OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 07.07.2010 - 4 U 21/10
Fundstelle
openJur 2012, 33337
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers sowie die Anschlussberufung desbeklagten Landes gegen das Urteil des Landgerichts Frankfurt amMain – 2. Zivilkammer – vom 11.01.2010 werdenzurückgewiesen.

Die Kosten des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung aus dem Urteil durchSicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 115 % desaufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nichtzuvor das beklagte Land Sicherheit in Höhe von 115 % des jeweils zuvollstreckenden Betrages leistet.

Gründe

A.

Der Kläger nimmt als Insolvenzverwalter über das Vermögen des A, Stadt1, das beklagte Land aus Insolvenzanfechtung auf Rückzahlung von Steuerzahlungen in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 11.01.2010 Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage teilweise stattgegeben und unter Klageabweisung im Übrigen das beklagte Land verurteilt, an den Kläger 71.383,55 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 05.12.2005 und außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.214,96 € nebst Zinsen zu zahlen. Die Teilstattgabe hat das Landgericht auf den Anfechtungsgrund des § 131 Abs. 1 Nr. 1 und 2 InsO gestützt. Bei den vom Kläger dargelegten Zahlungen innerhalb des 3-Monats-Zeitraums (07.07. – 07.10.2004) sowie den erbrachten Zahlungen nach Zugang des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 07.10.2004 handele es sich um inkongruente Deckungen im Sinne der genannten Vorschrift. Es sei ab dem 3. Monat vor dem Eröffnungsantrag auch von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners auszugehen. Dieser habe zu diesem Zeitpunkt neben den erheblichen Steuerrückständen noch weitere Zahlungsrückstände, die er nicht habe befriedigen können, gehabt. Der Anspruch auf Ersatz der außergerichtlichen Kosten folge aus § 286 BGB.

Die Klageabweisung hat das Landgericht damit begründet, dass vor dem Juli 2004 (zwischen Dezember 2002 und Juni 2004) der Kläger eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht hinreichend dargetan habe. Da der Geschäftsbetrieb des Schuldners stets Gewinne abgeworfen habe und nur wegen des überschwänglichen privaten Lebenswandels des Schuldners und seiner darauf beruhenden erheblichen Privatentnahmen das vorhandene liquide Vermögen nicht ausgereicht habe, sämtliche fälligen Verbindlichkeiten zu befriedigen, könne lediglich von einer Zahlungsunwilligkeit nicht aber von einer Zahlungsunfähigkeit als dauerndem Unvermögen, offene Forderungen zu begleichen, ausgegangen werden. Außerdem lasse sich die für den geltend gemachten Anspruch nach § 133 Abs. 1 InsO erforderliche Kenntnis des beklagten Landes vom Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners nicht feststellen. Es könne daher dahingestellt bleiben, ob es sich bei den vom Schuldner an den anwesenden Vollziehungsbeamten geleisteten Scheck – und Barzahlungen um Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129 ff InsO gehandelt habe.

