OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 14.07.2010 - 4 U 41/10
Fundstelle
openJur 2012, 33316
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main – 17. Zivilkammer – vom 24.11.2009 mit dem ihm zugrunde liegenden Verfahren aufgehoben.

Der Rechtsstreit wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Frankfurt am Main zurückverwiesen.

Gerichtskosten für das Berufungsurteil werden nicht erhoben.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aus der erstinstanzlichen Entscheidung für sie zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin nimmt als Berufhaftpflichtversicherer des früheren Notars N1 die Beklagte nach erbrachter Vorleistung gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO auf Erstattung des geleisteten Betrages hilfsweise auf treuhänderische Einziehung bei dem Vertrauensschadensversicherer und Auskehrung des Betrages in Anspruch.

Wegen des erstinstanzlichen Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Landgerichts Frankfurt am Main vom 24.11.2009 Bezug genommen.

Ergänzend ist der streitige Vortrag der Klägerin anzuführen, dass der Notar N1 durch den Rechtsanwalt der Firma X, den Zeugen Z1, vor der Auszahlung am 10.02.2004 über die Beteiligtenstellung der Y im Zwangsverwaltungsverfahren informiert worden sei. Die Beteiligtenstellung der Y sei dem Notar darüber hinaus auch von dem Zwangsverwalter Rechtsanwalt Z4 und dem Geschäftsführer der Firma X, dem Zeugen Z2, und schließlich auch von der B selbst mitgeteilt worden (Zeugnis Rechtsanwalt Z1, Rechtsanwalt Z4, Z2, Z3).

Der Notar habe in Kenntnis des Beitritts der Y zum Zwangsverwaltungsverfahren und vor deren Rücknahmeantrag ausgezahlt, weil er darauf vertraut habe, die Forderungen der Y als Beteiligte des Zwangsverwaltungsverfahrens mit Hilfe der Finanzierungsdarlehen anderer befriedigen zu können. Dies sei so mit der Firma X abgesprochen gewesen (Zeugnis Z2).

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der gegen die Beklagte unmittelbar auf Zahlung von 80.659,80 € nebst Zinsen gerichtete Hauptantrag unbegründet sei, weil die Vertrauensschadensversicherung von der Beklagten für Fremdrechnung abgeschlossen worden, sie selbst aber nicht zur Zahlung verpflichtet sei.

Der mit dem Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf Einziehung und Auskehrung der Versicherungsleistung gegen den Vertrauensschadensversicherer sei ebenfalls unbegründet, weil eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars sich nicht habe feststellen lassen. Dass dem Notar eine Vielzahl wissentlich vorzeitiger Auszahlungen von Anderkonten in anderen Verfahren nachgewiesen und der Notar insoweit auch strafrechtlich verurteilt worden sei, rechtfertige nicht die generelle Schlussfolgerung, dass der Notar dieses Wissen auch in dem hier zugrunde liegenden Haftpflichtfall gehabt habe. Immerhin habe der Notar versucht, die Auszahlungsvoraussetzungen nachträglich noch herzustellen und auf diese Weise die geschädigte C-Versicherung zu binden. Tatsächliche Beweismittel für den konkreten Nachweis einer wissentlichen Pflichtverletzung habe die Klägerin nicht angeboten.

Gegen diese ihr am 27.11.2009 zugestellte Entscheidung wendet sich die Klägerin mit der am 16.12.2009 eingelegten und binnen verlängerter Frist am 10.02.2010 begründeten Berufung. Mit der Berufung hat die Klägerin ihre ursprüngliche Klage um die von ihr auf die Haftpflichtforderung für die Zeit vom 30.07.2004 bis 17.12.2006 gezahlten Zinsen in Höhe von 12.260,67 € sowie die aufgewendeten Kosten des Haftpflichtprozesses in Höhe von 10.150 € erweitert und beantragt nunmehr,

die Beklagte unter Aufhebung des angefochtenen Urteils zu verurteilen, an sie 103.030,47 € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus 80.659,80 € seit dem 02.11.2007 und aus 22.370,67 € ab Zustellung der Klageerweiterung vom 23.12.2009 zu bezahlen, hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihre Entschädigungsansprüche gegen die A-AG aus dem Versicherungsfall des vormaligen Notars N1 gemäß Urteil des Landgerichts Limburg vom 12.08.2005, 4 O 445/04, treuhänderisch für sie einziehen und an sie auszukehren.

Die Klägerin rügt, das Landgericht habe die für den Zahlungsanspruch maßgebliche Anspruchsgrundlage in § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO verkannt. Die Beklagte zähle zu den dort genannten Verpflichteten gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO. Die der Beklagten obliegende Pflicht bestehe in der Einziehung der Versicherungsleistung aus der Vertrauensschadensversicherung. Unterbleibe dies und werde daher der Berufshaftpflichtversicherer – wie vorliegend – auf Vorleistung in Anspruch genommen, so habe dieser gegen die Beklagte einen Aufwendungsersatzanspruch. Die Einziehung der Forderung durch die Beklagte beim Vertrauensschadensversicherer sei aufgrund gemeinsamer Entscheidung durch den für beide Regressschuldner handelnden Vertrauensschadensfonds unterblieben. Die gemeinsame Entscheidung über Vertrauensschadensfälle durch den Vertrauensschadensfond begründe in der Sache eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Beklagten und des Vertrauensschadenversicherers. Es spiele für den Aufwendungsersatzanspruch keine Rolle, in welchem Umfang die Beklagte ihre gesetzliche Pflicht zum Abschluss eines Vertrauensschadenversicherungsvertrages erfüllt habe und ob sie eine Einziehung der Versicherungsleistung beabsichtige oder nicht.

Das Landgericht habe weiter zu Unrecht eine wissentliche Pflichtverletzung des Notars N1 verneint, den Prozessstoff nur unzureichend berücksichtigt und Beweisantritte von ihr übergangen. Insbesondere sei der unter Beweis gestellte Vortrag zur Information des Notars vor der Auszahlung am 10.02.2004 über die Beteiligtenstellung der Y im Zwangsverwaltungsverfahren von verschiedenen Seiten (Rechtsanwalt Z1, Rechtsanwalt Z4, Z2 als Geschäftsführer der Firma X und die B) nicht zur Kenntnis genommen worden. Auch habe das Landgericht fehlerhaft nicht berücksichtigt, dass die vorzeitige Auszahlung vom Notaranderkonto betreffend eine andere Wohnung aus derselben Anlage durch Urteil des Landgerichts Köln vom 10.09.2008, 20 O 390/07, rechtskräftig festgestellt worden sei. Der Notar N1 habe sich bewusst und systematisch nicht um die Belange der finanzierenden Banken gekümmert.

