VG Wiesbaden, Urteil vom 20.01.2011 - 28 K 547/10.WI.D
Fundstelle
openJur 2012, 34112
  • Rkr:

1. Für die Erfüllung einer nach § 67 Abs. 2 HDG gesetzten Frist ist es ausreichend, dass die das Disziplinarverfahren betreibende Behörde eine Abschlussentscheidung i.S.d. §§ 36 - 38 HDG trifft. Eine inhaltiche Überprüfung dieser Abschlussentscheidung, z.B. auf Mangelfreiheit, findet nicht statt.2. Bei der Erhebung der Klage i.S.v. § 38 Abs. 2 HDG handelt es sich neben dem rein formalen Akt der Klageerhebung als Prozesshandlung zugleich um die Ausübung der allein dem zuständigen Dienstvorgesetzten - hier dem Polizeipräsidenten - zustehenden Disziplinarbefugnis. Ist diese Disziplinarbefugnis fehlerhaft noch nicht ausgeübt worden, kann dieser Mangel innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist gem. § 60 Abs. 3 Satz 1 HDG durch Einreichung einer von dem materiell befugten Dienstvorgesetzten unterzeichneten Klageschrift beseitigt werden.3. Zu den Voraussetzungen eines Dienstvergehens wegen eines Verstoßes gegen die Wohlverhaltenspflicht durch außerdienstliches Verhalten. Nicht jeder Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht - inner- oder außerdienstlich - überschreitet die Grenze der disziplinaren Relevanz.4. Ein Verstoß gegen die Einsatzpflicht gem. § 69 Satz 1 HBG a.F. setzt eine wirklich übergeordnete Verantwortung des Vorgesetzten voraus.5. Die Vorschrift des § 3 Abs. 4 AGG ist im außerdienstlichen Bereich nicht anwendbar.

Tenor

1. Dem Beamten wird ein Verweis erteilt.

2. Der Beamte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufigvollstreckbar. Der Kostenschuldner darf die Zwangsvollstreckungdurch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe derfestzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht der Kostengläubigervor der Vollstreckung Sicherheit in derselben Höhe leistet.

Tatbestand

Der am 00.00.0000 geborene Beklagte wurde nach Beendigung seiner von 1967 bis 1980 erfolgten Schulausbildung (Abitur) mit Wirkung vom 01.10.1980 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Kriminalmeister beim Hessischen Landeskriminalamt ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 7 BBesG eingewiesen. Nachdem der Beklagte zunächst mit Wirkung vom 21.04.1981 zum Polizeipräsidenten in A-Stadt abgeordnet worden war, wurde er mit Wirkung vom 01.02.1982 zum Polizeipräsidenten in A-Stadt versetzt. Der Beklagte bestand die I. Fachprüfung (befriedigend) am 31.03.1983. Die Beförderung zum Kriminalobermeister und die Einweisung in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 8 BBesG erfolgten am 11.04.1983. In das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit wurde der Beklagte am 15.06.1987 berufen. Am 27.10.1988 wurde der Beklagte zum Kriminalhauptmeister ernannt (A 9 BBesG). Nach Bestehen der Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst (Fachprüfung II) am 03.07.1992 (Note gut - 11 Punkte -) und dem Erwerb des Diplomgrad des Diplom- Verwaltungswirt (FH) wurde der Beklagte am 03.08.1992 zunächst zum Kriminalkommissar (A 9 BBesG) und sodann am 21.10.1992 zum Kriminaloberkommissar (A 10 BBesG) befördert. Mit Wirkung vom 01.07.1999 wurde der Beklagte zum Kriminalhauptkommissar ernannt und in eine Planstelle der Besoldungsgruppe A 11 BBesG eingewiesen. Seit dem 12.12.2000 war er mit der Leitung der Ermittlungsgruppe XXX bei – OPE (Operative Einheit) beauftragt.

Der Beamte, der seit dem 00.00.1992 verheiratet war, lebte seit dem 00.00.2003 dauernd getrennt von seiner Ehefrau und wurde durch Urteil des Amtsgerichts XXX vom 00.00.2005 geschieden. Aus der Ehe ist eine 0000 geborene Tochter hervorgegangen.

Die Beurteilung vom 15.07.1999 für die Zeit vom 01.05.1998 bis 15.07.1999 aus Anlass der Beförderung zum Kriminalhauptkommissar endete mit dem Durchschnittswert von 13,46 Punkten. Dort wird unter anderem ausgeführt, dass sich der Beamte durch großes Engagement und Pflichtbewusstsein auszeichnet. Er habe Schwerpunkte in die Weiterqualifizierung seiner Mitarbeiter gesetzt, sei bei Einsätzen immer in vorderster Linie mit vor Ort und habe Entscheidungen schnell, sicher, bestimmt und mit großer Verantwortungsfolge getroffen. Insbesondere sei hervorzuheben die Fähigkeit des Beamten, sich zielstrebig und sachorientiert durchzusetzen.

Nach Beschwerden einer dem Beklagten unterstellten Polizeibeamtin leitete der Polizeipräsident unter dem Datum des 06.08.2007 ein Verwaltungsermittlungsverfahren ein (Bl. 1 VV). Der Beklagte wurde von seiner Aufgabe als Leiter der OPE entbunden und zur AG Sozialbetrug umgesetzt. Erster Kriminalhauptkommissar Q. wurde mit der Durchführung von Verwaltungsermittlungen beauftragt (Bl. 15 VV).

Mit Verfügung vom 05.09.2007 wurde eine psychologische Begutachtung des Beklagten durch den ZPD angeordnet (Bl. 21 VV). In dem Gutachten, das dem Gericht nicht vorgelegen hat, wurde eine psychotherapeutische Behandlung im Sinne einer akuten Krisenintervention, aber auch als Langzeittherapie empfohlen; der Leitende Polizeiarzt teilte in einer Stellungnahme vom 07.11.2007 (Bl. 460 VV) hierzu mit, dass er das Gutachten nachvollziehen könne und dieses plausibel sei. Er trage die Einschätzung einer (zumindest vorübergehenden) gesundheitlich bedingten eingeschränkten Polizeidienstunfähigkeit mit; von der Ausführung von Führungsaufgaben durch den Beamten solle vorerst abgesehen werden.

Der Beamte war vom 10.09.2008 bis 24.02.2009 dienstunfähig erkrankt. Seit 25.02.2009 erfolgte seine Wiedereingliederung, die seit Oktober 2010 abgeschlossen ist. Aktuell ist er als Sachbearbeiter XXX eingesetzt.

Der Beklagte wurde nach Aktenlage zuletzt am 29.06.2009 polizeiärztlich begutachtet. Danach war der Beklagte für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich mit tätigkeitsbezogener Einschränkung geeignet (Bl. 221 PA). Insbesondere war die Tätigkeit des Beamten, der bis zum 31.07.2009 (letzter Personalakteneintrag) täglich nur vier Stunden im Dienst war, im Außendienst, beim Führen von Schusswaffen und der Teilnahme an der Schießausbildung, beim Tragen der Dienstkleidung, beim Führen von polizeilich erkennbaren Dienst- Kfz sowie beim Führen von zivilen Dienst- Kfz und beim Dienstsport eingeschränkt.

Bereits mit Schreiben vom 14.09.2007 beantragte der Beklagte selbst die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gemäß § 21 HDG (Bl. 59 VV).

Mit Verfügung des Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums A-Stadt vom 06.11.2007 (Bl. 69 VV), die dem Bevollmächtigten des Beklagten mit Postzustellungsurkunde am 19.11.2007 zugestellt wurde (Bl. 89 VV), wurde gegen den Beklagten ein förmliches Disziplinarverfahren gemäß § 21 HDG eingeleitet und Erster Kriminalhauptkommissar Q. als Untersuchungsführer beauftragt. Es wurde dem Beamten vorgeworfen, während eines Volleyballspiels im Rahmen des Dienstsports vor etwa acht Monaten die Sporthose heruntergezogen und sein Hinterteil insgesamt zweimal entblößt zu haben; einen ähnlichen Vorfall habe es bereits im Jahr 2003 gegeben. Des Weiteren wurde ihm vorgeworfen, er habe während des JP Morgan Chase Corporate Challenge Laufs am 13.06.2007 eine Magnesium-Brausetablette in die Hand genommen und vor Kriminaloberkommissarin XXX (XXX I.) gehalten. Dabei habe er gesagt, dass sie sich "die Tablette unten reinstecken solle, da dies schön sprudeln würde". Bei einem Abendessen anlässlich des Einstandes von Kriminaloberkommissarin XXX (jetzt I.) und Inspektorin z.A. XXX (jetzt XXX) habe der Beklagte sich gegenüber Kriminaloberkommissarin XXX (jetzt I.) geäußert, dass sie nie so gut sein und sich auch nie so gut integrieren würde wie ihre Vorgängerin bei der OPE. Ferner wurde dem Beklagten sein dienstliches Verhalten im Allgemeinen vorgeworfen. So verhalte er sich sehr launig und raunze seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter unbegründet an. Es sei nachtragend, rechthaberisch, dominant und lasse keine Meinung außer der eigenen zu. Er führe sich „wie ein König“ auf. Man vermute, dass er Aufzeichnungen über die Mitarbeiter erstelle. In seinem Verhalten wechselten sich Phasen erträglicher und unerträglicher Zusammenarbeit ab. Darüber hinaus habe er versucht, Mitarbeiter als Informanten zu gewinnen, um über die Geschehnisse in der Gruppe unterrichtet zu sein. Unzulänglichkeiten Einzelner würden kundgetan. Sein Verhalten gegenüber jungen Kolleginnen sei auffällig. Er verwende bei diesen derbe Worte bis hin zur Fäkaliensprache und habe verschiedentlich versucht, junge, abgelehnte Bewerberinnen privat zu kontaktieren. Anlässlich eines Auswahlgesprächs im Rahmen einer Neubesetzung im Jahr 2007 hätten Bewerberinnen freiwillige Sporttests in Straßenkleidung durchführen müssen. Nach dem JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf am 13.06.2007 habe der Beamte ein Feuchttuch aus dem Finishbeutel entnommen und es unter Anwendung von obszönen Lauten über seinen nackten Oberkörper gerieben, wobei er angedeutet habe, das Tuch in seine Hose in Richtung Genitalbereich zu stecken. Durch die geschilderten Verhaltensweisen bestehe der Verdacht, dass der Beamte die ihm gemäß § 69 S. 1 und 3 HBG obliegenden Dienstpflichten sowie § 3 Abs. 4 AGG verletzt und damit ein Dienstvergehen gemäß § 90 Abs. 1 HBG begangen habe.

Mit Schreiben vom 15.11.2007 wurde dem Beklagten Gelegenheit gegeben, sich mündlich oder schriftlich zu äußern (Bl. 96 VV). Mit Schriftsatz vom 18.01.2008 trug der Beklagte vor, während des Volleyballspiels sei über altmodische Sportkleidung und Unterwäsche geredet worden. Um zu erklären, dass er sich hiervon nicht angesprochen fühle, habe er halbseitig seine lange Trainingshose etwas herab gezogen; darunter habe sich ein moderner, kurzer Slip befunden, den er nicht heruntergezogen habe. An einen Vorgang im Sommer 2003 könne er sich nicht mehr erinnern, da er zu diesem Zeitpunkt stark alkoholisiert gewesen sei. Ohnehin unterliege dies der Verjährung. Die betreffende Äußerung anlässlich des JP Morgan Chase Corporate Challenge Laufs sei gefallen, jedoch habe dies nicht der Beklagte gesagt. Zum unangemessenen Führungsverhalten gab der Beklagte an, dass bei Übernahme dieser Aufgabe die Gruppe als besonders schwierig und eigenwillig gegolten habe. Es sei an der Tagesordnung gewesen, dass derbe, grenzwertige oder zweideutige Äußerungen mit sexuellem Hintergrund unter den Kollegen ausgetauscht worden seien. Der Beklagte habe versucht, dies durch Ermahnungen zu ändern oder wenigstens abzubauen, was ihm allerdings nie vollständig gelungen sei. Zum Beweis für grenzwertiges Verhalten legte der Beklagte eine Lichtbildserie, gefertigt von einigen Mitarbeitern, vor, auf der ein Beamter nackt mit Polizeimütze auf einem Tretroller über den Flur des neuen Polizeipräsidiums in Frankfurt fährt. Die betroffenen Beamten habe der Beklagte mit aller Strenge ermahnt und erklärt, dass sie die OPE zu verlassen hätten, wenn sich derartiges wiederhole.

