OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.03.2011 - 1 U 55/10
Fundstelle
openJur 2012, 34339
  • Rkr:

1. Der Tiefbauunternehmer, der es vertraglich übernimmt, eine Baugrube so tief auszuheben, wie sich dies aus dem Anschluss an einen gemeindlichen Schmutzwasserkanal und einem bezifferten Gefälle der Hausanschlussleitung ergibt, kann ein Mitverschulden des Bauherrn nicht daraus herleiten, dass dieser keinen Vermessungsingenieur konsultiert und die Tiefe der Baugrubensohle nicht in Metern über Normal-Null vorgegeben hat.

2. Eine Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht des Nachfolgeunternehmers (hier: Rohbau) gegenüber dem Bauherrn ist diesem grundsätzlich nicht als Mitverschulden gegenüber dem Vorunternehmer (hier: Tiefbau, Erdaushub) anzurechnen.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das am 21.1.2010 verkündete Urteil der 2. Zivilkammer des Landgerichts Wiesbaden abgeändert. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin weitere 9.518,73 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.5.2006 zu zahlen. Im Übrigen bleibt die Klage abgewiesen, die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz haben die Klägerin zu 6%, der Beklagte zu 94% zu tragen. Die Kosten des Berufungsverfahrens haben die Klägerin zu 15%, der Beklagte zu 85% zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Der Beklagte hatte für die Klägerin aufgrund eines 2005 geschlossenen Vertrages die Baugrube auszuheben, die Sauberkeitsschicht aus Schotter einzubringen sowie die Entwässerungsleitungen für den Wohnhausneubau der Klägerin zu verlegen und an die gemeindliche Kanalisation anzuschließen. Die Tiefe der Baugrube sollte vereinbarungsgemäß entsprechend einer Absprache, die die Klägerin mit den zuständigen Baubehörden getroffen hatte, durch den Anschluss der Hausentwässerung an den Schmutzwasserkanal und ein Leitungsgefälle von 2% bestimmt werden. Dies bedeutete gegenüber der zunächst genehmigten Planung eines Architekten eine Höherlegung des Gebäudes zum Zwecke der Vermeidung einer Hebeanlage. Der Beklagte schloss die Hausentwässerung irrtümlich an den höher gelegenen Regenwasserkanal an mit der Folge, dass das Haus zunächst mehr als 50 cm zu hoch errichtet wurde. Dies fiel dem von der Klägerin mit weiteren Bauarbeiten betrauten Unternehmer nicht auf. Die Bauaufsichtsbehörde erließ einen Baustop, nachdem das Kellergeschoss bereits teilweise errichtet war. Die Klägerin musste den Keller wieder abreißen und die Baugrube tiefer erstellen lassen. Sie nimmt den Beklagten auf Schadensersatz wegen der Mehrkosten in Anspruch.

Wegen der Einzelheiten des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes nimmt der Senat auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug.

Das Landgericht hat den Beklagten verurteilt, an die Klägerin 16.363,97 € zuzüglich Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.05.2006 und zuzüglich einer Nebenforderung in Höhe von 703,31 € zu zahlen sowie den von ihr treuhänderisch hinterlegten Betrag von 5.279,30 € zu ihren Gunsten freizugeben. Der Beklagte sei gegenüber der Klägerin nach §§ 634 Nr. 4, 280 BGB zum Schadensersatz verpflichtet, weil sein Werk hinsichtlich der Tiefe der Baugrube mangelhaft gewesen sei. Die Klägerin müsse sich jedoch zu 1/3 ein Mitverschulden anrechnen lassen, weil sie es versäumt habe, die Höhenlage der Baugrube unter Mitwirkung eines Vermessungsingenieurs festzulegen.

Die Klägerin wendet sich mit ihrer Berufung gegen diesen Mitverschuldensabzug und dagegen, dass das Landgericht den ersatzfähigen Schaden niedriger als von ihr vorgetragen bemessen hat.

Sie beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen weiteren Betrag in Höhe von 11.182,56 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 9.833,06 € seit dem 20.5.2006 sowie aus 1.349,50 € seit dem 20.6.2006 zu bezahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das landgerichtliche Urteil.

B. Die Berufung der Klägerin ist zulässig und überwiegend begründet, denn die Klägerin muss sich kein Mitverschulden anspruchsmindernd anrechnen lassen.

I. Die Schadensersatzpflicht des Beklagten dem Grunde nach folgt aus §§ 634 Nr. 4, 280 f. BGB.

1. Zumindest ein großer Teil des Schadens war schon durch die mangelhafte Leistung des Beklagten unabhängig von einer Nachbesserungsmöglichkeit entstanden, so dass § 280 BGB anzuwenden ist. Ob ein Teil des Schadens nachbesserungsfähig gewesen und deshalb nur nach Fristsetzung gem. § 281 BGB zu ersetzen wäre, kann dahinstehen, weil die Klägerin Fristen gesetzt hat, die verstrichen sind, ohne dass der Beklagte insoweit nachgebessert hätte.