Gegen diese ihm am 25.01.2010 zugestellte Entscheidung wendet sich der Kläger mit der am 01.02.2010 eingelegten und mit gleichem Schriftsatz begründeten Berufung, mit der er seine ursprünglichen Klageanträge weiter verfolgt. Er macht geltend, dass es sich bei allen angefochtenen Scheckzahlungen, Überweisungen und Barzahlungen um „Rechtshandlungen“ des Schuldners im Sinne der §§ 129 ff InsO gehandelt habe. Der Schuldner habe zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst erwarteten Vollstreckung bei allen Zahlungen eigenständig, selbstbestimmt und freiwillig darüber entschieden, ob er sie erbringe oder verweigere. Da die Konten nicht gepfändet gewesen seien, habe der Vollziehungsbeamte im Rahmen der Vollstreckung keine Handhabe gehabt, den Schuldner zu einer Überweisung oder Übergabe eines Schecks zu zwingen. Auch die Barzahlungen seien Rechtshandlungen des Schuldners. Dass ein Schuldner nur unter dem Druck der drohenden Zwangsvollstreckung zahle, rechtfertige keine Gleichsetzung mit Vermögenszugriffen, die durch Vornahme von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgten.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts sei der Schuldner schon im Dezember 2002 zahlungsunfähig gewesen. Gerade die Nichtzahlung bzw. schleppenden Zahlungen von Steuerschulden seien allgemein ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit. Schon bei Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung am 10.12.2002 bezüglich der Verbindlichkeit über 87.282,48 € mit dem Finanzamt sei der Schuldner nicht mehr in der Lage gewesen, seine Verbindlichkeiten zu befriedigen. Außerdem habe der Bundesgerichtshof ein Indiz für die Zahlungsunfähigkeit - ohne Vorlage einer Liquiditätsbilanz – bereits darin erkannt, dass zum Zeitpunkt der Vornahme der anfechtbaren Rechtshandlungen fällige Verbindlichkeiten bestanden haben, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden seien. Im Übrigen hätten die bereits zum Zeitpunkt des Abschlusses des Ratenzahlungsvergleiches am 10.12.2002 bestehenden fälligen Verbindlichkeiten in einer Gesamthöhe von 206.890,99 € (87.282,48 € Finanzamt, 118.348,51 € Bundesknappschaft, 1.260 € Landeswohlfahrtsverband) weit mehr als 10 % der Gesamtverbindlichkeiten ausgemacht. Dass der Geschäftsbetrieb des Schuldners Gewinne erwirtschaftet habe, stehe der Annahme der Zahlungsunfähigkeit nicht entgegen.

Sein Beweisangebot, den Schuldner zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen in 2002 zu hören, habe vom Landgericht auf keinen Fall übergangen werden dürfen.

Das Finanzamt habe entgegen der Annahme des Landgerichts den Gläubigerbenachteiligungsvorsatz des Schuldners gekannt. Da sämtliche Zahlungen im Rahmen bzw. zur Abwendung von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erfolgt seien, habe das Finanzamt die Inkongruenz der gewährten Deckung – ein wesentliches Beweisanzeichen – gekannt. Bereits die Ratenzahlungsvereinbarung vom 10.12.2002 habe dem Finanzamt die Kenntnis vermittelt, dass der Schuldner nicht innerhalb von 3 Wochen die damals offenen Steuerschuld von 87.282,48 € habe begleichen können. Ein weiteres Indiz sei, dass ein am 19.08.2003 von einem Vollziehungsbeamten des Finanzamtes eingezogener Scheck über 16.000 € mangels Deckung am 21.08.2003 rückbelastet worden sei. Mit den am 15.04.2004 erlangten Barbeträgen seien Einkommenssteuerrückstände aus den Jahren 1999 und 2000 sowie rückständige Umsatzsteuer für das Jahr 2000 getilgt worden.

Das beklagte Land verteidigt unter Bezugnahme auf sein erstinstanzliches Vorbringen die landgerichtliche Entscheidung und beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Mit der binnen verlängerter Berufungserwiderungsfrist erhobenen Anschlussberufung wendet sich das beklagte Land gegen die Verurteilung zur Erstattung außergerichtlicher Anwaltskosten in Höhe von 1.214,96 € nebst Zinsen und beantragt, in Abänderung des Urteils des Landgerichts die Klage auch insoweit abzuweisen.

Es fehle an den Voraussetzungen des Verzugseintritts. Es habe vor Klageerhebung keine Kenntnis davon gehabt, dass die im Zeitfenster der letzten 3 Monate vor Antragstellung bargeldlos geleisteten Zahlungen zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben.

Der Kläger beantragt, die Anschlussberufung zurückzuweisen und führt in der Sache aus, dass dem beklagten Land aufgrund der – unstreitig – umfangreichen außergerichtlichen Korrespondenz im Rahmen der Vergleichsbemühungen bewusst gewesen sei, dass die hier relevanten Zahlungen des Schuldners zu einer Gläubigerbenachteiligung geführt haben.

B.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache bleibt das Rechtsmittel aber ohne Erfolg. Zutreffend hat das Landgericht die Anfechtungsvoraussetzungen hinsichtlich der erbrachten Zahlungen außerhalb des 3-Monats-Zeitraums nach § 133 Abs. 1 InsO verneint.