In dem behördlichen Disziplinarverfahren wurden die Beamtinnen und Beamten XXX, XXX, XXX (jetzt I.), XXX (jetzt XXX), XXX, XXX, XXX, XXX, XXX, XXX (geb. XXX) und XXX in der Zeit von April bis Juli 2008 als Zeugen gehört (Bl. 107 bis 292 VV). Von dem ehemaligen Dienststellenleiter S. wurde eine schriftliche Stellungnahme eingeholt (Bl. 250 VV).

Der Vorgesetzte XXX gab unter dem Datum des 08.08.2008 eine Einschätzung über die dienstlichen Leistungen des Beamten ab (Bl. 303 VV). Danach habe der Beamte stets aus eigenem Antrieb innovative Ideen eingebracht, sich überdurchschnittlich schnell in seine neue Funktion eingefunden und seine Aufgaben stets vollständig termingerecht erledigt. Er sei durch den Beamten in seiner Funktion als Leiter der AG von Anfang an mit Rat und Tat unterstützt worden. Der Beamte habe sich stets positiv in die Gruppe eingebracht und zur Entwicklung des ausgezeichneten Betriebsklimas beigetragen. Er nehme seinen Dienst mit außergewöhnlicher Motivation und großem Engagement wahr. Durch seine persönliche Art, ständige Hilfsbereitschaft und Flexibilität trage er entscheidend zur Weiterentwicklung der Dienststelle bei.

Das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen, datierend vom 11.08.2008, wurde dem Bevollmächtigten des Beklagten mit Schreiben vom 14.08.2008 übersandt (Bl. 305 bis 336 VV). Es wurde dem Beklagten Gelegenheit gegeben, weitere Ermittlungen zu beantragen beziehungsweise sich abschließend zu äußern.

Mit Schriftsatz vom 29.09.2008 rügte der Beamte zunächst, dass der Ermittlungsführer bereits die Verwaltungsermittlungen geleitet habe. Im Verwaltungsermittlungsverfahren seien nur Belastungszeugen mit einem vorgegebenen, schriftlichen Fragenkatalog angehört worden. Die Zeugen hätten ihre Erklärungen problemlos absprechen und abstimmen können. Entlastungszeugen seien erst auf Antrag des Beamten im Disziplinarverfahren vernommen worden. Die Untersuchungen habe der Ermittlungsführer mit Belastungstendenz geleitet. Der Beamte sei zu Unrecht von der Anwesenheit bei der Vernehmung der weiblichen Belastungszeuginnen XXX (jetzt XXX) und XXX (geb. XXX) ausgeschlossen worden. Unzulässigerweise sei bei diesen Vernehmungen der Frauenbeauftragten ein Anwesenheitsrecht eingeräumt worden. Die Aussagen seien deshalb nicht verwertbar. Der Ermittlungsführer habe in dem Ergebnisbericht bereits eine konkrete disziplinarrechtliche Würdigung und Beweiswürdigung vorgenommen, was ihm vor einer Schlussanhörung des Beamten nicht zukomme. In der Einleitungsverfügung vom 06.11.2007 seien nur vier Vorwürfe enthalten; ohne eine Erweiterung der Einleitungsverfügung habe der Ermittlungsführer zusätzliche Verstöße im Ermittlungsberichts aufgeführt, die er auch für gegeben halte. Im Übrigen habe der Ermittlungsführer den dienstlichen Werdegang des Beamten nicht korrekt wiedergegeben. Die Verwaltung habe auf das Disziplinarverfahren eingewirkt, indem sie dem Beamten in einem Gespräch am 09.09.2008 angedeutet habe, dass sie eine Störung des Betriebsfriedens darin sehe, dass der Beamte zu Kollegen seiner ehemaligen Dienststelle OPE Kontakt halte und versuchte, weitere Entlastungsmomente aufzuklären. Der Leiter K XXX habe dadurch, dass er vor Beginn der ersten Zeugenvernehmung alle Beamten der OPE zu einem Personalgespräch gebeten und über ihre Rechte als Zeugen aufgeklärt habe, diese darin bestärkt, Aussagen mit Belastungstendenz zu tätigen. Hierdurch werde die Glaubhaftigkeit der Aussagen in Frage gestellt. Der einzige Entlastungszeuge XXX sei von den übrigen Kollegen in persönlichkeitsverletzender und gesundheitsbeeinträchtigender Form gemobbt geworden, nachdem seine entlastende Aussage bekannt geworden sei. Er habe sich zu einer anderen Dienststelle umsetzen lassen.

Bei den meisten Zeugen sei erkennbar, dass sie bemüht seien, die einmal vorgetragenen Belastungen aus den Verwaltungsermittlungen zu bestätigen, um die Absetzung ihres Vorgesetzten rechtfertigen zu können.

Hinsichtlich des Vorwurfs, das Gesäß entblößt zu haben, könne nicht ausgeschlossen werden, dass der Beamte noch einen Slip unter seiner Sporthose getragen habe. Es scheide ein Verstoß gegen § 3 Abs. 4 AGG aus, da sich kein Beamter sexuell belästigt gefühlt habe. Soweit anlässlich einer privaten Gartenparty im Jahr 2003 ein ähnliches Verhalten thematisiert worden ist, komme hier das Maßnahmenverbot des § 18 HDG zum Tragen.

Betreffend den Vorwurf einer Äußerung im Zusammenhang mit einer Brausetablette bei dem JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf sei aufgrund widersprüchlicher Zeugenaussagen dem Beamten die fragliche Äußerung nicht zweifelsfrei nachzuweisen. Soweit dem Beamten vorgeworfen werde, er habe seinen Oberkörper mit einem Feuchttuch abgerieben, treffe dies zu. Allerdings habe er dies nicht unter obszönem Stöhnen, allenfalls mit der Kundgabe eines Wohlgefallens nach einer empfundenen Erfrischung getan. Hier werde überempfindlich reagiert von der Zeugin XXX (jetzt XXX), die im Übrigen selbst für sexuelle Entgleisungen bekannt sei.

Die Durchführung begrenzter sportlicher Kurztests von Bewerbern für die OPE sei nach ausdrücklichem Hinweis auf freiwilliger Basis und nach vorheriger Genehmigung durch den Dienststellenleiter S. erfolgt. Ein dienstliches Fehlverhalten könne dem Beamten nicht vorgeworfen werden.

Der Vorwurf der sexistischen Sprüche sei nicht konkret dargelegt. Soweit sich die beiden Beamtinnen nicht an konkrete Äußerungen des Beamten erinnern könnten, zeige dies, dass sie ihn - solidarisch handelnd - stigmatisieren wollten. Die Äußerung während eines gemeinsamen Abendessens der OPE durch den Beamten sei gefallen, allerdings nicht in der Absicht, die Beamtin damit herabzuwürdigen. Sollte dieser Eindruck entstanden sein, dann bedaure er es zutiefst.

Der Vorwurf der Spitzelanwerbung sei nicht begründet, sondern beruhe auf der Fantasie einzelner Beamter, die dem Beklagten bewusst schaden wollten. Die Zeugen XXX, XXX und XXX (jetzt I.) hätten selbst dienstliche Verfehlungen begangen, weshalb diese keine objektiven und wertneutralen Angaben mehr machen könnten.

Es wurde die erneute beziehungsweise erstmalige Vernehmung der Zeugen XXX (jetzt I.), XXX (jetzt XXX), XXX, XXX, XXX, XXX (geb. XXX) und XXX beantragt.

Mit Schriftsatz vom 18.12.2008 lehnte der Polizeipräsident weitere Ermittlungen hinsichtlich des wesentlichen Ermittlungsergebnisses ab (Bl. 365 VV).

Mit Verfügung des Polizeipräsidenten vom 02.10.2008 (Bl. 404 VV) wurden die Ermittlungen gegen den Beamten ausgedehnt um den Vorwurf, gegen die ihm gemäß § 69 S. 3 HBG obliegenden Dienstpflichten verstoßen zu haben. Mit E-Mail vom 29.07.2008 an Kriminalhauptkommissar XXX habe der Beamte Auszüge aus einem von ihm geführten Tagebuch mit Einträgen vom 03.09.2007 bis zum 19.02.2008 übersandt, mit der Bitte, diese an den neuen Leiter der OPE, Herrn XXX weiterzuleiten. Die Einträge beinhalteten ausnahmslos Wiedergaben von Gesprächen zwischen dem Beklagten und Kriminalkommissarin XXX, die Beamte des PP Frankfurt zum Gegenstand hätten. Der neue Leiter der OPE, Herr XXX, gab diesen Vorgang mit Vermerk vom 18.08.2008 (Bl. 417, 418 VV) dem LK XXX, Herrn XXX, zur Kenntnis und bat um Bewertung. Die Verfügung vom 02.10.2008 ging dem Bevollmächtigten des Beamten am 13.10.2009 mit Empfangsbekenntnis zu.

Mit Schreiben vom 11.11.2008 teilte der Beamte mit, die fraglichen Aufzeichnungen und Vermerke dienten im Disziplinarverfahren seiner Verteidigung. Außerdem sollte Herr XXX vor unberechtigten Vorwürfen des neuen Leiters der OPE geschützt werden, der Herrn XXX des Verrats bezichtigt habe.

Das wesentliche Ermittlungsergebnis bezüglich der Vorwürfe in der Erweiterungsverfügung, datierend vom 22.12.2008, wurde dem Bevollmächtigten des Beamten am 23.12.2008 mit Empfangsbestätigung zugestellt (Bl. 426 bis 445 VV). Mit Schreiben vom 06.01.2009 teilte der Beamte mit, dass ein disziplinarrechtlicher Verstoß nicht erkennbar sei.

Mit Verfügung des Polizeipräsidenten vom 21.07.2009 wurde das Disziplinarverfahren um zwei weitere Vorwürfe erweitert (Bl. 446 VV). Der Beamte habe im Zusammenhang mit seinem Disziplinarverfahren über seinen Bevollmächtigten gegen mehrere Beamtinnen und Beamte der damaligen OPE Vorwürfe erhoben, die einer disziplinarrechtlichen und strafrechtlichen Prüfung unterzogen werden sollten. Dies habe zu einem gegen Kriminaloberkommissar XXX eingeleiteten Ermittlungsverfahren geführt, das durch Verfügung der Staatsanwaltschaft vom 04.02.2009 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei (Bl. 93 Teilordner Justizakte I, Az.: 6100 Js 251504/08). Hierdurch habe er zu Unrecht diesen Beamten eines Dienstvergehens und einer strafbaren Handlung bezichtigt. Hierin liege ein Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 34 S. 3 BeamtStG, aber auch gegen die ihm obliegende Wahrheitspflicht gemäß §§ 34 S. 3, 35 S. 1 BeamtStG.

