OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 06.07.2010 - 5 U 101/09
Fundstelle
openJur 2012, 33293
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 11.5.2009 verkündeteUrteil der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurtam Main wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wirdnachgelassen, die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung inHöhe von 110% des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betragsabzuwenden, soweit nicht die Beklagte vor der VollstreckungSicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betragsleistet.

Gründe

I.

Der Kläger verlangt als Handelsvertreter in verschiedenen Sparten – Versicherungen, Fondsanteile und andere Bankprodukte – Ausgleich wegen ordentlicher Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses. Auf der Grundlage des Vertrags vom 26.7.1986/4.8.1986 (Bl. 80, 81) und der darin eingeschlossenen Ergänzungen – Provisionsbedingungen (K 2), Leistungs- und Betreuungsbedingungen (Bl. 82 ff. d.A.), Besondere Bedingungen (Bl. 85 ff. d.A.) - war er in dem Strukturvertrieb der Beklagten bis zum 31.12.2007 tätig, zuletzt an zweithöchster Stelle. Es gab noch zwei Zusatzvereinbarungen über Altersversorgung und über ein Wettbewerbsverbot, nämlich die Zusatzvereinbarung I vom 25.1.1989 (Bl. 93 d.A.) und die Zusatzvereinbarung II vom 1.1.1996 (Bl. 96 d.A.). Die Provisionsbedingungen waren im Laufe der Jahre hinsichtlich der Produkte und Provisionssätze verändert worden. Dem Kläger in der Struktur nachgeordnete Vertreter, von deren Provision er einen Anteil beanspruchen konnte, waren mit der Beklagten direkt vertraglich verbunden.

Am 27.11.2006 wurde dem Kläger ordentlich zum 31.12.2007 gekündigt, im Jahr 2007 war der Kläger krankheitsbedingt an einer eigenen Tätigkeit gehindert. Am 25.5.2007 verzichtete die Beklagte ihm gegenüber auf ein nachvertragliches Wettbewerbsverbot.

Der Kläger hat erstinstanzlich einen ins Ermessen des Gericht gestellten Ausgleichsanspruch in Höhe von mindestens 669.000,00 € geltend gemacht, hilfsweise 40.116,42 € als Karenzentschädigung wegen des Wettbewerbsverbots und verschiedene Auskünfte begehrt.

Er hat – abgesehen von im Berufungsverfahren nicht mehr verfolgten Auskünften - beantragt,

die Beklagte zu verurteilen,

1. an ihn einen Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des erkennenden Gerichts gestellt wird, aber einen Mindestbetrag von 669.000,00 € nicht unterschreiten sollte, 2. an ihn Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1.3.2008 auf den unter 1.) austitulierten Betrag zu zahlen, 3. an den Kläger einen weiteren Betrag in Höhe von 8.652,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Ansicht vertreten, der Kläger verliere infolge der Beendigung des Vertreterverhältnisses keine Vermittlungsprovisionen, weil eine Provisionsver-zichtsklausel nicht vereinbart sei. Soweit Provisionsansprüche trotzdem verloren gingen, beruhe dies darauf, dass diese eine Betreuungsleistung des Klägers voraussetzten, die der Kläger wegen der Beendigung des Vertragsverhältnisses nicht mehr leisten könne. Eine Karenzentschädigung könne wegen eines Verzichts der Beklagten auf das Wettbewerbsverbot nicht verlangt werden.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Für den Ausgleichsanspruch eines Versicherungsvertreters fehle es an einer Provisionsverzichtsklausel. Karenz-entschädigung gebe es nicht, weil die Beklagte auf das Wettbewerbsverbot ver-zichtet habe. Wegen der weiteren Einzelheiten des erstinstanzlichen Parteivor-trags wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, wie auch zum Inhalt der Entscheidungsgründe (Bl. 215- 223 d.A.).