Entgegen der Auffassung des Landgerichts lasse der Versuch des Notars, die Auszahlungsvoraussetzungen einer vorzeitigen Treugeldauszahlung nachträglich noch herzustellen, keine zwingende Schlussfolgerung auf dessen Verschuldensgrad bei Vornahme der vorzeitigen Auszahlung zu.

Die Klageerweiterung in der Berufungsinstanz sei zulässig, weil es sich um Nebenforderungen im Sinne des § 264 ZPO und nicht um neue Streitgegenstände handele.

Die Beklagte hat unter Bezugnahme auf ihr erstinstanzliches Vorbringen die landgerichtliche Entscheidung verteidigt und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Anspruch aus § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO greife nicht, weil die Notarkammer nicht zu den Personen gehöre, für deren Verpflichtungen der Berufshaftpflichtversicherer einzustehen habe. Die Notarkammern seien nach § 67 Abs. 3 Nr. 2 BNotO nur verpflichtet, Versicherungsverträge für Fremdrechnung im Sinne der §§ 74 ff VVG abzuschließen, aus denen sich nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber keine Zahlungsansprüche gegen die Notarkammern ableiten ließen.

Die Verneinung einer wissentlichen Pflichtverletzung des Notars sei nicht zu beanstanden. Im vorliegenden Verfahren sei das erkennende Gericht an die im Haftpflichtprozess von dem Landgericht Limburg im Urteil vom 12.08.2005, 4 O 445/04, getroffene Feststellung, dass dem Notar ein „Übersehen“ zum Verhängnis geworden sei, welches eine wissentliche Tatbegehung ausschließe, gebunden. Nur für den zurzeit infolge der Insolvenz des Notars unterbrochenen Deckungsprozess vor dem Landgericht Köln seien die in dem Haftpflichtprozess getroffenen Feststellungen zum Grad des Verschuldens aufgrund des „Trennungsprinzips“ nicht bindend.

Im Übrigen sei die vorliegende Klage bereits unzulässig. Es sei im Hinblick auf die Gefahr von divergierenden Entscheidungen über den Grad des Verschuldens des Notars zunächst der Ausgang des Deckungsprozesses zwischen Notar und Haftpflichtversicherer abzuwarten.

Die mit der Klageerweiterung geltend gemachten „mittelbaren Schäden“ könne die Klägerin nicht erstattet verlangen, weil insoweit keine Vorleistungspflicht bestanden habe. Der Haftpflichtversicherer sei nur im Umfang des Regressanspruchs gegen den Vertrauensschadensversicherer zur Vorleistung gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO verpflichtet. Die Haftung des Vertrauensschadensversicherers für mittelbare Schäden sei aber gemäß § 4 Ziffer 3 der Allgemeinen Bedingungen des Vertrauensschadenversicherungsvertrages ausgeschlossen. Die Begrenzung der Haftung sei rechtlich nicht zu beanstanden.

B.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache führt das Rechtsmittel zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung des Verfahrens an das Landgericht Frankfurt (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Der Klägerin steht zwar nicht der mit dem Hauptantrag geltend gemachte Anspruch auf Zahlung zu (nachfolgend Ziffer I). In Betracht kommt jedoch dem Grunde nach der mit dem Hilfsantrag verfolgte Anspruch auf Einziehung und Auskehrung der Versicherungsleistung beim Vertrauensschadensversicherer in Höhe der Hauptforderung (nachfolgend Ziffer II.), der auch die mit der Klageerweiterung geforderten Zinsen und Kosten des Haftpflichtprozesses umfasst (nachfolgend Ziffer III.). Wegen fehlerhafter Behandlung von Parteivorbringen war das Verfahren zur erneuten Verhandlung und Durchführung der Beweisaufnahme an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen (nachfolgend Ziffer II. 4.).

I.

Die Klägerin hat unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt gegen die Beklagte unmittelbar einen Anspruch auf Zahlung der von ihr gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO an die Geschädigte vorgeleisteten Beträge. Ein derartiger Anspruch ergibt sich weder aus § 19 a Abs 2 Satz 4 BNotO noch aus dem in § 19 a Abs. 2 Satz 3 BNotO angeordneten gesetzlichen Forderungsübergang.

1. Die Vorschrift des § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO stellt zweifelsohne eine Anspruchsnorm zugunsten der Klägerin dar. Schon nach ihrem eindeutigen Wortlaut („der Berufshaftpflichtversicherer kann ... Ersatz seiner Aufwendungen verlangen“) ordnet die Bestimmung als Rechtsfolge einen Anspruch des Berufshaftpflichtversicherers auf Aufwendungsersatz an.

Im vorliegenden Fall scheitert ein auf diese Norm gestützter Aufwendungsersatzanspruch aber daran, dass die beklagte Notarkammer nicht zu den in der Vorschrift genannten Anspruchsgegnern zählt. Die Notarkammer ist nicht die Person, für deren Verpflichtungen die Klägerin gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 einzustehen hat (Sandkühler in Arndt/Lerch/Sandkühler, BNotO, 6. Auflage, § 19 a Rn. 59).

Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Bestimmung in § 19 a Absatz 2 BNotO.

Zwar ist in dessen Satz 2 nicht ausdrücklich aufgeführt, für wen der Berufshaftpflichtversicherer bei Ablehnung der eigenen Eintrittspflicht die Leistung zu erbringen hat. Dort heißt es aber: „Ist bei Vorliegen einer Amtspflichtverletzung nur streitig, ob der Ausschlussgrund nach Nr. 1 vorliegt, und lehnt der Berufungshaftpflichtversicherer deshalb die Regulierung ab, hat er gleichwohl bis zur Höhe der für den Versicherer, der Schäden aus vorsätzlicher Handlung deckt, geltenden Mindesthaftungssummen ...zu leisten“. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass es sich bei demjenigen, für den der Berufshaftpflichtversicherer leistet, um den Vertrauensschadensversicherer handelt. Soweit in Satz 4 mit der Formulierung „der Berufshaftpflichtversicherer kann von den Personen ...“ der Plural verwendet wird, erklärt sich das zwanglos damit, dass auch der haftende Notar zur Leistung des Schadensersatzes verpflichtet bleibt und im Falle der Amtspflichtverletzung des Notariatsverwalters die Notarkammer neben diesem gemäß § 61 b BNotO selbst auf Schadensersatz haftet.