I.

Das Landgericht hat dabei die von den Parteien problematisierte Frage, ob es sich bei den angefochtenen Zahlungen im Zeitraum vom 20.12.2000 – 30.06.2004 um „Rechtshandlungen“ im Sinne der §§ 129 ff InsO gehandelt hat, offen lassen dürfen. Diese Frage bedarf auch in zweiter Instanz keiner abschließenden Klärung.

Zwar stellt sich, da nach unbestritten gebliebenem Vorbringen des Klägers sämtliche angefochtenen Zahlungen im Rahmen bzw. zur Abwehr von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen erbracht wurden, die Frage, ob diese auf einem willensgesteuerten Handeln des Schuldners beruhten. Soweit es sich um Rechtshandlungen im Vorfeld einer erst angedrohten Vollstreckung handelt, ist diese Frage nach mittlerweile gefestigter Rechtsprechung unter weitgehender Zustimmung der Literatur (BGH NJW 2010, 1671, 1672 mit weiteren Nachweisen) zu bejahen. Leistet der Schuldner zur Abwendung einer ihm angedrohten, demnächst zu erwartenden Vollstreckung, so ist er ohne weiteres noch in der Lage, über den angeforderten Betrag nach eigenem Belieben zu verfügen. Anstatt ihn an den Gläubiger zu zahlen, kann er ihn auch selbst verbrauchen, Dritten zuwenden oder Insolvenzantrag stellen.

Auch nach bereits begonnener Einzelzwangsvollstreckung sind Scheckbegebungen Rechtshandlungen im Sinne der §§ 129 ff InsO, erfordern diese doch zwingend, dass der Schuldner noch freien Zugriff auf sein Girokonto hat (BGH, a. a. O., Seite 1673).

Hinsichtlich der erfolgten Barzahlungen am 13.02., 30.03., 15.04. und 27.05.2004 an den Gerichtsvollzieher dürfte nach bisherigem Sach- und Streitstand eine Rechtshandlung zu verneinen sein. In aller Regel ist davon auszugehen, dass derartige Zahlungen keine eigenen Rechtshandlungen des Schuldners mehr sind. Übergibt ein Schuldner dem vollstreckungsbereit anwesenden Gerichtsvollzieher Bargeld, auf dass dieser andernfalls sogleich zugreifen könnte, liegt kein freier Willensentschluss zur Leistung mehr vor; vielmehr kommt der Schuldner in einer solchen Situation nur dem sonst unabwendbaren Zugriff des Gerichtsvollziehers zuvor. Anderes gilt nur dann, wenn dessen Zugriff mit einiger Wahrscheinlichkeit tatsächliche Hindernisse – etwa die Verwahrung in einer „schwarzen Kasse“ oder einem Versteck – entgegen gestanden hätten. Der Vortrag derartiger Besonderheiten obliegt dem Kläger als Insolvenzverwalter, weil er die anspruchsbegründenden Voraussetzungen und mithin auch die Rechtshandlungen des Schuldners darzulegen hat (BGH, a. a. O. Seite 1674).

Der Kläger war auf diesen Gesichtspunkt – mit Gelegenheit zum weiteren Vortrag – nicht hinzuweisen, weil im vorliegenden Fall die Frage des Vorliegens einer Rechtshandlung keiner abschließenden Klärung bedarf. Der Anfechtungsanspruch aus § 133 InsO scheitert hier jedenfalls am fehlenden Gläubigerbenachteilungsvorsatz des Schuldners.

II.

Es lässt sich nicht feststellen, dass der Schuldner sich zumindest die Benachteiligung der Gläubiger als möglich vorgestellt, sie aber in Kauf genommen hat, ohne sich durch die Vorstellung dieser Möglichkeit von seinem Handeln abhalten zu lassen (BGH Z 155, 75, 84 mit weiteren Nachweisen). Zur Feststellung des Benachteiligungsvorsatzes hat die Rechtsprechung im Laufe der Zeit bestimmte aus der Lebenserfahrung abgeleitete Grundsätze entwickelt.

