FG Kassel, Urteil vom 03.05.2010 - 3 K 299/10
Fundstelle
openJur 2012, 33133
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei der Ermittlung des Gewinns aus einem privaten Veräußerungsgeschäft dem Veräußerungspreis auch solche geldwerten Leistungen zugerechnet werden dürfen, die dem Verkäufer vor Abschluss des Kaufvertrages zugeflossen sind. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zu Grunde:

Der Kläger wurde vom Beklagten (dem Finanzamt) für das Streitjahr 2004 zur Einkommensteuer veranlagt. Während dieses Zeitraums bezog er in erster Linie Einkünfte aus nichtselbstständiger Arbeit. Außerdem hatte er bis zum Ende des Jahres 2001 (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt. Letztere hatten sich bezogen auf eine Eigentumswohnung in dem Gebäude in … .

Der Kläger hatte die Eigentumswohnung durch notariellen Vertrag vom 03.07.1997 von der A erworben. Letztere hatte sich verpflichtet, die Wohnung zu sanieren und bis zum 30.06.1998 fertig gestellt an den Kläger zu übergeben. Der Kaufpreis hatte 197.000,00 DM betragen. Teilbeträge waren entfallen auf Grund und Boden in Höhe von 10.300,00 DM, auf den Altbau in Höhe von 26.400,00 DM und die Sanierungsleistungen in Höhe von 160.300,00 DM. Ausweislich eines Protokolls vom 31.03.1999 war die A jedoch nicht in der Lage, die Sanierungsverpflichtung zu erfüllen. Deshalb weigerte sich der Kläger, die Wohnung abzunehmen sowie die letzte Kaufpreisrate in Höhe von 6.865,00 DM zu zahlen. In der Folgezeit versuchte er, den Kaufvertrag rückgängig zu machen. Dies scheiterte jedoch an dem Umstand, dass die Firma A zwischenzeitlich in Insolvenz gefallen war.

Um den Kaufpreis für die Eigentumswohnung zu finanzieren, hatte der Kläger am 10.07.1997 mit der B einen Darlehensvertrag über die Summe von 197.000,00 DM abgeschlossen. Zur Absicherung des Darlehens hatte er der Bank eine Grundschuld an dem erworbenen Wohnungseigentum bestellt.

Wegen der weiter vorhandenen Mängel konnte die Wohnung nicht vermietet werden. Da ihm insoweit entsprechende Einnahmen fehlten, war der Kläger nicht in der Lage, seinen Verpflichtungen aus dem Darlehensvertrag nachzukommen.

Am 29.10.2002 traf der Kläger mit der B-AG als Rechtsnachfolgerin der B eine Vereinbarung über die Rückabwicklung des am 10.07.1997 abgeschlossenen Darlehensvertrages. Darin legten die Beteiligten „zur Erledigung aller etwaigen Ansprüche aus dem Darlehensverhältnis“ einen Vergleich zu folgenden Bedingungen fest: Die B-AG verpflichtete sich, dem Darlehenskonto des Klägers einen Betrag von 97.199,14 € gutzuschreiben. Im Gegenzug verpflichtete sich der Kläger, eine etwa verbleibende Restforderung auszugleichen. Des Weiteren sollte die Bank berechtigt sein, die finanzierte Eigentumswohnung auf ihre Rechnung zu verwerten. Der Kläger verpflichtete sich insofern, die Bank zum Verkauf und zur Empfangnahme des Verkaufserlöses sowie zur Ausübung aller Rechte eines Eigentümers und Vermieters der Eigentumswohnung zu bevollmächtigen. Zudem sollten der Bank ab dem 01.10.2002 etwaige Erträge aus der Vermietung der Eigentumswohnung zustehen.

Durch notariellen Vertrag vom 13.01.2004 verkaufte der Kläger die Eigentumswohnung an die GmbH in zu einem Kaufpreis von 11.750,00 €. In § 2 des Vertrages trat er den Kaufpreisanspruch an die B-AG ab. Gleichzeitig wies er die GmbH an, Zahlungen ausschließlich auf das von der B-AG anzugebende Konto zu leisten.

