsetzung bis zum Ablauf des vereinbarten Endes am 31.10.2009 überwiegt. Zwar sind zugunsten des Klägers sein Alter von fast 50 Jahren, seine lange Betriebszugehörigkeit von 19 Jahren und die beanstandungsfreie Erfüllung seiner arbeitsvertraglichen Pflichten über diesen langen Zeitraum zu berücksichtigen. Die insoweit für den Kläger ins Feld zu führenden Gesichtspunkte können letztlich nicht den Ausschlag zugunsten einer Weiterbeschäftigung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigung geben; denn der hier festgestellte Kündigungssachverhalt belastet den Kläger so stark, dass aus der Sicht eines verständigen Arbeitgebers angesichts der Schwere des Fehlverhaltens, unabhängig von Prognoseüberlegungen, auch drei Tage vor dem bereits vereinbarten Ende des Arbeitsverhältnisses nur die Möglichkeit bestand, sich mit sofortiger Wirkung vom Kläger zu trennen. Dass es beim Bereicherungsversuch geblieben und der Beklagten im Ergebnis kein Schaden entstanden ist, kann nicht zu Gunsten des Klägers berücksichtigt werden; denn diese Umstände sind nicht auf ein Verhalten des Klägers, sondern allein darauf zurückzuführen, dass er den Zeugen I nicht für sein Ansinnen gewinnen konnte. Der Kläger hatte da schon alles in seiner Macht stehende getan, um den von ihm erdachten Plan umzusetzen. Allein, dass er in seiner Position als kaufmännischer Leiter, die mit viel finanzieller Verantwortung und einem großen Vertrauensvorschuss ausgestattet ist, mit einem derartigen Ansinnen an einen Dritten herangetreten ist, macht sein Verhalten für die Beklagte absolut unakzeptabel. Das Vertrauensverhältnis zum Kläger ist durch den festgestellten Sachverhalt für alle Zeit unrettbar zerstört.

II. Die nach den Absprachen im Aufhebungsvertrag und seinen Zusatzvereinbarungen zum Zeitpunkt seiner rechtlichen Beendigung am 31.10. 2009 fällig werdende Abfindung in Höhe von € 231.040,10 brutto steht dem Kläger nicht zu. Aufgrund der vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch die wirksame außerordentliche Kündigung vom 27.10.2009 ist die Geschäftsgrundlage für die Zahlung einer Abfindung bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses entfallen (§ 313 Abs. 1 BGB) und der Aufhebungsvertrag derart an die veränderten Verhältnisse anzupassen, dass die Zahlungsverpflichtung für die Beklagte, weil unzumutbar geworden, entfällt. Zum gleichen Ergebnis gelangt man auch über die rechtliche Annahme, dass der Aufhebungsvertrag unter der aufschiebenden Bedingung stand, dass das Arbeitsverhältnis bis zum 31.10.2009 fortbestehen muss und nicht vorher durch einen anderen Beendigungstatbestand sein Ende findet (mit BAG 29.011997 – 2 AZR 292/96).

Der Aufhebungsvertrag ist dahin auszulegen, dass die Parteien von einem Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum vereinbarten Ende am 31.10.2009 ausgegangen sind und dass die Abfindung erst nach diesem Zeitpunkt fällig werden sollte. Unter Einbeziehung der Zusatzvereinbarungen vom 2.09.2009 und vom 3.09.2009 ist das rechtliche Ende des Arbeitsverhältnisses vom 30.09.2009 auf den 31.10.2009 und der Zeitpunkt der Fälligkeit der Abfindung auf den 31.01.2010 verschoben worden. Dem Kläger kann nicht darin gefolgt werden, dass die Fälligkeit der Abfindungszahlung durch die Verlängerung des Arbeitsverhältnisses nicht tangiert sei und der Anspruch unabhängig vom vereinbarten rechtlichen Ende bereits zum 30.09.2009 fällig geworden sei und seitdem nicht mehr unter der aufschiebenden Bedingung eines Fortbestehens bis zum 31.10.2009 stehe. Die Parteien haben die Zusatzvereinbarung vom 3.09.2009 nicht vom Aufhebungsvertrag abgekoppelt, sondern sie mit dem Hinweis, dass dieser im Übrigen unverändert bleibe, in den Aufhebungsvertrag mit einbezogen. Damit bleibt es dabei, dass die Abfindung, wie im Aufhebungsvertrag geregelt, mit dem rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses fällig wird. Aus der unter Zif. 3 Aufhebungsvertrag getroffenen Vereinbarung, dass der Kläger widerruflich bis zum rechtlichen Ende des Arbeitsverhältnisses ab dem 1.08.2009 - und nicht sogleich - freigestellt werde, folgt zudem, dass mit dem rechtlichen Ende der im Aufhebungsvertrag vereinbarte Zeitpunkt – am Ende der 31.10.2009 - und nicht irgendein beliebiger - auch früherer - Zeitpunkt gemeint ist. Das wird auch dadurch belegt, dass die Parteien sich nach Abschluss der Zusatzvereinbarungen auf eine Weiterarbeit des Klägers bis zum Ende am 31.10.2009 verständigt haben. Der Kläger hat selbst immer wieder betont, dass die Beklagte an seiner Mitarbeit bis zum letzten Tag interessiert gewesen sei (Stichwort: Einarbeitung seines Nachfolgers).

