OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 09.11.2010 - 3 U 68/09
Fundstelle
openJur 2012, 33842
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der Einzelrichterinder 31. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main vom 19.02.09wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zutragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistungoder Hinterlegung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betragesabwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheitin gleicher Höhe leistet.

Die Beschwer der Klägerin beträgt 79.734,28 €.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

Die Klägerin macht Ansprüche geltend aus einer bei der Beklagten bestehenden Hausratsversicherung (Blatt 22 f.) wegen eines Brandes vom 20.08.03 im Dachgeschoss des Wohnhauses …Straße … in Ort1. Auf das Vertragsverhältnis sind die VHB 95 anwendbar (Bl. 25 f.). Das genannte Objekt hat die Klägerin als Zweitwohnsitz von der Zeugin Z1, ihrer Tochter, angemietet.

Die Beklagte zahlte vorprozessual am 03.09.03 einen Vorschuss von 25.000,00 € auf die Entschädigung auf das von der Klägerin ihr gegenüber angegebene Konto der X, in Ort2. Die Beklagte erfuhr am 17.02.04 im Rahmen eigener Ermittlungen, dass die Klägerin und ihr Ehemann die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatten und dass über das Vermögen der Klägerin durch Beschluss vom 19.03.03 ein Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet worden war (siehe Blatt 113 in der beigezogenen Akte Amtsgericht Friedberg, Geschäftsnummer …).

Mit Schreiben vom 23.03.04 (Bl. 36) lehnte die Beklagte eine Entschädigungsleistung ab und verlangte den Vorschuss zurück; außerdem erklärte sie die Kündigung des Versicherungsvertrages und verwies auf „unwahre Angaben“ der Klägerin.

Die Klägerin hat vorgetragen, sie habe keine falschen Angaben gemacht und auch ihre Auskunftspflicht nicht verletzt.

Die Beklagte hat erstinstanzlich unter anderem eingewandt, sie sei wegen arglistiger Täuschung über entscheidungserhebliche Umstände leistungsfrei gemäß § 25 VHB 95. Denn die Klägerin habe gegenüber der Beklagten verschwiegen, dass über ihr Vermögen das Verbraucherinsolvenzverfahren eröffnet und dass ein Treuhänder vom Insolvenzgericht eingesetzt worden sei, auf dessen Anderkonto die Entschädigungszahlung hätte gezahlt werden müssen. Um dies zu umgehen, habe die Klägerin die Zahlung des Vorschusses auf ein Konto ihrer Töchter verlangt. Die Klägerin habe auch falsche Angaben zu den Unterbringungskosten gemacht, zum Schmuck und zum Wert des Hausrats sowie zu den Eigentumsverhältnissen an den beschädigten Gegenständen. Die Beklagte sei zudem leistungsfrei wegen vorsätzlicher Obliegenheitsverletzung gemäß § 6 Abs. 3 VVG.

Wegen des weiteren erstinstanzlichen Vortrages der Parteien sowie der erstinstanzlich gestellten Anträgen wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 532 f.).

Das Landgericht hat nach Vernehmung von sieben Zeugen die Klage durch Urteil vom 19.02.09 abgewiesen; es hat ausgeführt, die Beklagte sei gemäß §§ 6 Abs. 3 VVG, 24 Nr. 1 g VHB 95 leistungsfrei, da sie ihre Auskunftspflicht nach Eintritt des Versicherungsfalles vorsätzlich verletzt habe; wegen der näheren Einzelheiten zur Urteilsbegründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug genommen (Bl. 535 f.).

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der diese die Zahlung von 79.734,28 € begehrt abzüglich der Vorschusszahlung von 25.000,00 €; darüberhinaus begehrt die Klägerin die Feststellung, dass sie nicht verpflichtet sei, die Vorschusszahlung von 25.000,00 € an die Beklagte zurückzuzahlen. Die Klägerin führt zur Berufungsbegründung aus, entgegen dem landgerichtlichen Urteil habe sie nur erklärt, Gegenstände gehörten „weitestgehend“ nicht ihr persönlich, sondern „weitestgehend“ ihren Töchtern. Mithin fehle es schon an einer objektiv falschen Auskunft der Klägerin. Was die Eigentumsverhältnisse am verbrannten Schmuck betreffe, so habe die Klägerin bereits erstinstanzlich auf ein diesbezügliches Telefonat mit dem Regulierungsbeauftragten Z2 von der Beklagten verwiesen, in welchem die Klägerin weitere Angaben zu dem verbrannten Schmuck gemacht habe. Das Landgericht habe zudem unberücksichtigt gelassen, dass die Beklagte nach den Eigentumsverhältnissen nicht gefragt habe, auch nicht außergerichtlich, und dass gemäß § 1 Ziffer 3 der VHB 95 ausdrücklich fremdes Eigentum mitversichert sei. Ohnehin ließen sich viele der Gegenstände eigentumsmäßig nicht genau zuordnen, da sie „der Familie“ gehört hätten, weil die gesamte Familie das Objekt in Ferienzeiten genutzt habe. Außerdem fehle es an der Gefährdung der Interessen der Beklagten, da wegen § 1 Ziffer 3 VHB 95 die Eigentumsverhältnisse an den verbrannten Gegenständen völlig unerheblich seien. Zudem fehle es auch am besonders schweren Verschulden der Klägerin. Die Klägerin habe auch keine falschen Angaben zur Einbauküche gemacht, weil sie gerade nicht den Kaufpreis der Ersatzküche geltend mache, sondern Ersatz für die alte, bis zum Brand voll funktionsfähige Küche verlange. Was die Insolvenzeröffnung sowie den diesbezüglichen Beschluss vom 19.03.03 betreffe, so habe die Beklagte danach nicht gefragt. Und ungefragt sei die Klägerin nicht verpflichtet gewesen, der Beklagten davon Mitteilung zu machen. Wegen der näheren Einzelheiten zum diesbezüglichen Klägervortrag wird insbesondere Bezug genommen auf den Inhalt der Schriftsätze vom 28.07.2010 und vom 13.10.2010.

Die Klägerin beantragt,

das landgerichtliche Urteil abzuändern und1. die Beklagte zu verurteilen, an sie 79.734,28 € nebst Zinsen in Höhe von 5% über dem Basiszinssatz seit dem 23.03.2004 abzüglich am 03.09.2003 gezahlter 25.000,00 € zu zahlen,2. festzustellen, dass die Klägerin nicht verpflichtet sei, die am 03.09.2003 ausbezahlte Vorschussleistung in Höhe von 25.000,00 € aufgrund des Versicherungsfalles vom 20.08.2003 zur Schadensnummer: …, zurückzuzahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die Klägerin habe falsche Angaben zu den Eigentumsverhältnissen an den verbrannten Gegenständen gemacht. Der diesbezügliche Tatbestands-Berichtigungsantrag sei vom Landgericht zu Recht zurückgewiesen worden. Insbesondere hätte die Klägerin darauf hinweisen müssen, dass sie nicht Eigentümerin des Schmuckes gewesen sei; dies hätte die Klägerin auch ungefragt mitteilen müssen. Mit ihren falschen Angaben zu den Eigentumsverhältnissen, dem Verschweigen des laufenden Insolvenzverfahrens gegenüber der Beklagten und dem Verschweigen des Zweitwohnsitzes gegenüber dem Treuhänder habe die Klägerin jegliche Nachforschungen unterbinden wollen, um am Treuhänder vorbei Zahlungen der Beklagten an ihre Töchter zu bewirken. Es sei auch ungewöhnlich, dass trotz des Insolvenzverfahrens sich Gegenstände von erheblichem Wert in der versicherten Wohnung befunden haben sollen. Hinsichtlich der Einbauküche liege zudem eine arglistige Täuschung der Klägerin vor, nachdem diese eingeräumt habe, die verbrannte Einbauküche habe durch eine bereits angeschaffte Einbauküche ersetzt werden sollen. Die Beklagte behauptet außerdem, ihr Regulierungsbevollmächtigter Z2 habe am 26.08.03 den Schadensort in Augenschein genommen und dabei die Klägerin ausdrücklich danach gefragt, ob der Auszahlung einer Entschädigung an sie irgendwelche Hinderungsgründe rechtlicher oder tatsächlicher Art entgegenstehen würden oder ob sie uneingeschränkt empfangsberechtigt sei und eine Zahlung an sie erfolgen könne; die Klägerin habe daraufhin angegeben, dass einer Auszahlung an sie keine Zahlungshindernisse entgegenstehen würden, die Zahlung solle auf das von ihr genannte Konto der X erfolgen. Die Beklagte vertritt im Übrigen die Auffassung, die Klägerin sei auch ungefragt verpflichtet gewesen, der Beklagten von der Insolvenzeröffnung und dem weiteren Inhalt des Beschlusses des Insolvenzgerichts vom 19.03.03 Mitteilung zu machen.

Das Berufungsgericht hat die aus dem Protokoll der Sitzung vom 02.02.2010 ersichtliche Hinweise erteilt (Bl. 645 f.). Am 23.03.2010 ist ein Hinweis- und Beweisbeschluss verkündet worden (Bl. 665 f.). Wegen der Vernehmung des Zeugen Z2 wird auf die Sitzungsniederschrift vom 05.10.2010 Bezug genommen (Bl. 723). Der Zeuge Z1 ist im Hinblick auf die Aussage des Zeugen Z2 im allseitigen Einvernehmen nicht vernommen worden.

Die zulässige Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Dabei kann dahinstehen, ob die Beklagte aus den vom Landgericht in dem angegriffenen Urteil vom 19.02.09 genannten Gründen leistungsfrei ist. Denn die Beklagte ist jedenfalls gemäß § 34 VVG a. F. in Verbindung mit § 6 Abs. 3 VVG a. F. leistungsfrei, da die Klägerin nach Eintritt des Versicherungsfalles gegenüber der Beklagten verschwiegen hat, dass gegen sie am 19.03.2003 das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist mit der Maßgabe, dass der Klägerin die Verfügung über ihr gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen für die Dauer des Insolvenzverfahrens verboten und einem Treuhänder übertragen worden ist und dass schuldbefreiende Leistungen an die Klägerin nach dem Eröffnungszeitpunkt nicht mehr erfolgen konnten.

Allerdings ist durch die am 05.10.10 durchgeführte Beweisaufnahme die in Ziffer 2 des Beschlusses vom 23.03.2010 genannte Behauptung der Beklagten nicht bewiesen worden. Ungeachtet dessen ist jedoch unstreitig, dass der Zeuge Z2 als Regulierungsbeauftragter kurze Zeit nach Schadenseintritt einen Besichtigungstermin vor Ort vorgenommen hat (B. 133) und dass die Klägerin nach dem Brand – schriftlich, mündlich oder fernmündlich – der Beklagten mitgeteilt hat, die Versicherungsleistung solle auf das Konto X, Ort2, Kontonummer …, BLZ …, gezahlt werden. Dementsprechend hat die Beklagte am 03.09.03 den Vorschuss von 25.000,00 € auf dieses von der Klägerin angegebene Konto überwiesen (Bl. 35/116). In dem nachfolgenden Schreiben vom 09.11.03 (Bl. 117) hat die Klägerin die Beklagte aufgefordert, die restliche Entschädigungszahlung solle auf das „Ihnen bekannte Konto“ erfolgen.

Unstreitig verhielt es sich so, dass in einem Verbraucherinsolvenzverfahren über das Vermögen der Klägerin (Amtsgericht Friedberg, Az.: …) durch Beschluss vom 19.03.03 das Insolvenzverfahren wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet und ein Treuhänder bestellt worden war; außerdem heißt es in diesem der Klägerin bekanntgegebenen Beschluss, der Klägerin werde die Verfügung über ihr gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen für die Dauer des Insolvenzverfahrens verboten und dem Treuhänder übertragen; schuldbefreiende Leistungen an die Klägerin könnten nach dem Eröffnungszeitpunkt nicht mehr erfolgen; werde gleichwohl an die Klägerin geleistet und gelangten die Mittel nicht zur Masse, bestehe die Gefahr der nochmaligen Leistungsverpflichtung gegenüber dem Treuhänder.

Daran hatte sich bis zum 03.09.03 bzw. 09.11.03 nichts geändert; das Insolvenzverfahren war erst zum 19.03.09 beendet (Bl. 646). Unstreitig hat die Klägerin die Beklagte weder bei dem Besichtigungstermin des Zeugen Z2 noch bei der Nennung des Empfangskontos von dem Inhalt des Beschlusses vom 19.03.03 in Kenntnis gesetzt. Nach Auffassung des Berufungsgerichts war sie dazu jedoch – auch ungefragt – verpflichtet.

Der Klägerin ist allerdings zuzugeben – worauf diese insbesondere in ihren Schriftsätzen vom 28.07. und 13.10.10 hingewiesen hat -, dass der Versicherungsnehmer nach Eintritt des Versicherungsfalles grundsätzlich nur Auskünfte auf Verlangen des Versicherers zu erteilen hat. Dazu können auch Fragen nach den Vermögensverhältnissen des Versicherungsnehmers gehören oder nach Gründen, die einer Entschädigungszahlung an ihn entgegenstehen. Nach dem oben Gesagten kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Beklagte der Klägerin eine solche Frage gestellt hat; und in § 24 Nr. 1 VHB 95 ist eine diesbezügliche konkrete Auskunftspflicht nicht enthalten. Auf den Grundsatz, dass der Versicherungsnehmer die Leistungsverpflichtung des Versicherers betreffende Erklärungen nicht unaufgefordert abgeben muss, hat auch der Bundesgerichtshof in der von der Klägerin in Bezug genommenen Entscheidung Versicherungsrecht 2006, 258 hingewiesen. In dieser Entscheidung wird allerdings nicht ausgesprochen, dass von diesem Grundsatz keine Ausnahme zulässig sei. Und die dortige Fallgestaltung ist mit der vorliegenden nicht vergleichbar. Denn in dem genannten Fall hatte der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer seine Vermögensverhältnisse als „geordnet“ bezeichnet und dabei die zwei Jahre zurückliegende Abgabe der eidesstattlichen Versicherung verschwiegen. Unter diesen Umständen hat der BGH zusätzliche Aufklärung verlangt, damit geprüft werden könne, ob die Bezeichnung der Vermögensverhältnisse als „geordnet“ unter diesen Umständen als zutreffend oder aber als „verkürzt“ zu beurteilen sei. Im vorliegenden Fall geht es primär nicht um das Verschweigen der Abgabe der eidesstattlichen Versicherung und die sich darin dokumentierende Verschlechterung der Vermögenslage; es geht auch nicht primär um das Verschweigen der – nur ca. ein halbes Jahr - zurückliegenden Insolvenzeröffnung. Vielmehr geht es zentral darum, dass der Klägerin durch den Beschluss vom 19.03.03 die Verfügung über ihr gegenwärtiges und zukünftiges Vermögen für die Dauer des Insolvenzverfahrens verboten und einem Treuhänder übertragen worden war. Die Klägerin durfte mithin nicht, wie sie es getan hat, Zahlung des Vorschusses bzw. des Entschädigungsbetrages auf ihr eigenes Konto bzw. das ihrer Töchter verlangen, sondern nur Zahlung auf das Konto des Treuhänders. Darüberhinaus war die Klägerin im Beschluss vom 19.03.03 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass Zahlungen Dritter an sie keine schuldbefreiende Wirkung mehr haben würden und der Dritte in diesem Fall ungeachtet seiner Zahlung der Gefahr einer nochmaligen Leistungsverpflichtung gegenüber dem Treuhänder ausgesetzt sein könne, womit im Übrigen auch der in § 27 Nr. 4 a VHB 25 genannte Fall angesprochen war. Angesichts dieser besonderen Gefährdung der Vermögensinteressen der Beklagten im vorliegenden Fall ist es nach Auffassung des Berufungsgerichts treuwidrig, wenn sich die Klägerin darauf beruft, sie hätte abwarten dürfen, bis die Beklagte von sich aus die Frage nach etwaigen Zahlungshinderungsgründen stellen würde. Tatsächlich hat die Beklagte erst nach der Durchführung eigener, aufwendiger Ermittlungen und nach der Vorschusszahlung Kenntnis von der Insolvenzeröffnung erlangt. Vielmehr gilt auch im Rahmen von § 34 VVG a. F. der auf das gesamte Zivilrecht anwendbare Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Danach ist der Versicherungsnehmer – ausnahmsweise – verpflichtet, auch ungefragt dem Versicherer Auskünfte jedenfalls dann zu erteilen, wenn für jedermann erkennbar dessen Aufklärungsinteresse in ganz elementarer Weise berührt worden ist und es um Informationen geht, deren Bedeutung für den Versicherer aus der Sicht des Versicherungsnehmers auf der Hand liegt (vgl. Römer/Landheid, VVG, 1. Aufl., § 34, Rdnr. 4; OLG Köln in Recht und Schaden, 1990 284). Im vorliegenden Fall lag es jedoch für jedermann auf der Hand, dass die Beklagte an der Kenntnis des Inhaltes des Beschlusses vom 19.03.03 ein elementares Interesse haben musste, weil sie andernfalls Gefahr lief, die Entschädigung zweimal zahlen zu müssen.

Soweit die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 13.10.10 auf die Verbraucherschutzrichtlinien der Europäischen Union hinweist sowie auf eine zunehmend verbraucherfreundliche Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, rechtfertigt auch dies eine andere Beurteilung des vorliegenden Einzelfalles nicht. Denn ungeachtet der Gesichtspunkte des Verbraucherschutzes bleibt – auch im Rahmen von Versicherungsverträgen – der Grundsatz von Treu und Glauben weiterhin anwendbar. Und wenn die Klägerin verlangt, die beklagte Versicherung hätte im Rahmen von § 24 VHB 95 Fragen oder Auskunftspflichten zur wirtschaftlichen Situation des Versicherungsnehmers aufnehmen müssen, andernfalls sei der Versicherungsnehmer überfordert, so überzeugt auch dies nicht. Es ist nämlich gar nicht möglich, sämtliche nach § 242 BGB in Betracht kommenden Auskunftspflichten abschließend zu formulieren, weil nicht alle in Betracht kommenden Einzelfallgestaltungen vorhersehbar sind. Mithin muss der Rückgriff auf § 242 BGB offen bleiben, wie sich dies im Übrigen auch aus § 24, Nr. 1 g VHB 95 durch die Formulierung „billigerweise“ ergibt. Dadurch tritt auch keine Überforderung des Versicherungsnehmers ein.

Denn, wie oben dargelegt, ist die Pflicht zur ungefragten Mitteilung auf ganz wenige, offenkundige und für jedermann als relevant erkennbare Umstände beschränkt. Dementsprechend ist im Übrigen auch im Rahmen von § 123 BGB anerkannt, dass ein Vertragspartner besonders wichtige Umstände, die für die Willensbildung des anderen Teils offensichtlich von ausschlaggebender Bedeutung sind, auch ungefragt offenbaren muss (vgl. BGH NJW 71, 1799; 79, 2243).

Die gesetzliche Vorsatzvermutung des § 6 Abs. 3 VVG ist von der Klägerin nicht widerlegt worden. Der Beschluss vom 19.03.03 lag zum Zeitpunkt des Eintritts des Versicherungsfalles noch nicht einmal ein halbes Jahr zurück. Dessen Bedeutung und die sich daraus ergebende besondere Gefährdung der Interessen der Beklagten muss der Klägerin, die früher als Versicherungs- und Vermögensverwalterin gearbeitet hat (Bl. 646 d. A.), völlig klar gewesen sein. Es spricht alles dafür, dass das Begehren der Klägerin auf Zahlung der Entschädigungssumme auf ein Konto ihrer Töchter (Bl. 130) – unter Verschweigen des Beschlusses vom 19.03.03 – den Versuch dargestellt hat, das Insolvenzverfahren zu umgehen und der Masse zustehende Entschädigungszahlungen zum Nachteil ihrer Gläubiger ihren Töchtern zukommen zu lassen. Darauf, ob diese Zahlungen jedenfalls in wirtschaftlicher Hinsicht zumindest weitestgehend ihren Töchtern zustehen, wie die Klägerin einwendet, kommt es nicht an. Denn in rechtlicher Hinsicht, worauf es allein ankommt, stehen etwaige Entschädigungszahlungen der Klägerin als Versicherungsnehmerin zu und hätten daher an die Masse erfolgen müssen, mithin auf das Konto des Treuhänders. Dies muss die Klägerin im Hinblick auf ihre frühere berufliche Tätigkeit genau gewusst haben.

Da die Obliegenheitsverletzung der Klägerin nicht folgenlos geblieben ist - die Beklagte hat die Vorschussleistung von 25.000,00 € auf das von der Klägerin genannte Konto und nicht auf das Konto des Treuhänders erbracht- kommt es auch nicht auf die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über die für den Eintritt der Leistungsfreiheit erforderliche Relevanz einer folgenlos gebliebenen vorsätzlichen Verletzung der Auskunftsobliegenheit an. Dem steht auch nicht entgegen, dass der Vorschussbetrag nachträglich, nach dem die Beklagte mit ihrem Schreiben vom 23.03.04 (Bl. 36) erfolglos die Rückzahlung des Vorschusses verlangt hat, offenbar doch noch zur Insolvenzmasse gelangt ist. Darüberhinaus hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 09.11.03 auch die Zahlung des weitergehenden Entschädigungsbetrages auf das Konto X verlangt, und zwar erneut ohne Mitteilung des Beschlusses vom 19.03.03, was sich als erneute Vermögensgefährdung der Beklagten darstellt.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war zuzulassen, da die Frage, unter welchen Umständen der Versicherungsnehmer gegenüber dem Versicherer nach Eintritt des Versicherungsfalles auch ungefragt auskunftspflichtig ist, von grundsätzlicher Bedeutung ist und eine präzisierende Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 II ZPO).