Der Kläger erfasste zunächst in seiner Einkommensteuererklärung für das Jahr 2002 die Vergleichsvereinbarung vom 29.10.2002 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei brachte er für den „Veräußerungsgewinn“ u.a. Rechtsanwaltshonorare in Höhe von insgesamt 12.253,00 € als Werbungskosten zum Ansatz. Später machte er geltend, die Veräußerung der Eigentumswohnung sei erst im Streitjahr 2004 erfolgt, deshalb komme die Besteuerung eines Veräußerungsgewinns im Jahr 2002 nicht in Betracht. Das Finanzamt folge dem Vorbringen des Klägers und ließ dementsprechend den ursprünglich erklärten Veräußerungsgewinn bei der Einkommensteuerfestsetzung für das Jahr 2002 unberücksichtigt.

In der Einkommensteuererklärung für das Streitjahr 2004 erfasste der Kläger den Kaufvertrag vom 13.01.2004 als privates Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG. Er gab an, aus diesem Geschäft einen Verlust in Höhe von 22.832,00 € erlitten zu haben. Den Verlust ermittelte er wie folgt:

Veräußerungspreis11.750,00 €abzgl. Anschaffungskosten./.106.231,52 €zzgl. Absetzungen für Abnutzung und71.718,72 €abzgl. Veräußerungskosten./.67,28 €Verlust22.830,08 €Das Finanzamt wich in Bezug auf den Veräußerungspreis sowie in Bezug auf die gegenzurechnenden Abschreibungsbeträge von der Erklärung des Klägers ab und ermittelte den Veräußerungspreis zunächst wie folgt:

Verkaufserlös-- Kaufpreis lt. Vertrag vom 13.01.200411.750,00 €-- Erlass lt. Vereinbarung vom 20.10.200297.199,14 €-- Summe108.949,14 €Anschaffungskosten-- Kaufpreis lt. Vertrag vom 03.07.997197.000,00 DM-- abzgl. letzte Rate./.6.865,00 DM-- Saldo190.105,00 DMAbschreibungsbeträge-- bis 2001 in Anspruch genommen./.87.037,00 DMabzgl. Saldo von Anschaffungskosten und Abschreibungsbeträgen103.098,00 DM=./.52.713,00 €abzgl. Veräußerungskosten./.67,28 €Veräußerungsgewinn56.168,86 €Der vorstehenden Berechnung folgend berücksichtigte das Finanzamt bei den sonstigen Einkünften einem (positiven) Betrag von 56.168,00 € und setzte die Einkommensteuer für das Streitjahr 2004 entsprechend fest (Bescheid vom 04.11.2005).

Hiergegen legte der Kläger Einspruch ein. Sinngemäß wandte er sich dagegen, dass das Finanzamt bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns auch den im Jahr 2002 vereinbarten Schuldenerlass berücksichtigt hatte. Hierzu trug er im Wesentlichen vor: Die Vereinbarung vom 29.10.2002 beziehe sich allein auf das Kreditgeschäft. Das Rechtsgeschäft über den Verkauf der Immobilie durch Vertrag vom 13.01.2004 sei davon nicht berührt. Der durch die Vereinbarung vom 29.10.2002 begründete Schuldenerlass betreffe auch zeitlich nicht den streitigen Veranlagungszeitraum. Denn nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG hätte allenfalls eine Besteuerung für das Jahr 2002 stattfinden können.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u.a. aus: Entgegen der Auffassung des Klägers handele es sich bei dem Verkauf im Jahr 2004 und dem Schuldenerlass im Jahr 2002 nicht um zwei eigenständige Rechtsgeschäfte. Vielmehr bestehe ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen den beiden Vorgängen. Auch die Regelungen des § 11 EStG stünden der Einbeziehung des im Jahr 2002 erfolgten Schuldenerlasses nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) müsse bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns nach § 23 EStG von einer Durchbrechung des Zufluss-Abfluss-Prinzips des § 11 EStG ausgegangen werden (Einspruchentscheidung vom 14.02.2006).