Nach den getroffenen Vereinbarungen standen der Aufhebungsvertrag und damit auch der Eintritt der Fälligkeit der Abfindungszahlung - konkludent - unter der aufschiebenden Bedingung, dass das Arbeitsverhältnis bis zum vereinbarten Ende ordnungsgemäß fortgesetzt wird. Diese Bedingung ist aufgrund der vorzeitigen Beendigung durch die wirksame Kündigung vom 27.10.2009 nicht eingetreten. Damit ist der Aufhebungsvertrag gegenstandslos geworden, die darin vereinbarte Abfindungszahlung konnte damit nicht mehr fällig werden (BAG 29.01.1997 – 2 AZR 292/96).

Zum selben Ergebnis führt eine nach § 313 Abs. 1 BGB wegen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage vorzunehmende Anpassung des Aufhebungsvertrages.

Die Parteien sind bei Abschluss des Aufhebungsvertrages erkennbar davon ausgegangen, dass die Vereinbarung im Rahmen des im Interessenausgleich genannten Personalabbaus erfolgt und das Arbeitsverhältnis – wie bereits ausgeführt, bis zu seinem rechtlichen Ende ordnungsgemäß fortgeführt wird. Um den Personalabbau durchführen und mit dem Ausscheiden des Klägers über seinen Arbeitsplatz verfügen zu können, hat die Beklagte als Gegenleistung die Abfindungszahlung nach dem Interessenausgleich und Sozialplan zugesagt. Daran, dass die Vereinbarung im Rahmen der Betriebsänderung geschlossen wurde, ändert der Umstand, dass die Beklagte ihrerseits die Trennung vom Kläger nicht initiiert hat, nichts. Die Abteilung des Klägers gehört zu den im Interessenausgleich aufgeführten Abteilungen, in denen Personal abgebaut werden soll. Die Trennung vom Kläger leistet dazu einen Beitrag. Es ist sonst nicht ersichtlich, warum die Beklagte einem Arbeitnehmer, den sie halten will, einen sechsstelligen Abfindungsbetrag für den Fall zahlen sollte, dass er sie dennoch verlässt. Hätte die Beklagte vorausgesehen, dass das Arbeitsverhältnis vorzeitig aufgrund einer schwerwiegenden Vertragsverletzung des Klägers endet, hätten die Parteien eine Vereinbarung, die eine Abfindungszahlung an den Kläger beinhaltet, nicht getroffen. Das zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnis führende schwerwiegende Fehlverhalten des Klägers macht der Beklagten ein Festhalten am Aufhebungsvertrag unzumutbar. Die Beklagte kann deshalb zu recht eine Anpassung des Vertrages gemäß § 313 Abs. 1 BGB verlangen mit der Folge, dass die Verpflichtung zur Zahlung der vereinbarten Abfindung entfällt (LAG Niedersachsen 21.11.2007 – 17 Sa 50/07 – juris; LAG Hamm – 22.04.2009 – 2 Sa 1573/08 – juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 64 Abs. 6 ArbGG, 91 ZPO. Der Kläger hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 72 Abs. 2 ArbGG waren nicht gegeben.