Neben dem Wortlaut spricht maßgeblich für die hier vorgenommene Auslegung auch Sinn und Zweck des Rückgriffsanspruchs im Zusammenspiel mit der in § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO geregelten Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers. Es ist eine Erleichterung für die Abwicklung versicherungsrechtlicher Fälle und eine Besserstellung des Geschädigten, dass bei einem Streit, ob dem Notar Vorsatz oder Fahrlässigkeit zur Last fällt, zunächst der Berufshaftpflichtversicherer in Vorleistung tritt und erst später geklärt wird, welcher Versicherer für den Schaden aufzukommen hat. Der Geschädigte soll nicht deshalb lange auf die Regulierung warten, weil zwischen den Versicherern Streit entstanden ist, wer von ihnen zur Leistung verpflichtet ist. Der Gesetzgeber hat zunächst demjenigen die Leistungspflicht auferlegt, der im Zweifel zur Haftung herangezogen wird. Dies wird eher der Berufshaftpflichtversicherer sein und nur in seltenen Ausnahmefällen der Vertrauensschadensversicherer (Lerch, a. a. O. § 67 Rn. 45; Frenz in Eylmann/Vaasen, BNotO, 2. Auflage, § 19 a Rn. 20). Dieser Regelungszweck entspricht der sich in den Gesetzesmaterialien niedergeschlagenen Intention des Gesetzgebers (BT-Drucksache 13/11034). Danach ist der Mandantenschutz in der Praxis dann als lückenhaft erkannt worden, wenn Streit besteht, ob der Notar seine Amtspflichten fahrlässig oder vorsätzlich verletzt hat, oder wenn die jeweiligen Versicherer unter Hinweis auf die (eventuelle) Einstandspflicht des anderen Versicherers eine Leistung bis zur Klärung der Schuldfrage ablehnen. Es ist daher vorgeschlagen worden, im Interesse einer zügigen Schadensregulierung eine Vorleistungspflicht des Berufshaftpflichtversicherers des Notars im Verhältnis zum Vertrauensschadenversicherer zu begründen.

Der Einwand, dass nach der materiellen Rechtslage der durch eine materielle Pflichtverletzung Geschädigte keinen unmittelbaren Anspruch gegen die Vertrauensschadensversicherung hat, verfängt nicht. Versicherungsnehmer ist vielmehr die Notarkammer und der Geschädigte kann aus dieser Versicherung auf fremde Rechnung im Sinne von § 43 VVG von der Notarkammer nur Einziehung und Weiterleitung der Versicherungsleistung beanspruchen. Der Berufshaftpflichtversicherer steht deshalb mit der Zahlung nach § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO nicht für eine Verpflichtung des Vertrauensschadensversicherers gegenüber dem Geschädigten ein. Allerdings besteht eine derartige Rechtspflicht der Vertrauensschadensversicherung kraft des Versicherungsvertrages mit der Notarkammer. Aus den bereits in Bezug genommenen Gesetzesmaterialien ergibt sich, dass der Gesetzgeber genau diese Verpflichtung gemeint hat. Mit der Bestimmung in Satz 2 wollte er allein – wie bereits dargestellt - eine gesetzliche Vorleistungspflicht im Interesse einer zügigen Schadensregulierung des Berufshaftpflichtversicherers des Notars im Verhältnis zum Vertrauensschadenversicherer konstituieren.

Entgegen der Auffassung der Klägerin können Notarkammer und Vertrauensschadenversicherer nicht zu einer rechtlich als Einheit zu behandelnden „Vertrauensschadenseite“ zusammengefasst werden, nach der beide als Gesamtschuldner auf Aufwendungsersatz gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO gegenüber dem Berufshaftpflichtversicherer hafteten. Eine gesamtschuldnerische Haftung von Notarkammer und Vertrauensschadenversicherer ist mit deren einheitlicher Organisationsstruktur nicht begründbar. Die sogenannten Vertrauensschadensversicherungen werden zentral verwaltet und koordiniert von dem Vertrauensschadensfonds der Notarkammern. Gemäß § 2 II c des Statuts eines erweiterten Vertrauensschadensfonds der Notarkammern hat der Vertrauensschadenfond die Aufgabe, „... im Einvernehmen mit den Notarkammern die von diesen zu unterhaltenden Vertrauensschadensversicherungen zu betreuen, Versicherungsfälle zu bearbeiten und die versicherungsrechtlichen Interessen der Notarkammern wahrzunehmen“ (Wolff, VersR 1993, 272, 274, Fn. 28). Diese organisatorische Vereinfachung führt jedoch im Hinblick auf die unterschiedlichen Pflichtenkreise von Notarkammer und Vertrauensschadenversicherer nicht zu einer Mehrheit der Schuldner des vorleistenden Haftpflichtversicherers im Rahmen des Anspruchs aus § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO. Eine Verpflichtung der Notarkammer zur Zahlung von Schadens-/Aufwendungsersatz findet in dieser Vorschrift keine Grundlage.

2. Der Zahlungsanspruch lässt sich nicht auf den in § 19 a Abs. 2 Satz 3 BNotO geregelten gesetzlichen Forderungsübergang stützen. Danach geht der Anspruch des Ersatzberechtigten (hier: C-Versicherung) gegen die Notarkammer auf die Klägerin als die vorleistende Berufshaftpflichtversicherung über. Dieser Anspruch gegen die Notarkammer ist jedoch nicht auf Zahlung sondern lediglich darauf gerichtet, dass die Notarkammer die Leistungen aus der Vertrauensschadensversicherung einzieht und an die geschädigte C-Versicherung auskehrt (BGH Z 113, 151; 139, 52, 57; Sandkühler, a. a. O., § 19 a Rn. 20). Die Vertrauensschadensversicherung ist Versicherung für fremde Rechnung im Sinne der §§ 43 ff VVG, bei der die Notarkammer Versicherungsnehmerin und der Geschädigte – nicht der Notar – Versicherter ist. Die Notarkammer nimmt die Rechte des Versicherten aus dem Versicherungsvertrag treuhänderisch für diesen wahr. Dieses gesetzliche Treuhandverhältnis verpflichtet die Notarkammer, den Anspruch auf Schadensregulierung aus dem Versicherungsvertrag geltend zu machen, die Versicherungsleistung einzuziehen und sie an den Geschädigten auszukehren. Der Geschädigte kann nicht verlangen, dass die Notarkammer ihm ihre Leistungen aus der Versicherung abtritt (BGH Z 139, 52, 57). Eine Klage des Geschädigten selbst gegen den Versicherer kommt nur in Betracht, wenn der Versicherer die Leistung abgelehnt hat und die Notarkammer ohne billigenswerte Gründe ihrer Einziehungspflicht nicht nachkommt oder den Geschädigten ermächtigt, den Versicherer selbst in Anspruch zu nehmen.