Gegen die Einspruchsentscheidung richtet sich die vorliegende Klage. Zu deren Begründung trägt der Kläger sinngemäß vor: Er habe im Streitjahr 2004 keine Einkünfte aus einem Veräußerungsgeschäft im Sinne des § 23 EStG gehabt. Durch den Vertrag vom 03.07.1997 habe er von der A eine „Schrott-Immobilie“ erworben. Insofern stelle der Vertrag vom 13.01.2004, durch den er die „Schrott-Immobilie“ an die GmbH veräußert habe, die Rückabwicklung des früheren Rechtsgeschäfts dar. Den in dem letzteren Vertrag festgelegten Kaufpreis habe nicht er, sondern – infolge der Abtretung aller Rechte des Eigentümers – die B-AG erhalten. Mithin sei ihm im Jahr 2004 überhaupt kein Veräußerungserlös zugeflossen.

Aufgrund des Klägervorbringens hat das Finanzamt seine Berechnungen zur Höhe des streitigen Veräußerungsgewinns nochmals überprüft. Es ist dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass als Veräußerungsgewinn nur ein Betrag von 32.164,00 € anzusetzen ist. Dementsprechend hat es die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr 2004 geändert (Bescheid vom 29.08.2006). Den Veräußerungsgewinn hat es nunmehr wie folgt ermittelt:

Veräußerungsgewinn56.168,00 €abzgl. Rechtsanwaltshonorare12.254,00 €abzgl. „weitergeleiteter“ Kaufpreis11.750,00 €./. 24.004,00 €korrigierter Veräußerungsgewinn32.164,00 €Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid über Einkommensteuer 2004 vom 04.11.2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14.02.2006 sowie in Gestalt des Änderungsbescheids vom 29.08.2006 dahingehend zu ändern, dass Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften nicht angesetzt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es wiederholt im Wesentlichen seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung. Ergänzend trägt es u.a. vor: Die Schlussfolgerung, dass zwischen dem Schuldenerlass vom 29.10.2002 und dem Kaufvertrag vom 13.01.2004 ein wirtschaftlicher Zusammenhang bestehe, werde durch weitere Tatsachen belegt. So handele es sich bei der GmbH um eine Tochtergesellschaft der B-AG. Zudem müsse nach Aktenlage unterstellt werden, dass die hier betroffene Eigentumswohnung tatsächlich einen weit über dem Betrag von 11.750,00 € liegenden Wert gehabt habe. Insofern habe der Kaufvertrag vom 13.01.2004 nur deshalb zu Stande kommen können, weil die GmbH und die B-AG wirtschaftlich miteinander verflochten seien.

Das Finanzamt hat dem Gericht die die Veranlagungszeiträume 2002 und 2004 betreffenden Einkommensteuerakten vorgelegt. Diese waren Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der Senat war an einer abschließenden Entscheidung zur Sache nicht durch den Umstand gehindert, dass beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Bezug auf die Anwendbarkeit des § 23 EStG mehrere Normenkontrollverfahren anhängig sind.

Der BFH hat durch Beschluss vom 16.12.2003 IX R 46/02 (BStBl II 2004, 284) eine Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 39 Satz 1 EStG in der Fassung des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24.03.1999 mit dem Grundgesetz insoweit unvereinbar ist, als danach auch private Grundstücksveräußerungsgeschäfte, bei deren Verwirklichung die früher geltende Spekulationsfrist von zwei Jahren bereits abgelaufen war, nach dem Stichtag 31.12.1998 übergangslos der Einkommensbesteuerung unterworfen wurden. In den Gründen zu dem Vorlagebeschluss (Abschnitt B. III. 4. c bb) hat er jedoch ausgeführt: Ein Verfassungsverstoß liege nicht vor in solchen Fällen, bei denen die (frühere) Spekulationsfrist von zwei Jahren zum Zeitpunkt der Gesetzesänderung (01.01.1989) noch nicht abgelaufen gewesen sei. Denn in diesen Fällen sei das mit der Anschaffung begründete Vertrauen in die bisher geltende Frist noch nicht im Sinne einer „Steuerentstrickung“ verstärkt gewesen und daher gegenüber dem allgemeinen Interesse an dem alsbaldigen Wirksamwerden der gesetzlichen Neuregelung nicht schützenswert (vgl. auch BFH-Beschlüsse vom 15.07.2004 IX B 116/03, BStBl II 2004, 1000, und vom 23.12.2009 IX B 72/09, BFH/NV 2010, 932).