Im Berufungsverfahren verfolgt der Kläger die Auskunftsansprüche nicht weiter, sondern verlangt jetzt neben dem auf mindestens 250.000,00 € reduzierten Ausgleich einen Buchauszug für 2006 und 2007. Er meint, aus den Verträgen ergebe sich eine Betreuungspflicht als Grundlage für die Folgeprovisionen nicht.

Solche Betreuungspflichten würden auch von der Beklagten nicht durchgesetzt, weshalb die Beklagte sich darauf nicht berufen könne. Die entsprechende Klau-sel sei auch als AGB unwirksam. Sowohl zu den eigentlichen Folgeprovisionen, denen aus Dynamikanpassungen und den Superprovisionen aus der Tätigkeit nachgeordneter Handelsvertreter, hier auch Strukturdifferenzprovisionen ge-nannt, sieht der Kläger, wenn auch betraglich nicht differenziert, Provisionsver-luste. Der Verzicht auf das Wettbewerbsverbot greife zu kurz, weil er nur das der Zusatzvereinbarung II betreffe, ein anderes Wettbewerbsverbot aus den Besonderen Bedingungen aber nicht.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des angefochtenen Urteils die Beklagte zu verurteilen, 1. an ihn einen Ausgleichsanspruch nach Beendigung des Handelsver-treterverhältnisses zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des erken-nenden Gerichts gestellt wird, aber einen Mindestbetrag von 250.000,00 € nicht unterschreiten soll, 2. an ihn Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Ba-siszinssatz seit dem 1.3.2008 auf den unter 1.) austitulierten Betrag zu zahlen, 3. an ihn einen weiteren Betrag in Höhe von 8.652,73 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen, 4. einen Buchauszug für die Jahre 2006 und 2007 zu erteilen, sowie die Sache unter Aufhebung des Urteils und des Verfahrens an das Ge-richt des ersten Rechtszugs zurückzuverweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte widerspricht der Antragserweiterung zum Buchauszug, weil sie nicht sachdienlich sei. Dieser neue Antrag sei auch rechtsmissbräuchlich, weil der Kläger wegen der mehreren Tausend Kunden und dem mit der Erstellung eines Buchauszugs verbundenen Aufwand die Beklagte nur vergleichsgeneigt machen wolle. Der Kläger habe über die monatlichen Abrechnungen ohnehin alle Informationen erhalten. Ansonsten verteidigt die Beklagte das angefochtene Urteil.

Der Senat hat darauf hingewiesen, dass der Kläger im Bereich der Finanz-dienstleistungen nicht als Versicherungsvertreter tätig geworden ist (Verfügung vom 8.12.2009, Bl. 406 d.A.), und darauf, dass der Kläger seiner Vortragslast zur Einordnung der verschiedenen Folgeprovisionen als Vermittlungsprovision nicht genügt hat (Protokoll der Sitzung vom 4.5.2010, S.2, Bl. 475 d.A.).

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht ein-gelegt und gerechtfertigt worden. Das Rechtsmittel hat jedoch, auch soweit es den Klageantrag erweitert, keinen Erfolg.

Die Klage auf Ausgleichszahlung ist zulässig. § 253 Abs.2 Nr.2 ZPO ist mit der unbestimmten Antragsfassung nicht verletzt, weil ein Anspruch betroffen ist, der über § 89b Abs.1 Satz 1 HGB von einer richterlichen Billigkeitsentscheidung abhängt (Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 253 Rz.14).