In der Vernehmung des Kriminalhauptkommissars XXX am 13.06.2007 habe der Beamte versucht, als Urheber der streitgegenständlichen Äußerung den Ersten Kriminalhauptkommissar XXX verdächtig zu machen. Da die aufgekommenen Verdachtsmomente gegen diesen Beamten bis Ende des Monats April 2008 nicht abgeschlossen werden konnten, sei eine für April 2008 vorgesehene Beförderung zurückgestellt und erst im August 2008 mit Wirkung zum 01.10.2008 realisiert worden. Durch dieses Verhalten habe der Beamte gegen die ihm gemäß § 34 S. 3 BeamtStG obliegende Wohlverhaltenspflicht sowie die ihm gemäß § 34 S. 3, 35 S. 1 BeamtStG obliegende Wahrheitspflicht verstoßen.

EKHK XXX stellte am 28.08.2008 seinerseits Strafantrag gegen KHK B. und KHK XXX wegen falscher Verdächtigung; das Ermittlungsverfahren wurde mit Verfügung vom 29.06.2009 gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, Bl. 136 Teilordner JA II, Az.: 3460 Js 254055/080.

Die Erweiterungsverfügung vom 21.07.2009 wurde dem Bevollmächtigten des Beamten mit Postzustellungsurkunde am 24.07.2009 zugestellt (Bl. 454 VV). Mit Schreiben vom 18.08.2009 teilte der Beamte mit, dass er keine Beweisanträge mehr stellen werde, da die schriftlichen Ausführungen an Einseitigkeit und Voreingenommenheit nicht mehr zu überbieten seien.

Dem Antrag des Beklagten gemäß § 67 Abs. 2 HDG vom 25.01.2010, eine Frist für den Abschluss des gegen ihn gerichteten Disziplinarverfahrens zu setzen, gab die Disziplinarkammer bei dem Verwaltungsgericht XXX mit Beschluss vom 10.03.2010 statt; es wurde dem Dienstherrn des Beklagten eine Frist von drei Monaten zum Abschluss des Disziplinarverfahrens gesetzt (Az.: 28 L 72/10.WI.D).

Mit Schriftsatz vom 01.06.2010, der am 07.06.2010 bei dem Verwaltungsgericht XXX eingegangen ist, hat der Kläger Disziplinarklage gegen den Beamten mit dem Ziel der Zurückstufung erhoben. Unterzeichnet war die Disziplinarklage von Frau ROR’in XXX mit dem Zusatz „Im Auftrag“.

Dem Beamten werde vorgeworfen, durch die folgenden verschiedenen Dienstpflichtverletzungen ein schwerwiegendes Dienstvergehen begangen zu haben:

1. Der Beamte habe während einer privaten Gartenparty der OPE im Sommer 2003, kurz nach Dienstantritt der KOK’in XXX (geb. XXX) am 01.08.2003, als diese, KOK XXX und KHK XXX bereits zur Heimfahrt im PKW saßen, an der Beifahrerseite des PKW stehend, sein Gesäß entblößt. Er habe hierdurch gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Einsatzpflicht als Vorgesetzter (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Er habe fraglos schuldhaft gehandelt, wobei mildernd eine Enthemmung durch Alkoholisierung zu berücksichtigen sei.

2. Der Beamte habe während eines dienstlichen Volleyballspiels Anfang des Jahres 2007, kurz nach Dienstantritt der I’in XXX (jetzt XXX) am 01.02.2007, mit dem Rücken zum Netz stehend, sein Gesäß entblößt, indem er die Turnhose heruntergezogen habe. Auch hier habe er schuldhaft gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Einsatzpflicht als Vorgesetzter (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen.

3. Am 13.06.2007 habe der Beamte anlässlich der Teilnahme der OPE am JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf in Frankfurt an einer Verpflegungsstation eine Magnesiumbrausetablette in die Hand genommen und in Richtung von KOK’in XXX (jetzt I.) geäußert, sie könne sich die Tablette unten rein schieben, da dies schön sprudele. Hierdurch habe der Beamte einen sehr schwerwiegenden Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) begangen. Darüber hinaus stelle dieses Verhalten eine sexuelle Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG dar. Er habe hierdurch auch gegen die Einsatzpflicht als Vorgesetzter (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen. Der Beamte habe schuldhaft gehandelt.

4. Nach Beendigung des JP Morgan Chase Corporate Challenge Laufs am 13.06.2007 habe der Beamte sich am Polizeistand befunden, wo die Teilnehmer einen Verpflegungsbeutel u.a. mit Finish- und Erfrischungstüchern erhielten. Der Beamte habe vor der I’in XXX (jetzt XXX) stehend sein T-Shirt ausgezogen und sich mit einem Feuchttuch über seinen nackten Oberkörper gerieben, wobei er dabei und während er in Richtung Unterleib rieb, als obszön beschriebene Geräusche von sich gegeben habe. Er habe hierdurch schuldhaft gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) unter gleichzeitiger Verwirklichung der sexuellen Belästigung im Sinne des § 3 Abs. 4 AGG verstoßen.

5. Im Sommer 2007 habe der Beamte während eines Abendessens anlässlich des Einstandes der KOK’in XXX (jetzt I.) und der I’in XXX (jetzt XXX) und des Ausstandes der KOK’in XXX (geb. XXX) in einem scharfen Ton geäußert, dass es der KOK’in XXX (jetzt I.) niemals gelingen werde, in die Fußstapfen von KOK’in XXX (geb. XXX) zu treten. Dieses habe die KOK’in XXX (jetzt I.) in Anwesenheit der anderen Kollegen als herabwürdigend empfunden. Auch hier habe er schuldhaft gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und die Einsatzpflicht als Vorgesetzter (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen.

6. Der Beamte habe anlässlich der für Februar 2007 beabsichtigten Besetzung einer Stelle der OPE bei mit den Bewerberinnen einen sogenannten Sporttest durchgeführt. Hierzu mussten die Frauen in Straßenkleidung zunächst Klimmzüge an einer Reckstange und sodann Hantelübungen durchführen. Dies sei weder in der Ausschreibung vorgesehen noch mit vorgesetzten oder den Mitgliedern der OPE abgesprochen gewesen. Der Beamte habe hier in erster Linie schuldhaft gegen die Einsatzpflicht als Vorgesetzter (§ 34 Satz 1 BeamtStG) verstoßen, aber auch gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG).

7. Der Beamte habe am 29.07.2008 eine E-Mail an KHK XXX gesandt, mit der Bitte, sie an seinen Nachfolger als Leiter der OPE bei, Herrn KHK XXX, weiterzugeben. Es handelte sich um Auszüge aus dem Tagebuch des Beamten, das Einträge zwischen dem 03.09.2007 bis 19.02.2008 enthält und ausschließlich Gespräche zwischen ihm und KK’in XXX wiedergebe. In diesen Einträgen seien Beamte der eigenen Behörde Gegenstand der Unterhaltung. Die Bekanntgabe dieser Eintragungen habe zu weiteren Ermittlungen bezüglich der betroffenen Beamten geführt. Zwar sei ihm freigestellt, ein Tagebuch zu führen, allerdings nicht, es öffentlich zu machen, wenn dort Verhaltensweisen und private Angelegenheiten auch ehemaliger Mitarbeiter dokumentiert würden. Dies stelle einen schuldhaften Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) dar. Erschwerend sei zu werten, dass die geschilderten Sachverhalte zum Teil nicht den Tatsachen entsprachen oder überzeichnet dargestellt waren.

8. Der Beamte habe wider besseres Wissen Vorwürfe unter anderem gegen KOK XXX erhoben, die zu einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren führten wegen des Verdachts des Verstoßes gegen § 86a StGB (Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen). So habe der KOK XXX in dienstlicher und außerdienstlicher Umgebung ein paar Mal das „Horst-Wessel-Lied“ angestimmt und sich bei einem Ausflug der OPE in einer Pose mit „Hitlergruß“ fotografieren lassen. Das Ermittlungsverfahren sei gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden. Der Beamte habe schuldhaft gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Wahrheitspflicht (§§ 34 Satz 3, 35 Satz 1 BeamtStG) verstoßen.

9. Der Beamte habe durch eine zielgerichtete Befragung des KHK XXX in dessen Vernehmung am 02.04.2008 den Verdacht auf EKHK XXX als den Urheber der Äußerung im Zusammenhang mit der Magnesium- Brausetablette am JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf am 13.06.2007 gelenkt. Da sich hierdurch Verdachtsmomente gegen den EKHK XXX ergeben hätten, sei dessen Beförderung nicht zum April 2008, sondern erst zum Oktober 2008 erfolgt. Der Beamte habe von sich selbst ablenken wollen und einen Unschuldigen dem Verdacht eines Dienstvergehens aussetzen wollen. Der Beamte habe auch hier schuldhaft gegen die Wohlverhaltenspflicht (§ 34 Satz 3 BeamtStG) und gegen die Wahrheitspflicht (§§ 34 Satz 3, 35 Satz 1 BeamtStG) verstoßen.

Durch die geschilderten Verhaltensweisen habe der Beamte insgesamt in schwerwiegender Weise gegen Pflichten aus § 34 Sätze 1 und 3 BeamtStG verstoßen und damit ein Dienstvergehen nach § 47 Abs. 1 BeamtStG begangen. Erschwerend sei zu berücksichtigen, dass es sich bei sexuellen Belästigungen gegenüber Mitarbeiterinnen im dienstlichen Bereich um schwerwiegende und ernst zu nehmende Fehlverhaltensweisen handele. Der Beamte habe über Jahre hinweg immer wieder ein sexuell anzügliches Verhalten gezeigt und dadurch die Kernpflichten seines Amtes als Vorgesetzter verletzt. Auch habe er die Fürsorgepflicht gegenüber seinen Mitarbeitern verletzt.

Der Kläger beantragt,

den Beamten zurückzustufen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zunächst hebt der Beklagte hervor, dass das Disziplinarverfahren zum Zwecke der Selbstreinigung durch den Beklagten selbst in Gang gekommen sei.

Der Beklagte rügt, dass zunächst eine nicht vom Polizeipräsidenten selbst unterzeichnete Klageschrift vorgelegt worden sei. Die vom Polizeipräsidenten unterzeichnete Klageschrift, die am 27.08.2010 bei Gericht eingegangen sei, könne zur Mängelbehebung nicht mehr dienen, da zu diesem Zeitpunkt die im Fristsetzungsverfahren nach § 67 Abs. 2 HDG gesetzte 3- Monatsfrist zur Klageerhebung bereits verstrichen gewesen sei.

Mehrere Vorwürfe in der Klageschrift seien nach Ort und Zeit nicht substantiiert dargelegt worden, so Ziffer 1 – Privatparty im Sommer 2003, Ziffer 2 – Dienstsport Anfang 2007, Ziffer 5 – Abendessen der OPE im Sommer 2007 und Ziffer 6 – Sporttest im Jahr 2006.

Der Beklagte rügt Fehler des behördlichen Disziplinarverfahrens:

Der Vorwurf zu Ziffer 1 hätte wegen Zeitablaufs von mehr als 2 Jahren bezogen auf die Einleitungsverfügung vom 12.11.2007 nicht mehr vom Kläger verfolgt werden dürfen. Außerdem handele es sich - wenn - um ein außerdienstliches Verhalten des Beklagten, das die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 Satz 2 HBG a.F. nicht erfülle. Es sei eine außerdienstliche Geschmack- und Distanzlosigkeit, begangen nach übermäßigem Alkoholgenuss, die aber keine Dienstpflichtverletzung darstelle.

Der Beklagte sei zu Unrecht von der Anwesenheit während der Vernehmungen der Zeuginnen XXX (jetzt I.) und XXX (jetzt XXX) trotz Protestes ausgeschlossen worden. Stattdessen sei die Frauenbeauftragte bei den beiden Vernehmungen zugelassen worden.