So verhält es sich auch für die Rechtslage während des hier betroffenen Zeitraums. Nach § 23 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a EStG in der vor dem 01.01.1999 geltenden Fassung wurden als Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 22 Nr. 2 EStG bezogen auf Grundstücke oder grundstücksgleiche Rechte solche Veräußerungsgeschäfte erfasst, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zwei Jahre betrug. Der Kläger hatte die hier streitige Eigentumswohnung durch notariellen Vertrag vom 03.07.1997 „angeschafft“. Mithin war die vorgenannte Zwei-Jahres-Frist bei Inkrafttreten der gesetzlichen Neuregelung am 01.01.1999 nicht abgelaufen mit der Folge, dass die Eigentumswohnung noch nicht „steuerentstrickt“ war.

2. Das Finanzamt hat in dem zum Streitgegenstand gewordenen Änderungsbescheid vom 29.08.2006 den hier maßgebenden Veräußerungsgewinn zutreffend mit 32.164,00 € ermittelt.

a) Dabei ist es – in sachlicher Hinsicht – zu Recht davon ausgegangen, dass in den Veräußerungsgewinn auch die wirtschaftlichen Vorteile einzubeziehen sind, die der Kläger aufgrund der Vereinbarung vom 29.10.2002 erlangt hat.

Nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG in der ab dem 01.01.1999 geltenden Fassung (EStG n.F.) unterliegen der Einkommensteuer als sonstige Einkünfte bei Grundstücken und grundstücksgleichen Rechten die Veräußerungsgeschäfte, bei denen – wie unstreitig im Streitfall – der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als zehn Jahre beträgt. Der Gewinn oder der Verlust aus den Veräußerungsgeschäften nach dieser Vorschrift ist gemäß § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG n.F. der Unterschied zwischen dem Veräußerungspreis einerseits und den Anschaffungs- oder Herstellungskosten und den Werbungskosten andererseits. Dabei mindern sich die Anschaffungskosten gemäß § 23 Abs. 3 Satz 4 EStG n.F. um Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie bei der Ermittlung der Einkünfte im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 bis 6 EStG abgezogen worden sind.

Zum Veräußerungspreis gehören nach übereinstimmender Auffassung im Schrifttum alle Güter, die der Steuerpflichtige anlässlich der Veräußerung des Wirtschaftsgutes oder im wirtschaftlichen Zusammenhang mit der Veräußerung erhält. Dazu zählen auch solche Güter, die dem Steuerpflichtigen von einem Dritten (also nicht dem Erwerber selbst) zugewendet werden (vgl. Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 23 Rdnr. D 4 mit weiteren Nachweisen).

Der Schuldenerlass aufgrund der Vereinbarung vom 29.10.2002 einerseits und das eigentliche Veräußerungsgeschäft durch den notariellen Kaufvertrag vom 13.01.2004 andererseits stehen offenkundig in einem wirtschaftlichen Zusammenhang zueinander. Dies ergibt sich aus einer Reihe verschiedener Umstände:

- Der Kläger hat den Schuldenerlass nur deshalb erlangt, weil er der Bank im Gegenzug das Recht eingeräumt hat, in wirtschaftlicher Hinsicht wie ein Eigentümer über die hier betroffene Eigentumswohnung zu verfügen. Um der Bank die Möglichkeit zu geben, das Verfügungsrecht auch in zivilrechtlicher Hinsicht auszuüben, hat er sich außerdem verpflichtet, die hierfür notwendigen Vollmachtserklärungen abzugeben. Zur Abgabe solcher Erklärungen ist es zwar dann nicht gekommen, weil der Kläger in eigener Person an dem Abschluss des notariellen Kaufvertrags vom 13.01.2004 mitgewirkt hat. Dies ändert aber nichts an der steuerrechtlichen Bewertung des Gesamtvorgangs. Der Kläger hat nämlich im wirtschaftlichen Ergebnis nur das vorweggenommen, was die Bank – bei einer eventuellen Weigerung – zivilrechtlich hätte erzwingen können.