Die Zahlungsklage ist jedoch unbegründet, weil dem Kläger ein Anspruch aus § 89b Abs.5 und Abs.1 HGB a.F. nicht zusteht. Aus den Grundsätzen intertem-poralen materiellen Rechts (Rechtsgedanke Art. 170 EGBGB, vgl. Pa-landt/Grüneberg, BGB, 68. Aufl. 2010, Einf. vor § 241 Rz.14), folgt, dass für den Anspruch des Klägers, den dieser als am 1.1.2008 entstanden ansieht, das an diesem Tag maßgebliche Schuldrecht anzuwenden ist, also § 89b Abs.1 und Abs.5 HGB in der bis zum 5.8.2009 geltenden Fassung. Dieses ist unter Be-rücksichtigung der europäischen Handelvertreterrichtlinie vom 18.12.1986 (86/653/EWG – künftig nur: RL) europarechtskonform entsprechend der Ent-scheidung des EuGH vom 26.3.2009 (C-348/07DStR 2009, 759) auszulegen (so auch Löwisch in Ebenroth/Boujong, 2. Aufl. 2008, § 89b Rz. 90; a.A. wohl Emde DStR 2009, 1478, 1479). Das HGB regelt nämlich über die in § 89b Abs.5 genannten Unterschiede hinaus den Ausgleichsanspruch des Versiche-rungsvertreters nicht anders als den des Warenvertreters (vgl. auch BGH vom 29.4.2009, VIII ZR 226/07 - RIW 2009, 640 zum Vertragshändlerausgleich). Nach der Entscheidung des EuGH vom 26.3.2009 (C-348/07 - DStR 2009, 759) sind in einem ersten Berechnungsschritt die Vorteile des Unternehmers zu er-mitteln, in einem zweiten ist eine Billigkeitsbetrachtung anzustellen und in einem eventuellen dritten Schritt ein sich so ergebender Betrag an der Kappungsgrenze zu messen.

Die sog. Grundsätze der Versicherungswirtschaft sind demgegenüber für die Anspruchsberechnung hier nicht maßgeblich, denn sie sind weder vereinbart (vgl. dazu OLG Frankfurt – 8.Zs – NJW-RR 1996, 548; Senat 5 U 247/84BB 1986, 1257; auch Baumbach/Hopt, wie oben, § 89b Rz.96), noch stellen sie einen Handelsbrauch dar (wie vor).

Auch wenn der Kläger eine nachvollziehbare Berechnung der Vorteile nicht un-ternommen hat, darf ihm jedoch eine Mindestschätzung der Vorteile nicht vor-enthalten werden (vgl. BGH vom 12.2.2000, VIII ZR 19/99 - NJW 2000, 1413 Rz.22 bei juris; Senat 5 U 133/06, S. 9 – nicht veröffentlicht), sofern diese mög-lich ist. Denn im Bereich einer nach § 287 Abs.2 ZPO eröffneten Schätzung gelten niedrigere Darlegungsanforderungen (BGH, wie vor; Zöller/Greger, wie oben, § 287 Rz. 5). Als Mindestbetrag der Unternehmervorteile kann die an den Handelsvertreter gezahlte Provision ansetzt werden (BGH vom 29.3.1990, I ZR 2/89 - NJW 1990, 2889 Rz.29 bei juris; Senat 5 U 173/99 – S. 24; Staub/Emde, HGB, 5. Aufl. 2008, § 89b Rz.93). Denn vergleichbar einer Renta-bilitätsvermutung ist davon auszugehen, dass der Vorteil des Unternehmers mindestens seinen an den Handelsvertreter erbrachten Aufwendungen ent-sprach.

Für die Berechnung kann grundsätzlich auf die Provisionszahlungen des letzten Vertragsjahres – hier das Kalenderjahr 2007 – abgestellt werden (vgl. Staub/Emde, wie oben, Rz.478). Einen weitergehenden Zeitraum heranzuziehen erscheint angesichts der nahezu gleich hohen Provision für 2006 nicht an-gezeigt. Für 2007 hat der Kläger – unbestritten - seine Provisionseinnahmen mit 97.814,38 € angegeben (S.18 Klageschrift, Bl. 18 d.A.). Der Einwand, es handele sich insoweit nur um Provisionsvorschüsse, ist unerheblich, weil er nicht erkennen lässt, in welchem Umfang Vorschüsse üblicherweise hinter den später verdienten Provisionen zurückblieben. Ein Altvertragsbestand ist nicht behauptet worden, sodass davon auszugehen ist, dass alle Provisionen auf neuen Verträgen iSd. § 89b Abs.5 HGB beruhen.