1. Von einer inkongruenten Deckung, die regelmäßig ein starkes Beweisanzeichen für einen Benachteiligungsvorsatz darstellt, kann bezüglich der angefochtenen Zahlungen vom 20.12.2002 bis 30.06.2004 in Höhe von insgesamt 280.377,37 € nicht ausgegangen werden. Leistungen, die außerhalb des 3-Monats-Zeitraums der §§ 130, 131 InsO zur Abwendung der Zwangsvollstreckung geleistet werden, sind grundsätzlich als kongruent anzusehen (BGH Z 155, 80, 82; Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung (nachfolgend: HK/Kreft, 5. Auflage, § 131 Rn. 9; Kirchhof in Münchener Kommentar, InsO, 2. Auflage, § 131 Rn. 26, 26 c).

2. Auch sonstige Beweisanzeichen tragen die Feststellung eines Gläubigerbenachteilungsvorsatzes des Schuldners bereits zum Dezember 2002 nicht.

a) Der Bundesgerichtshof geht in der Regel davon aus, dass der Schuldner die angefochtene Rechtshandlung mit Benachteilungsvorsatz vorgenommen hat, wenn er zur Zeit ihrer Wirksamkeit (§ 140 InsO) zahlungsunfähig war (BGH Z 155, 75, 84). Der Schuldner ist nach § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Dies ist nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs anzunehmen, wenn die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr beträgt, soweit nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass diese Lücke innerhalb von 3 Wochen (fast) vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein solches Zuwarten zuzumuten ist (BGH Z 163, 134, 142 f). Zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit im Sinne des § 17 Abs. 2 Satz 1 InsO kann eine Liquiditätsbilanz aufzustellen sein. Dabei sind die im maßgeblichen Zeitpunkt verfügbaren und innerhalb von 3 Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu setzen zu den am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten (BGH Z 163, 134, 138; HK/Kirchhof, a. a. O. § 17 Rn. 24).

Davon ausgehend fehlt es im vorliegenden Fall für eine so begründete Feststellung der Zahlungsunfähigkeit bereits an einer Darstellung zur Höhe der fälligen Gesamtverbindlichkeiten des Schuldners zu den jeweiligen Zahlungsterminen.

b) Eine Zahlungsunfähigkeit des Schuldners zu den jeweiligen Leistungsterminen kann auch aus dem Vortrag, es hätten an diesen Tagen bestimmte Verbindlichkeiten (Beitragsrückstand Bundesknappschaft 118.348,51 €; Forderung Landeswohlfahrtsverband Hessen 1.260 €) bestanden, die bis zur Insolvenzeröffnung nicht mehr bezahlt wurden, nicht hergeleitet werden. Es bedarf zwar zum Nachweis der Zahlungsunfähigkeit nicht in jedem Fall der Aufstellung einer Liquiditätsbilanz, in der die verfügbaren und binnen 3 Wochen flüssig zu machenden Mittel in Beziehung zu dem am selben Stichtag fälligen und eingeforderten Verbindlichkeiten zu setzen sind. Nach dem eröffneten Insolvenzverfahren kann bei einer Anfechtung – anders als bei der prospektiven Frage, ob ein Insolvenzeröffnungsgrund nach § 17 Abs. 1 InsO vorliegt oder ob den GmbH-Geschäftsführer nach § 64 GmbH-Gesetz die Antragspflicht trifft – der Nachweis einer Zahlungsunfähigkeit auch in vereinfachter Form geführt werden. Anders als bei der Entscheidung über die Stellung des Insolvenzantrages oder die Insolvenzeröffnung, welche eine Prognose über die künftige Begleichung von Forderungen anstellen muss, kann im Anfechtungsverfahren häufig im Nachhinein festgestellt werden, ob und was der Schuldner zahlen konnte. Im Anfechtungsverfahren genügt regelmäßig für den Nachweis der Zahlungsunfähigkeit die Feststellung, dass zu dem fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen wurden. Allerdings müssen diese Verbindlichkeiten einen wesentlichen Teil der fälligen Verbindlichkeiten zum Stichtag darstellen (HK/Kreft, a.a.O. § 130 Rn.16). Um die Wesentlichkeit der offenen, nicht ausgeglichenen Verbindlichkeit feststellen zu können, bedarf es eines Wissens darüber, wie hoch zu diesem Zeitpunkt die gesamten Verbindlichkeiten des Schuldners einschließlich der später bezahlten waren. Da hierzu jeglicher Vortrag seitens des Klägers fehlt, lässt sich auch auf diesem Weg die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners nicht feststellen.