Es sei bekannt, dass es unter der ehemaligen Polizeivizepräsidentin XXX im Polizeipräsidium XXX ein sogenanntes Bespitzelungs- und Denunzierungssystem gegen ungeliebte Vorgesetzte und Kollegen gegeben habe. Diesem System sei auch der Beklagte zum Opfer gefallen. Ausgangspunkt der Anschuldigungen sei Frau I. gewesen. Unter normalen Umständen wäre ein Personalgespräch bei höheren Vorgesetzten angebracht gewesen. Nicht aber sogleich die Einleitung von Verwaltungsermittlungen, die dann aufgrund einer Ausweitungstendenz zum vorliegenden Disziplinarverfahren führten. In dieser Phase sei dem Beklagten kein rechtliches Gehör gewährt worden. Der Ermittlungsführer sei von Belastungseifer geleitet gewesen; er habe auch bereits die Verwaltungsermittlungen geführt. Der restlichen Gruppe sei in einem Personalgespräch mit Inspektionsleiter XXX das Gefühl vermittelt worden, dass die Bestätigung der Vorwürfe erwartet werde. Der einzige Entlastungszeuge sei gemobbt, einem Disziplinarverfahren unterzogen und eingeschüchtert worden.

Der Vorwurf unter Ziffer 1 könne disziplinarrechtlich nicht mehr verfolgt werden.

Der Beklagte habe bzgl. des Vorwurfs unter Ziffer 2 eingeräumt, dass er die Sporthose seitlich herunter gezogen habe. Es sei kein obszönes Entblößen des Hinterteils gewesen. Es könne nicht ausgeschlossen werde, dass er einen schwarzen Slip unter der Sporthose getragen habe. Es habe sich keiner der Beamtinnen und Beamten sexuell belästigt gefühlt, so dass ein AGG- Verstoß ausscheide.

Umstritten sei bzgl. des Vorwurfs unter Ziffer 3, ob der Beklagte diese Äußerung überhaupt getätigt habe. Die Aussagen hierzu seien in sich widersprüchlich. Außerdem handele es sich bei der Sportveranstaltung um eine außerdienstliche Tätigkeit; daher müssten die Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 Satz 2 HGB a.F. erfüllt sein. Selbst wenn er diese Äußerung gemacht hätte, läge bei einer einmaligen Verfehlung keine qualifizierte Beeinträchtigung des Vertrauens und des Ansehens vor. Im Übrigen sei der Dienstvorgesetzte EKHK XXX mit anwesend gewesen, bei dem sich die betroffene Beamtin sofort hätte beschweren können.

Hinsichtlich des Vorwurfs unter Ziffer 4 räumt der Beklagte ein, dass er sich den nackten Oberkörper mit einem Feuchttuch abgerieben habe, ohne allerdings die ihm vorgeworfenen Geräusche gemacht zu haben. Allenfalls habe er Wohlgefallen nach einer Erfrischung kundgetan. Es sei nicht nachvollziehbar, dass die betreffende Beamtin eine derartige Überempfindlichkeit an den Tag lege, da sie selbst für sexuelle Entgleisungen bestens bekannt sei. Vor diesem Hintergrund erscheine es heuchlerisch, wenn sie sich durch das Verhalten des Beklagten belästigt gefühlt habe.

Der Beklagte rügt bzgl. des Vorwurfs unter Ziffer 5 die fehlende Substantiierung und Konkretisierung. Es handele sich um eine außerdienstliche Äußerung, die tatsächlich gefallen sei, aber nicht herabwürdigend gemeint gewesen sei. Als Grundlage für eine disziplinarrechtliche Maßnahme könne sie nicht dienen.

Auch bzgl. des Vorwurfs unter Ziffer 6 rügt der Beklagte die fehlende Substantiierung und Konkretisierung. Auch berufe er sich auf eine stillschweigende Genehmigung durch den damaligen Dienststellenleiter EKHK a.D. S.. Auch stellten die durchgeführten Sporttests kein ahndungswürdiges Dienstvergehen dar.

Der Beklagte trägt zu dem Vorwurf unter Ziffer 7 vor, dass die Aufzeichnungen zunächst für seine Verteidigung im Disziplinarverfahren gemacht worden seien. Als der KHK XXX von dem neuen Leiter der OPE, KHK XXX, des Verrats bezichtigt und gemobbt worden sei, habe er ihm zu Hilfe kommen wollen. Die Informantin KK’in XXX habe sich gegen die Weitergabe nicht ausgesprochen oder beschwert.

Hinsichtlich des Vorwurfs unter Ziffer 8 trägt der Beklagte vor, dass nicht er, sondern sein Bevollmächtigter den Verdacht, nicht den Vorwurf, von Dienstvergehen bei verschiedenen Belastungszeugen angezeigt habe. Es sei um deren Glaubwürdigkeit und der Relation zwischen dem inkriminierten Verhalten des Beklagten und dem Verhalten der Zeugen gegangen.

Bzgl. des Vorwurfs unter Ziffer 9 würden die Zusammenhänge falsch dargestellt. Es sei dem Beklagten um den Versuch der Aufklärung gegangen, nicht darum, EKHK XXX zu beschuldigen. Es handele sich nicht um eine Dienstpflichtverletzung, sondern um ein zulässiges Verteidigungsverhalten. Im Übrigen werde auf die Einstellungsverfügung der Staatsanwaltschaft verwiesen.

Der Kläger erwidert in seiner Stellungnahme vom 31.08.2010, dass entgegen der Auffassung des Beklagten alle Vorwürfe hinreichend bestimmt und konkretisiert seien. Bei dem inkriminierten Verhalten des Beklagten handele es sich ausschließlich um innerdienstliches Verhalten, das sich aufgrund der Rechtsnatur der verletzten Pflichten ergebe. Bei dem JP Morgan Chase Corporate Challenge Lauf handele es sich gemäß dem Erlass des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport vom 25.12.2006 um eine dienstliche Veranstaltung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG. Die Angehörigen der OPE hätten dort als Polizeimannschaft und nicht als Privatpersonen an dem Lauf teilgenommen. Der Vorwurf eines tendenziell geführten Verfahrens entbehre jeder Grundlage.

Auf Aufforderung des Gerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 20.08.2010, der am 27.08.2010 bei dem Gericht eingegangen ist, eine mit der am 07.06.2010 eingegangenen identische Klageschrift, die aber von dem Polizeipräsidenten des Polizeipräsidiums A-Stadt selbst unterzeichnet wurde, vorgelegt (Bl. 124 GA).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des vorangegangenen Verfahrens 28 L 72/10.WI.D., der beigezogenen Gerichtsakte des Verfahrens 28 5/10.WI.D nebst Beiakten sowie der vorgelegten Behördenakten (5 Bände Personalakten, 2 Leitz-Ordner Disziplinarvorgang) Bezug genommen.

Gründe

Das Klageverfahren war nicht einzustellen.

Die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung nach § 67 Abs. 3 HDG sind nicht gegeben. Das behördliche Disziplinarverfahren ist durch Einreichung der Klageschrift vom 01.06.2010 innerhalb der vom Gericht durch Beschluss vom 10.03.2010 gemäß § 67 Abs. 2 HDG gesetzten 3- Monatsfrist abgeschlossen worden. Eine darüber hinausgehende inhaltliche Überprüfung der Abschlussentscheidung, die hier in Form der Erhebung der Disziplinarklage bestand, findet in dem Fristsetzungsverfahren nach § 67 HDG nicht statt.

Für die Erfüllung der dem Kläger durch den Beschluss der Disziplinarkammer vom 10.03.2010 gesetzten Frist von drei Monaten zur Einreichung der Klage ist es entgegen der Auffassung des Beklagten deshalb nicht erforderlich, dass eine mangelfreie Klageschrift eingereicht wurde. Es ist vielmehr unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck des Fristsetzungsverfahrens, der Wahrung des Beschleunigungsgebotes zum Schutz des Beamten, allein ausreichend, dass die das Disziplinarverfahren betreibende Behörde eine Abschlussentscheidung trifft, die entweder in eine Einstellung des Verfahrens, in eine Disziplinarverfügung oder in die Erhebung einer Disziplinarklage mündet (Gansen, BDG, Rdnr. 13 zu § 62 BDG), um das Verfahren voran zu bringen. Für die Disziplinarklage sieht im Übrigen § 60 HDG ein gesondert geregeltes Verfahren vor, in dem wesentliche Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Klageschrift geltend zu machen bzw. vom Gericht zu berücksichtigen sind.

Auch die Voraussetzungen für eine Verfahrenseinstellung nach § 60 Abs. 3 HDG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist das Disziplinarverfahren durch Beschluss des Gerichts einzustellen, wenn ein vom Gericht gerügter Mangel nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist beseitigt wird (§§ 60 Abs. 1 und 3 Satz 1 HDG). Die Klageschrift vom 01.06.2010 wurde nicht von dem nach § 38 Abs. 2 Satz 2 HDG i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 2 der Verordnung über die Disziplinarbefugnisse im Bereich der hessischen Polizei vom 12.10.2006 (GVBl. I S. 546) von der obersten Dienstbehörde ermächtigten Polizeipräsidenten, sondern von der nach dem Geschäftsverteilungsplan des Polizeipräsidiums A-Stadt für die „Führung von Rechtsstreitigkeiten vor den Disziplinargerichten, insbesondere auch zur Erhebung von Disziplinarklagen“ zuständigen Mitarbeiterin bei V 11, Frau ROR’in XXX, „im Auftrag“ gezeichnet. Diese war nach dem Geschäftsverteilungsplan in nicht zu beanstandender Weise zu dem rein formalen Akt der Klageerhebung als Prozesshandlung auch befugt. Bei der Erhebung der Klage im Sinne von § 38 Abs. 2 HDG handelt es sich aber zugleich materiell um die Ausübung der allein dem Polizeipräsidenten zustehenden Disziplinarbefugnis, weil nur er die Entscheidung zu treffen hat, ob eine Ahndung im Bereich bis zur Gehaltskürzung oder darüber hinaus in Betracht kommt. Insoweit war die „im Auftrag“ unterzeichnende Mitarbeiterin sachlich unzuständig, da ihr die Ausübung der Disziplinargewalt nicht obliegt. Auch findet sich in der Disziplinarakte kein Genehmigungszeichen des Polizeipräsidenten z.B. für einen Klageentwurf, aus dem hervorgeht, dass er mittels dieses zustimmenden Vermerks seine Disziplinarbefugnis ausgeübt hätte.

Ein wesentlicher Mangel der Klageschrift, der gemäß § 60 Abs. 3 Satz 3 HDG zur Einstellung des Klageverfahrens führt, ist gleichwohl vorliegend nicht gegeben. Denn durch die Einreichung einer vom materiell befugten Polizeipräsidenten unterzeichneten Fassung der Klageschrift innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist wurde der Mangel der fehlenden Ausübung der Disziplinarbefugnis beseitigt.

Das Gericht teilt nicht die Auffassung des Beklagten, bei dem aufgezeigten Mangel handele es sich um einen Mangel der sachlichen Unzuständigkeit, der entsprechend den §§ 44 bis 46 VwVfG nicht heilbar sei. Zwar wird die Auffassung vertreten, über § 3 BGD - hier § 6 HDG - sei die Anwendbarkeit dieser Vorschriften gegeben (vgl. Niedersächsisches OVG, Beschluss vom 13.05.2005 - 3 ZD 1/05 -, zitiert nach Juris), was vorliegend zur Unheilbarkeit des Fehlers führen würde. Das Bundesverwaltungsgericht, dem sich die Kammer anschließt, hat demgegenüber jedoch entschieden, dass der Rechtsgedanke der §§ 44 bis 46 VwVfG hinter dem Regelungszweck des § 55 BDG - hier § 60 HDG - zurücktritt (BVerwG, Urteil vom 24.06.20010 - 2 C 15/09 -, zitiert nach Juris). Der Beseitigung dieses Mangels - hier durch Einreichen einer neuen Klageschrift - stehen insbesondere schutzwürdige Interessen des Beklagten nicht entgegen, jedenfalls dann nicht, wenn die neue Klageschrift, wie hier, mit der alten inhaltlich vollständig übereinstimmt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18.12.2007 - 2 B 113/07 -, zitiert nach Juris). Hat der sachlich befugte Polizeipräsident die Verantwortung für die Entscheidung, Disziplinarklage zu erheben, erkennbar übernommen, spricht auch das Gebot der Beschleunigung für die Zulässigkeit des Vorgehens nach § 60 Abs. 1 und 3 Satz 1 HDG.