Abzuziehen sind von den mit 97.814,38 € angegebenen Einnahmen die Provi-sionen, die der Kläger mit Produkten erzielt hat, die keine Versicherungen und Bausparverträge darstellen, die der Kläger als „Finanzdienstleistungen“ be-zeichnet. Der Senat hat am 8.12.2009 (Bl. 406 d.A.) und am 12.4.2010 (Bl. 454 d.A.) darauf hingewiesen, dass insoweit der Ausgleichsanspruch wie bei einem Handelsvertreter des § 89b Abs.1 HGB zu berechnen ist. Stammkunden oder eine Stammkundenquote des letzten Vertragsjahres zu dieser Sparte sind vom Kläger nicht angegeben worden, sodass eine Mindestschätzung nicht möglich ist. Der Teilbereich der sog. Finanzdienstleistungen ist vom Kläger – unbestritten – mit 10% seiner Tätigkeit angegeben worden (Klageschrift S.29, Bl. 29 d.A.). Bei Abzug dieser 10% reduziert sich der Provisionsverlust 2007 auf 88.032,94 €.

Darüber hinaus sind die Provisionen für Erstabschlüsse aus der Struktur abzu-ziehen. Gemäß § 89b Abs.5 HGB sind für den Ausgleichsanspruch des Versi-cherungsvertreters nämlich nur die Neuverträge als Vorteile der Beklagten be-achtlich, die der Kläger vermittelt hat, wobei ein zumindest mitursächliches Ein-wirken des Klägers auf die Kunden genügt. Verlorene Superprovisionen sind unter dieser Voraussetzung als Provisionsverluste des Handelsvertreters aner-kannt (vgl. etwa Staub/Emde, wie oben, § 89b Rz.137).

Soweit im Jahr 2007 Erstabschlüsse der Strukturvertreter des Klägers, die kei-ne echten Untervertreter sind, erfolgten, fehlt eine mitwirkende Vermittlungstä-tigkeit des Klägers, weil er im Jahr 2007 krank war und nicht arbeitete. Der ver-bleibende Anteil der Strukturprovisionen, der auf Folgeprovisionen an die Unter-leute bezogen sein kann, die auf früheren Mitwirkungen des Klägers beruhen, entzieht sich einer Mindestschätzung. Deswegen ist zum Nachteil des vortrags-belasteten Klägers der gesamte aus seiner Struktur in 2007 erwirtschaftete Provisionsanteil abzuziehen. Der Kläger hat diesen – unbestritten – mit etwa der Hälfte der Provisionen des Jahres 2007 vorgetragen (Klageschrift S.31, Bl. 31 d.A.). Ein berücksichtigungsfähiger Unternehmervorteil stellt sich damit für ein Jahr auf 44.106,47 €.

Zum Nachteil des vortragspflichtigen Klägers kann nur im Wege der Mindest-schätzung eine Prognosedauer von vier Jahren mit einer sich daraus ergeben-den Abwanderungsquote von 25% angesetzt werden. Die Länge des Progno-sezeitraums hängt nämlich von der jeweiligen Versicherung und der Zusam-mensetzung des Kundenkreises ab, zu denen ausreichender Vortrag fehlt. Oh-nehin darf der Prognosezeitraum höchstens, wie in vielen Handelsvertreterfällen üblich, mit 5 Jahren bei einer Abwanderungsquote von 20% angesetzt (so auch OLG Celle 18 U 104/05), denn eine Prognose hat sich auf eine noch überschaubare Zeit beziehen (Baumbach/Hopt, wie oben, § 89b Rz.16). Dem-gegenüber empfiehlt Emde (Staub/Emde, wie oben, Rz. 408) einen kürzeren Zeitraum von vier Jahren. Andere Zahlen aus dem Bausparkassengeschäft sind nicht nützlich (OLG Celle VersR 2002, 976: 7 Jahre; OLG Stuttgart Vers. 72, 44: 4 Jahre). Für das Versicherungsgeschäft folgt daraus nämlich nichts.