II.

Auf der Basis der vorstehenden Ausführungen könnte indes - dem Hilfsantrag der Klägerin entsprechend - die beklagte Notarkammer verpflichtet sein, die im Haftpflichtprozess rechtskräftig ausgeurteilte Haftpflichtsumme in Höhe von 80.659,80 € beim Vertrauensschadensversicherer treuhänderisch für die Klägerin einzuziehen und den eingezogenen Betrag an diese auszukehren. Durch das beschriebene gesetzliche Treuhandverhältnis hat die Klägerin als Geschädigte einen auch einklagbaren Anspruch gegen die Notarkammer auf Geltendmachung ihres Schadens bei der Vertrauensschadensversicherung (BGH Z 139, 52, 58; KG Berlin, VersR 2008, 211 ff).

Die Inanspruchnahme der Beklagten setzt das Vorliegen eines „Versicherungsfalles“ voraus. Gemäß § 1 der Bedingungen über die Vertrauensschadenversicherung liegt der Versicherungsfall unter anderem dann vor, wenn eine Vertrauensperson in Ausübung ihrer Berufstätigkeit einem Dritten durch vorsätzliche Handlung einen Vermögensschaden zufügt, zu dessen Schutz sie nach den gesetzlichen Bestimmungen über unerlaubte Handlungen verpflichtet ist. Das Vorliegen eines so definierten Versicherungsfalles lässt sich nicht bereits aufgrund einer Bindungswirkung an die Feststellungen im Haftpflichtprozess (Urteil Landgericht Limburg vom 12.08.2005, 4 O 445/04; OLG Frankfurt Urteil vom 24.05.06, 4 U 20/06) feststellen; vielmehr ist das Vorliegen dieser Anspruchsvoraussetzung im vorliegenden Verfahren eigenständig festzustellen.

1. Eine Bindungswirkung an die Feststellungen im Haftpflichturteil des Landgerichts Limburg besteht lediglich hinsichtlich der schadensverursachenden Pflichtverletzung des Notars, nicht jedoch hinsichtlich der notwendigen vorsätzlichen, wissentlichen Pflichtverletzung.

Die Vertrauensschadenversicherung soll zusammen mit der Einzelhaftpflichtversicherung (§ 19 a BNotO), der Gruppenanschlussversicherung (§ 67 Abs. 2 Nr. 3 BNotO) und dem Vertrauensschadensfond der Notarkammern für geschädigte Rechtssuchende den Vermögensschutz sicherstellen, den die Staatshaftung (Artikel 34 GG, § 839 BGB) bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger hat. Soll also die Vertrauensschadenversicherung nach dem Willen des Gesetzgebers die Haftpflichtversicherung des Notars wirksam ergänzen, dann muss sie in ihrer Handhabung auch den Regeln der Haftpflichtversicherung folgen. Daher ist die Anwendung von Trennungsprinzip und Bindungswirkung wie in der Haftpflichtversicherung auch auf die Vertrauensschadensversicherung geboten (BGH Z 139, 52 ff – zitiert nach JURIS Rn. 10).

Der Bundesgerichtshof (BGH Z 117, 345, 350; BGH NJW 2006, 289; Zöller/Vollkommener, ZPO, 28. Auflage, § 325 Rn. 39) hat aus dem Wesen der Haftpflichtversicherung das sogenannte Trennungsprinzip hergeleitet, welches die Prüfung der Haftpflichtfrage grundsätzlich dem Haftpflichtprozess vorbehält. Das Trennungsprinzip gewährleistet, dass der vertraglich zu gewährende Versicherungsschutz unverkürzt erbracht wird. Da der Versicherungsschutz in einer Haftpflichtversicherung auch die Abwehr unbegründeter Ansprüche umfasst, besteht grundsätzlich kein Bedürfnis für die Beteiligten eines Haftpflichtversicherungsvertrages, die Haftpflichtfrage außerhalb eines Haftpflichtprozesses klären zu lassen. Es wäre mit Sinn und Zweck einer Haftpflichtversicherung unvereinbar, wenn in einem vorangehenden Deckungsprozess der Haftpflichtanspruch des Dritten gegen den Versicherungsnehmer rechtskräftig verneint, im nachfolgenden Haftpflichtprozess dagegen bejaht werden könnte. Die Bindungswirkung folgt nicht aus der Rechtskraft des Haftpflichturteils, da der Versicherer am Haftpflichtprozess beteiligt ist. Vielmehr ist sie dem Leistungsversprechen, das der Haftpflichtversicherer dem Versicherungsnehmer im Versicherungsvertrag gibt, zu entnehmen (BGH NJW 2006, 289, 291). Sie bedeutet, dass das Ergebnis des vorangegangenen Haftpflichtprozesses für die Deckungsfrage verbindlich ist.

Diesen für die Haftpflichtversicherung geltenden Prinzipien folgend gilt auch für die Vertrauensschadenversicherung der Grundsatz, dass der vorangegangene Haftpflichtprozess zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger Bindungswirkung für den nachfolgenden Deckungsprozess zwischen dem Versicherungsnehmer und dem Versicherer entfaltet. Es ist angebracht, ebenso wie bei der Haftpflichtversicherung auch bei Inanspruchnahme der Vertrauensschadensversicherung durch die Bindungswirkung zu verhindern, dass die im Haftpflichtprozess getroffene Entscheidung und auch deren Grundlagen nochmals zwischen dem Versicherer und dem Versicherungsnehmer infrage gestellt werden kann.

