Hessisches LAG, Urteil vom 28.02.2011 - 16 Sa 406/10
Fundstelle
openJur 2012, 34169
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil desArbeitsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2010 – 3 Ca 401/09 -teilweise abgeändert; auf die Berufung des Klägers wird das Urteildes Arbeitsgerichts Darmstadt vom 19. Januar 2010 – 3 Ca401/09 – unter Zurückweisung der Berufung im übrigenteilweise abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.000,- € zuzahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits haben die Beklagte zu einemVierzigstel und der Kläger zu neununddreißig Vierzigstel zutragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einerÄnderungskündigung, die Zahlung von Schmerzensgeld wegen einerPersönlichkeitsrechtsverletzung sowie Schadenersatz für verfallenenUrlaub.

Die Beklagte ist ein Automobilzulieferer und beschäftigtregelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer. Bei ihr ist ein Betriebsratgebildet. Der am XXX geborene, verheiratete Kläger ist seit 21.März 1983 bei der Beklagten zuletzt als GruppenleiterQualitätsmanagement bei der Beklagten beschäftigt und inEntgeltgruppe 9 Bundesentgelttarifvertrag für die ChemischeIndustrie eingruppiert. Neben seiner Tarifvergütung von 3.524,00€ brutto monatlich erhielt er eine Leistungszulage in Höhe von332,16 € brutto. Hintergrund der Zahlung der Zulage war dieUmstellung des Tarifsystems in dem Unternehmen der Beklagten imJahr 1995. Bis zum damaligen Zeitpunkt fanden die Tarifbestimmungenfür die Kautschukindustrie im Land Hessen auf das Unternehmen derBeklagten Anwendung. Im März 1995 wechselte die Beklagte ihreTarifzugehörigkeit, so dass nunmehr (aufgrund arbeitsvertraglicherBezugnahme) die Tarifbestimmungen für die Chemische Industrie zurAnwendung gelangten. Eine tarifgerechte Eingruppierung hätte fürden Kläger eine finanzielle Einbuße mit sich gebracht, die mit dergewährten Zulage ausgeglichen wurde. Am 24. Februar 2005 wurde fürdas Unternehmen der Beklagten ein Standortsicherungsvertragvereinbart, nach dessen § 5 die übertariflichen Zulagen,Arbeitsplatz- und Ausgleichszulagen sowie Prämien, die bis zumZeitpunkt der Festlegung der neuen Eingruppierung gewährt werden,mit Abschluss der jeweiligen neuen Eingruppierung, spätestensjedoch mit Ablauf des 31. Mai 2005 ersatzlos wegfallen. Dieweiteren Einzelheiten blieben einer Regelung zwischen denBetriebsparteien vorbehalten. Wegen der Einzelheiten desStandortsicherungsvertrags wird auf Blatt 68 der Akten Bezuggenommen.

Im April 2004 traf die Beklagte eine unternehmerischeOrganisationsentscheidung, die zum Wegfall der ursprünglichenFunktion des Klägers als Gruppenleiter in der AbteilungQualitätsmanagement führte. In der Folgezeit wurde der Kläger nichtbeschäftigt. Die Parteien führten verschiedene Rechtsstreite, dienicht zu einer Beendigung oder Änderung ihrer Rechtsbeziehungführten. Nachdem dies rechtskräftig feststand, bot der Kläger EndeSeptember 2008 mehrfach seine Arbeitsleistung der Beklagten an.Weil er deshalb wiederholt das Betriebsgelände der Beklagtenbetrat, ohne dass diese darüber informiert wurde, verfasste diePersonalabteilung eine Dienstanweisung (Blatt 11 der Akten), aufder sich ein Foto des Klägers befindet und derzufolge ihm ab sofortohne vorherige Rücksprache mit der Personalabteilung kein Zutrittzum Werksgelände mehr gestattet werden darf. Zwischen den Parteienist streitig, ob diese Dienstanweisung mit Bild und Text nach außenam Pförtnerhaus ausgehängt wurde.

Mit Schreiben vom 3. Juli 2009 (Blatt 53 bis 57 der Akten) hörtedie Beklagte den Betriebsrat zu einer ordentlichenÄnderungskündigung an. Der Betriebsrat stimmte dieser Maßnahmeunter dem 8. Juli 2009 zu. Mit Schreiben vom 13. Juli 2009 (Blatt16, 17 der Akten) erklärte die Beklagte gegenüber dem Kläger dieÄnderungskündigung. Der Kläger nahm diese unter dem Vorbehalt dersozialen Rechtfertigung an und wird seit 16. Juli 2009 wiederbeschäftigt.

