OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 01.11.2010 - 5 UF 300/10
Fundstelle
openJur 2012, 33844
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die gerichtlichen undaußergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Beschwerdewert: 3.000,- EURO

Gründe

Die Beteiligten streiten für die Zeit des Getrenntlebens um dieVergütung für die Nutzung der früheren Ehewohnung, die sich in demim Miteigentum der Beteiligten stehenden Haus in O1 befindet, dasder Antragsgegner seit dem Auszug der Antragstellerin, der nach demwidersprüchlichen Vortrag der Beteiligten im ... 2008 nach einem imeinzelnen … streitigen Vorfall stattfand, allein mit einerneuen Lebensgefährtin bewohnt. Der objektive Mietwert der 140 qmgroßen Ehewohnung beträgt insgesamt 600,- EURO, was dieAntragstellerin im Laufe des Verfahrens zugestanden hat, nachdemsie zunächst von 700,- EURO ausging. Die Antragstellerin hat in derZwischenzeit persönliche Sachen aus dem Haus abgeholt, eineabschließende Hausratsteilung steht aus. Inzwischen soll die Ehenach dem Vortrag der Parteien rechtskräftig geschieden sein.

Das hälftige Miteigentum an dem Haus erwarb die Antragstellerinvom Antragsgegner mit notariellem Schenkungsvertrag vom --.--.1994.Zur Begleichung der Finanzierungskosten des Hauses, das derAntragsgegner ursprünglich allein erworben hatte, gewährten ihm dieEltern der Antragstellerin ein zinsloses Darlehen über 90.000,- DM,das der Antragsgegner in monatlichen Raten á 600,- DM in derVergangenheit vollständig tilgte.

Während der Ehezeit erfolgten am Haus verschiedene Investitionenund Instandhaltungsmaßnahmen, unter anderem für Terrasse, Bad,Hoftor, Zaun und Haustür. Für diese und weitere Maßnahmen (u.a.…) will die Antragstellerin – streitig –60.000,- DM und 5.000,- EURO ausgegeben haben, während derAntragsgegner den wesentlichen Teil der Kosten gezahlt haben will.Der Antragsgegner trägt die Kosten für Wartung der Heizung,Schornsteinfeger, Brandversicherung, Grundsteuer undGebäudeversicherung und will im April 2009 – streitig - eineDacherneuerung durchgeführt haben, die fast 8.000,- EURO (Gerüst2.300,- EURO; Ziegel 5.497,31 EURO, Abdeckplane 99,90 EURO)gekostet haben soll.

Die Beteiligten erwarben ferner das hälftige Miteigentum aneinem 180 qm großen luxuriösen Ferienhaus in Land1 auf einem 740 qmgroßen Grundstück. Die Erstellung des Hauses erfolgte im Rahmeneines Bauträgervertrages. Hierfür zahlten die Eltern derAntragstellerin sukzessive insgesamt 480.000,- DM. Das Haus wurdefrüher und wird bis in die Gegenwart im Wesentlichen von den Elternder Antragstellerin genutzt. Nur zu Ferienzeiten nutzten es dieBeteiligten. Eine Fremdvermietung fand nicht regelmäßig statt. DerMietwert des Hauses ist zwischen den Beteiligten streitig. Währendder Antragsgegner davon ausgeht, dass in der Hauptsaison 1000,-EURO/Woche und in der Nebensaison 700,- EURO/Woche zu erzielenseien, meint die Antragstellerin, dass kein Mietwert erzielbar seiund ein Nutzungswert auch nicht an einem Vermietwert berechnetwerden könnte, keinesfalls sei er höher als der Nutzungswert derfrüheren Ehewohnung.

Die Eltern der Antragstellerin haben gegen den Antragsgegner vordem Landgericht Gießen (Az …) Klage auf Rückzahlung derdiesem für den Erwerb der Immobilie in Land1 überlassenen Mittel inHöhe der Hälfte von Gesamtkosten in Höhe von 323.971,- EUROerhoben, die auf den Rechtsgrund der Rückgabe einer gewährtenSchenkung gestützt sein soll.