Soweit der Beklagte Fehler im behördlichen Verfahren gerügt hat, können diese dahinstehen, da sie allesamt im gerichtlichen Verfahren - sollte es darauf ankommen - heilbar sind.

Die danach mangelfrei erhobene Disziplinarklage ist auch zulässig. Sie ist formell ordnungsgemäß unter Beachtung der in § 57 Abs. 1 Satz 1 HDG bestimmten Voraussetzungen erhoben. Ihr ist der persönliche und berufliche Werdegang, der bisherige Gang des Disziplinarverfahrens und die Tatsachen, in denen ein Dienstvergehen gesehen wird, und die anderen für die Entscheidung bedeutsamen Tatsachen und Beweismittel zu entnehmen. Soweit der Beklagte rügt, es sei nicht deutlich geworden, dass das Verfahren durch einen Selbstreinigungsantrag des Beamten in Gang gekommen sei, hat der Kläger zu Recht darauf verwiesen, dass in der Klageschrift im Zusammenhang mit der Einleitung des Disziplinarverfahrens die Vorschrift des § 21 Abs. 1 HDG zitiert wurde, die die Einleitung des Verfahrens auf Antrag behandelt.

Die Klage ist allerdings nur insoweit begründet, als sie zur Erteilung eines Verweises führt (§§ 65 Abs. 1 Nr. 1, 9, 16 Abs. 1 HDG). Denn der Beamte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das eine weitergehende Ahndung nicht rechtfertigt.

Für die Frage, ob der Beklagte in dem angeschuldigten Zeitraum seine Dienstpflichten schuldhaft verletzt hat, ist die damalige Sach- und Rechtslage maßgebend, soweit nicht im Hinblick auf den Rechtsgedanken des § 2 Abs. 3 StGB für ihn materiell-rechtlich günstigeres neues Recht gilt (BVerwG, Urteil vom 25.08.2009 - 1 D 1/08 -, zitiert nach Juris; Hess. VGH, Urteil vom 02.06.2010 – 28 A 2577/09.D). Letzteres ist hier nicht der Fall, da die maßgebliche, ab dem 01.04.2009 im Landesbereich geltende Regelung des § 47 Abs. 1 BeamtStG mit der maßgeblichen Vorgängerregelung des § 90 Abs. 1 HBG a.F. – mit Ausnahme der redaktionellen Anpassung an eine geschlechtergetrennte Sprache – im Wesentlichen übereinstimmt. Gleiches gilt für die vorliegend in Betracht kommenden Normen, die die beamtenrechtlichen Pflichten regeln (§ 34 Sätze 1 bis 3 BeamtStG = § 69 Sätze 1 bis 3 HBG a.F.; § 35 S. 2 BeamtStG = § 70 Satz 2 HBG a.F.).

Für die erhobenen Vorwürfe ergibt sich folgendes:

Der Vorwurf, der Beklagte habe sein Gesäß bei einer privaten Gartenfeier der OPE im Sommer 2003 entblößt, erfüllt nicht die Voraussetzungen für eine Verletzung der beamtenrechtlichen Pflichten des Beamten gemäß § 69 Satz 1 und Satz 3 HBG a.F. (Vorwurf Nr. 1).

Entgegen der Auffassung des Beklagten ist der Vorwurf allerdings hinsichtlich des Zeitpunkts und des Ortes ausreichend substantiiert. Wie auch der Beamte in der mündlichen Verhandlung selbst angab, handelte es sich um die Nachfeier seines Geburtstages, zu der neben Kollegen aus der OPE auch andere, private Gäste eingeladen waren. Diese fand in seinem Garten statt im Sommer 2003, kurz nachdem die Kollegin XXX (geb. XXX) zur OPE gekommen war. Somit liegt eine ausreichende Konkretisierung vor.

Das Verfahren ist bzgl. des Vorwurfs Nr. 1 auch nicht wegen des Maßnahmeverbots aufgrund Zeitablaufs gemäß § 18 HDG einzustellen. Zwar fand der Vorfall bereits 4 Jahre und 3 Monate vor Einleitung des Disziplinarverfahrens statt. Bekanntgeworden ist er jedoch erst mit den übrigen Vorwürfen gegen den Beamten im Jahr 2007. Nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens geht es im Disziplinarverfahren nicht allein um die Feststellung und Maßregelung einzelner Verfehlungen, sondern um die dienstrechtliche Bewertung des Gesamtverhaltens des Beamten, das im Dienstvergehen als der Summe der zur Last gelegten Pflichtverletzungen seinen Ausdruck findet. Für den Verlust des disziplinarrechtlichen "Maßregelungsanspruchs" kann danach nicht der bloße Zeitablauf bestimmend sein, sondern allein das Wissen darum, ob das Verhalten des Beamten in seiner Persönlichkeit wurzelt oder nur als ein wesensfremdes Versagen zu werten ist; der Zeitablauf dient in diesem Zusammenhang nur als Beweisanzeichen. Diese Einbettung des Verjährungsgedankens in den Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens führt zum Beispiel dazu, dass auch lange zurückliegende Pflichtverletzungen, die für sich allein betrachtet eine der in § 8 HDG aufgezählten Disziplinarmaßnahmen wegen Zeitablaufs nicht gerechtfertigt hätten, erneut in die disziplinarische Betrachtung einbezogen werden können und müssen, wenn weitere Pflichtverletzungen hinzutreten, die für sich allein oder zusammen mit den älteren eine nicht der "Verfolgungsverjährung" unterliegende Disziplinarmaßnahme notwendig machen (BVerwG, Urteil vom 14.11.2007 - 1 D 6/06 -, zitiert nach Juris). Erst recht muss ein Verhalten, das - wie hier - erst aus Anlass nachfolgender Pflichtverletzungen bekannt wird, in eine einheitliche disziplinarrechtliche Betrachtung einbezogen werden.

Entgegen der Auffassung des Klägers stellt das Verhalten des Beklagten, nämlich das Entblößen des Gesäßes bei der fraglichen privaten Gartenfeier, aber lediglich ein außerdienstliches Verhalten dar. Ob sich das Verhalten eines Beamten gegenüber einem Dritten als außerdienstlich oder innerdienstlich bestimmt, beurteilt sich nicht, wie der Kläger meint, allein danach, dass ihm die dienstliche Vorgesetzteneigenschaft gegenüber einem Dritten zukommt. Denn auch in diesem Fall muss es grundsätzlich auch rein private, mithin außerdienstliche Begegnungen geben können. Mit der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, der sich die Kammer anschließt, ist vielmehr nach dem Kriterium der Dienstbezogenheit des Verhaltens abzugrenzen. Das vorgeworfene Verhalten erfolgte bei einer privaten Geburtstagsfeier in dem Garten des Beklagten; bereits diese formale Betrachtung spricht für die Annahme außerdienstlichen Verhaltens. Es fehlt aber auch an der materiellen Dienstbezogenheit. Maßgeblich ist hierbei, ob materielle Beziehungen zwischen der betreffenden Handlung und dem Dienst des Beamten bestehen und ob er insbesondere gegen Vorschriften verstoßen hat, die seinen dienstlichen Pflichtenkreis regeln. Doch geht es bei der Unterscheidung gerade nicht darum, diejenigen Pflichten, die in Ausübung des übertragenen Amtes erfüllt werden müssen, von etwaigen Pflichten abzugrenzen, die zwar nicht zu den eigentlichen Obliegenheiten des Amtes gehören, die jedoch auf andere Weise dienstlich begründet oder zumindest veranlasst sind. Es geht vielmehr eindeutig um die Abgrenzung des dienstlichen Bereichs eines Beamten allgemein von demjenigen Lebenskreis, in dem er von dienstlichen Pflichten frei und Privatmann - wenngleich, wie sich aus §§ 69 Satz 3, 90 Abs. 1 Satz 2 a.F. HBG ergibt, nicht bar jeglicher beamtenrechtlicher Verpflichtungen - ist. Was der Beamte hier getan hat, kann jeder Privatmann tun. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses zur Polizei ist keine notwendige Voraussetzung für ein derartiges Verhalten; das bei der Gartenfeier gezeigte Verhalten steht in keinem kausalen und funktionalen Zusammenhang mit dem bekleideten Amt des Beamten (BVerwG, Urteil vom 11.07.1988 - 1 D 106/87; Urteil vom 24.11.1992 - 1 D 52/91 -, zitiert nach Juris). Weder der Anlass - eine Geburtstagsfeier - noch die sonstigen Umstände lassen eine Dienstbezogenheit erkennen.

Entgegen der Auffassung des Klägers hat der Beklagte mit seinem außerdienstlichen Verhalten einen Verstoß gegen die sogenannte Einsatzpflicht gemäß § 69 Satz 1 HGB a.F. nicht verwirklicht. Aus der Vorgesetztenstellung können besondere Aufgaben wie Dienstaufsicht und Fürsorge für die Untergebenen folgen. Die Wahrnehmung dieser Pflicht ist eigenständiger Inhalt der besonderen Aufgabenstellung des Vorgesetzten- Dienstpostens. Vorgesetzte haben neben der Aufsichts- und Weisungsfunktion zudem in der Regel eine Vorbildfunktion. Disziplinar erheblich ist diese Vorbildfunktion allerdings nur bei einer wirklich übergeordneten Verantwortung (Köhler/Ratz, BDG, Rdnr. 10 zu B.II.6). Die Kammer sieht die Voraussetzungen einer wirklich übergeordneten Verantwortung bei dem Beklagten, der als KHK / A 12 BBesG als Leiter der OPE bei tätig war, als nicht gegeben an, da der von ihm innegehabten Vorgesetztenstellung keine überragende Bedeutung in diesem Sinne zukommt.

Ein Verstoß des Beklagten gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes gemäß § 69 Satz 3 HBG a.F. liegt ebenfalls nicht vor. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum außerdienstlichen Fehlverhalten setzt der Verstoß gegen den Tatbestand der Wohlverhaltensklausel im außerdienstlichen Bereich voraus, dass die besonderen qualifizierenden Voraussetzungen des § 90 Abs. 1 Satz 2 HBG a.F. erfüllt sind. Daran mangelt es hier.