Mit seiner am 24. Juli 2009 beim Arbeitsgericht eingegangenenKlage hat der Kläger geltend gemacht, dass die Änderung derArbeitsbedingungen sozial ungerechtfertigt ist und die Zahlungeiner Entschädigung wegen des Aushangs der Dienstanweisung begehrt.Mit Schriftsatz vom 24. November 2009 hat er die Gewährung vonErsatzurlaub von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Urlaubsjahren2006, 2007 sowie 2008 geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Änderung derArbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt. Die Eingruppierungin Entgeltgruppe 9 habe mit der erst später erfolgten Übertragungder Gruppenleiterfunktion nichts zu tun. Aus welchen Gründen diefünf Haupttätigkeiten - ohne Gruppenleiterfunktion - desÄnderungsangebots eine um drei Stufen geringere Wertigkeitgegenüber der vorangegangenen Tätigkeit haben sollen, sei nichtersichtlich. Letztlich gehe es der Beklagten mit dem Ausspruch derÄnderungskündigung um eine Restitution der bereits rechtskräftigabgeschlossenen Kündigungsschutzverfahren. Vor einerHerabgruppierung schütze § 14 des Manteltarifvertrags für dieChemische Industrie in Hessen. Ein Grund für den Wegfall der Zulageliege nicht vor. Die Betriebsratsanhörung sei fehlerhaft, weil dortvon einer Leistungszulage die Rede sei; der Kläger habe jedoch einetarifvertraglich abgesicherte Ausgleichszulage erhalten. Im Übrigensei in dem Formular das Feld: "Bei Umgruppierung neueTarifgruppe" nicht ausgefüllt worden. Durch den Aushang derDienstanweisung werde der Kläger diskriminiert. Wegen derverfallenen Urlaubsansprüche für die Jahre 2006 bis 2008 stünde demKläger Schadenersatz zu. Der Kläger hat hierzu behauptet, er habeden Urlaub mit der Einreichung der Kündigungsschutzklagen geltendgemacht.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen ausder Änderungskündigung vom 13.07.2009 sozial ungerechtfertigt oderaus anderen Gründen rechtsunwirksam ist;

2. die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigungzu zahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird,die jedoch einen Betrag von 11.568,48 € nicht unterschreitensollte;

3. die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger bezahltenErsatzurlaub in Natur von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Jahren2006, 2007 und 2008 zu gewähren.

Die Beklagte hat beantragt,

Die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, aus derFunktionsbeschreibung ergebe sich die Eingruppierung der Tätigkeitin Entgeltgruppe 6. Aufgrund der vorzunehmenden Prüfungen sei dasRichtbeispiel der Entgeltgruppe 6 "Vorbereiten, Berechnen undDurchführen von Routineanalysen nach festgelegten Methoden"erfüllt. Die frühere Eingruppierung in Entgeltgruppe 9 habe auf demTarifwechsel beruht. Bis zur späteren Übertragung derGruppenleiterfunkton sei der Kläger falsch eingruppiert gewesen.Mit der Übertragung dieser Funktion habe sich das geändert, sodassnunmehr der Wegfall der Gruppenleiterfunktion durchaus zurBegründung der Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 herangezogenwerden könne. Der Betriebsrat sei ordnungsgemäß angehört worden.Dem Vorsitzenden sei die konkrete Stelle des "SachbearbeitersWareneingang im Bereich Qualitätsmanagement" und das dortigeTätigkeitsfeld aus eigener Kenntnis bekannt und - wie demAnhörungsschreiben zu entnehmen sei - auch nochmals im Rahmen derAnhörung beschrieben worden. Ein Entschädigungsanspruch des Klägersbestehe nicht. Die Dienstanweisung sei lediglich für den internenGebrauch an der Pforte bestimmt gewesen. Dort beschäftige dieBeklagte keine eigenen Arbeitnehmer, sondern habe einen externenDienstleister mit der Wahrnehmung dieser Aufgaben betraut.Jedenfalls liege eine schwer wiegende Persönlichkeitsverletzung,die Voraussetzung für eine Haftung der Beklagten nach § 823 BGBist, nicht vor.