- Der in dem Vertrag vom 13.01.2004 festgelegte Kaufpreis (in Höhe von 11.750,00 €) steht in einem offenkundigen Missverhältnis zu dem tatsächlichen Wert der Eigentumswohnung. Immerhin hatte der Kläger für den Erwerb der Wohnung im renovierten Zustand seinerzeit einen Kaufpreis von 197.000,00 DM (mit einem Anteil für die Sanierungsleistung in Höhe von 160.300,00 DM) gezahlt. Dabei mag es durchaus sein, dass dieser Kaufpreis überhöht gewesen ist. Keinesfalls kann jedoch angenommen werden, die Wohnung sei später – im weitgehend renovierten Zustand – tatsächlich nur einen kleinen Bruchteil dieses Kaufpreises (rund 6%) wert gewesen. Ohne den Schuldenerlass hätte der später vereinbarte Kaufpreis wirtschaftlich keinen Sinn ergeben.

- Nach Auskünften, die das Finanzamt während des Einspruchsverfahrens eingeholt hat, ist die GmbH von der B-AG als Konzerntochtergesellschaft gegründet worden zu dem Zweck, wirtschaftlich gescheiterte Immobiliengeschäfte und die damit im Zusammenhang stehenden Darlehensverträge rückabzuwickeln. Zudem geben beide Gesellschaften die Geschäftsadresse in an. Das Finanzamt geht insofern davon aus, dass es sich hier um wirtschaftlich miteinander verflochtene Unternehmen handelt. Der Senat sieht keinen Anlass, diese Annahme in Zweifel zu ziehen. Der Kläger hat das Vorbringen des Finanzamts auch nicht bestritten.

- Die B-AG ist in dem Kaufvertrag vom 13.01.2004 ausdrücklich als Begünstigte aus der Abtretung des Kaufpreisanspruchs benannt. Diese Begünstigung lässt sich nur dadurch erklären, dass zum einen der Kläger sich in der Vereinbarung vom 29.10.2002 verpflichtet hatte, „zur Empfangnahme des Verkaufserlöses“ durch die B-AG eine entsprechende Vollmachtserklärung abzugeben, und dass zum anderen die GmbH zu der B-AG – zumindest damals – in einem wirtschaftlichen und gesellschaftsrechtlichen Abhängigkeitsverhältnis stand.

Schon angesichts der vorstehend dargelegten Umstände vermag der Senat dem Vorbringen des Klägers, die Vereinbarung vom 29.10.2002 beziehe sich allein auf das Kreditgeschäft und habe insofern keinen Berührungspunkt mit dem Kaufvertrag vom 13.01.2004, nicht zu folgen. Im Übrigen sieht er hierin eine rein formale Betrachtungsweise, die den wirtschaftlichen Zusammenhang ganz außer Betracht lässt.

b) Des Weiteren ist das Finanzamt – in zeitlicher Hinsicht – zu Recht davon ausgegangen, dass die Vorteile, die der Kläger durch die Vereinbarung vom 29.10.2002 erlangt hat, dem Veranlagungszeitraum 2004 zuzuordnen sind. Dieser Annahme hat es im Ergebnis zutreffend die Auffassung zu Grunde gelegt, bei der Besteuerung von privaten Veräußerungsgeschäften nach § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 EStG ergebe sich eine Durchbrechung des Zufluss-Abfluss-Prinzips des § 11 EStG.