Das BVerwG hat sich zur Frage des durch außerdienstliches Fehlverhalten begangenen Dienstvergehens bei einem Verstoß gegen die Wohlverhaltensklausel (zu den Vorschriften des Bundesrechts §§ 54 Abs. 3, 77 Abs. 1 Satz 2 BBG) im Urteil vom 30.08.2000 (- 1 D 37/99 -, zitiert nach Juris) grundlegend geäußert:

Die Normstruktur der §§ 54 Satz 3, 77 Abs. 1 Satz 2 BBG stellt sich nach Auffassung des Senats in den näheren Einzelheiten wie folgt dar: § 54 Satz 3 BBG bildet den Grundtatbestand. Anhand der Merkmale dieser Norm ist im dienstrechtlichen Zusammenhang die Pflichtwidrigkeit eines angeschuldigten außerdienstlichen Verhaltens zu bestimmen. Es ist also zu prüfen, ob das Verhalten eines Beamten die Achtung und das Vertrauen beeinträchtigt, die sein Beruf erfordert. Dabei ist das Merkmal "die sein Beruf erfordert" durch die später erlassene Vorschrift des § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG inhaltlich dahin zu konkretisieren, dass sich die Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung entweder auf das Amt des Beamten oder auf das Ansehen des Beamtentums zu beziehen hat. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, liegt ein pflichtwidriges Verhalten im Sinne des § 54 Satz 3 BBG vor. Ist ein pflichtwidriges Verhalten nach § 54 Satz 3 BBG als eines von mehreren tatbestandlich vorausgesetzten Merkmalen eines Dienstvergehens zu bejahen, sind weiterhin noch die besonderen Voraussetzungen eines außerdienstlichen Dienstvergehens nach § 77 Abs. 1 Satz 2 BBG zu prüfen, nämlich (1) die allgemeine Bedeutsamkeit der Ansehens- und Vertrauensbeeinträchtigung sowie (2) die auf den Einzelfall bezogene besondere Eignung des Verhaltens zur Ansehens- und Vertrauensbeeinträchtigung.

Vorliegend ist durch das Verhalten des Beklagten anlässlich einer privaten Gartenfeier im Sommer 2003 bereits die erforderliche Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung in Bezug auf das Amt des Beamten nicht gegeben. Das Verhalten ist dann geeignet, Achtung oder Vertrauen zu beeinträchtigen, wenn das Verhalten typischerweise (objektiv gesehen) zu einer Beeinträchtigung führen kann, eine Beeinträchtigung also konkret möglich ist. Das wiederum ist der Fall, wenn das vorgeworfene Verhalten Rückschlüsse darauf zulässt, dass der Beamte die ihm im Rahmen seines konkret-funktionellen Amtes obliegenden Dienstpflichten nicht oder unzureichend erfüllen wird. Hierbei ist das Verhalten im konkreten Zusammenhang zu betrachten. Aus dem Umstand, dass der Beklagte einmalig bei der privaten Gartenfeier in alkoholisiertem Zustand gegenüber drei bereits im PKW sitzenden, zum Teil ebenfalls alkoholisierten, Kollegen bei deren Verabschiedung sein Gesäß entblößte (wobei der auf dem Fahrersitz befindliche Kollege nichts bemerkte), kann nicht geschlossen werden, dass der Beamte zukünftig die ihm im Rahmen seines konkret-funktionellen Amtes obliegenden Dienstpflichten als Leiter der OPE nicht oder unzureichend erfüllen werde. Es mag sich zwar zweifelsohne um eine Geschmacklosigkeit handeln, die der Alkoholisierung oder einem aus der Feierlaune resultierenden Übermut geschuldet war, die aber nach Auffassung der Disziplinarkammer angesichts der Gesamtumstände für sich betrachtet nicht geeignet ist, Rückschlüsse aus dem außerdienstlichen Fehlverhalten des Beklagten auf seine künftige Amtsführung oder eine Beeinträchtigung in derselben zu ziehen.

Der Beamte hat durch sein außerdienstliches Verhalten aber auch nicht das Ansehen des Berufsbeamtentums beeinträchtigt. Die Wahrung des Ansehens des Beamtentums bezieht sich nicht auf das gesellschaftliche Ansehen des Beamten, indem dieser in die erzieherische Rolle eines Vorbilds für die Gesellschaft gedrängt und an bestimmten Moral- und Anstandsregeln gemessen wird. Sie bezieht sich vielmehr darauf, eine stabile und gesetzestreue Verwaltung zu sichern, die freiheitlich- demokratische Rechtsordnung zu verteidigen und durch Unabhängigkeit und Unparteilichkeit einen ausgleichenden Faktor gegenüber den das Staatsleben gestaltenden politischen Kräften darzustellen (BVerwG, Urteil vom 30.08.2000 - 1 D 37/99 -, zitiert nach Juris). Von dem Beamten wird außerdienstlich aber kein wesentlich anderes Verhalten erwartet als vom Durchschnittsbürger. Je näher der Bezug seines außerdienstlichen Fehlverhaltens zu dem ihm übertragenen Aufgabenbereich ist, umso eher kann davon ausgegangen werden, dass sein Verhalten geeignet ist, das Ansehen des Berufsbeamtentums zu beeinträchtigen. Besteht zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den mit dem konkret-funktionellen Amt einhergehenden Aufgaben kein oder nur ein loser Zusammenhang, ist dieses nicht zur Beeinträchtigung geeignet. Besteht dagegen eine enge Verbindung, z.B. indem ein mit der Verhinderung und Verfolgung von Straftaten betrauter Polizeibeamter selbst eine Straftat begeht, ist von einer solchen Beeinträchtigung auszugehen (BVerwG, Urteil vom 08.05.2001 - 1 D 20/00 -, zitiert nach Juris). Das Verhalten des Beklagten bei der privaten Gartenfeier, das auch keine Anzeige wegen Beleidigung durch eine der betroffenen Personen nach sich zog, lässt diesbezüglich keinen Schluss auf ein dienstliches Verhalten zu, das die Gesetze oder die dem Beamten anvertrauten Rechtsgüter missachtet. Ein solcher Schluss wäre überdies nur bei einer Mehrzahl entsprechender außerdienstlicher Gesetzesverstöße möglich, wenn das Fehlverhalten dadurch eine neue Qualität im Hinblick auf die Beurteilung der dienstlichen Vertrauenswürdigkeit des Beamten erhält (BVerwG, Urteil vom 30.08.2000 - 1 D 37/99 -, zitiert nach Juris).

Hinsichtlich des Vorwurfs Nr. 3 (Äußerung gegenüber KOK’in I. (geb. XXX) bzgl. der Brausetablette) und des Vorwurfs Nr. 4 (Abreiben des Oberkörpers unter obszönem Stöhnen) ist der Beklagte freizustellen, da die besonderen Voraussetzungen für ein außerdienstliches Dienstvergehen nicht gegeben sind, selbst wenn das Gericht das vorgeworfene - vom Beklagten bestrittene - Verhalten als wahr unterstellt.

Das dem Beamten anlässlich des JP Morgan Chase Corporate Challenge Laufs am 13.06.2007 vorgeworfene Verhalten, nämlich die Aussage mit der Brausetablette und das Abreiben des Oberkörpers, ist entgegen der Auffassung des Klägers ebenfalls lediglich als außerdienstliches Verhalten zu qualifizieren. Eine räumliche oder zeitliche Beziehung zum Dienst lag nicht vor, so dass es an der formellen Dienstbezogenheit fehlt. Die Beamten nahmen auf ihre eigenen Kosten, freiwillig und in ihrer Freizeit an dem Lauf teil. Eine Dienstzeitgutschrift erfolgte nicht. Die Tatsache, dass mit Erlass des Hessischen Innenministeriums vom 25.12.2006 die Teilnahme an dem Lauf zur dienstlichen Veranstaltung im Sinne des § 31 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BeamtVG erklärt wurde, hat nach Auffassung der Kammer nur dienstunfallrechtliche Auswirkungen; die Erklärung zur dienstlichen Veranstaltung wird überdies von den Organisatoren des Laufs den teilnehmenden Unternehmen empfohlen. Auch die oben zum Vorwurf Nr. 1 bereits ausgeführten Voraussetzungen der materiellen Dienstbezogenheit sind nicht gegeben, denn das vorgeworfene Verhalten des Beklagten steht in keinem kausalen und funktionalen Zusammenhang mit dem bekleideten Amt des Beamten. Das Bestehen eines Dienstverhältnisses zur Polizei ist keine notwendige Voraussetzung für ein derartiges Verhalten. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es in diesem Zusammenhang auf die Vorgesetzteneigenschaft des Beklagten – wie ausgeführt – nicht an. Die Veranstaltung war eindeutig privat geprägt und stand in keinem Zusammenhang mit dem Dienst und den dienstlichen Aufgaben. Nach Angaben der Beteiligten war auf den getragenen T-Shirts noch nicht einmal ein Hinweis auf die Zugehörigkeit zur Polizei aufgedruckt.

In dem vorgeworfenen außerdienstlichen Verhalten des Beklagten liegt entgegen der Auffassung des Klägers insbesondere kein Verstoß gegen § 3 Abs. 4 AGG, denn diese Vorschrift ist im außerdienstlichen Bereich nicht anwendbar. Die sexuelle Belästigung ist in § 3 Abs. 4 AGG hinsichtlich des Anwendungsbereichs auf § 2 Abs. 1 Nr. 1 bis Nr. 4 AGG beschränkt. Das Verbot der sexuellen Belästigung erstreckt sich daher nur auf alle arbeitsrechtlichen Aspekte (Eggert-Weyand in: Rust / Falke, AGG, Rdnr. 69 zu § 3 AGG). Nicht erfasst wird Verhalten, bei dem die erforderliche funktionale Beziehung zu einer Dienstverrichtung fehlt. Darunter ist nicht nur ein örtlicher Bezug im Sinne eines Aufenthalts in demjenigen Bereich zu verstehen, in dem allgemein oder konkret gearbeitet wird. Vielmehr ist eine darüber hinausgehende funktionale Betrachtungsweise angezeigt, die auch ein Verhalten während der Mittagspause am Arbeitsort, aber räumlich entfernt vom konkreten Arbeitsplatz, oder auf Dienstreisen erfasst. Das bedeutet aber im Umkehrschluss, dass die Beschäftigten dann nicht mehr geschützt sind, wenn sie - ihre Arbeit beendet und den Arbeitsbereich verlassen haben (BVerwG, Urteil vom 26.10.2005 - 2 D 33/04 -, zu der Vorgängervorschrift des Beschäftigtenschutzgesetztes; zitiert nach Juris). Vorliegend bedeutet das, dass weder in der vorgeworfenen Äußerung noch in dem vorgeworfenen Abreiben des Oberkörpers ein Verstoß gegen das AGG vorliegen kann, da bei der Teilnahme an einer privaten Veranstaltung eindeutig kein Bezug zur Dienstverrichtung gegeben ist.

Ein Verstoß des Beklagten gegen die Einsatzpflicht gemäß § 69 Satz 1 HBG a.F. kommt aus dem zu Vorwurf Nr. 1 ausgeführten Gründen auch hier mangels wirklich übergeordneter Verantwortung nicht in Betracht.

Ein Dienstvergehen des Beklagten durch einen Verstoß gegen die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten außerhalb des Dienstes gemäß §§ 69 Satz 3, 90 Abs. 1 Satz 2 HBG a.F., indem er die Pflicht zur Wahrung von Sitte und Anstand und gegen die Pflicht als Vorbild zu erscheinen, verletzt hat, scheidet im Ergebnis aus, weil die besonderen, qualifizierenden Voraussetzungen des § 90 Abs.1 Satz 2 HBG a.F. nicht gegeben sind. Das - streitige - Verhalten des Beamten, wenn es als innerdienstlich zu qualifizieren wäre, würde eine nicht hinzunehmende Verletzung der Wohlverhaltenspflicht darstellen; der Umfang dieser Pflicht geht im innerdienstlichen Bereich aber deutlich weiter als im außerdienstlichen Bereich. Das dem Beamten vorgeworfene außerdienstliche Verhalten, das die Kammer in Bezug auf die Äußerung mit der Brausetablette und das Abreiben des Oberkörpers als gravierend einschätzt, ist "geeignet", die erforderliche Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung in Bezug auf das Amt des Beamten herbeizuführen. Es kann in der hierbei erforderlichen Betrachtung der Gesamtumstände bei diesen beiden Vorwürfen - wenn sie nachgewiesen wären - nicht ausgeschlossen werden, dass der Beamte die ihm gegenüber den betroffenen Beamtinnen im Rahmen seines konkret-funktionellen Amtes obliegenden Dienstpflichten in ähnlicher Weise nicht oder unzureichend erfüllen wird. Zwar fand das angeschuldigte Verhalten des Beklagten im außerdienstlichen Bereich in privater Umgebung und lockerem Umgangston statt. Es besteht jedoch hier eine Verbindung zwischen dem vorgeworfenen Verhalten und den mit dem konkret-funktionellen Amt einhergehenden Aufgaben, dadurch, dass die betroffenen Beamtinnen mit dem Beklagten zusammenarbeiten und das Betriebsklima durch ein derartiges Verhalten negativ beeinträchtigt werden kann.

