VG Gießen, Beschluss vom 15.12.2010 - 9 L 2306/10.GI
Fundstelle
openJur 2012, 33916
  • Rkr:

Sportwettbüros sind an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten; das Betreiben eines Sportwettbüros stellt eine "werktägliche" Tätigkeit dar.

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird auf 2.500,00 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Die Antragstellerin begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen eine Untersagungsverfügung der Stadt K., mit der ihr die Vermittlung von Sportwetten und die Öffnung ihres Sportwettbüros mit sofortiger Wirkung an Sonn- und Feiertagen untersagt wurden.

Die Antragstellerin betreibt aufgrund ihrer Gewerbeanmeldung seit dem 19. Dezember 2007 ein Sportwettbüro in der Betriebsstätte C-Straße, D-Stadt. Im Rahmen von Überprüfungen durch Beamte der Polizeistation Stadtallendorf wurde festgestellt, dass das Sportwettbüro der Antragstellerin an nachfolgenden Sonntagen geöffnet war: 22. November 2009 (Totensonntag), 25. April 2010, 2. Mai 2010, 20. Juni 2010 sowie am 27. Juni 2010. Zum Zeitpunkt der jeweiligen Kontrollen war zumeist Kundenverkehr zu verzeichnen, und der Bildschirm für die Annahme von Sportwetten war in der Regel in Betrieb. Nach vorheriger Anhörung untersagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit Untersagungsverfügung vom 16. Juli 2010 mit sofortiger Wirkung die Tätigkeit der Vermittlung von Sportwetten an Sonn- und Feiertagen (Ziffer 1 der Verfügung), gab der Antragstellerin auf, mit sofortiger Wirkung ihr Sportwettbüro, C-Straße, D-Stadt, an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten (Ziffer 2 der Verfügung), drohte der Klägerin für den Fall der Zuwiderhandlung gegen die Anordnungen zu Ziffern 1 und 2 die Festsetzung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,00 Euro an (Ziffer 3 der Verfügung) und ordnete schließlich unter Ziffer 4 der Verfügung die sofortige Vollziehung gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO an. Wegen der Begründung wird auf die Untersagungsverfügung vom 16. Juli 2010 Bezug genommen.

Mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 19. August 2010 legte die Antragstellerin Widerspruch gegen die Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2010 ein.

Ebenfalls mit Schreiben ihrer Bevollmächtigten vom 19. August 2010 hat die Antragstellerin einen Antrag auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes gestellt. Zur Begründung des Eilantrages haben die Bevollmächtigten der Antragstellerin im Wesentlichen vorgetragen, dass der Betrieb eines Sportwettbüros keine werktägliche Geschäftigkeit darstelle und die äußere Ruhe nicht beeinträchtige. Der Aufenthalt im Wettbüro und das Platzieren der Wette stelle eine Freizeitbeschäftigung dar, die der sonn- und feiertäglichen Erholung diene. Zudem läge eine Ungleichbehandlung mit Spielhallenbetreibern, die sonn- und feiertags mit Ausnahme der Zeit von 04:00 Uhr bis 12:00 Uhr Spielhallen betreiben und dort ebenfalls Sportwetten platzieren lassen, vor. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf das Schreiben der Antragstellerbevollmächtigten vom 19. August 2010 verwiesen.

Die Antragstellerin beantragt wörtlich,

die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs vom 19. August 2010 gegen die Verfügung der Stadt K. vom 16. Juli 2010 wiederherzustellen.

Die Antragsgegnerin beantragt,

den Antrag abzuweisen.

Die Antragsgegnerin vertritt die Auffassung, das Betreiben eines Sportwettbüros stelle eine werktägliche Geschäftigkeit dar, die mit dem Sonn- und Feiertagsschutz nicht in Einklang zu bringen sei. Es handele sich bei dem Vermitteln von Sportwetten um keinen sonntagstypischen Bedarf. Das Platzieren einer Sportwette sei bereits in den Tagen vor dem jeweiligen Sportereignis möglich und müsse nicht zwingenderweise an Sonn- und Feiertagen durchgeführt werden. Wegen der Einzelheiten des Vorbringens der Antragsgegnerin wird auf den Schriftsatz vom 6. September 2010 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte (1 Hefter) Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist zulässig. Dabei deutet das Gericht die in der Antragschrift genannte Vertretung der Antragsgegnerin durch ihren Bürgermeister als allgemeine Ordnungsbehörde in eine Vertretung durch ihren Magistrat als Verwaltungsbehörde um. Soweit sich die Antragstellerin gegen die Untersagungsanordnungen in den Ziffern 1 und 2 des angefochtenen Bescheides vom 16. Juli 2010 wendet, ist der Antrag statthaft als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO. Hinsichtlich der Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 des angefochtenen Bescheides vom 16. Juli 2010 ist der Eilantrag statthaft als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 80 Abs. 5 VwGO i. V. m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO, § 16 Satz 1 HessAGVwGO.