Mit bindender Wirkung für das vorliegende Verfahren ist damit die dem rechtskräftigen Haftpflichturteil zugrunde liegende notarielle Pflichtverletzung festgestellt. Diese ist darin begründet, dass der Notar Auszahlungen vom Treuhandkonto vorgenommen hat, obwohl per Auszahlungsdatum die Treuhandauflage der C-Versicherung nicht erfüllt war. Dem Notar war zur Auflage gemacht worden, vor Auszahlung die ranggerechte Eintragung der Grundschuld zugunsten der C-Versicherung sicher zu stellen. Diese rangrichtige Eintragung der Grundschuld war aber weder per Auszahlungsdatum noch per Ablauf des bis zum 15.04.2004 befristeten Treuhandauftrages noch per Datum der Rückzahlungsaufforderung vom 13.07.2004 sicher gestellt oder bewirkt. Vielmehr ging der seit dem Jahr 2002 bestehende Zwangsverwaltungsvermerk der Grundschuld vor. Die Löschung des vorrangigen Rechts, des Zwangsverwaltungsvermerks, erfolgte erst am 20.10.2004, nach Rücknahme der Zwangsverwaltungsanträge durch Rechtsanwalt RA1 vom 16.09.2004 und nach der daraus resultierenden Aufhebung der Zwangsverwaltung betreffend die Wohnung Nr. 40 durch das Vollstreckungsgericht am 28.09.2004. Der Notar hatte dabei übersehen, dass der auf Betreiben der B angeordneten Zwangsverwaltung die Wohnungseigentümergemeinschaft … in Stadt01 beigetreten war, bei der sich der Notar nicht um die Zustimmung zur Löschung bemüht hatte. Der Bevollmächtigte der Y hatte den erforderlichen Antrag auf Aufhebung der Zwangsverwaltung betreffend die Verfahren 7 L 21/02 bis 7 L 42/02 – damit auch 7 L 41/02 – erst nach Ablauf der Treuhandbindung gestellt; das Amtsgericht Offenbach hatte mit Beschluss vom 28.09.2004 sämtliche Zwangsverwaltungsverfahren aufgehoben.

Darin erschöpft sich jedoch die Bindungswirkung an die Feststellungen im Haftpflichturteil. Hinsichtlich der festgestellten fahrlässigen Begehungsweise des Notars im Haftpflichtprozess kann sich die Beklagte nicht auf die Bindungswirkung des Urteils berufen. Weder der Vortrag der C-Versicherung als Klägerin im Haftpflichtprozess zum Grad des Verschuldens noch die Feststellungen im genannten Urteil entfalten eine Bindungswirkung, weil es an der sogenannten „Voraussetzungsidentität“ (vgl. dazu BGH NJW RR 2004, 676) fehlt. Die Bindungswirkung geht nicht weiter, als sie nach dem Zweck, dass gegen den Versicherten aus den im Haftpflichtprozess festgestellten Gründen ein Haftpflichtanspruch besteht, geboten ist. Geboten ist die Bindungswirkung nur insoweit, als eine für die Entscheidung im Deckungsprozess maßgebliche Frage sich auch im Haftpflichtprozess nach dem vom Haftpflichtgericht gewählten rechtlichen Begründungsansatz bei objektiv zutreffender rechtlicher Wirkung als entscheidungserheblich erweist, also Voraussetzungsidentität vorliegt.

Es muss bezüglich der notwendigen Feststellungen zum Grad des Verschuldens des Notars entgegen der Auffassung der Beklagten nicht der Ausgang des vor dem Landgericht Köln schwebenden Deckungsprozesses, 20 O 93/07, abgewartet werden. Dieses derzeit wegen Insolvenz des klagenden Notars unterbrochene Verfahren hat keinen rechtlich-logischen Vorrang vor dem hier zur Entscheidung anstehenden Prozess.

3. Nach alledem ist die für die Annahme eines Versicherungsfalles vorausgesetzte willentliche Pflichtverletzung des Notars im vorliegenden Verfahren eigenständig festzustellen.

Dabei ist dem Landgericht zunächst darin zuzustimmen, dass allein aus dem Umstand, dass dem Notar eine Vielzahl wissentlich vorzeitiger Auszahlungen von Anderkonten nachgewiesen worden sind, nicht generell gefolgert werden kann, der Notar habe dieses Wissen in allen Fällen der Auszahlung gehabt und damit gemäß einem übergreifenden Tatplan gehandelt. So wenig wie in Strafsachen der Umstand, dass ein Angeklagter schon vergleichbare Handlungen mit entsprechendem Vorsatz begangen hat, ausreicht, um den Vorsatz bei jeder konkreten ähnlichen Handlung nachzuweisen, kann im Versicherungsvertragsrecht eine solche Gesamtbetrachtungsweise den konkreten Nachweis im Einzelfall ersetzen.

Mit dieser Würdigung ist vom Landgericht aber der Parteivortrag der Klägerin zu einer willentlichen Pflichtverletzung des Notars nicht erschöpft worden. Die Klägerin hat anknüpfend an die vorstehend festgestellte Pflichtverletzung substantiiert und unter Beweisantritt dargelegt, dass der Beitritt der Y zum Zwangsverwaltungsverfahren von dem Notar keineswegs versehentlich übersehen worden war. Vielmehr habe der Notar die ihm zuvor erteilte entsprechende Information bewusst ignoriert. Nach Vorbringen der Klägerin habe der Notar bereits von dem Geschäftsführer der Firma X, dem Zeugen Z2, vor irgendwelchen Auszahlungen erfahren, dass es bei dem Zwangsverwaltungsverfahren auch um Ansprüche der Y gegangen sei. Diese Information sei von dem Rechtsanwalt der Firma X, dem Zeugen Z1, bei dem Zwangsverwalter, dem Zeugen Rechtsanwalt Z4, zuvor erfragt und dem Geschäftsführer der Firma X, dem Zeugen Z2, mitgeteilt worden, der diese vor dem 10.02.2004 an den Notar weitergegeben habe. Darüber hinaus sei der Notar noch vor dem 10.02.2004 auch unmittelbar von der B darüber informiert worden, dass die Y sämtlichen Zwangsverwaltungsverfahren beigetreten sei (Zeugnis Z3). Der Kläger habe in Kenntnis des Beitritts der Y zum Zwangsverwaltungsverfahren und vor deren Rücknahmeantrag ausgezahlt, weil er darauf vertraut habe, die Forderungen der Y als Beteiligte des Zwangsverwaltungsverfahrens mit Hilfe der Finanzierungsdarlehen anderer befriedigen zu können. Dies sei so mit der Firma X abgesprochen gewesen (Zeugnis Z2).

4. Über dieses von der Beklagten bestrittene Vorbringen der Klägerin hätte Beweis erhoben werden müssen. Die Nichtbeachtung dieses Parteivorbringens stellt sich als Verletzung des Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) und damit als ein wesentlicher Mangel des Verfahrens im ersten Rechtszug dar. Da aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche Beweisaufnahme notwendig wird, war entsprechend dem Antrag der Klägerin unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens die Sache an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen (§ 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO).