Das führt dann zu einem Unternehmervorteil von 150% (75% + 50% + 25% + 0%), also zu 66.159,71 €. Unter Berücksichtigung einer Abzinsung nach Gillar-don (vgl. Küstner, Handbuch des gesamten Außendienstrechts, Bd.2, 7. Aufl. 2003, Fn. 165 unter Rz.775) mit einem Zinssatz von 5% ergibt sich so zum 1.1.2008 ein Betrag von 59.851,10 € (geteilt durch 48 mal 43,4230).

Ein Anspruch in Höhe dieser Unternehmervorteile steht dem Kläger aber nicht zu, weil dies unbillig wäre (§ 89b Abs.1 Nr.3 HGB a.F,, vgl. auch EuGH, wie oben, Erwägung Nr.19). Denn es ist nicht festzustellen, dass der Kläger Provi-sionsverluste aus Vermittlungstätigkeiten erlitten hat, während sonstige an-spruchsbegründende oder anspruchserhöhende Billigkeitsumstände (dazu EuGH, wie oben, Erwägungsgrund Nr. 20) fehlen.

Als entgangen gelten nach der ständigen Rechtsprechung des BGH (BGH vom 4.5.1959, II ZR 81/57 - BGHZ 30, 98, 103 ff; vom 19.11.1970, VII ZR 47/69 - BGHZ 55, 45, 49 ff.; BGH vom 22.12.2003, VIII ZR 117/03MDR 2004, 402) nur die Abschlussprovisionen des Versicherungsvertreters, nicht aber Provisio-nen bzw. die Provisionsteile für die Verwaltung bzw. Betreuung des Versiche-rungsbestands.

Eine Vermittlungsvergütung aus Erstabschlüssen entgeht dem Kläger nicht, weil der Vertrag mit der Beklagten, wie unstreitig ist, keine Provisionsverzichtsklausel enthält. Erstabschlussprovisionen stehen ihm auch nach Vertragsbeendigung noch zu. Die in den gesamten Provisionseinnahmen des Jahres 2007 enthaltenen Erstabschlusspro-visionen des Klägers sind nicht angegeben, können aber, weil der Kläger in diesem Jahr nicht arbeitete, allenfalls in den ersten Monaten des Jahres 2007 zu Zuflüssen geführt haben, nämlich soweit sie auf Abschlüssen aus 2006 beruhen. Insoweit schätzt der Senat zum Nachteil des Klägers einen Höchstbetrag in Höhe der Gesamtprovisionen für Januar und Februar 2007, rechnerisch einem 1/6 der bislang ermittelten Unternehmervorteile entsprechend (Rest 49.876,25 €).

Dem Kläger hat aber auch keine Folgeprovisionen verloren, die ihm für eigene Vermittlungstätigkeit sonst zugestanden hätten: Denn die Beklagte hatte in ihren Provisionsbedingungen (Anlage K 2 im Anlagenordner, dort unter I 3. Absatz) mit ihm vereinbart, dass über die Erstprovision („zunächst anfallende Provision“) hinaus versprochene weitere Provisionszahlungen eine nachhaltige Kundenbetreuung voraussetzen. Dabei handelte es sich um eine zulässige Voraussetzung für die Entstehung des Provisionsanspruchs iSd. § 87a Abs.1 Satz 1 HGB. Ob sich wirtschaftlich diese Klausel zugleich als Provisionsverzicht darstellt, weil infolge der Vertragsbeendigung dem Handelsvertreter regelmäßig eine nachhaltige Kundenbe-reuung nicht mehr möglich ist, kann dahinstehen (vgl. dazu BGH vom 4.5.1959, II ZR 81/55 – BGHZ 30, 98, 103).