2. Die Leistung des Beklagten war mangelhaft, er hatte dies zu vertreten.

a) Dass der Beklagte die Höhe der Baugrube an der Lage des Schmutzwasserkanals und einem Gefälle von 2% orientieren sollte, war unstreitig und ist im Übrigen durch den vom Landgericht als glaubwürdig angesehenen Zeugen A bestätigt worden (S. 3 des landgerichtlichen Protokolls vom 22.2.2007, Bl. 182 d. A.). Der Beklagte hat dies zuletzt auf S. 2 f. der Berufungserwiderung (Bl. 548 f. d. A.) eingeräumt, indem er einen Irrtum über den richtigen Kanal – Verwechslung des Regenwasser- mit dem Schmutzwasserkanal – geltend gemacht hat.

b) Auf eine positive Kenntnis des Beklagten vom Trennsystem kommt es weder für die Mangelhaftigkeit noch für das Verschulden an. Vertraglich geschuldet war der Anschluss der Entwässerungsleitung an den Schmutzwasserkanal – allein diese Bezeichnung legte den Schluss auf ein Trennsystem mehr als nahe – und die daran hinsichtlich der Höhe anknüpfende Erstellung der Baugrube. Der Anschluss an den Regenwasserkanal und die dementsprechend unzureichende Tiefe der Baugrube verfehlte dieses vertragliche Bausoll objektiv, das begründet den Mangel. Das Verschulden im Sinne einer Fahrlässigkeit ergibt sich daraus, dass der Beklagte aus den von den Zeugen glaubhaft bestätigten Indizien (Markierungshölzer für jede Leitung, zwei parallele Kanaldeckel in der Straße) nicht auf ein Trennsystem schloss und nicht sicherstellte, den Anschluss an das richtige Rohr herzustellen.

II. Der Schadensersatzanspruch der Klägerin ist nicht wegen eines Mitverschuldens gemindert (§ 254 BGB).

1. Ein anrechenbares Mitverschulden ist nicht daraus herzuleiten, dass die Klägerin dem Beklagten die Tiefe der Baugrube nicht durch Angabe einer Höhe über Normal-Null vorgegeben und auf die Einschaltung eines Vermessungsingenieurs verzichtet hat.

a) Für die Frage, welche Mitwirkungsobliegenheiten den Besteller treffen, ist primär der Bauvertrag maßgebend (vgl. Leupertz BauR 2010, 1999, 2000, 2005 f.). Der Besteller ist nicht ohne Weiteres dazu verpflichtet, dem Unternehmer eine (detaillierte) Planung eines Architekten oder Ingenieurs zur Verfügung zu stellen, insbesondere nicht bei einem Vertrag, der die VOB/B nicht einbezieht. Der Unternehmer kann sich sehr wohl dazu verpflichten, die für seine gegenständliche Werkleistung erforderliche (Detail-) Planung selbst zu erbringen. Die Bereitstellung fehlerhafter Pläne ist nicht mit dem völligen Unterbleiben einer Planung seitens des Bestellers gleichzusetzen, eben weil dies darauf hindeutet, dass der Unternehmer die Planungsverantwortung übernommen hat. Demgemäß ist mit der landgerichtlichen Aussage, dem Besteller obliege „grundsätzlich“ die Festlegung der Höhenfestpunkte der Baugrube, für die Beurteilung des Falles wenig gewonnen.

b) Die Vertragsleistung des Beklagten war durch die Bestimmung des Schmutzwasserkanals als Bezugspunkt und des einzuhaltenden Gefälles eindeutig definiert. Der Beklagte hat sich hierauf eingelassen und eben keine Vermessung verlangt. Angesichts dessen kann er vertragsgemäß aus dem Fehlen einer Vermessung und einer Höhenangabe in Metern über Normal-Null kein Mitverschulden herleiten. Daran ändert es nichts, dass die Klägerin bzw. ihr Ehemann bemerkt haben, wie der Beklagte mit seiner Leistung in Schwierigkeiten geriet. Das konnte angesichts der klaren vertraglichen Aufgabenzuordnung keine zusätzlichen Obliegenheiten der Klägerin erzeugen. Ob eine Vermessung überhaupt möglich gewesen wäre – wofür viel spricht, der Klagevortrag dazu ist unverständlich –, ist danach nicht entscheidungserheblich.

2. Es kann dahin stehen, ob die von der Klägerin mit den Rohbauarbeiten, etwa mit der Erstellung des Kellers betraute Bauunternehmung B das falsche Niveau der Baugrube hätte erkennen können. Der etwaige Verstoß gegen ihre Prüfungs- und Hinweispflicht bezüglich des Vorgewerks, das der Beklagte erstellt hatte, wäre der Klägerin nicht als Mitverschulden anzurechnen (§§ 254, 278 BGB).

a) Entscheidend für die Zurechenbarkeit eines Verschuldens dritter Baubeteiligter ist, ob der Unternehmer vom Besteller erwarten kann, bestimmte Handlungen vorzunehmen, die ihm die mangelfreie Erstellung des Werkes ermöglichen; fehlt es daran, so haften die verschiedenen Verursacher eines Mangels voll als Gesamtschuldner. Eine Verletzung der Prüfungs- und Hinweispflicht des Folgeunternehmers bezüglich des Vorgewerks ist ebenso wenig zurechenbar wie eine unterbliebene oder unzureichende Bauaufsicht (vgl. dazu Leupertz a. a. O., 2006 f.). Es liegt zwar im wohlverstandenen Eigeninteresse des Bauherrn, die Tauglichkeit der Vorunternehmerleistung zu prüfen, bevor er auf ihrer Grundlage weiter bauen lässt. Diese Obliegenheit bezweckt jedoch nicht, den Vorunternehmer vor einer schädigenden Handlung durch mangelhafte Bauausführung zu schützen. Der Unternehmer ist für die mangelfreie Ausführung seiner Vertragsleistungen nicht auf die Überwachung oder die nachträgliche Kontrolle durch den Besteller angewiesen. Er kann und muss sie völlig unabhängig hiervon erbringen.

b) Der Beklagte benötigte nicht eine nachträgliche Kontrolle durch den Rohbau-Unternehmer als Folgeunternehmer, um die Baugrube in der richtigen, seinem mit der Klägerin geschlossenen Vertrag entsprechenden Höhe zu erstellen. Er war hierfür allein verantwortlich.

III. Die Berufungsrügen zur Schadenshöhe verfangen nicht. Die Schadensberechnung im landgerichtlichen Urteil ist nicht zu beanstanden.

1. Zur Pos. 1 in der Rechnung B vom 6.5.2006 ist im landgerichtlichen Urteil das Nötige ausgeführt.

a) Die Klägerin hat ihren Schaden eher unorthodox berechnet. Statt die Werklohnforderung des Beklagten zu akzeptieren und die Mängelbeseitigungskosten voll geltend zu machen, hat sie die mangelbedingt wiederholt erbrachten Leistungen nicht vergüten wollen. Dem entspricht es, mit dem landgerichtlichen Urteil die Wiederholungspositionen bei der Schadensberechnung nicht – gleichsam nochmals – zu berücksichtigen.

b) Daraus folgt für die Pos. 1: Beim zusätzlichen Aushub in ½ m Tiefe handelt es sich um Sowiesokosten im engeren Sinne; auch der Beklagte hätte entsprechend mehr liquidiert, wenn er tiefer ausgehoben hätte. Die Kosten für den erneuten Einbau einer Frostschürze, die der Sachverständige C ermittelt und nicht als Sowiesokosten abgesetzt hat, sind deshalb nicht berücksichtigungsfähig, weil die Klägerin die entsprechenden Leistungen des Beklagten nicht honoriert hat.

2. Hinsichtlich der Position 3 ist die Berufung unbegründet, weil die Fa. B den Arbeitslohn unter Pos. 11 gesondert, nicht positionsbezogen aufgeführt hat; in diesem Zusammenhang hat ihn auch das Landgericht abgehandelt.

3. Zur Rechnungsposition 6 ist das landgerichtliche Urteil auf S. 9 f. des Sachverständigengutachtens C vom 25.9.2008 (Bl. 351 f. d. A.) gestützt, daraus leitet sich auch die angesetzte Materialquote von 40% ab. Die Berufungsbegründung zeigt nicht auf, warum das landgerichtliche Urteil insoweit falsch sein soll.

4. Der ausgeurteilte Betrag errechnet sich nach allem wie folgt:

Schaden gemäß landgerichtlichem Urteil   28.556,18 €- geminderte Werklohnforderung des Beklagten2.673,48 €= Restforderung der Klägerin25.882,70 €- vom Landgericht zugesprochen16.363,97 €= auf Berufung der Klägerin weiter zuzusprechen   9.518,73 €IV. Der Ausspruch zur Verzinsung folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 11.5.2006 (Bl. 45 ff., 49 d. A.) zum 19.5.2006 einen Betrag von 26.197,03 € angemahnt.

V. Die Nebenentscheidungen folgen aus §§ 92 Abs. 1, 543 Abs. 2, 708 Nr. 10, 713 ZPO.

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