Das Arbeitsgericht hat dem Änderungsschutzantrag stattgegebenund im übrigen die Klage abgewiesen. Die Beklagte habe nichtdargelegt, dass die neuen Tätigkeiten des Klägers der Entgeltgruppe6 und nicht den Entgeltgruppen 7 bis 9 entsprechen. Selbst wenn dasRichtbeispiel der Entgeltgruppe 6 "Vorbereiten, Berechnen undDurchführen von Routineanalysen nach festgelegten Methoden"für die Tätigkeit im Zusammenhang mit den Prüfungen erfüllt sei,stelle diese Tätigkeit nur einen Teil der Aufgaben des Klägers dar.Laut Funktionsbeschreibung solle der Kläger bei der Erstellung von8 D-Berichten mitarbeiten und eine Fehlerursachenermittlung anfehlerhaften Zukaufteilen durchführen. Welche Ausbildung hierfürerforderlich ist und welchen Schwierigkeitsgrad diese Arbeitenhaben, sei nicht erkennbar. Schadensersatzansprüche seien nach § 17Abs. 2 des Bundesmanteltarifvertrages für die Chemische Industrieverfallen. Hinsichtlich der Urlaubsansprüche habe der Kläger dieBeklagte nicht in Verzug gesetzt, da diese nicht fristgerechtgeltend gemacht worden seien.

Dieses Urteil wurde dem Beklagtenvertreter am 04. März 2010 unddem Klägervertreter am 02. März 2010 zugestellt. Hiergegen hat derKläger mit einem am 23. März 2010 und die Beklagte mit einem am 30.März 2010 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt. DieBerufungsbegründung der Beklagten ging am 03. Mai 2010, die desKlägers nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 07.Juni 2010 am 04. Juni 2010 beim Hessischen Landesarbeitsgerichtein.

Die Beklagte ist der Ansicht, das Arbeitsgericht habe demÄnderungsschutzantrag zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger verfüge(unstreitig) über eine abgeschlossene Berufsausbildung als Meisterim Schlosserhandwerk sowie über eine langjährige einschlägigeBerufserfahrung auf diesem Gebiet. Die Tätigkeiten auf dem Gebietdes Mitarbeitens bei der Erstellung von 8 D-Berichtenbeziehungsweise der Fehlerursachenermittlung an fehlerhaftenZukaufteilen habe der Kläger nicht ausgeübt. Bei Eingang einerKundenreklamation, die auf einen Lieferantenfehler zurückzuführenist, bekomme der Wareneingang die Aufforderung, gegenüber demLieferanten eine Reklamation zu eröffnen. Dazu fordere derWareneingang beim Lieferanten den so genannten "8D-Bericht" an (Problemlösungsvorgang und dessen Dokumentationin acht Schritten). Im Wareneingang werde die Plausibilität des"8 D-Berichts" vom Lieferanten geprüft, bevor dieWeitergabe des Berichts an den QM- Koordinator erfolge. Bei derFehlerursachenermittlung werde das fehlerhafte Teil durchInaugenscheinnahme begutachtet unter der Fragestellung, wie derFehler passiert sein könnte; gegebenenfalls erfolgten entsprechendeHinweise an den Lieferanten. Diese Tätigkeiten entsprächen nichteiner höheren Vergütungsgruppe als Entgeltgruppen 6. Für dieseTätigkeit benötige man technisches Grundverständnis, PC-Kenntnissesowie kommunikative Fähigkeit als Schnittstelle zu agieren. Einebesondere technische Analysetätigkeit unter Einsatz vonkomplizierten oder komplexen Analysewerkzeugen sei nichterforderlich. Hieraus folge, dass eine Eingruppierung in dieEntgeltgruppen 7 und 8 ausgeschlossen sei. Auch erfülle der Klägerdie Richtbeispiele dieser Entgeltgruppen nicht. Der Wortlaut derEingruppierungsvorschrift führe zu keinem anderen Ergebnis. DieTätigkeit erfordere keine "erweiterten" Kenntnisse undFertigkeiten, die über diejenigen der Entgeltgruppe 6 hinausgehen.Die Stelle beinhalte keine Meisterfunktionen.

Die Beklagte beantragt,

unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt vom19.01.2010 -3 Ca 401/09- die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen,unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Darmstadt vom19.01.2010 -3 Ca 401/09-die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger eine Entschädigung zuzahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, diejedoch einen Betrag von 11.611,29 € nicht unterschreitensollte;die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger bezahlten Ersatzurlaub inNatur von jeweils 30 Arbeitstagen aus den Jahren 2006, 2007 und2008 zu gewähren.