Der Eilantrag ist aber unbegründet.

Einstweiliger Rechtsschutz nach § 80 Abs. 5 VwGO ist zu gewähren, wenn die vorzunehmende Interessenabwägung unter Einbeziehung der Erfolgsaussichten in der Hauptsache ergibt, dass das private Interesse der Antragstellerseite, einstweilen von der Vollstreckung verschont zu bleiben, gegenüber dem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit überwiegt. Dies ist regelmäßig dann der Fall, wenn sich der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig erweist, weil an der sofortigen Vollziehung eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes kein öffentliches Interesse bestehen kann. Umgekehrt bleibt das Eilbegehren erfolglos, wenn sich der Ausgang des Hauptsacheverfahrens als offen darstellt oder der Bescheid offensichtlich rechtmäßig ist und ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung besteht. In allen anderen Fällen entscheidet bei summarischer Beurteilung des Sachverhaltes eine Abwägung der beteiligten öffentlichen und privaten Interessen, die für oder gegen die Dringlichkeit der Vollziehung sprechen, über die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes.

Soweit der Eilantrag die mit Bescheid vom 16. Juli 2010 verfügte Untersagung der Vermittlung von Sportwetten an Sonn- und Feiertagen und die Öffnung des Sportwettbüros an Sonn- und Feiertagen betrifft, überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Untersagungsverfügung das private Interesse der Antragstellerin, bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens einstweilen auch an Sonn- und Feiertagen Sportwetten zu vermitteln und deshalb das Sportwettbüro auch an Sonn- und Feiertagen zu öffnen. Denn im Rahmen der allein gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Verfügung. Nach Auffassung des Gerichts hat die Antragsgegnerin vielmehr der Antragstellerin zu Recht auf der Grundlage der §§ 11 und 6 des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung (HSOG) in der Fassung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14) i. V. m. § 6 Abs. 1 des Hessischen Feiertagsgesetzes (HFeiertagsG) vom 29. Dezember 1971 (GVBl I 1971 S. 344) untersagt, Sportwetten an Sonn- und Feiertagen zu vermitteln und der Antragstellerin zudem aufgegeben, ihr Sportwettbüro an Sonn- und Feiertagen geschlossen zu halten. Gemäß § 1 Abs. 1 HFeiertagsG handelt es sich bei Sonntagen um gesetzliche Feiertage. An gesetzlichen Feiertagen sind gemäß § 6 Abs. 1 HFeiertagsG grundsätzlich solche Arbeiten verboten, die geeignet sind, die äußere Ruhe des Tages zu beeinträchtigen, sofern ihre Ausübung nicht nach Bundes- oder Landesrecht besonders zugelassen ist. Eine solche Beeinträchtigung hervorrufen können insbesondere Tätigkeiten, die in ihrer Ausgestaltung und nach ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge wahrgenommen werden und deshalb mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage nicht in Einklang stehen. Zwar hat die Antragstellerin vorgetragen, die Vermittlung von Sportwetten stelle gerade keine werktägliche Geschäftigkeit dar und störe deshalb nicht die äußere Ruhe an Sonn- und Feiertagen. Dieser Ansicht vermag das Gericht indes nicht zu folgen.