III.

Die Verpflichtung der beklagten Notarkammer zur Forderungseinziehung erfasst auch die mit der Klageerweiterung geltend gemachten sogenannten „mittelbaren Schäden“.

1. Die Klägerin hat erstmals mit der Berufungsbegründung die mit Haupt- und Hilfsantrag geltend gemachten Ansprüche auf die von ihr auf die Haftpflichtforderung für die Zeit vom 30.07.2004 – 17.12.2006 gezahlten Zinsen in Höhe von 12.260,67 € sowie die der geschädigten C-Versicherung entstandenen Kosten des Haftpflichtprozesses in Höhe von 10.150 €, die die Klägerin ebenfalls gemäß § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO vorgeleistet hat, erstreckt. Diese Klageerweiterung in der Berufungsinstanz ist zulässig. Bei beiden Positionen handelt es sich um Nebenforderungen. Eine Antragsänderung, die wie hier der Bestimmung des § 264 Nr. 2 ZPO unterfällt, ist kraft ausdrücklicher gesetzlicher Anordnung nicht als Klageänderung anzusehen. Auf eine solche Modifizierung des Klageantrags finden daher diejenigen Vorschriften, die die Zulässigkeit einer Klageänderung regeln, keine Anwendung. Dies gilt nicht nur für den im erstinstanzlichen Verfahren maßgeblichen § 263 ZPO, sondern auch für den in der Berufungsinstanz anzuwendenden § 533 ZPO (BGH Z 158, 295 ff – zitiert nach JURIS Rn. 25), weil § 264 ZPO gemäß § 525 Satz 1 ZPO auch auf das Berufungsverfahren anzuwenden ist.

2. Der in den Allgemeinen Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung unter § 4 Nr. 3 erfolgte Ausschluss der Ersatzpflicht für mittelbare Schäden ist wegen Verstoß gegen § 307 BGB unwirksam.

Eine Inhaltskontrolle der Allgemeinen Versicherungsbedingungen des Vertrauensschadenversicherers an dem Maßstab des § 307 BGB wird durch § 310 BGB nicht gehindert. Der Schutz der §§ 305 ff BGB wird für die Beklagte als juristische Person des öffentlichen Rechts zwar gemäß § 310 Abs. 1 BGB dadurch beschränkt, dass die §§ 305 Abs. 2, 3 sowie die §§ 308 und 309 BGB keine Anwendung finden. Eine Inhaltskontrolle an den Maßstab des § 307 ist mit der Ergänzung in § 310 Abs. 1 Satz 2 BGB jedoch ohne weiteres möglich.

Der Inhaltskontrolle gemäß § 307 BGB steht nicht entgegen, dass mit dem in § 4 Ziff. 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen geregelten Ausschluss der Versicherungsleistung für mittelbar entstehende Schäden (wie entgangener Gewinn, Zinsverlust) die Hauptleistungspflicht des Vertrauensschadenversicherers tangiert wird. Diese Klausel gehört nicht zu dem Kernbereich, der keiner Inhaltskontrolle nach den §§ 307 ff BGB unterliegt. Der gerichtlichen Inhaltskontrolle entzogene Leistungsbeschreibungen sind solche, die Art, Umfang und Güte der geschuldeten Leistung festlegen. Klauseln, die das Hauptleistungsversprechen einschränken, verändern, ausgestalten oder modifizieren, sind hingegen inhaltlich zu kontrollieren.

Damit bleibt der Prüfung nur der enge Bereich der Leistungsbezeichnungen, ohne deren Vorliegen mangels Bestimmtheit oder Bestimmbarkeit des wesentlichen Vertragsinhalts ein wirksamer Vertrag nicht mehr angenommen werden kann, entzogen (BGH-NJW 2001, 1934 – zitiert nach JURIS – Rn. 17; Fuchs in Ulmer/Brandner/Hensen, AGB-Recht, 10. Aufl., § 307 Rn. 55). Zu diesem engen Bereich gehört die beanstandete Klausel, die das Leistungsversprechen des Vertrauensschadenversicherers einschränkt, nicht.

Der Haftungsausschluss für „mittelbare Schäden“ hält einer Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 2 BGB nicht stand. Es werden mit dem Haftungsausschluss wesentliche Pflichten, die sich aus der Natur des Vertrauensschadenversicherungsvertrages ergeben, so eingeschränkt, dass die Erreichung des Vertragszweckes gefährdet ist.

Ob der Ausschluss des Ersatzes mittelbarer Schäden mit den gesetzlichen Vorgaben in § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO zu vereinbaren ist, ist streitig und in der Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt. Sandkühler (a. a. O., § 19 a Rn. 15) hält den Haftungsausschluss für wirksam. Er ist unter Bezugnahme auf die Entscheidung BGHZ 115, 275, 280 der Auffassung, § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO ordne lediglich die Vereinbarung bestimmter Mindestversicherungssummen an, verbiete aber nicht generell vertragliche Leistungsausschlüsse. Demgegenüber halten Haug (Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl., Rn. 319), Brügge (Gräfe/Brügge, Vermögensschadenhaftpflichtversicherung, A, Rn. 225, Seite 59) und Wolff (VersR 1993, 272, 274) die Haftungseinschränkung für unwirksam. Unter dem Gesichtspunkt der Ablösung einer Staatshaftung, so deren Argumentation, sei es unvertretbar, dass der durch einen Vorsatztäter Geschädigte in seinen Schadensersatzansprüchen nicht nur bezüglich der Begrenzung auf einen Mindestbetrag sondern noch zusätzlich durch Ausschlüsse mit dem Versicherer benachteiligt werde. Dadurch werde die vom Gesetzgeber geforderte vollständige Schadloshaltung des Geschädigten auch im Vorsatzbereich bis zur Höhe der gesetzlich vorgesehenen Deckungssumme nicht gewährleistet.

Der Senat schließt sich der letzt genannten Auffassung an. Zwar ergeben sich aus dem Wortlaut des gesetzlichen Gebots des § 67 BNotO mit der Ausnahme von Mindestversicherungssummen keine Anforderungen an den Inhalt der abzuschließenden Versicherungsverträge. Diese Verträge müssen aber dem Zweck des Versicherungsgebotes entsprechen. Dies folgt aus dem Charakter der Vertrauensschadenversicherung als Pflichtversicherung. Zweck der in § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO angeordneten Versicherungspflicht war es sicherzustellen, dass der durch eine willentliche Pflichtverletzung des Notars Geschädigte Ersatz für seinen Schaden erlangen kann. Die Vertrauensschadenversicherung sollte die Berufhaftpflichtversicherung des Notars ergänzen. Dass vor allem die Schadloshaltung des Opfers bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Notars Zweck des Gesetzes ist, hat auch der BGH mehrfach ausgesprochen. So hat der Bundesgerichtshof in BGHZ 113, 151 hervorgehoben, dass neben der standespolitischen Funktion, Ansehen und Ehre des Notarstandes zu wahren, vorrangiger Zweck der Vertrauensschadensversicherung die Schadloshaltung des Geschädigten ist. Die Vertrauensschadensversicherung soll zusammen mit der Einzelhaftpflichtversicherung, der Gruppenanschlussversicherung und dem Vertrauensschadensfond der Notarkammern für geschädigte Rechtssuchende den Vermögensschutz sicherstellen, den ansonsten die Staatshaftung bei Amtspflichtverletzungen anderer Amtsträger schafft. Daraus folgt, dass Voraussetzungen und Umfang der Versicherungsleistung nach dem Vertrauensschadenversicherungsvertrag dem Umfang des Schadensersatzanspruchs aus § 19 Abs. 1 BNotO grundsätzlich entsprechen muss.

Diesen Maßgaben widerspricht der von der beklagten Notarkammer abgeschossene Vertrag mit der Ausschlussklausel in § 4 Nr. 3 der Allgemeinen Vertragsbedingungen. Damit werden nämlich erhebliche Abweichungen zwischen Voraussetzungen und Umfang der Versicherungsleistung der Vertrauensschadenversicherung einerseits und dem Schadensersatzanspruch aus § 19 Abs. 1 BNotO anderseits begründet. Es wird durch den von der Notarkammer abgeschlossenen Versicherungsvertrag der ergänzende Schutz wegen Schäden durch vorsätzliche notarieller Pflichtverletzungen nicht im erforderlichen Umfang für den Geschädigten sichergestellt.

Der Gesetzgeber hat entgegen der Auffassung der Beklagten derartige Einschränkungen auch nicht stillschweigend akzeptiert. Weder aus den Materialien zu diesem Änderungsgesetz (BT-Drucksache 8/2782 und 9/24) noch aus den Materialien zum Dritten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 19.06.1998 (Bundesgesetzblatt I 5585, Begründung des Gesetzentwurfs in: BT-Drucksache 13/4184) ergibt sich, dass die beteiligten Gesetzgebungsorgane Kenntnis davon hatten, dass in der Praxis von Notarkammern Versicherungsverträge abgeschlossen wurden, aufgrund derer die Ersatzpflicht für den Geschädigten in zeitlicher Hinsicht und hinsichtlich des Umfangs der zu ersetzenden Schäden hinter dem des § 19 Abs. 1 BNotO zurückbliebt. Dies gilt insbesondere auch für die im Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Gesetz zur Änderung der Bundesnotarordnung vom 18.06.1998 auf Empfehlung des Rechtsausschusses unterbliebene Erhöhung der Mindestversicherungssumme. Zwar hat der Ausschuss die Empfehlung des Bundesrates (BT-Drucksache 13/4184, Seite 46 und 51), die Mindestversicherungssummen in § 67 Abs. 3 BNotO zu erhöhen, für die Vertrauensschadenversicherung mit Erfolg abgelehnt. Die Ablehnung der Erhöhung der Mindestversicherungssummen in der Vertrauensschadenversicherung ist seinerzeit damit begründet worden, dass bei über die Mindestversicherungssumme hinausgehenden Schäden der Vertrauensschadenfonds der Notarkammern eintrete, aus dem auch „Spitzenschäden“ ersetzt werden könnten. Dieses „flexible System der Schadensvorsorge im Falle vorsätzlicher Amtspflichtverletzung habe sich bewährt“ (BT-Drucksache 13/11034, Seite 39). Die Begründung zeigt, dass es bei der Diskussion allein darum ging, ob die derzeitigen Mindestversicherungssummen in der Höhe den durch vorsätzliche Pflichtverletzungen möglicherweise entstehenden Schaden abdecken. Eine Erörterung darüber, ob die in Vertrauensversicherungsverträgen üblichen Ausschlussklauseln dem gebotenen Schutz der Geschädigten entgegenstehen, ist indes nicht erfolgt.

Aus dem Schweigen des Gesetzgebers könnte allenfalls dann eine Billigung der Ausschlussklauseln abgeleitet werden, wenn es eine Diskussion darüber gegeben hätte, dass die Geschädigten bei wissentlicher Pflichtverletzung durch bisher bestehende Vertrauensversicherungsverträge nicht hinreichend abgesichert waren. Zwar haben nach Inkrafttreten der Pflichtversicherung in § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO Zimmermann (DNotZ 1982, 90, 93) und Wolff (VersR 1993, 272, 273) in Aufsätzen erwähnt, dass die Versicherungsverträge weiterhin eine Begrenzung der Nachhaftung auf 4 Jahre enthalten und mittelbare Schäden ausschließen. Mit Ausnahme der Stellungnahme von Haug aus dem Jahr 1997 (Die Amtshaftung des Notars, 2. Aufl. – noch nicht in der 1. Aufl. 1998) ist nicht erkennbar, dass es bis zum Jahr 1998 zu einer breiteren Diskussion darüber gekommen war, ob diese Haftungsausschlüsse mit dem Zweck der Pflichtversicherung vereinbar gewesen sind. Auch veröffentlichte Gerichtsentscheidungen, in denen Geschädigte mit Ansprüchen gegen die Vertrauensschadenversicherung wegen dieser Klauseln abgewiesen worden sind, sind nicht bekannt.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass die Landesregierungen von der in § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 BNotO eröffneten Möglichkeit zum Erlass von Rechtsverordnungen keinen Gebrauch gemacht haben. Diese Ermächtigung betrifft allein die Festlegung von Gesamtleistungen auf alle von Notaren verursachten Schäden während eines Versicherungsjahres. Dasselbe gilt für die Ermächtigung zur Erhöhung der Mindestversicherungssummen für das Bundesministerium der Justiz nach § 67 Abs. 3 Nr. 3 Satz 4 BNotO in Verbindung mit § 19 a Abs. 7 BNotO. Beide betreffen allein Haftungssummen und nicht Haftungsausschlüsse.

Entgegen der Auffassung der Beklagten hat der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung in BGHZ 115, 275, 281 den Parteien des abzuschließenden Vertrauensschadenversicherungsvertrages die Gestaltung der Versicherungsbedingungen keineswegs freigestellt. Der BGH hat wie folgt formuliert: „Die Notarkammer genießt – innerhalb des durch § 67 Abs. 2 Nr. 3 BNotO gezogenen gesetzlichen Rahmens – Freiheit beim Abschluss des Versicherungsvertrages. Sie kann – als Versicherungsnehmerin – die Vertragsbedingungen der Vertrauensschadensversicherung entsprechend den ihr durch die Bundesnotarordnung zugewiesenen Aufgaben gestalten. Sollte der Versicherungsvertrag dennoch – in Ausnahmefällen – Folgen haben, die den öffentlichen Belangen der notariellen Vertrauensschadenversicherung grundsätzlich widersprechen, kann dies durch Anwendung der Generalklauseln des Bürgerlichen Rechts gemildert werden. Lücken in der vertraglichen Regelung können nach zivilrechtlichen Grundsätzen – notfalls durch eine Vertragsergänzung - geschlossen werden“.

Der Bundesgerichtshof hat damit zwar vordergründig den Parteien des Versicherungsvertrages eine gewisse Freiheit bei der Gestaltung der Vertragsbedingungen eingeräumt. Anderseits hat er aber gerade hervorgehoben, dass die daraus resultierenden Folgen den öffentlichen Belangen der notariellen Vertrauensschadenversicherung nicht grundsätzlich widersprechen dürfen. Ein derartiger Widerspruch ergibt sich jedoch aus der Haftungsausschlussklausel in § 4 Ziffer 3 der Allgemeinen Versicherungsbedingungen. Durch die Beschränkung der Ersatzpflicht auf lediglich „unmittelbare Schäden“ wird der wesentliche Zweck der Bestimmung in § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO, die Schadloshaltung des Opfers bei vorsätzlicher Pflichtverletzung des Notars, nicht gewahrt. Soll die Vertrauensschadenversicherung nach dem eindeutigen Willen des Gesetzgebers die Haftpflichtversicherung des Notars wirksam ergänzen und einen der Staatshaftung vergleichbaren Vermögensschutz gewährleisten, dann muss sie einen umfassenden Schadensersatz – begrenzt lediglich durch die Deckungshöchstsumme – gewährleisten.

Im Übrigen spricht für die hier vertretene Auffassung der Regelungszusammenhang des § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO mit der Vorleistungspflicht des Haftpflichtversicherers in § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO. Nur wenn sich die in § 19 a Abs. 2 Satz 2 BNotO angeordnete Vorleistungspflicht des Haftpflichtversicherers und das von den Notarkammern zu versichernde Vertrauensschadenrisiko gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO inhaltlich entsprechen, fügt sich die Vorleistungspflicht des Haftpflichtversicherers nahtlos und spannungsfrei in das Haftungssystem der Bundesnotarordnung, welches dem der Staatshaftung entsprechen soll, ein. Der Wortlaut des § 19 a Abs. 2 BNotO enthält keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass sich die Vorleistungspflicht des Haftpflichtversicherers auf den Betrag beschränkt, den die beklagte Notarkammer bei dem Vertrauensschadenversicherer gemäß § 67 Abs. 3 Nr. 3 BNotO versichert hat. Würde die Höhe des vorzuleistenden Betrages nicht an den im Haftpflichtprozess ausgeurteilten Betrag gemessen, sondern auf den Betrag beschränkt werden, den die beklagte Notarkammer im Rahmen der abgeschlossenen Versicherung gegen den Vertrauensschadenversicherer gelten machen kann, so hätte dies nicht lösbare Verwerfungen zufolge wie sie sich beispielhaft in den von den Parteien vorgelegten Entscheidungen des Landgerichts Frankfurt am Main vom 18.03.2008 (17 O 111/07) sowie des Landgerichts Köln vom 10.09.2008 (20 O 390/07) niedergeschlagen haben.

Ist nach alledem die Ausschlussklausel für mittelbare Schäden in § 4 Nr. 3 der Allgemeinen Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung unwirksam, so kann die Klägerin von der Beklagten auch die Einziehung und Auskehrung der von ihr erbrachten und im Haftpflichturteil des Landgerichts Limburg vom 12.08.2005 ausgeurteilten Zinsen für die Zeit vom 30.07.2004 bis 17.12.2006 sowie die der geschädigten C-Versicherung entstandenen Kosten des Haftpflichtprozesses in Höhe von 10.150 Euro verlangen.

Weitere Voraussetzung ist insoweit jedoch ebenfalls die Feststellung einer wissentlichen Pflichtverletzung des Notars. Es wird hierzu in vollem Umfang auf die vorstehenden Ausführungen unter Ziffer II und die dargelegte Notwendigkeit der weiteren Beweisaufnahme Bezug genommen.

Nach alledem war das angefochtene Urteil des LG Frankfurt mit dem ihm zugrundeliegenden Verfahren aufzuheben und zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht zurück zu verweisen.

Die Gerichtskosten waren wegen unrichtiger Sachbehandlung gemäß § 21 GKG niederzuschlagen. Im Übrigen ergeht keine Kostenentscheidung, da eine Entscheidung in der Sache nicht getroffen worden ist. Sie bleibt dem Erstgericht vorbehalten.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf den § 708 Nr. 10, 711 ZPO. Auch wenn das Urteil selbst keinen vollstreckungsfähigen Inhalt im eigentlichen Sinn hat, denn das angefochtene Urteil tritt bereits mit der Verkündung des aufhebenden Urteils außer Kraft (§ 717 Abs. 1 ZPO), ist die Entscheidung für vorläufig vollstreckbar zu erklären, da gemäß den § 775 Nr. 1 und 776 ZPO das Vollstreckungsorgan die Vollstreckung aus dem erstinstanzlichen Urteil erst einstellen und bereits getroffene Vollstreckungsmaßnahmen erst aufheben darf, wenn eine vollstreckbare Ausfertigung vorgelegt wird (Zöller/Heßler, a. a. O., § 538 Rn. 59; Krüger in Münchner Kommentar zur ZPO, 538 Rn. 29; OLG München, NZM 2002, 1032).

Die Revision war wegen der grundsätzlichen Bedeutung zum Anwendungsbereich des Anspruchs aus § 19 a Abs. 2 Satz 4 BNotO sowie der Inhaltskontrolle der Haftungsausschlussklausel in § 4 Nr. 3 der allgemeinen Bedingungen der Vertrauensschadenversicherung zuzulassen.