Etwas anderes ergibt sich entgegen der Auffassung des Klägers nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 12.10.2006 (IX ZR 228/03, ZIP 2006, 2222 ff).

Der Bundesgerichtshof hat in dieser Entscheidung in den Hinweisen an das Berufungsgericht unter Ziffer II 1.a zwar ausgeführt, dass dann wenn im fraglichen Zeitpunkt Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Verfahrenseröffnung nicht mehr beglichen worden sind, regelmäßig von einer Zahlungsunfähigkeit zu diesem Zeitpunkt auszugehen sei; in dieser Entscheidung ist sodann zwar nicht ausdrücklich hinzugefügt, dass es sich um einen nicht unerheblichen Teil der Gesamtverbindlichkeiten handeln muss. Dass auch hier nicht eine unterlassene Begleichung von Verbindlichkeiten in beliebiger Höhe ausreichen kann, ergibt sich aber zweifelsfrei aus dem Zusammenhang. Im vorangehenden Absatz unter Ziffer I ist nämlich bereits ausgeführt, dass die Zahlungsunfähigkeit eine Liquiditätslücke von mindestens 10 % erfordert. In den nachfolgenden Absätzen unter a) und b) wird ausschließlich die Frage erörtert, wie diese Voraussetzung insbesondere in Abgrenzung zur Zahlungsstockung festgestellt werden kann. Damit ergibt sich aus dem Zusammenhang, dass die bis zuletzt nicht bezahlten Verbindlichkeiten wesentlich sein müssen. Ansonsten würde es an der für den Begriff der Zahlungsunfähigkeit gebotenen Untergrenze fehlen (Senat, Urteil vom 03.02.2010, 4 U 184/09).

c) Die Zahlungsunfähigkeit wird entgegen der Auffassung des Klägers nicht durch den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung am 10.12.2007 betreffend die Forderung gegenüber dem Finanzamt in Höhe von 87.282,48 € indiziert. Grundsätzlich kann einer Stundungsbitte zwar die Erklärung des Schuldners entnommen werden, eine fällige Verbindlichkeit nicht begleichen zu können (HK/Kirchhof, a. a. O. § 17 Rn. 30; BGH ZIP 2001, 2097, 2098). Im vorliegenden Fall war der Antrag auf Stundung aber bereits am 09.12.2002 noch vor Fälligkeit der Hauptschuld gestellt worden. Da diesem Antrag bereits mit Verfügung vom 10.12.2002 stattgegeben wurde, fehlte es bereits an der Fälligkeit der Forderung.

Es lässt sich im übrigen auch hinsichtlich dieser gestundeten Forderung nicht feststellen, ob es sich um einen erheblichen Teil der Verbindlichkeiten des Schuldners gehandelt hat.

d) Schließlich kann auch in der Nichtzahlung bzw. schleppenden Zahlung von Steuerschulden über einen längeren Zeitraum kein durchschlagendes Indiz für die Zahlungsunfähigkeit des Schuldners erkannt werden. Im vorliegenden Fall ist bereits unklar, für welche Zeiträume Steuerrückstände aufgelaufen waren und wann diese mit welchen Zahlungen ausgeglichen wurden. Dies ist zur Beurteilung der Indizwirkung von Bedeutung, weil Rückstände für kürzere Zeit in der Regel nicht für sich allein als Indiz für die Zahlungsunfähigkeit ausreichen – lediglich in Verbindung mit anderen Indizien eine Zahlungsunfähigkeit ergeben können (HK/Kirchhof, a. a. O. § 14 Rn. 19). Unabhängig davon ist die Indizwirkung von fortlaufend neuen Steuerrückständen über die Dauer von 1 ½ Jahren für die hinreichende Überzeugung von der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners hier nicht ausreichend, weil eine Reihe von weiteren Umständen die Indizwirkung schmälert. So erfolgten fast alle Scheckzahlungen und die Überweisung von einem „Habenkonto“ des Schuldners.