Nach Auffassung des Gerichts widerspricht das Wesen eines Wettbüros vielmehr dem Sinn der Sonn- und Feiertage. Denn das Sonntagsarbeitsverbot zielt darauf ab, den Sonn- und Feiertag von normaler Werktagsarbeit freizuhalten. Mit der Zweckbestimmung der Sonn- und Feiertage als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung (vgl. § 5 Abs. 1 HFeiertagsG) stehen daher solche Tätigkeiten nicht im Einklang, die aufgrund ihrer Ausgestaltung und nach ihrem Erscheinungsbild im öffentlichen Leben als typisch werktägliche Lebensvorgänge wahrgenommen werden. Das Betreiben eines Wettbüros ist eine kommerzielle und gewerbsmäßige Handlung, die auf eine Gewinnerzielung ausgerichtet ist. Gerade gewerbliche Tätigkeiten sind an Sonn- und Feiertagen nur dann zulässig, sofern sie der Befriedung sonn- oder feiertäglicher Bedürfnisse dienen. Dem Vortrag der Antragstellerin, der Aufenthalt in ihrem Wettbüro und das Platzieren der Wette stelle eine Freizeitgestaltung dar, die der sonn- und feiertäglichen Erholung diene, kann nicht gefolgt werden. Denn anders als die vom Arbeitsverbot ausgenommenen Tätigkeiten gemäß § 6 Abs. 2 HFeiertagsG dient der Besuch eines Wettbüros und das Platzieren von Wetten nicht der Grundversorgung der Bevölkerung und erfüllt auch keine Bedürfnisse der Freizeitgestaltung. Vielmehr können die Wetten auch an den (Werk-)Tagen vor dem jeweiligen Sportereignis platziert werden (so auch: Hess.VGH, Beschluss vom 18. August 2009 – 8 B 2519/08 -). Unerheblich ist in diesem Zusammenhang der Einwand der Antragstellerin, in den Tagen vor einem Wettereignis würden noch nicht alle wettrelevanten Tatsachen, beispielsweise die Mannschaftsaufstellungen, feststehen. Maßgebend für die Einordnung des Betriebs eines Sportwettbüros als "werktägliche Tätigkeit" ist vielmehr ausschließlich, dass der Abschluss von Sportwetten bereits in den Tagen vor dem Wettereignis möglich ist. Deshalb muss die Möglichkeit, kurz vor Beginn eines Wettereignisses eine besonders Erfolg versprechende Wette zu platzieren, hinter dem Sonn- und Feiertagsschutz zurücktreten.

Schließlich vermag das Gericht auch keine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 GG zwischen dem Sportwettbüro der Antragstellerin und Betrieben der Gastronomie, Kinos oder Spielhallen, in denen auch Sportwetten platziert werden können, zu erkennen. Denn Gastronomiebetriebe, Kinos oder Spielhallen stellen bereits keine taugliche Vergleichsgruppe im Sinne des Art. 3 Abs. 1 GG dar; dies gilt insbesondere im Hinblick auf den Sonn- und Feiertagsschutz. Gastronomiebetriebe, Kinos aber auch Spielhallen dienen gerade in ihrem Hauptzweck der Erfüllung der Freizeitgestaltung unter anderem zur sonn- und feiertäglichen Erholung, was aber nach den obigen Ausführungen auf die Sportwettbüros der Antragstellerin nicht zutrifft.

Nach summarischer Prüfung erweisen sich somit die Ziffern 1 und 2 der Untersagungsverfügung der Antragsgegnerin vom 16. Juli 2010 als rechtmäßig; damit überwiegt das öffentliche Interesse am Sofortvollzug das Interesse der Antragstellerin, vorläufig auch an Sonn- und Feiertagen in ihrem Sportwettbüro Sportwetten anzubieten. Die diesbezüglich für die Anordnung der sofortigen Vollziehung im angefochtenen Untersagungsbescheid gegebene Begründung genügt dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 VwGO. Denn die Antragsgegnerin hat die Anordnung des Sofortvollzuges damit begründet, dass nur so effektiv ein Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Wettbüros verhindert und der Sonn- und Feiertagsschutz gewährleistet werden könne. Damit hat sie eine auf den Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vorgenommen.

Der sinngemäß gestellte Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen die Anordnung unter Ziffer 3 der Verfügung vom 16. Juli 2010 – Androhung eines Zwangsgeldes in Höhe von 1.000,- Euro – ist ebenfalls unbegründet. Denn die Antragsgegnerin hat in Bezug auf die Zwangsgeldandrohung in Ziffer 3 ihres Bescheides von ihrer Ermächtigung aus §§ 2, 69, 76 Hessisches Verwaltungsvollstreckungsgesetz (HVwVG) in formell und materiell rechtmäßiger Weise Gebrauch gemacht; Bedenken gegen die Höhe des Zwangsgeldes bestehen nicht.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen, da sie unterliegt (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Streitwertfestsetzung beruht auf den § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 3 GKG. Mit Rücksicht auf den vorläufigen Charakter des Eilverfahrens hat das Gericht den Streitwert auf die Hälfte des Auffangstreitwertes festgesetzt, mithin 2.500,00 Euro.

Zitate0
Zitiert0
Referenzen0
Schlagworte