Die Berufung der Beklagten sei unbegründet. Die Beklagte habeweder in erster noch in zweiter Instanz dargelegt, dass dieÄnderung der Arbeitsbedingungen aus dringenden betrieblichenErfordernissen erfolgt sei. Ferner sei die Änderungskündigung gemäߧ 102 Abs. 1 BetrVG unwirksam. Das Arbeitsgericht habe dem Klägerzu Unrecht aufgrund der wegen des Aushangs der Dienstanweisungerfolgten Persönlichkeitsrechtsverletzung kein Schmerzensgeldzugesprochen. Die Dienstanweisung vom 24. September 2008 verstoßegegen § 612a BGB. Hierdurch sei das Persönlichkeitsrecht desKlägers erheblich und nachhaltig sowie für die Dauer von einemdreiviertel Jahr verletzt. Eine Verletzung derBeschäftigungspflicht stelle eine nachhaltige Verletzung desPersönlichkeitsrechts des Arbeitnehmers dar. Entscheidend seinicht, ob und wie lange die Dienstanweisung ausgehangen habe,sondern deren Geltung überhaupt. Als Mindestbetrag derEntschädigung seien drei Bruttomonatsverdienste des Klägersangemessen. Das Arbeitsgericht sei zu Unrecht von einem Verfallausgegangen. Die Dienstanweisung sei erst auf das anwaltlicheSchreiben vom 06. Mai 2009 außer Kraft gesetzt worden. Erst dannhabe die Ausschlußfrist zu laufen begonnen. Auch derErsatzurlaubsanspruch sei begründet. Der Kläger habe dieUrlaubsansprüche in den Kündigungsschutzverfahren 6 Ca 14/06 und 6Ca 46/05 vor dem Arbeitsgericht Darmstadt jeweils in derKlageschrift geltend gemacht; insoweit wird auf Bl. 337 bis 343d.A. verwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Die Dienstanweisung tangiere das Persönlichkeitsrecht desKlägers nicht. Hinsichtlich der Urlaubsansprüche sei die Beklagtenicht in Verzug gesetzt worden.

Das Landesarbeitsgericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung desZeugen B. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf dasSitzungsprotokoll vom 28. Februar 2011, wegen der weiterenEinzelheiten des beiderseitigen Parteivorbringens wird auf diegewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie dieSitzungsprotokolle Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufungen sind statthaft, § 8 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz, § 511 Abs. 1 ZPO, § 64 Abs. 2a Arbeitsgerichtsgesetz. Sie sind auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden, § 66 Abs. 1 Arbeitsgerichtsgesetz, § 519, 520 ZPO und damit insgesamt zulässig.

II.

Die Berufung der Beklagten ist begründet. Die Änderungskündigung vom 13. Juli 2009 ist nicht unwirksam.

1. Die Kündigung ist nicht nach § 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG unwirksam.

a) Nach § 102 Abs. 1 S. 2 BetrVG muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat diejenigen Gründe mitteilen, die nach seiner subjektiven Sicht die Kündigung rechtfertigen und für seinen Kündigungsentschluss maßgeblich sind. Diesen Kündigungssachverhalt muss er in der Regel unter Angabe von Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluss hergeleitet wird, so beschreiben, dass der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe überprüfen kann. Teilt der Arbeitgeber objektiv kündigungsrechtlich erhebliche Tatsachen dem Betriebsrat deshalb nicht mit, weil er darauf die Kündigung nicht oder zunächst nicht stützen will, dann ist die Anhörung ordnungsgemäß, weil eine nur bei objektiver Würdigung unvollständige Mitteilung der Kündigungsgründe nicht zur Unwirksamkeit der Kündigung nach § 102 BetrVG führt. Eine in diesem Sinne objektiv unvollständige Anhörung verwehrt es dem Arbeitgeber allerdings im Kündigungsschutzprozess Gründe nachzuschieben, die über die Erläuterung des mitgeteilten Sachverhalts hinausgehen. Der Arbeitgeber kommt seiner Unterrichtungspflicht nicht nach, wenn er aus seiner Sicht dem Betriebsrat bewusst unrichtige oder unvollständige Sachdarstellungen unterbreitet (Bundesarbeitsgericht 13.5.2004-2 AZR 329/03-BAGE 110,331, Randnummer 20; 7.11.2002-2 AZR 599/01-AP Kündigungsschutzgesetz 1969 § 1 Krankheit Nummer 40, Randnummer 23).

b) Bei Anwendung dieser Grundsätze hat die Beklagte den Betriebsrat vor Ausspruch der Änderungskündigung ordnungsgemäß beteiligt. Sie hat ihm den Namen und die Sozialdaten des Klägers sowie seine bisherige Eingruppierung und Tätigkeit mitgeteilt und sodann die neue Tätigkeit und die sich hieraus ergebende Tarifgruppe genannt (Blatt 53ff der Akten). Zur Begründung hat sie daraufhingewiesen, dass aufgrund der dem Betriebsrat bereits seit 2004 bekannten organisatorischen Veränderungen der Arbeitsplatz des Klägers ersatzlos weggefallen ist. Sodann hat sie dem Betriebsrat im einzelnen die künftigen Aufgaben des Klägers an Hand der beigefügten Funktionsbeschreibung geschildert. Hinsichtlich der Zulage wird in dem Formblatt bei der bisherigen Vergütung darauf hingewiesen, dass der Kläger bislang eine Leistungszulage in Höhe von 332,16 € erhielt und für die neue Tätigkeit keine Leistungszulage gezahlt wird. Wie die Beklagte mit Schriftsatz vom 24.7.2010 auf Seite 8 (Blatt 315 der Akten) unwidersprochen vorgetragen hat, war dem Betriebsrat die abrechnungstechnische Ausweisung der Leistungszulage bekannt. Entgegen der Auffassung des Klägers ist nicht maßgeblich, dass die Beklagte das für eine Umgruppierung maßgebliche Feld auf dem Formblatt nicht ausgefüllt hat, da es sich hier um die Übertragung einer neuen Tätigkeit (Versetzung) handelte und an der dortigen Stelle auf dem Formblatt die entsprechenden Informationen zu finden sind.