Zum Nachteil des Klägers kann nämlich ohnehin nicht festgestellt werden, in welchem Umfang Folgeprovisionen für werbende Tätigkeit des Versicherungsvertreters, also als Vermittlungsvergütung, oder für nicht auszugleichende Verwaltungstätigkeiten des Vertreters gezahlt wurden. Damit ist der Kläger aber vortragsbelastet, weil er die Anspruchsvoraussetzungen des § 89b Abs.1 Nr.1 bis 3 HGB a.F. darstellen muss (vgl. BGH vom 19.11.1970, VII ZR 47/69BGHZ 55, 45; BGH vom 22.12.2003, VII ZR 117/03MDR 2004, 402, Rz.48 bei juris). Indizien, die eine Mindestschätzung der Vermittlungstätigkeit an den Folgeprovisionen ermöglichen könnten, wie etwa eine geringe Höhendifferenz der Erstprovisionen und der Folgeprovisionen (vgl. BGH vom 22.12.2003, wie oben, Rz. 44 bei juris), sind nicht ersichtlich.

Eine sekundäre Vortragslast hat die Beklagte nicht, auch nicht unter Berücksichtigung der in den Tankstellenfällen entwickelten Grundsätze (vgl. BGH vom 28.4.1988, I ZR 66/87WM 1988, 1204; BGH vom 22.12.2003, wie vor). Nach diesen Grundsätzen kehrt sich zwar die Darlegungslast zum Nachteil des Unternehmers um, wenn dieser über Erfahrungswerte verfügen muss, wie sich ein Verwaltungs- und ein Vermittlungs-aufwand des Handelsvertreters zueinander verhalten. Das hat der Kläger aber nicht geltend gemacht und es kann hier auch nicht auf Grund allgemeinkundiger Umstände angenommen werden. Anders als bei Handelsvertretern, die für den gleichen Unternehmer jeweils eine Tankstelle betreiben, fehlt es für die in die Vertriebstruktur der Beklagten eingegliederten Versicherungsvertreter an einer weitgehend einheitlichen Gestaltung der betrieblichen Verhältnisse, wie sie vom Unternehmer einem Tankstellenhalter vorgegeben ist – äußeres Erscheinungsbild, Inkassowesen, etc.

Der Vertrag nimmt in den Provisionsbedingungen (Abschnitt I, 3. Absatz) eine Zuordnung der vereinbarten Provisionen zu Verwaltungsaufgaben vor (vgl. auch BGH vom 22.12.2003, wie vor, Rz.48 bei juris), indem die Vergütung an eine nachhaltige Betreuung gebunden wird. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Beklagte den Umfang von Betreuungstätigkeiten kontrollierte und gegebenenfalls durchsetzte, was der Kläger in Abrede stellt. Unerheblich für die Verteilung der Vortragslast ist auch, ob die Beklagte, so der Kläger, ein Recht auf Betreuungstätigkeit etwa verwirkt hätte, wozu die Voraussetzungen, namentlich das Umstandsmoment, nicht vorgetragen sind.

Auf den Vortragsmangel ist der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht hingewiesen worden (Protokoll vom 4.5.2010, S.2, Bl. 475 d.A.). Anhaltspunkte für einen Fehlverständnis des Hinweises gibt es nicht. Dass ein Vergleich über 55.000,00 € vom Kläger widerrufen worden ist, lässt allenfalls den Schluss auf eine von den Vorstellungen des Senats abweichende rechtliche oder tatsächliche Bewertung des Klägers zu.

Sonstige Billigkeitsaspekte, die einen Anspruch gegen die Beklagte trotz des Fehlens von Provisionsverlusten begründen könnten, vermag der Senat nicht festzustellen. Die lange Tätigkeit des Klägers und die Stellung im Vertriebssystem der Beklagten sind hier bereits durch hohe Provisionseinnahmen des Klägers der Vergangenheit abgegolten worden, im Kalenderjahr 2007 ohne Arbeitstätigkeit des Klägers für die Beklagte immerhin in einer Höhe von 97.814,38 €.