Dem Antragsgegner, der inzwischen persönliche Gegenstände ausdem Ferienhaus abgeholt hat, wird von der Antragstellerin dieHerausgabe eines 2. Satzes Schlüssel und damit der Zugang zum Hausverweigert. Nach ihrer Vorstellung scheidet eine Nutzung des Hausesdurch den Antragsgegner vollständig aus.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligtenwird auf den Inhalt der Schriftsätze nebst Anlagen Bezuggenommen.

Das Amtsgericht – Familiengericht – Büdingen hatnach wiederholter mündlicher Erörterung mit dem angefochtenenBeschluss den auf der Basis eines Mietwertes von 700,- EUROerrechneten Antrag auf Zahlung seit Januar 2009 rückständigerNutzungsentschädigung in Höhe von 5.250,- EURO nebst Zinsen sowiezukünftige Zahlung einer Nutzungsentschädigung in Höhe vonmonatlich 350,- EURO zurückgewiesen. Wegen der Einzelheiten derBegründung wird auf den Inhalt des Beschlusses Bezug genommen.

Die hiergegen eingelegte Beschwerde der Antragstellerin istzulässig.

Nach Art 111 Abs. 3 FGG-RG ist auf das vor dem 1.9.2009eingeleitete Verfahren neues Verfahrensrecht anzuwenden, da dasVerfahren mit Beschluss vom 22.6.2009 förmlich zum Ruhen gebrachtwurde und erst im November 2009 von der Antragstellerin wiederaufgenommen wurde. Die Zulässigkeit der Beschwerde ergibt sichdanach aus §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1, 58 FamFG.

Der Senat folgt der von dem Amtsgericht und der überwiegendenRechtsprechung und Literaturmeinung vertretenen Auffassung, dasssich der Anspruch auf Nutzungsentschädigung für die Zeit desGetrenntlebens nach § 1361b Abs. 3 Satz 2 BGB richtet. Der BGH(FamRZ 2006, 930) hat die Frage, ob der in der bisherigenEhewohnung verbleibende Ehegatte dem weichenden Ehegatten eineNutzungsvergütung in Anwendung des § 1361b Abs. 3 BGB (in derFassung vom 26. November 2001) auch dann ausBilligkeitsgesichtspunkten zahlen muss, wenn dieWohnungsüberlassung an den bleibenden Ehegatten freiwillig erfolgteund nicht durch eine ihm andernfalls drohende schwere Härtegerechtfertigt war, zwar im Ergebnis nicht abschließend beschieden.Der Gesetzgeber hat aber durch die Reglung des § 1361b Abs. 4 BGBzu erkennen gegeben, dass die Vorschrift auch die Fälle derfreiwilligen und ohne Härtegründe veranlassten Wohnungsräumungumfasst (vgl. BT-Drucksache 14/5429, S. 14, 21, 33). Während derTrennungszeit folgt der Anspruch auf Nutzungsvergütung unter denVoraussetzungen der Billigkeit aus § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB als lexspecialis zu § 745 Abs. 2 BGB (vgl. Palandt, BGB, 69. Auflage, §1361b, Rdnr. 20 m.w.N.).

Nach der Neuregelung des FamFG handelt es sich demgemäß um eineEhewohnung- und Haushaltssache nach §§ 111 Nr. 5, 200 Abs. 1 Nr. 1FamFG als allgemeine Familiensache. Demgegenüber folgen Ansprücheauf Nutzungsentschädigung nach rechtskräftiger Scheidung mangelseiner Anspruchsgrundlage in § 1568a BGB aus § 745 Abs. 2 BGB undhaben den Charakter einer Familienstreitsache in der Gestalt dersonstigen Familiensache im Sinne der §§ 112 Nr. 3, 266 FamFG, fürdie zwar nunmehr auch die Familiengerichte sachlich zuständig sind,die sich aber nach den besonderen Verfahrens- undRechtsmittelvorschriften gemäß §§ 113 ff, 117 FamFG in Verbindungmit den anwendbaren Vorschriften der ZPO richten. Wegen derunterschiedlichen Verfahrensarten können beide Ansprüche nicht ineinem Verfahren verfolgt werden, weshalb der in der Trennungszeiterhobene streitgegenständliche Anspruch nur den Zeitraum bis zurRechtskraft der Scheidung umfasst. Der nicht identische Anspruchfür den Zeitraum nach Scheidung ist als Familienstreitsache in derGestalt der sonstigen Familiensache selbständig geltend zumachen.