Sonstige Einkünfte im Sinne des § 22 EStG werden nach § 2 Nr. 2 EStG in der Weise ermittelt, dass die Einnahmen den Werbungskosten gegenübergestellt werden. Dabei gelten nach § 11 Abs. 1 Satz 1 EStG Einnahmen grundsätzlich innerhalb des Kalenderjahrs als bezogen, in dem sie dem Steuerpflichtigen zugeflossen sind. Ausgaben sind nach § 11 Abs. 2 EStG grundsätzlich für das Kalenderjahr abzusetzen, in dem sie geleistet worden sind. Abweichungen hiervon können sich bei regelmäßig wiederkehrenden Vorgängen sowohl auf der Einnahmen- als auch auf der Ausgabenseite ergeben (§ 11 Abs. 1 Satz 2 und 3, Abs. 2 Satz 2 EStG). Insofern unterscheiden sich die sonstigen Einkünfte als Überschusseinkünfte (§ 2 Abs. 2 Nr. 2 EStG) von den Gewinneinkünften (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 EStG), bei denen die Einkunftsermittlung nach dem so genannten Betriebsvermögensvergleich erfolgt (§ 4 Abs. 1, § 5, § 11 Abs. 1 Satz 4, Abs. 2 Satz 3 EStG).

Von der Geltung des Zufluss-Abfluss-Prinzips des § 11 EStG ist der BFH in seiner früheren Rechtsprechung zur Besteuerung von Spekulationsgewinnen nach § 23 EStG a.F. uneingeschränkt ausgegangen. So hat der VI. Senat des BFH in seinem Urteil vom 13.04.1962 VI 194/61 U (BStBl III 1962, 306) es abgelehnt, Kaufpreiszahlungen, die im dortigen Fall auf die Jahre 1957 und 1958 verteilt worden waren, insgesamt in die Ermittlung des Spekulationsgewinns für den Veranlagungszeitraum 1957 einzubeziehen. Zur Begründung hat er u.a. angeführt, eine Zusammenfassung der einzelnen Kaufpreiszahlungen würde zu einer systemwidrigen Besteuerung und zu wirtschaftlich unerwünschten Folgen führen. An diesen Grundsätzen hat der VIII. Senat des BFH in seinem Urteil vom 02.04.1974 VIII R 76/69 (BStBl II 1974, 540) festgehalten und für die dort zu beurteilende Sachverhaltsgestaltung weiterentwickelt. In dem Urteilsfall ging es um die Frage, ob bei der Besteuerung eines Spekulationsgewinns eine Kaufpreisminderung, die der Steuerpflichtige in einem späteren Veranlagungszeitraum hinnehmen musste, bereits in dem Veranlagungszeitraum berücksichtigt werden durfte, in dem das Veräußerungsgeschäft stattgefunden hatte und auch der Kaufpreis bezahlt worden war. Der VIII. Senat des BFH hat entschieden, die Kaufpreisminderung sei nicht schon vorab zu berücksichtigen. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt: Aus Sinn und Zweck des § 11 EStG ergebe sich nur, dass die Einnahmen dem Steuerpflichtigen im Rahmen einer der so genannten Überschusseinkunftsarten zugeflossen sein müssten und dass dieser Zufluss die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen gestärkt habe. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Steuerpflichtige die zugeflossene Leistung behalten dürfe. Stelle sich später heraus, dass der Steuerpflichtige einen zunächst zugeflossenen Betrag zurückzahlen müsse, so sei das ein Vorgang, der sich – in der Form „negativer Einnahmen“ – im Veranlagungszeitraum der Rückzahlung auswirke.

Demgegenüber hat der X. Senat des BFH in seinem Urteil vom 17.07.1991 X R 6/91 (BStBl II 1991, 916) die Anwendbarkeit der Regeln des § 11 EStG für die Ermittlung des Spekulationsgewinns im Sinne des § 23 Abs. 4 EStG a.F. in gewisser Hinsicht eingeschränkt. Zwar hat er – mit Hinweis auf die frühere Rechtsprechung – dargelegt, ein Spekulationsgewinn sei nach § 11 Abs. 1 EStG im Jahr des Zuflusses des Veräußerungserlöses zu versteuern. Für die Werbungskosten hat er jedoch ausgeführt: Die Regelung in § 23 Abs. 4 EStG a.F. sei eine eigenständige, das Abflussprinzip des § 11 Abs. 2 EStG durchbrechende Vorschrift. Werbungskosten seien daher in dem Veranlagungszeitraum zu berücksichtigen, in dem der Veräußerungserlös zugeflossen sei, und zwar selbst dann, wenn der Abfluss der betreffenden Aufwendungen in einem früheren Veranlagungszeitraum erfolgt sei. In seinem Urteil vom 03.06.1992 X R 91/90 (BStBl II 1992, 1017) hat der X. Senat des BFH die vorgenannte Linie weitergeführt. In dem Urteilsfall ging es zwar nicht um die Besteuerung eines Spekulationsgewinns, sondern um Einkünfte aus sonstigen Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG. Der X. Senat des BFH hat aber die genannte Vorschrift in einen sachlichen Zusammenhang mit den Vorschriften über die Besteuerung von Spekulationsgeschäften im Sinne des § 23 EStG gebracht. Für beide Besteuerungstatbestände hat er zunächst einen rechtsgeschichtlichen Zusammenhang mit einer früheren Sichtweise hergestellt, wonach die sonstigen Einkünfte den Gewinnen aus Gewerbebetrieb artverwandt sein sollen. Er hat sodann hervorgehoben, dass die sonstigen Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG – ebenso wie die Spekulationsgeschäfte im Sinne des § 23 EStG – nicht auf Wiederholung angelegt sind, sondern sich als einmaligen Vorgang darstellen. Weiter hat er ausgeführt: Jedenfalls sei der Überschuss bei Spekulationsgeschäften und einmaligen Leistungseinkünften nach überkommenen Grundsätzen in der Weise zu ermitteln, dass der Ansatz der Einnahmen und der Abzug der Anschaffungs- oder Herstellungskosten und der Werbungskosten zusammengefasst werde. Die in § 11 Abs. 2 EStG genannten Durchbrechungen des strengen Abflussprinzips seien nicht abschließend. Weitere Ausnahmen könnten sich aus der besonderen Strukturierung einzelner Einkunftsarten und Einkünfte ergeben. Für den Fall, dass nach Ablauf des maßgebenden Veranlagungszeitraums unerwartet irgendwelche Minderungen des Veräußerungserlöses sich ergeben oder weitere Werbungskosten anfallen, hat der X. Senat des BFH auf die Möglichkeit einer Änderung nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) hingewiesen. Hierzu hat er weiter ausgeführt: Die vorgenannten Umstände seien Ereignisse, die auf den Zeitpunkt der Leistungserbringung zurückwirkten. Die sonstige Leistung und das Spekulationsgeschäft seien einmalige, punktuelle Besteuerungstatbestände, die erst abgeschlossen seien, wenn endgültig feststehe, dass der Steuerpflichtige den Erlös behalten dürfe und keine weiteren Werbungskosten anfielen.

Der erkennende Senat ist der Auffassung, dass die Ausführungen des X. Senats des BFH in dem letztgenannten Urteil im offenkundigen Widerspruch zu den Grundsätzen stehen, die der VI. Senat des BFH in Bezug auf die (Nicht-) Berücksichtigung von späteren Kaufpreisminderungen für Spekulationsgeschäfte aufgestellt hat. Er sieht insofern den steuerrechtlichen Begriff der „negativen Einnahme“ als überholt an (ebenso Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 23 Rdnr. D 39). Zudem hält er die Schlussfolgerung für nahe liegend, dass die Besteuerung von sonstigen Leistungen im Sinne des § 22 Nr. 3 EStG und von privaten Veräußerungsgeschäften im Sinne des § 23 EStG nach ähnlichen Grundsätzen zu erfolgen hat wie die Besteuerung von Veräußerungsgewinnen im Sinne des § 16 EStG (vgl. zur rückwirkenden Berücksichtigung von späteren Kaufpreisminderungen bei der Veräußerung eines Gewerbebetriebes: Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19.07.1993 GrS 2/92, BStBl II 1993, 897). Insgesamt gesehen hält er es für geboten, die Grundsätze, die der X. Senat des BFH für die zeitliche Zuordnung von Werbungskosten bei den vorgenannten Steuertatbeständen des § 22 EStG aufgestellt hat, auf den Bereich der Einnahmen zu übertragen und dementsprechend – entgegen der älteren Rechtsprechung des BFH – auch in Bezug auf das Zuflussprinzip (§ 11 Abs. 1 EStG) gewisse Durchbrechungen anzunehmen. Hierin sieht er sich bestätigt durch weitere Überlegungen, und zwar in systematischer sowie in verfassungsrechtlicher Hinsicht:

Durch das Jahressteuergesetz 1996 ist die Gewinnermittlungsregelung des § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG ergänzt worden um einen neuen Satz 2. Danach sind Absetzungen für Abnutzung, erhöhte Absetzungen und Sonderabschreibungen, soweit sie von dem Steuerpflichtigen während des hier maßgebenden Zehn-Jahres-Zeitraums in Anspruch genommen worden sind, bei der Ermittlung des Veräußerungsgewinns gegenzurechnen. Auf diese Weise kommen hier Regeln zur Anwendung, die bisher nur für die Gewinnermittlungseinkünfte gegolten haben und demgemäß mit einem strengen Zufluss-Abfluss-Prinzip im Grundsatz nicht zu vereinbaren sind (vgl. Hensel in Lademann, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, § 23, Rdnr. 356).

Ginge man, anknüpfend an die ältere Rechtsprechung des BFH, für den Bereich des § 23 EStG weiterhin von einem strengen Zufluss-Prinzip aus, blieben die wirtschaftlichen Vorteile, die der Kläger im Veranlagungszeitraum 2002 erlangt hat, unversteuert, obwohl diese, wie oben dargelegt, der Sache nach zum Veräußerungspreis gehören. Eine Versteuerung im Veranlagungszeitraum 2002 wäre rechtlich jedenfalls nicht möglich. Denn der Steuertatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 1 EStG n.F. ist erst im Veranlagungszeitraum 2004 vollständig verwirklicht worden (Grundsatz von der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung nach § 38 AO). Es sind aber Fälle denkbar, in denen der Steuerpflichtige nach Abschluss des Veräußerungsgeschäfts und damit nach Vollendung des Steuertatbestands weitere Vorteile erhält, die zum Veräußerungspreis gehören. In solchen Fällen würde auch das strenge Zufluss-Prinzip dazu führen, dass diese späteren Vorteile in jedem Falle steuerlich erfasst würden, wenn auch in einem anderen Veranlagungszeitraum. Der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes (GG) gebietet es aber, für beide Fallgestaltungen (Zufluss in einem früheren Veranlagungszeitraum im Streitfall einerseits und Zufluss in einem späteren Veranlagungszeitraum im fiktiven Vergleichsfall andererseits) in wirtschaftlicher Hinsicht vergleichbare Rechtsfolgen eintreten zu lassen. Sachliche Gründe, die eine unterschiedliche Besteuerung in diesen Fällen rechtfertigen könnten, sind nicht erkennbar. Insgesamt gesehen, sind nur durch eine von der älteren Rechtsprechung des BFH abweichende Gesetzesauslegung offenkundige „Wertungswidersprüche“ zu vermeiden (vgl. hierzu: Beschluss des X. Senats des BFH vom 18.12.1997 X S 22/96, BFH/NV 1998, 703, betreffend die zeitliche Zuordnung von Werbungskosten nach § 23 Abs. 3 Satz 1 EStG n.F.).

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

4. Die Revision war gemäß § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen. Denn die Sache hat, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen in Abschnitt 2. b) ergibt, grundsätzliche Bedeutung.

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