Ein außerdienstliches Verhalten ist aber nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalles in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für sein Amt oder das Ansehen des Beamtentums bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen, § 90 Abs. 1 Satz 2 HBG a.F.. Das Merkmal "in besonderem Maße" bezieht sich auf die Eignung zur Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Da schon die Eignung voraussetzt, dass die konkrete Möglichkeit einer Beeinträchtigung besteht, wird mit dem Merkmal "in besonderem Maße" für diese Möglichkeit ein qualifiziertes Maß an Konkretheit vorausgesetzt, das die Beeinträchtigung erwarten lässt. Dies ist nur anzunehmen, wenn das Verhalten des Beamten in quantitativer oder qualitativer Hinsicht über das für eine jede Eignung vorausgesetzte Mindestmaß an Wahrscheinlichkeit einer Beeinträchtigung hinausgeht. Ist eine derart qualifizierte Möglichkeit der Beeinträchtigung gegeben, kommt es weiter darauf an, ob diese Beeinträchtigung bedeutsam wäre. Das Merkmal "in bedeutsamer Weise" bezieht sich auf den "Erfolg" der möglichen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung. Die zur Beeinträchtigung in besonderem Maße geeignete Pflichtverletzung weist Bedeutsamkeit auf, wenn sie in qualitativer und/oder quantitativer Hinsicht das einer jeden außerdienstlichen Pflichtverletzung innewohnende Maß an disziplinarischer Relevanz deutlich überschreitet (BVerwG, Urteil vom 19.06.2008 – 1 D 2/07 – zitiert nach Juris).

Das anlässlich einer Sportveranstaltung vorgeworfene außerdienstliche Verhalten des Beklagten, das im innerdienstlichen Bereich zweifellos ein Dienstvergehen darstellen würde, ist nach Auffassung der Kammer aber gerade nicht durch eine besondere Verantwortungslosigkeit gekennzeichnet, sondern einer ausgelassenen, kumpelhaften Atmosphäre sowie einem – unter Männern und nach einigen Zeugenaussagen im behördlichen Disziplinarverfahren auch in der Abteilung – nicht ungewöhnlichen, derben Umgangston geschuldet. Das Verhalten kann aus diesem Grund nicht zu einer objektiv bedeutsamen Achtungs- und Vertrauensbeeinträchtigung führen. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass ein solches Verhalten gegenüber Frauen, auch im außerdienstlichen Bereich, eindeutig unangebracht ist, verletzend wirkt und geeignet ist, den Beleidigungsvorwurf zu erfüllen. Das einer außerdienstlichen Pflichtverletzung regelmäßig innewohnende Mindestmaß an disziplinarischer Relevanz ist bei Betrachtung der Gesamtumstände aber noch nicht deutlich überschritten.

Die dem Beamten vorgeworfenen abwertenden Äußerungen während eines Abendessens der OPE im Sommer 2003 gegenüber der KOK’in XXX (geb. XXX) erfüllen ebenfalls noch nicht den Tatbestand eines außerdienstlichen Dienstvergehens (Vorwurf Nr. 5).

Soweit hier die mangelnde Substantiierung des Vorwurfs hinsichtlich des Zeitpunkts und des Orts gerügt wird, dringt der Beklagte damit nicht durch. Das Abendessen fand nach dem Weggang von Frau XXX (geb. XXX) und dem Eintritt von Frau XXX (geb. XXX) und Frau I. (geb. XXX) in einem mongolischen Restaurant statt. Dieser Vorwurf ist auch bereits deshalb ausreichend konkret gefasst, da der Beamte diese Äußerung im Rahmen des Essens eingeräumt hat.

Nach den Ausführungen zu dem Vorwurf Nr. 1 sowie zu den Vorwürfen Nr. 3 und Nr. 4 ist auch hier entgegen der Auffassung des Klägers von einem außerdienstlichen Verhalten auszugehen, da es an der formellen und materiellen Dienstbezogenheit dieser Veranstaltung fehlt.

Ein Verstoß des Beklagten gegen die Einsatzpflicht gemäß § 69 Satz 1 HBG a.F. kommt aus dem zu Vorwurf Nr. 1 ausgeführten Gründen auch hier nicht in Betracht.

Ein Dienstvergehen durch einen außerdienstlichen Verstoß gegen die Wohlverhaltenspflicht nach § 69 Satz 3 HBG a.F. i.V.m. § 90 Abs. 1 Satz 2 HBG a.F. hat der Beamte nicht begangen. Selbst wenn man – mit dem Kläger – bereits einen innerdienstlichen Zusammenhang und damit eine Beeinträchtigung der Achtung und des Vertrauens in Bezug auf das Amt des Beamten in besonderer Weise sehen wollte, erreicht das Verhalten des Beamten die Grenze zur disziplinaren Relevanz nicht. Bei der Auslegung der Wohlverhaltenspflicht und deren Verletzung ist auch zu prüfen, ob die Bagatellgrenze für die Ahndung von Dienstvergehen überhaupt überschritten ist. Ein gewisser „Unrechtswert“, ein disziplinarrechtlicher Unrechtsgehalt, der über eine bloße „Unkorrektheit“ hinausgeht, ist daher Voraussetzung für die Annahme einer disziplinarrechtlich ahndbaren Dienstpflichtverletzung. Durch die Forderung nach einem gewissen Gewicht der Dienstpflichtverletzung sollen Bagatellverfehlungen ausgefiltert werden (VG Osnabrück, Urteil vom 23.11.2009 – 9 A 5/09 – zitiert nach Juris).

Im innerdienstlichen Bereich ist die Grenze bei Verwendung eines härteren Tons gegenüber einem unterstellten Beamten jedenfalls da überschritten, wo solche Ausdrücke die Ehre des betroffenen Beamten verletzen. Die neue Kollegin des Beamten fühlte sich durch die in scharfem Ton geäußerte Bemerkung vor allen anderen Kollegen herabgewürdigt, so dass die Äußerung im dienstlichen Zusammenhang möglicherweise ein anderes Gewicht hätte. Ausschlaggebend ist jedoch auch hier, dass die vorgeworfene Äußerung im Rahmen einer außerdienstlichen Veranstaltung fiel. Der Beamte hat sich dahingehend eingelassen, dass er die Äußerung nicht herabwürdigend gemeint habe und sich im Zweifel auch dafür entschuldige. Nach Auffassung der Kammer mag die Äußerung zwar nicht taktvoll gewesen sein, aber nicht jeder Fehler oder jede Fehleinschätzung eines Beamten stellt bereits eine Pflichtverletzung dar (VG Berlin, Urteil vom 12.03.2010 - 80 K 27.09.OL -, zitiert nach Juris). Ein Verhalten des Beklagten, das eine disziplinare Ahndung gebietet, ist unter den Gesamtumständen für die Kammer hiernach nicht zu erkennen.

Auch in der Durchführung der Sporttests bei Bewerberinnen für die OPE (Vorwurf Nr. 6) vermag die Kammer kein Verhalten zu erkennen, mit dem der Beklagte eine Dienstpflichtverletzung gemäß § 69 Satz 1 und Satz 3 HBG a.F. begangen hätte.

Ein Verstoß gegen die Einsatzpflicht gemäß § 69 Satz 1 HBG a.F. kommt aus dem zu Vorwurf Nr. 1 ausgeführten Gründen auch hier nicht in Betracht.

Der Beklagte hat die Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten gemäß § 69 Satz 3 HBG a.F. nicht verletzt. Auch bei dem hier vorliegenden innerdienstlichen Verhalten des Beamten ist die Frage nach der disziplinaren Relevanz des Verhaltens zu verneinen.

Der Beamte hatte die Bewerber und Bewerberinnen für eine freie Stelle in der OPE, bei dem üblicherweise Gespräche zunächst mit dem Leiter der OPE, sodann in der ganzen Gruppe mit und ohne den Leiter stattfanden, um herauszufinden, ob der Bewerber zur Gruppe passte, in Straßenkleidung freiwillig Klimmzüge an einer Reckstange und Hantelübungen absolvieren lassen, um auch deren Sportlichkeit zu testen. Die Frage, ob dies von den Bewerbern und Bewerberinnen verlangt werden könne, war zuvor bereits mehrfach Gesprächsthema zwischen dem Beklagten und seinem Vorgesetzten EKHK S. gewesen. Dieser erklärte in seiner Stellungnahme vom 27.05.2008 im behördlichen Disziplinarverfahren (Bl. 250 VV), dass es zu einer Umsetzung eines Sporttests wie beim MEK zur Zeit seiner Dienststellenleitung nicht gekommen sei. Der Beamte habe ihm aber „unregelmäßig und sinngemäß“ von diesen Vorstellungsgesprächen berichtet, „dass der/die ein oder andere Interessent/in wohl körperlich fitter oder nicht so fit sei, als er/sie aussieht, da er/sie z.B. so und so viele Klimmzüge gemacht habe. Ich ging davon aus, dass diese Übungen freiwillig und mit Einverständnis der jeweiligen Interessenten/innen erfolgten. … Weiterhin betrachte ich dies auch nicht als Ergebnis eines „Sporttestes“, sondern als Hinweis für die Interessenten/innen, dass Mitarbeiter der OPE aufgrund der physischen und psychischen Belastung körperlich fit sein sollten.“

Bereits aufgrund der Stellungnahme des ehemaligen Dienststellenleiters des Beklagten erscheint das Verhalten des Beklagten nicht als Dienstpflichtverletzung. Selbst wenn diese Art von Test nicht offiziell angeordnet war, handelt es sich hier allenfalls um eine Überschreitung seiner Befugnisse und Kompetenzen, die aber die Schwelle zur Dienstpflichtverletzung noch nicht übersteigt. Auch ist hier ein Unrechtsgehalt, der - wenn überhaupt - über eine bloße Unkorrektheit hinausgeht, nicht zu erkennen (VG Osnabrück, Urteil vom 23.11.2009 - 9 A 5/09 -, zitiert nach Juris). Es wurde keiner der Bewerber und keine der Bewerberinnen zu den Übungen gezwungen; es gab auch keine Beschwerden hierüber. Der Dienststellenleiter hatte nach Auffassung des Gerichts ausweislich des zitierten Vermerks sehr wohl Kenntnis der Praxis, es dem Beamten aber nicht untersagt, da auch er offensichtlich von einem beanstandungsfreien Verhalten ausging. Sollte dies dennoch nicht der Fall gewesen sein, hätten andere Möglichkeiten, z.B. ein Gespräch zwischen dem Vorgesetzten und dem Beamten, zur Verfügung gestanden, um die beanstandungsfreie Aufgabenerfüllung anzumahnen. Eine Dienstpflichtverletzung ist hierdurch nicht verwirklicht worden.

Der Beklagte hat weder die Wohlverhaltenspflicht gemäß § 69 Satz 3 HBG a.F. noch die Wahrheitspflicht nach § 70 Satz 2 HBG a.F. durch Vorwürfe wider besseres Wissen gegenüber KOK XXX verletzt (Vorwurf Nr. 8).