In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg.

Ein Zahlungsanspruch auf Nutzungsvergütung nach § 1361b Abs. 3S. 2 BGB entspricht jedenfalls solange nicht der Billigkeit,solange die Antragstellerin dem Antragsgegner die Nutzung derebenfalls im hälftigen Miteigentum stehenden Ferienwohnung in Land1vorenthält. Insoweit folgt der Senat im Ergebnis den Ausführungendes Amtsgerichts in dem angefochtenen Beschluss.

§ 1361b Abs. 3 S. 2 BGB gewährt dem weichenden Ehegatten nichtallein schon wegen der Aufhebung der gemeinsamen Nutzung derEhewohnung einen Vergütungsanspruch, sondern knüpft eine solcheZahlungsverpflichtung an die weitere Voraussetzung, dass dies derBilligkeit entspricht. Für das Vorliegen dieses Kriteriums ist derantragstellende Ehegatte darlegungs- und beweislastbelastet, sodass seine Antragstellung erfolglos bleibt, wenn das Kriterium derBilligkeit nicht zweifelsfrei festgestellt werden kann.

Die gesetzliche Entschädigungsregelung will dem Ehegatten, indessen Miteigentum die Wohnung steht, grundsätzlich die Möglichkeiteröffnen, eine Entschädigung zu verlangen, wenn und soweit ihmsonst eine anderweitige Verwertung seines Eigentumsrechts möglichwäre und dies der Billigkeit entspricht. Eine in Grund und Höhe vonBilligkeitserwägungen abhängige Nutzungsvergütung kommt nicht nurim Falle der Wohnungsüberlassung zur Vermeidung einer schwerenHärte oder bei einer Vereinbarung der Beteiligten in Betracht. EineBilligkeitsprüfung ist auch dann geboten, wenn der eine Ehegattedie bisherige Ehewohnung freiwillig verlässt, ohne dass eineVereinbarung über die Modalitäten der künftigen Alleinnutzungerzielt wurde. Die Zahlung einer Vergütung soll dann eineangemessene Kompensation für das die Trennung überdauernde Rechtdes weichenden Ehegatten darstellen. Dabei kann mit dem Maßstab derBilligkeit auch der Entwicklung Rechnung getragen werden, dass derweichende Ehegatte dem anderen Ehegatten allein durch seinen Auszugeine entgeltliche Alleinnutzung der Wohnung aufdrängt (BGHa.a.O.).

Demgemäß ist der Maßstab der Billigkeit eine Konkretisierung desGrundsatzes von Treu und Glauben. Zu prüfen ist, ob dem weichendenEhegatten aufgrund der sonstigen Umstände, die auch durch dieBesonderheiten der Trennung der Ehegatten beeinflusst sind, undunter Beachtung der beiderseitigen Interessen die Hinnahme derAlleinnutzung ohne Gegenleistung nicht mehr zumutbar ist.

Die Antragstellerin stützt ihr Vergütungsverlangen auf dieMiteigentumshälfte an dem Haus in O1, die ihr von dem Antragsgegnermit der notariellen Urkunde vom --.--.1994 im Wege einer Schenkung,d.h. unentgeltlich, übertragen wurde. Das Anwesen stand vorher imAlleineigentum des Antragsgegners, der hierfür auch sämtlicheErwerbskosten getragen hatte, einschließlich des Darlehens derEltern der Antragstellerin, das er ratenweise tilgte. DasPrivatdarlehen brachte ihm allein den Vorteil, dass keine Zinsen zuzahlen waren. An diesem Vorteil partizipierte die Antragstellerinaber zumindest auch indirekt, da hierdurch das Gesamteinkommen derFamilie während der bestehenden Ehe geringer belastet wurde undinsgesamt mehr Mittel zur Führung der nach § 1353 Abs. 1 S. 2 BGBin wechselseitiger Verantwortung zu führenden Lebensgemeinschaftverfügbar waren.

Soweit die Antragstellerin während der Ehe Investitionen in dasAnwesen in im Einzelnen streitiger Höhe finanzierte, kam sie zumeinen während des Zusammenlebens in den Genuss der dadurcheingetretenen Verbesserungen und nimmt zum anderen aufgrund ihresMiteigentums an jeglicher Wertsteigerung der Immobilie teil,weshalb dieser Vorteil nicht dem Antragsgegner allein zugeflossenist.

Im Rahmen der Billigkeitsprüfung kommt weiter dem UmstandBedeutung zu, dass die Beteiligten Miteigentümer der Immobilie inLand1 sind. Während die Antragstellerin aus dem ihr schenkweiseüberlassenen Miteigentumsanteil an der Ehewohnung einenVergütungsanspruch ableitet, schließt sie den Antragsgegner ohneGegenleistung von der Nutzung der Ferienwohnung aus. DiesenMiteigentumsanteil hatte der Antragsgegner nicht schenkweiseerworben. Dass die Finanzierung durch die Eltern derAntragstellerin erfolgte, führt rechtlich noch nicht zu einemunentgeltlichen Miteigentumserwerb zu Lasten derAntragstellerin.

Soweit die Eltern der Antragstellerin, die ihrerseits einausgeprägtes Eigeninteresse an der Nutzung der Ferienwohnung haben,die gesamten Finanzierungslasten getragen haben, ist bislang nichtsubstantiiert vorgetragen, ob es sich hierbei um eine Geldschenkungan beide Ehegatten handelte oder ob der Antragstellerin von ihrenEltern der Gesamtbetrag als Darlehen zur Verfügung gestellt wurde.Offen ist demgemäß derzeit auch, ob daraus für den Antragsgegnereine Ausgleichspflicht gegenüber der Antragstellerin oder gegenüberihren Eltern folgt (vgl. hierzu BGH FamRZ 2010, 958; 1047; 1542; 1626). Es wird jedochaus der von den Eltern der Antragstellerin gegen den Antragsgegnervor dem Landgericht Gießen erhobenen Zahlungsklage deutlich, dassaus deren Sphäre nicht die Absicht besteht, dem Antragsgegner dieMiteigentumshälfte ohne finanzielle Belastung auch zukünftig zuüberlassen.

Auf diesem Hintergrund stellt sich das Verhalten derAntragstellerin unter dem Gesichtspunkt von Treu und Glauben alswidersprüchlich dar. Während sie ihrerseits aus dem schenkweiseüberlassenen Miteigentumsanteil Ansprüche auf Nutzungsentschädigungableitet, hält sie dem Antragsgegner die Nutzung seinesMiteigentumsanteils vor, obwohl dieser mit finanziellen Belastungenaus dem Erwerb dieses Anteils zugunsten der Familiensphäre derAntragstellerin rechnen muss. Der unstreitig gestellte Jahreswertder Nutzung des Miteigentumsanteils an der Ehewohnung beläuft sichauf 3.600,- EURO. Umgekehrt ist der Antragsgegner aufgrund derVerweigerungshaltung der Antragstellerin gezwungen, für seinezukünftigen Urlaube statt der Nutzung seines MiteigentumsanteilsFremdanmietungen vorzunehmen. Hierbei ist beachtlich, dass für ihnals Miteigentümer nach dem Scheitern der Ehe grundsätzlich keineVeranlassung mehr besteht, den Eltern der Antragstellerin einevorrangige Nutzung des Ferienhauses zu gestatten, sofern insoweitnicht weiterhin bindende ausdrückliche oder konkludentevertragliche Absprachen bestehen. Der finanzielle Aufwand desAntragsgegners für die Anmietung einer Unterkunft in Ferienzeitensteht in einem angemessenen Verhältnis zu dem aus dem Miteigentumder Antragstellerin fließenden Nutzungswert der Ehewohnung.

Solange die Antragstellerin treuwidrig den Antragsgegner von derNutzung seines Miteigentums an dem Ferienhaus ausschließt,erscheint es im Rahmen des § 1361b Abs. 3 S. 2 BGB nicht unbillig,ihr zuzumuten, die alleinige Nutzung der Ehewohnung ohneAusgleichszahlung hinzunehmen.

Der Senat hat gemäß § 68 Abs. 3 S. 2 FamFG ohne erneutemündliche Erörterung entschieden, da diese vor dem Familiengerichtwiederholt durchgeführt wurde und von einer erneuten Vornahme keinezusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG. Die Wertfestsetzungergibt sich aus § 48 Abs. 1 FamFG.