Zu der - hilfsweise - im Berufungsverfahren in Höhe von noch 20.000,00 € verlangten Karenzentschädigung hat der Kläger keinen Anspruch aus § 90a Abs.1 Satz 3 HGB, weil die Beklagte am 27.5.2007, also rechtzeitig vor Vertragsende, auf das Wettbe-werbsverbot verzichtete (§ 90a Abs.2 HGB). Der Verzicht bezog sich nach dem Schreiben vom 27.5.2007 (Anl. K 16) zwar auf „das nachvertragliche Wettbewerbsver-bot, wie es auf Grund der Zusatzvereinbarung II im Rahmen des Handelvertreterver-hältnisses vereinbart...“ war. Die Zusatzvereinbarung II (Anl. 9 zur Klageerwiderung, Bl. 100 d.A., zu Ziff.16) hatte erkennbar aber das bereits zuvor in den besonderen Bedingungen (Anl. 3 zur Klageerwiderung, Bl. 86 d.A.) vereinbarte Abwerbungsverbot von Kunden modifiziert. Dass die Parteien mit der Zusatzvereinbarung II zwei verschiedene Wettbewerbsverbote nebeneinander wollten, liegt fern.

Da dem Kläger ein Zahlungsanspruch nicht zusteht, kann er auch nicht wegen Verzugs hiermit Verzugszinsen und vorgerichtliche Anwaltskosten verlangen (Berufungsanträge zu 2. und 3.).

Die geänderte Klage auf Erteilung eines Buchauszugs ist nicht zuzulassen, weil diese Änderung nicht sachdienlich ist, § 533 Ziff.1 ZPO. Es handelt sich um eine echte Klageänderung und nicht um einen privilegierten Fall des § 264 Ziff.2 ZPO. Der Buchauszug ist nämlich keine Unterfall der Auskunft. Der Auskunftsanspruch ist ein ergänzender Anspruch, er schließt aber den Anspruch auf Buchauszug nicht ein (vgl. Staub/Emde, wie oben, § 87c Rz. 139).

Mit der Klageänderung wird ein neuer Streitstoff eingeführt, ohne dass dazu die bisherigen Prozessergebnisse verwertet werden können (vgl. Zöller/Greger, ZPO, 28. Aufl. 2010, § 263 Rz.13). Zu dem Antrag auf Buchauszug kommt es nämlich darauf an, ob die bisherigen Abrechnungen den Anforderungen an einen Buchauszug genügten, also auf deren Inhalt und Verständlichkeit, wodurch sich ein neuer Prozessstoff ergibt. Die bisherigen Prozessergebnisse sind für diesen Anspruch nicht maßgeblich, weil er von einem Provisionsverzicht für die nachvertragliche Zeit unabhängig ist. Ein rechtliches Interesse an einer mit dem Ausgleichsanspruch zeitgleichen Entscheidung über den Buchauszug hat der Kläger darüber hinaus nicht erkennen lassen.

Die Klageänderung ist auch nicht sachdienlich, weil der Antrag wegen inhaltlicher Unbestimmtheit hinweisbedürftig wäre. Die Änderung einer Klage in einen unzulässigen Antrag kann regelmäßig nicht als sachdienlich angesehen werden. Der Antrag ist unbestimmt (§ 253 Abs.2 Ziff.2 ZPO). Er lässt nämlich nicht erkennen, welche Abschlüsse anderer Versicherungsvertreter dem Kläger als seine Struktur zuzurechnen sind, sodass der Umfang der Verpflichtung erst im Vollstreckungsverfahren geklärt werden müsste (vgl. dazu Staub/Emde, wie oben, § 87c Rz.171).

Die Kostenentscheidung im Berufungsverfahren folgt aus § 97 Abs.1 ZPO. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung richtet sich nach §§ 708 Nr.10 und 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 543 Abs.2 ZPO nicht gegeben sind. Die Anwendung der Grundsätze der EuGH-Entscheidung vom 26.3.2009 für den Versicherungsvertreter bezieht sich auf eine inzwischen geänderte Gesetzeslage.

Die nachgereichten Schriftsätze vom 27.05.2010 und 25.06.2010 (Eingangsdatum) rechtfertigen keine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung.