OLG Hamburg, Urteil vom 09.09.2008 - 7 U 13/08
Fundstelle
openJur 2009, 92
  • Rkr:
Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Januar 2008, Az. 324 O 129/07, wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

III. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger verfolgt mit seiner Berufung Ansprüche gegen die Beklagte auf Zahlung einer fiktiven Lizenz und auf Zahlung einer Geldentschädigung wegen Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts weiter.

Der Kläger ist ein bekannter Fernsehmoderator. Er hat im Juli 2006 in Potsdam seine Lebensgefährtin geheiratet. Die bevorstehende Hochzeit war in der Öffentlichkeit bekannt. Die standesamtliche Trauung fand in dem Schloss B. statt, die kirchliche Trauung in der F., die abendliche Hochzeitsfeier wieder im Schloss B. Alle Feierlichkeiten fanden als geschlossene Gesellschaft statt, zu der nur geladene Gäste und zugelassenes Personal Zugang hatten. Schloss und Kirche waren vorher abgesperrt worden und wurden von Leibwächtern bewacht. An den Feierlichkeiten haben etwa 150 geladene Gäste teilgenommen. Unter den Gästen befanden sich viele prominente Persönlichkeiten, darunter mehrere Fernsehmoderatoren und Journalisten sowie der Regierende Bürgermeister Berlins. Im Verlag der Beklagten erscheint die Tageszeitung „B. M.“. In deren Ausgabe vom 8. Juli 2006 (Auszüge Anlage B 3, Original überreicht im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. 9. 2008) wurde unter der Überschrift „G. J. heiratet seine T.“ über die Hochzeit berichtet. Illustriert war die Berichterstattung mit einer den Kläger zeigenden, von außerhalb des abgesperrten Bereichs heraus angefertigten Fotografie, die ihn mit einem Sektglas in der Hand zeigt; bei dem Abdruck ist sein Gesicht gepixelt worden. Die Berichterstattung enthielt eine Beschreibung der von außerhalb der Absperrung beobachtbaren Vorgänge, drei kurze Äußerungen, die Teilnehmer und Teilnehmerinnen der Feier gegenüber Journalisten getätigt hatten, und eine Mitteilung darüber, wo eine vorangegangene Feier stattgefunden hatte.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass die angegriffene Berichterstattung als redaktionelle Berichterstattung einen Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenz nicht auslöse und dass in der beanstandeten Berichterstattung, sofern sie überhaupt rechtswidrig gewesen sei, jedenfalls kein so schwer wiegender Eingriff in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers liege, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung geboten sei.

In der Berufung wiederholen und vertiefen die Parteien ihren bisherigen Vortrag.

Der Kläger ist der Auffassung, dass die Verbreitung der Aufnahme und von Teilen der Textberichterstattung rechtswidrig gewesen sei, dass ihm wegen der Veröffentlichung seines Bildnisses, aber auch der Textberichterstattung ein Anspruch auf Zahlung einer fiktiven Lizenz in Höhe von € 100.000,00 zustehe und dass die Berichterstattung eine so schwere Verletzung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts darstelle, dass die Zuerkennung einer Geldentschädigung in Höhe von mindestens € 30.000,00 geboten sei.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 11. Januar 2008 (324 O 129/07) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen,
1. an den Kläger 100.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit zu zahlen;
2. an den Kläger ein Schmerzensgeld zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, jedoch mindestens 30.000,00 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der Europäischen Zentralbank seit Rechtshängigkeit betragen sollte.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das angegriffene Urteil. Sie ist der Auffassung, dass die gesamte Berichterstattung bereits nicht rechtswidrig gewesen sei.

Wegen der Einzelheiten wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf die angefochtene Entscheidung Bezug genommen.

Gründe

II.

Die Berufung des Klägers ist zulässig, sie ist aber in der Sache nicht begründet. Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Ansprüche auf Zahlung einer fiktiven Lizenz aus § 823 Abs. 1 BGB oder § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 2 BGB und auf Zahlung einer Geldentschädigung aus § 823 Abs. 1 BGB, jeweils in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG stehen dem Kläger nicht zu. Voraussetzung aller dieser Ansprüche ist, dass ein rechtswidriger Eingriff in Rechte des Klägers bzw. eine rechtswidrige Verletzung seiner Rechte erfolgt ist. An einem solchen rechtswidrigen Eingriff bzw. einer Rechtsverletzung fehlt es hier, weil die Beklagte nicht rechtswidrig gehandelt hat. Die beanstandete Veröffentlichung der Beklagten stellt keine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts oder sonstiger Persönlichkeitsrechte des Klägers dar.

In der Veröffentlichung der den Kläger zeigenden Fotografie lag – auch unter Berücksichtigung der in der jüngsten Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hierzu entwickelten Kriterien (BVerfG, Beschl. v. 26. 2. 2008, GRUR 2008, S. 539 ff., 540 f., 541) – nicht eine Verletzung des Rechts des Klägers am eigenen Bild aus § 22 KUG. Zu Recht sieht das Landgericht in der Aufnahme ein Bildnis aus dem Bereich der Zeitgeschichte im Sinne von § 23 Abs. 1 Nr. 1 KUG, weil im Zeitpunkt der Veröffentlichung ein hinreichendes öffentliches Interesse an einer Kenntnis der beanstandeten Aufnahme bestand. Die Heirat des als Moderator mehrerer Fernsehsendungen bekannten Klägers war ein gesellschaftliches Ereignis von nicht ganz untergeordneter Bedeutung. Schon die Feierlichkeiten als solche bildeten ein bedeutsames gesellschaftliches Ereignis, das sich nicht allein darin manifestierte, dass eine große Zahl prominenter Personen einschließlich des regierenden Bürgermeisters der Bundeshauptstadt erschienen waren, sondern das Öffentlichkeitswirkung auch dadurch entfaltete, dass für die Feierlichkeiten Baulichkeiten abgesperrt wurden, die beliebte Ausflugsziele sind und sonst dem Publikumsverkehr zumindest teilweise offenstehen. An diesen Vorgängen bestand auch ein erhebliches öffentliches Interesse, weil das Publikum ein Recht darauf hat, zu erfahren, wie die Personen, die wie der Kläger durch das Moderieren auch politischer Sendungen auf die öffentliche Meinungsbildung Einfluss nehmen, zueinander stehen, wen sie zu Feierlichkeiten einladen und wie sie feiern. Gerade Feierlichkeiten wie Hochzeiten sind dazu geeignet, das reale Leben prominenter Persönlichkeiten damit zu vergleichen, wie sie sich bislang gegenüber der Öffentlichkeit präsentiert haben, und damit als Bestätigungs- oder Kontrastbild für die von ihnen öffentlich vertretenen Lebensentwürfe zu dienen. Voraussetzungen, unter denen nach § 23 Abs. 2 KUG die Veröffentlichung von Bildnissen aus dem Bereich der Zeitgeschichte unzulässig sein kann, lagen nicht vor. Das veröffentlichte Bildnis ist für den Kläger nicht abträglich, es zeigt ihn auch nicht bei einer Tätigkeit oder in einer Situation, in der es unschicklich wäre, einen Menschen genauer zu betrachten. Zwar kann sich der Kläger hinsichtlich des ungestörten Ablaufs seiner Hochzeitsfeierlichkeiten in einem hierfür eigens geschaffenen Raum im Grundsatz auf den Schutz seiner Privatsphäre berufen, die sogar noch eine gewisse Verstärkung erfährt, da die Ehe und damit auch der Akt der Eheschließung (vgl. BVerfG, Beschl. v. 4. 5. 1971, BVerfGE 31, S. 58 ff., 67 ff.) unter besonderem grundrechtlichen Schutz stehen. Dieser Schutz vermag das öffentliche Interesse an einer Kenntnis von Aufnahmen der von der Beklagten veröffentlichten Art, die den Kläger auf seiner Hochzeitsfeier zeigen, aber nicht zu überwiegen; denn der Kläger konnte und durfte aufgrund der konkreten Umstände nicht darauf vertrauen, dass er während der Hochzeitsfeierlichkeiten überhaupt nicht aufgenommen werden würde. Abgesehen davon, dass gerade Hochzeitsfeiern Ereignisse darstellen, in denen regelmäßig viele Fotografien angefertigt zu werden pflegen, kam hier hinzu, dass angesichts des durch die Absperrung erregten Aufsehens damit gerechnet werden musste, dass von Neugierigen – seien es einfache Passanten, Touristen oder berufsmäßige Fotografen – von außerhalb der Absperrungen in den abgesperrten Bereich hinein fotografiert werden würde. Bei der Abwägung darf weiter nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger eine Person von überragender Bekanntheit ist und damit die vom Bundesverfassungsgericht entwickelten Grundsätze zur Leitbildfunktion prominenter Persönlichkeiten (zuletzt BVerfG aaO.) einschlägig sind. Gerade bei so bekannten Persönlichkeiten wie dem Kläger besteht ein hohes öffentliches Interesse daran, zu wissen, ob sie die von ihnen öffentlich repräsentierten Werte und Erscheinungsformen auch wirklich „leben“ oder ob sie „in Wirklichkeit“ nicht ganz anders sind, als sie sich vor der Fernsehkamera geben. Schließlich war auch die Art der Verbreitung des Bildnisses eher zurückhaltend, indem es nicht als großer „Aufmacher“, sondern – ohne Ankündigung auf der Titelseite – lediglich im Innenteil der Zeitung abgedruckt war. Der Kläger weist schließlich zwar zutreffend darauf hin, dass die Pixelung seines Gesichts in der veröffentlichten Aufnahme in Verbindung mit der Anmerkung der Beklagten in der Bildunterschrift, „Wir haben sein Gesicht unkenntlich gemacht, weil G. J. keine Berichterstattung über seine Hochzeit wünscht“, bei dem Leser den Eindruck hat erwecken können, dass die Beklagte sich über ihn habe lustig machen wollen. Selbst wenn aber – was die Beklagte bestreitet – diese Absicht bestanden haben sollte, wäre dies nicht geeignet, die Veröffentlichung des Bildnisses in seiner konkreten Form nach § 23 Abs. 2 KUG rechtswidrig zu machen; denn eine Verunglimpfung oder Verächtlichmachung des Klägers läge darin noch nicht.

Die Veröffentlichung der Textberichterstattung – allein oder in Verbindung mit der veröffentlichten Fotografie – war ebenfalls nicht rechtswidrig. Sie beschränkte sich auf eine Wiedergabe der Umstände, die von Beobachtern außerhalb der Absperrung wahrgenommen werden konnte, und von Äußerungen, die öffentlich getätigt worden waren, und stellte schon deshalb keine rechtswidrige Privatsphärenverletzung dar.

III.

Ein Anlass, dem Kläger die im Termin zur mündlichen Verhandlung am 9. September 2008 beantragte Schriftsatzfrist nach §§ 525 Satz 1, 283 Satz 1 ZPO zu gewähren, bestand nicht. Die Parteien hatten Gelegenheit, zur Sach- und Rechtslage umfassend vorzutragen. Der letzte Schriftsatz der Beklagtenseite vom 3. September 2008 enthielt außer Rechtsausführungen keinen neuen Sachvortrag, zu dessen Erwiderung dem Kläger hätte Gelegenheit gegeben werden müssen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO. Gründe, nach § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO die Revision zuzulassen, sind nicht gegeben.