Es ist vorliegend schon kein Verhalten erkennbar, durch das der Beamte einen Pflichtenverstoß begangen haben könnte. Es war der Bevollmächtigte des Beamten im Disziplinarverfahren, der unter dem Datum des 07.10.2008 gegenüber dem Polizeipräsidenten dienstliche Vergehen anderer Beamter des Polizeipräsidiums A-Stadt anzeigte, die ihm im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen seinen Mandanten bekanntgeworden waren, und um die Aufnahme disziplinar- und strafrechtlicher Ermittlungen gegen die genannten Beamten bat. Sie stünden in Verdacht, Dienstvergehen und gegebenenfalls auch strafbare Handlungen begangen zu haben.

Aus dem Schreiben ist nicht zu entnehmen, dass der Bevollmächtigte im Namen seines Mandanten diese Anzeige erstattete, weshalb es bereits an einer Handlung des Beamten fehlt. Des Weiteren würde auch ein Behaupten wider besseres Wissen - selbst wenn man das Verhalten des Bevollmächtigten dem Beklagten zurechnen würde - bereits deshalb nicht vorliegen, da der fragliche Sachverhalt nur als möglich dargestellt wird, mag dies auch in der Absicht geschehen, den anderen zu veranlassen, daraus für den Betroffenen nachteilige Schlüsse zu ziehen (Schönke / Schröder, StGB, Rdnr. 7 zu § 186 StGB). Die daraus resultierenden Ermittlungen und Konsequenzen für die Betroffenen hat der Beamte nicht zu vertreten.

Eine Dienstpflichtverletzung des Beklagten gegen die Vorschriften der §§ 69 Satz 3, 70 Satz 2 HBG a.F. durch die Begründung eines Verdachts gegenüber EKHK XXX wider besseres Wissen liegt ebenfalls nicht vor (Vorwurf Nr. 9).

Auch hier stellt das Gericht zunächst fest, dass die Fragen, die zu einem Verdachtsmoment gegenüber EKHK XXX führten, von dem Bevollmächtigten des Beklagten in der Befragung des Zeugen KHK XXX gestellt wurden. Der Beklagte selbst hat hierzu keine Fragen gestellt. Er hat allerdings im Anschluss an diese Fragen den Zeugen gefragt, ob EKHK XXX anderweitig an diesem Tag durch vulgäre Sprüche aufgefallen sei. Dem Kläger hätte es nach Auffassung des Gerichts freigestanden, durch eine entsprechende Beweiswürdigung der Zeugenaussage des KHK XXX erst gar keinen Verdacht gegen EKHK XXX aufkommen zu lassen. Darüber hinaus ist auch hier ein „Behaupten“ nicht gegeben, denn es werden nur konkludente Verdachtsmomente aufgezeigt, es erfolgte keine konkrete Bezichtigung des EKHK XXX Wie auch der Einstellungsbeschluss vom 29.06.2009 im Ermittlungsverfahren gegen den Beklagten ausführt (Az.: 3460 Js 254055/080), handelt es sich bei dem Vorgehen des Bevollmächtigten um zulässiges Verteidigerverhalten. Welcher Umstand dazu führte, dass die Beförderung des EKHK XXX von April auf Oktober 2008 verschoben wurde, ist aus den Akten nicht ersichtlich und kann aus Sicht der Kammer auch offenbleiben; ein behördliches Disziplinarverfahren wegen des Verdachts der Äußerung mit der Brausetablette, das ein Hindernis für eine Beförderung dargestellt hätte, wurde jedenfalls nicht gegen ihn eingeleitet.

Hinsichtlich des Vorwurfs Nr. 7 ist eine Dienstpflichtverletzung des Beklagten festzustellen. Der Beklagte hat durch die e-Mail vom 29.07.2008, die er an KHK XXX sandte mit der Bitte um Weiterleitung an seinen Nachfolger als Leiter der OPE, Herrn XXX, gegen die sich aus § 69 Satz 3 HBG a.F. ergebende Wohlverhaltenspflicht verstoßen. Da er die E-Mail von seinem dienstlichen PC versandt hat, bestehen auch keine Zweifel daran, dass es sich um eine innerdienstliche Pflichtverletzung handelt. Der Inhalt der e-Mail sowie die Tatsache der Versendung mit der Bitte der Weiterleitung sind unstreitig; der Hergang ergibt sich auch aus den in den Behördenakten befindlichen, ausgedruckten e-Mails. Das Anfertigen der Tagebuchaufzeichnungen über die Gespräche zwischen dem Beklagten und KK’in XXX über andere Mitarbeiter der OPE ist für sich betrachtet zwar nicht dienstpflichtwidrig (BVerwG, Urteil vom 19.10.2005 – 1 D 14/04 -, zitiert nach Juris). Die Aufzeichnungen enthielten jedoch Mitteilungen auch aus dem Privatleben, die geeignet waren, sowohl für den Adressaten der e-Mail, Herrn XXX, als auch für andere Mitarbeiter der OPE ansehensschädigend und verletzend zu wirken. Sie waren auch geeignet, die betroffenen Mitarbeiter zu beleidigen bzw. zu verleumden, sobald diese Informationen Dritten bekannt würden. Dies musste dem Beklagten auch bewusst sein, denn in einer e-Mail vom 29.07.2008 an Herrn XXX schrieb der Beklagte, die Preisgabe (Anm. d. Gerichts: der Tagebuchaufzeichnungen) sei letztlich nur eine logische Folge dafür, wie mit ihm in den letzten knapp 12 Monaten umgegangen worden sei. Zwar hatte der Beklagte nur der Weitergabe an Herrn XXX zugestimmt, aber damit hatte er das Tagebuch aus der Vertraulichkeit heraus in die Öffentlichkeit gegeben.

Der Beamte hat diese Dienstpflichtverletzung vorsätzlich und - mangels entsprechender Anhaltspunkte - auch schuldhaft begangen, so dass die Voraussetzungen für ein Dienstvergehen vorliegen (§ 90 Abs. 1 Satz 1 HBG a.F.).

Den Vorwurf Nr. 2, dass der Beklagte während des dienstlichen Volleyballspiels Anfang des Jahres 2007 sein Gesäß - in welchem Umfang wird von den Zeugen unterschiedlich beschrieben - entblößte, indem er seine Turnhose heruntergezogen habe, scheidet die Kammer nach § 61 HDG aus, da davon auszugehen ist, dass diese im Umfang und in der Motivation streitige Handlung für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme wegen des durch den Vorwurf Nr. 7 verwirklichten Dienstvergehens nicht ins Gewicht fallen wird. Angezeigt wäre bei einem nachgewiesenen Verhalten nach Auffassung der Kammer ohnehin vorrangig ein Personalgespräch gewesen, das eine Rüge oder allenfalls eine Missbilligung zur Folge gehabt hätte.

Die für das festgestellte Dienstvergehen (bezüglich des Vorwurfs Nr. 7) zu verhängende Disziplinarmaßnahme hat das Gericht aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung nach pflichtgemäßem Ermessen zu bestimmen. Welche Maßnahme im Einzelfall erforderlich ist, richtet sich gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 bis 4 HDG nach der Schwere des Dienstvergehens unter angemessener Berücksichtigung der Persönlichkeit des Beamten und des Umfangs der durch das Dienstvergehen herbeigeführten Vertrauensbeeinträchtigung (BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 2 C 9/06 - NVwZ-RR 2007, 695).

Die Schwere des Dienstvergehens (§ 16 Abs. 1 Satz 2 HDG) beurteilt sich zum einen nach Eigenart und Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung, zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte (BVerwG, Urteil vom 03.05.2007 - 2 C 9/06 - NVwZ-RR 2007, 695).

Vorliegend handelt es sich um einen einmaligen Pflichtenverstoß des Beamten, der allerdings zu einer beträchtlichen Störung des Betriebsfriedens führte. Das Motiv für die Weitergabe mit der zu erwartenden Wirkung war nach Auffassung der Kammer ersichtlich auch von Rachegedanken des Beamten aufgrund der gegen ihn erhobenen Vorwürfe im Disziplinarverfahren geprägt. Allerdings war für ihn - nach seinen glaubhaften Angaben in der mündlichen Verhandlung - auch ein starkes Motiv, dass er seinen ehemaligen Stellvertreter, KHK XXX, der als einziger eine Aussage zu seinen Gunsten gemacht hatte, entlasten wollte. Mit den Aufzeichnungen habe er aufdecken wollen, dass nicht KHK XXX der „Verräter“, die undichte Stelle, in der OPE gewesen sei, weswegen dieser gemobbt wurde, sondern die Kollegin I. (geb. XXX). Er habe in seinem Tun damals die einzige Möglichkeit gesehen, seinem Kollegen zu helfen.

Zu berücksichtigen ist bei der Schwere des Dienstvergehens weiter, dass letztlich von den neun in der erhobenen Klage auf Zurückstufung enthaltenen Vorwürfen als ahndungswürdiges Dienstvergehen nur eine Pflichtverletzung verblieben ist, die der Beamte erst im laufenden behördlichen Disziplinarverfahren begangen hat. Die aus seiner Sicht ausweglose Situation des Beklagten, in der er meinte, seinem Kollegen nur durch die Weitergabe der E-Mail- Tagebuchaufzeichnungen helfen zu können, wäre dem Beamten eventuell erspart geblieben, wenn von Anfang an im behördlichen Disziplinarverfahren konsequent zwischen innerdienstlichem und außerdienstlichem Verhalten differenziert und die Problematik der disziplinaren Relevanz hinreichend beachtet worden wäre. Auch ist bei der Einstufung der Schwere des Dienstvergehens zu berücksichtigen, dass dem Beamten gegenüber in einem Personalgespräch mit dem Leiter der Verwaltung und dem Leiter Stab am 09.09.2008 nach Erläuterung seiner Motivationslage für die Weitergabe der E-Mail- Tagebuchaufzeichnungen sinngemäß gesagt worden sei, unter diesen Voraussetzungen sei die Sache erledigt.

Insgesamt ist daher festzustellen, dass es sich um ein Dienstvergehen handelt, das angesichts der Gesamtumstände im unteren Bereich anzusiedeln ist. Aus dem Persönlichkeitsbild des Beklagten (§ 16 Abs. 1 Satz 3 HDG), der seit 16.09.2008 in psychotherapeutischer Behandlung ist, ergeben sich keine Anhaltspunkte für eine andere Einschätzung. Im dienstlichen Bereich gab es während der gesamten Dienstzeit, sowohl vor als auch nach dem Dienstvergehen keine Beanstandungen; der Beamte ist bisher weder disziplinar- noch strafrechtlich in Erscheinung getreten. Die persönlichen Situation des Beamten und die Umstände bei der Tatbegehung hat das Gericht bereits oben bei der Schwere des Dienstvergehens eingestellt. Nach Einschätzung der Kammer ist entgegen der Auffassung des Klägers auch von einem nur geringen objektiven Umfang der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit (§ 16 Abs. 1 Satz 4 HDG) auszugehen. Zwar mögen die diesem Disziplinarverfahren zugrunde liegenden und zur Sprache gebrachten Vorgänge im A. insgesamt zu einer Ansehens- oder Vertrauensschädigung der Polizei in der Öffentlichkeit geführt haben; diese sind jedoch – wie aufgezeigt – bis auf einen Fall von dem Beamten disziplinarrechtlich nicht zu verantworten.

Das Gericht hält unter Berücksichtigung aller dieser Aspekte daher einen Verweis (§ 9 HDG) für ausreichend, aber auch notwendig, um den Beamten nachhaltig zur Einhaltung seiner Dienstpflichten anzuhalten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 HDG. Danach trägt der Beamte, gegen den im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt wird, die Kosten des Verfahrens.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 6 HDG, § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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