Außerdem kam es erst zur Zahlungseinstellung, nachdem im Oktober 2004 ein Hauptauftraggeber des Schuldners mit der Folge eines 80-prozentigen Umsatzrückgangs weggefallen war. Weiterhin hat das beklagte Land „lediglich“ 13.895,84 € zur Insolvenztabelle angemeldet. Es ist daher davon auszugehen, dass trotz fortwährend schleppender Zahlungen größere Steuerrückstände nicht aufgelaufen waren.

e) Den weiteren vom Kläger aufgelisteten Rückständen aus dem Jahr 2002 (Blatt 119, 120 d. A.) fehlt jede indizielle Aussagekraft. Die einzelnen aufgeführten Beitrags- und Zahlungsrückstände lassen keinerlei zwingende Schlussfolgerungen auf die Zahlungsfähigkeit des Schuldners zu.

Fehlt es nach alledem bereits an einer schlüssigen Darlegung des Gläubigerbenachteilungsvorsatzes des Schuldners hat das Landgericht zu Recht davon abgesehen, dem Beweisangebot des Klägers aus der mündlichen Verhandlung vom 05.10.2009 – ungeachtet der weiteren Problematik der hinreichenden Substantiierung der Beweisbehauptung – zu entsprechen und den Schuldner zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen im Jahr 2002 zu hören.

C.

Die Anschlussberufung des beklagten Landes ist zulässig, insbesondere in der Frist des § 524 Abs. 2 ZPO erhoben worden, bleibt in der Sache aber ebenfalls ohne Erfolg. Das Land ist aus Verzug gemäß den §§ 280 Abs. 2, 286 BGB dem Kläger zur Erstattung der ihm entstandenen außergerichtlichen Kosten in Höhe von 1.214,96 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 07.10.2008 verpflichtet.

Das beklagte Land hat sich entgegen seiner mit der Anschlussberufung vorgetragenen Auffassung mit der Rückzahlung der mit Erfolg angefochtenen Zahlungen während des 3-Monats-Zeitraums der §§ 130, 131 InsO in Verzug befunden. Unstreitig hat der anwaltlich vertretene Kläger vor der Klageerhebung mit dem beklagten Land umfangreich im Rahmen von Vergleichsverhandlungen korrespondiert. Die Behauptung des beklagten Landes, erst mit der Klage von der eingetretenen Gläubigerbenachteiligung erfahren zu haben, ist unerheblich. Da es sich bei den mit Erfolg angefochtenen und durch das Landgericht zuerkannten Zahlungen in Höhe von 71.383,55 € um eine inkongruente Deckung im Sinne des § 131 Abs. 1 InsO gehandelt hat, wird die Kenntnis des beklagten Landes von der Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Schuldners vermutet. Diese tatsächliche Vermutung ist von dem beklagten Land nicht widerlegt worden.

Der Höhe nach ist der zuerkannte Anspruch begründet. Bereits eine !0/10 Geschäftsgebühr aus dem Wert von 71.383 € beträgt 1.200 €. Hierzu addieren sich die vom Kläger unwidersprochen vorgetragenen weiteren Kosten in Form der Auslagenpauschale in Höhe von 20 €, des Abwesenheitsgeldes für den 28.05.2008 in Höhe von 20 € und 19,08 € Fahrkosten für die Fahrt X – Y – X.

Hierauf sind – wie zuerkannt – gemäß § 291 BGB ab 08.10.2008 Prozesszinsen zu erbringen.

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 2 ZPO.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Eine Zulassung der Revision war nicht geboten, weil weder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat noch die Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder die Fortbildung des Rechts eine Entscheidung des Revisionsgericht erfordert (§ 543 Abs. 2 ZPO).