2. Die Änderungskündigung ist nicht sozial ungerechtfertigt, weil es an einem dringenden betrieblichen Erfordernis zur Änderung der Arbeitsbedingungen fehlt, §§ 2, 1 Abs. 2 S. 1 Kündigungsschutzgesetz.

a) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist nur wirksam, wenn sich der Arbeitgeber bei einem anerkennenswerten Anlass darauf beschränkt hat, lediglich solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Im Rahmen von §§ 1, 2 Kündigungsschutzgesetz ist dabei zu prüfen, ob das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist. Dieser Maßstab gilt unabhängig davon, ob der Arbeitnehmer das Änderungsangebot ablehnt oder annimmt. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrages den geänderten Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Diese Voraussetzungen müssen für alle Vertragsänderungen vorliegen. Ausgangspunkt ist die bisherige vertragliche Regelung. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernen, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (Bundesarbeitsgericht 10.9.2009-2 AZR 822/07-NZA 2010, 333, Randnummer 24).

b) Diesen Anforderungen entspricht die von der Beklagten ausgesprochene Änderungskündigung.

aa) Unstreitig ist die vom Kläger ausgeübte bisherige Tätigkeit als Gruppenleiter in der Abteilung Qualitätsmanagement weggefallen. Der einzige freie Arbeitsplatz ist der dem Kläger angebotene als Sachbearbeiter Wareneingang.

bb) Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig, weil sie sich nicht weiter vom Inhalt des bisherigen Arbeitsverhältnisses entfernt, als zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist. Dies betrifft zunächst die Frage der Eingruppierung. Während der Kläger bislang Vergütung nach Entgeltgruppe 9 erhielt, ist für die neue Tätigkeit nur eine Vergütung nach Entgeltgruppe 6 vorgesehen. Wie die Beklagte in der Berufungsbegründung im einzelnen zutreffend ausgeführt hat und der Kläger ist dem nicht substantiiert entgegengetreten, handelt es sich bei der Eingruppierung in Entgeltgruppe 6 für die angebotene Tätigkeit um die zutreffende Eingruppierung. Darauf, ob der Kläger früher zu Recht in Entgeltgruppe 9 eingruppiert war, kommt es nicht an. Deshalb ist es auch ohne Bedeutung, dass dem Kläger die Funktion als Gruppenleiter erst übertragen wurde, nachdem er bereits Vergütung nach Entgeltgruppe 9 erhielt.

§ 14 Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie steht einer Übertragung einer niedriger eingruppierten Tätigkeit im Wege der Änderungskündigung nicht entgegen. Dies ergibt eine Auslegung der Tarifvorschrift, die nach den Grundsätzen der Auslegung von Gesetzen erfolgt. Maßgeblich ist danach auf den Wortlaut, den Sinn und Zweck sowie den systematischen Zusammenhang abzustellen. Nach § 14 Nr. 1 Manteltarifvertrag ist für eine näher bezeichnete Gruppe langjähriger und älterer Arbeitnehmer betrieblich eine Verdienstsicherung zu treffen. Diese muss nach § 14 Nr. 2 Manteltarifvertrag das jeweilige Tarifentgelt der zuletzt innegehabten Entgeltgruppe gewährleisten. Nach ihrem Wortlaut spricht die Regelung dafür, dass die Verdienstsicherung der vorangegangenen Herabgruppierung folgt. Dafür spricht auch die Systematik der Norm. § 14 Manteltarifvertrag will den Grundsatz, auf dem das Vergütungssystem der Chemieindustrie beruht, nicht aufheben oder einschränken. Vielmehr sind zunächst alle Arbeitnehmer entsprechend ihrer Tätigkeit in einer Lohngruppe einzustufen. Diese Einstufung ist auch für die Fälle der Verdienstsicherung erforderlich. Erst dann, wenn sich für die genannte Arbeitnehmergruppe eine Verschlechterung ergibt, greift die Verdienstsicherung ein. Dies entspricht auch dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung. Sie schützt ältere Arbeitnehmer vor Lohneinbußen. Dies wird durch die materielle Regelung des § 14 Manteltarifvertrag erreicht. Die Umgruppierung löst damit zugleich Ansprüche auf Verdienstsicherung aus. Gleichzeitig mit der Herabgruppierung werden Ansprüche auf Verdienstsicherung begründet (Bundesarbeitsgericht 8.10.1985-1 ABR 40/83, Randnummer 17ff).

Die Änderungskündigung ist nicht deshalb unverhältnismäßig, weil für die neue Tätigkeit die Zahlung einer Zulage nicht mehr vorgesehen ist. Zwischen den Parteien besteht Einvernehmen darüber, dass die Zulage aus Anlass eines im Jahr 1995 erfolgten Tarifwechsels eingeführt wurde. Aus § 5 Standortsicherungsvertrag (Bl. 68 d.A.) ergibt sich jedoch, dass sie die übertariflichen Zulagen, Arbeitsplatz- und Ausgleichszulagen (um eine solche handelt es sich hier), die bis zum Zeitpunkt der Festlegung der neuen Eingruppierung gewährt werden, mit Abschluss der jeweiligen neuen Eingruppierung, spätestens jedoch mit Ablauf des 31.5.2005 ersatzlos wegfallen. Soweit der sich anschließende Satz die näheren Einzelheiten einer Regelung zwischen den Betriebsparteien vorbehält, betrifft dies ersichtlich nur etwaige Verfahrensregelungen, nicht jedoch den im vorangehenden Satz vereinbarten Wegfall der Zulagen spätestens zum 31. Mai 2005. Auch wenn die Zulage des Klägers danach noch für einen längeren Zeitraum weiter gezahlt wurde, entstand hierdurch beim Kläger kein Vertrauenstatbestand auf Weitergewährung der Zulage für die Zukunft, denn es ist nicht ersichtlich, dass die Beklagte einen neuen Verpflichtungstatbestand begründen wollte. Dies gilt auch dann, wenn die Beklagte, wie sie in ihrem Schriftsatz vom 27. Juli 2010 auf Seite 6 (Blatt 313 der Akten) ausführt, die Zulage zunächst deshalb weiterzahlte, um das Klima für eine gütliche Einigung mit dem Kläger nicht zu beeinträchtigen.

c) Das Argument des Klägers, die Beklagte strebe mit der Änderungskündigung die Restitution der rechtskräftig abgeschlossenen Änderungsschutz- beziehungsweise Kündigungsschutzverfahren an, trifft nicht zu.

Ist in einem Kündigungsrechtsstreit entschieden, dass das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung nicht aufgelöst worden ist, so kann der Arbeitgeber eine erneute Kündigung nicht auf Kündigungsgründe stützen, die er schon zur Begründung der ersten Kündigung vorgebracht hat und die in dem ersten Kündigungsschutzprozess materiell geprüft worden sind mit dem Ergebnis, dass sie die Kündigung nicht rechtfertigen können. Der zweiten, rechtzeitig erhobenen Klage ist ohne weiteres stattzugeben. Das Urteil in dem ersten Prozess ist in der Weise präjudiziell für das zweite Verfahren, dass eine erneute materielle - möglicherweise von dem Ergebnis des ersten Prozesses abweichende - Nachprüfung des zur Stützung der ersten Kündigung verbrauchten Kündigungsgrundes in dem zweiten Verfahren nicht erfolgen darf (BAG 12.2.2004 - 2 AZR 307/03 - AP KSchG 1969 § 1 Nr. 75).

Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Lediglich der Wegfall des bisherigen Arbeitsplatzes des Klägers war Gegenstand der vorangegangenen Kündigungen. Die hier maßgebliche Frage, ob der Kläger das ihm unter dem 13.7.2009 unterbreitete Änderungsangebot einer Tätigkeit als Sachbearbeiter Wareneingang mit Vergütung nach Entgeltgruppe 6 ohne Zulage billigerweise hinnehmen muss, war in den vorangegangenen Rechtsstreiten der Parteien nicht Streitgegenstand.

III.

Die Berufung des Klägers ist teilweise begründet.

1. Der Kläger kann von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzensgeldes in Höhe von 1000 € wegen des Aushangs der Dienstanweisung mit Bild und Text nach außen am Pförtnerhaus verlangen, §§ 280 Abs. 1, 278, 253 Abs. 2 BGB. Die Beklagte hat die ihr gegenüber dem Kläger aufgrund des bestehenden Arbeitsverhältnisses bestehenden Schutz- und Sicherungspflichten, die sich auch auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht erstrecken, verletzt, indem durch ihren Erfüllungsgehilfen, für dessen Verhalten sie nach § 278 BGB einzustehen hat, die Dienstanweisung vom 24.9.2008 mit Bild und Text nach außen am Pförtnerhaus ausgehängt wurde. Zwar beinhaltet die Dienstanweisung als solche, nach der dem Kläger ab sofort ohne vorherige Rücksprache mit der Personalabteilung kein Zutritt zum Werksgelände mehr gestattet werden darf, keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts des Klägers. Die Beklagte machte insoweit berechtigt von ihrem Hausrecht Gebrauch. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass der Kläger zum Zeitpunkt des Erlasses der Dienstanweisung nicht beschäftigt wurde. Gleichwohl hielt er sich gelegentlich zu Gesprächen auf dem Werksgelände auf, insbesondere um seine Arbeitskraft anzubieten. Es besteht ein berechtigtes Interesse der Beklagten (auch aus versicherungsrechtlichen Gründen) daran, dass der Kläger bei derartigen Besuchern vorab bei der Personalabteilung angemeldet wird. Hierfür war es jedoch nicht geboten, die Dienstanweisung für Passanten sichtbar mit Bild und Text nach außen am Pförtnerhaus auszuhängen. Auch wenn der Text der Dienstanweisung bei objektiver Betrachtungsweise nicht zu beanstanden ist, entsteht beim Leser der Eindruck, dem Kläger sei ein Hausverbot erteilt worden, was darauf schließen lässt der Kläger habe sich etwas zu Schulden kommen lassen. Hierdurch wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers in gravierender Weise verletzt. Aufgrund des Ergebnisses der Beweisaufnahme steht fest, dass die Dienstanweisung zumindest an einem Tag (dem 15.1.2009) zeitweise für Passanten erkennbar am Pförtnerhaus ausgehangen hat. Dies hat der Zeuge B bei seiner Vernehmung so ausgesagt. Der Zeuge B ist glaubwürdig. Zwar ist er auch der Prozessbevollmächtigte des Klägers. Dies rechtfertigt es jedoch nicht, seine Aussage von vornherein als wertloses Beweismittel anzusehen. Seine Aussage ist glaubhaft. Sie ist detailreich, insbesondere wird der Ort, an dem die Dienstanweisung ausging, genau beschrieben. Dass der Zeuge das genaue Datum des Vorfalls erst durch eine Nachschau auf seinem Kalender ermitteln konnte, spricht eher für die Glaubwürdigkeit der Aussage, als dagegen. Nach Überzeugung der Berufungskammer liegt -auch wenn nur für einen Tag das Vorliegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung bewiesen ist- ein gravierender Verstoß vor. Durch den Aushang wird der Kläger gegenüber der Belegschaft, in der er nicht zuletzt aufgrund seiner langjährigen Betriebszugehörigkeit bekannt ist, öffentlich diskreditiert. Ein irgendwie geartetes Interesse der Beklagten, die Dienstanweisung öffentlich zu machen, ist nicht ersichtlich. Es wäre völlig ausreichend gewesen, wenn sich eine Ausfertigung der Dienstanweisung innen im Pförtnerhaus befunden hätte, so dass der Dienst tuende Wachmann diese bei seiner Arbeit beachten konnte. Das gravierende Fehlverhalten der Beklagten verlangt eine Wiedergutmachung. Bei Abwägung der dargestellten Gesichtspunkte hält die Berufungskammer insoweit einen Betrag von 1000 € für angemessen.

Dem Beweisantritt der Beklagten im Schriftsatz vom 14. Februar 2011 auf Seite 3 (Blatt 355 der Akten) konnte nicht nachgegangen werden. Die Beklagte benennt dort den Zeugen H. dafür, dass dieser sich im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2009 an keinen einzigen Tag erinnern könne, an dem der Aushang, so wie durch den Kläger behauptet, offen für jedermann sichtbar nach außen an den Glaskasten der Pförtnerloge geklebt haben soll. Ein erheblicher Gegenvortrag wäre gewesen, wenn der Zeuge dafür benannt worden wäre, dass am 15.1.2009 vormittags die Dienstanweisung nicht mit Bild und Text nach außen am Pförtnerhaus gehangen hat. Darauf, ob dem Aushang eine entsprechende Anweisung der Personalleiterin der Beklagten zu Grunde lag, kommt es nicht an. Die Beklagte hat auch dann für das Fehlverhalten ihrer Erfüllungsgehilfen nach § 278 BGB einzustehen, wenn diese eigenmächtig die Dienstanweisung öffentlich machen. Auf das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses der in der Pförtnerloge eingesetzten Mitarbeiter zur Beklagten kommt es nicht an, da jedenfalls zwischen deren Arbeitgeber und der Beklagten eine vertragliche Beziehung besteht.

Die Zahlung eines höheren Schmerzensgeldes scheitert daran, dass der Kläger nicht substantiiert und unter Beweisantritt dargelegt hat, dass die genannte Dienstanweisung bereits zu einem früheren Zeitpunkt (dauerhaft) mit Bild und Text nach außen ausgehängt wurde.

Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts ist der zugesprochene Geldbetrag nicht nach § 17 Nr. 2 Manteltarifvertrag für die Chemische Industrie verfallen. Gemäß § 17 Nr. 5 Manteltarifvertrag gelten die Ausschlussfristen nicht für beiderseitige Schadensersatzansprüche. Darum geht es hier.

Soweit in der Berufungsbegründung auf Seite 9 (Blatt 275 der Akten) anklingt, das Persönlichkeitsrecht des Klägers sei auch durch die Verletzung der Beschäftigungspflicht seitens der Beklagten verletzt, rechtfertigt dies hier nicht die Zahlung eines Schmerzensgeldes. Voraussetzung für die Zahlung eines Schmerzensgeldes wegen einer Persönlichkeitsrechtsverletzung ist, dass die Schwere des Eingriffs nach Grad des Verschuldens, Art und Schwere der Beeinträchtigung, Anlass und Beweggrund des Handelnden Genugtuung durch eine Geldentschädigung erfordert und sich die Verletzung nicht in anderer Weise ausgleichen lässt (Erfurter Kommentar-Preis, 11. Auflage, § 619 a BGB Randnummer 71). Im Falle der Verletzung der Beschäftigungspflicht wird die Ausgleichsfunktion des Schmerzensgeldes grundsätzlich bereits durch den in diesen Fällen bestehenden Anspruch auf Zahlung von Annahmeverzugsvergütung gewährleistet. Daher kann allenfalls in Ausnahmefällen, in denen erhebliche weitere Beeinträchtigungen aufgrund der Nichtbeschäftigung entstanden sind, Anspruch auf Zahlung eines Schmerzensgeldes bestehen. Das Vorliegen eines derartigen Ausnahmefalls lässt sich dem Vorbringen des Klägers nicht entnehmen.

2. Der Kläger hat keinen Anspruch auf bezahlten Ersatzurlaub aus den Jahren 2006, 2007 und 2008. Die Urlaubsansprüche für die genannten Kalenderjahres sind wegen Zeitablaufs untergegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (18.9.2001-9 AZR 571/00, Randnummer 12 m.w.N.) kann der Arbeitnehmer, der den Arbeitgeber wegen des Urlaubsanspruchs in Verzug gesetzt hat, an Stelle des ursprünglichen Urlaubsanspruchs als Schadenersatz Ersatzurlaub im gleichen Umfang verlangen, wenn die Urlaubsgewährung während des Verzugs des Arbeitgebers unmöglich wird, § 286 Abs. 1, § 287 S. 2, § 280 Abs. 1, § 249 S. 1 BGB. Der Arbeitgeber gerät in Verzug, wenn er den vom Arbeitnehmer angemahnten (§ 284 Abs. 1 BGB) Urlaub grundlos nicht gewährt. Er hat für das Erlöschen des Urlaubsanspruchs aufgrund der gesetzlichen Befristung einzustehen. Verzug hinsichtlich der Gewährung der Urlaubsansprüche tritt nicht bereits durch die Erhebung der Kündigungsschutzklage ein. Der Arbeitgeber ist nach § 7 Abs. 1 Bundesurlaubsgesetz nicht verpflichtet, den Urlaub des Arbeitnehmers von sich aus festzulegen. Vielmehr muss der Arbeitnehmer den Arbeitgeber auffordern, den Urlaub zeitlich festzulegen (BAG 18.9.2001-9 AZR 571/00, Randnummer 16).

Daran fehlt es hier. In der Kündigungsschutzklage vor dem Arbeitsgericht Darmstadt (6 Ca 14/06) hat der Klägervertreter auf Seite 4 der Klageschrift (Blatt 340 der Prozessakte) ausdrücklich (nur) den "Anspruch auf Lohn, Urlaub beziehungsweise Urlaubsabgeltung und zusätzliches Urlaubsgeld (...) bereits jetzt geltend gemacht." Eine Aufforderung an den Arbeitgeber, den Urlaub zeitlich festzulegen, lässt sich dem nicht entnehmen.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 1 ZPO.

V.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor, § 72 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz.