OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 07.05.2010 - 1 HEs 30/10
Fundstelle
openJur 2012, 33100
  • Rkr:
Tenor

1. Der Angeschuldigte A wird unter folgenden Auflagen vom weiteren Vollzug der Untersuchungshaft aus dem Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 16.09. 2009 (AZ 210 Gs - 1120 Js 89756/09) und dem diesen erweiternden Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 06.11. 2009 (AZ 242 Gs - 1120 Js 87388/09) in der Fassung des erweiternden Haftbefehls des Landgerichts Darmstadt vom 04.02.2010 (AZ 2 KLs – 1120 Js 87388/09) verschont:

Er hat festen Wohnsitz unter der Anschrift … Weg …, App. …, Stadt1 beizubehalten.

Er hat jeden Wohnsitzwechsel unter Übersendung einer Ummeldebescheinigung unverzüglich schriftlich zu den Akten mitzuteilen.

Er hat sich einmal wöchentlich bei der für seinen Wohnsitz zuständigen Polizeistation zu melden. Die Meldezeiten bestimmt die Polizei.

Er hat den Reisepass unverzüglich zu den Akten zu geben.

Er darf die Bundesrepublik Deutschland nicht verlassen.

Er hat jeder in dieser Sache an ihn ergehenden Ladung Folge zu leisten.

2. Die Beschwerde des Angeschuldigten A wird, soweit sie sich gegen den Bestand des Haftbefehls richtet, verworfen.

3. Betreffend den Angeschuldigten B wird die Fortdauer der Untersuchungshaft angeordnet.

4. Zur nächsten Haftprüfung des Senats betreffend den Angeschuldigten B sind die Akten spätestens am 06.08.2010 vorzulegen.

5. Bis dahin wird die weitere Haftprüfung betreffend den Angeschuldigten B der 2. Strafkammer des Landgerichts Darmstadt übertragen.

Gründe

 Der Angeschuldigte B ist der ihm im Haftbefehl des Landgerichts Darmstadt vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 zur Last gelegten Straftaten des schweren Bandendiebstahls (§§ 244 a Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1 StGB) in zwölf Fällen, des versuchten schweren Bandendiebstahls (§§244 a Abs. 1, 243 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1, 22, 23 StGB) in fünf Fällen, eines weiteren versuchten schweren Bandendiebstahls (§§ 244 a Abs. 1, 244 Abs. 1 Ziffer 3, 22, 23 StGB), eines Diebstahls in einem besonders schweren Fall (§§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 2, 2. Alt. StGB) und der Körperverletzung (§ 223 StGB) in zwei Fällen sowie einer gefährlichen Körperverletzung (§§ 223, 224 Abs. 1 Ziffer 2, 2. Alt. StGB) dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht gründet sich auf die in der Anklageschrift angeführten Beweismittel.

 In Bezug auf die Fälle 5 und 7 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 kann ein dringender Tatverdacht gegen den Angeschuldigten B indes nicht angenommen werden. Zu den beiden Fällen hat der Angeschuldigte B sich bisher nicht zur Sache eingelassen, und es sind bislang keine für die Annahme eines dringenden Tatverdachts ausreichenden Beweismittel aktenkundig.

 Betreffend Fall 5 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 besteht kein dringender Tatverdacht. Unmittelbare Wahrnehmungen der Entwendung des Motorrollers liegen nicht vor. Ebenso sind keine Äußerungen der Angeschuldigten oder anderer möglicher Tatbeteiligter, aus denen sich auf eine Teilnahme der Angeschuldigten an der Tat folgern ließe, aktenkundig.

 Soweit der Zeuge Z1 in Ansehung der Videoaufzeichnungen der Überwachungskamera meint, die Angeschuldigten B und A zu erkennen, bietet dies zwar einen gewissen Anhalt für deren Tatbegehung. Dieser unterliegt indes der Einschränkung, dass nach Angabe aller Zeugen und auch nach Einschätzung der ermittelnden Beamten besagte Videoaufzeichnungen von sehr schlechter Qualität sind.

 Betreffend Fall 7 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 besteht ebenfalls kein dringender Tatverdacht. Zwar hat der gesondert verfolgte Zeuge Z2 zunächst in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 03.12.2009 ausgesagt, er sei unter anderem mit dem B im „X“ gewesen. Sie hätten das Fenster aufgehebelt und dann sei er erst mit Z4 und B hinein, später sei G, der der Fahrer gewesen sei, noch dazu gekommen. Jeder habe etwa € 100 bis 150 von der Beute bekommen.

 Bei der Fortsetzungsvernehmung vom 07.12.2009 hat der Zeuge Z2 seine Angaben präzisiert und erklärt, die Einbrüche in das „X“ und das „Y“ hätten im zeitlichen Abstand von einer Woche die selben Leute gemacht, wobei er die Reihenfolge nicht mehr wisse. An dem ersten Abend des ersten der beiden Einbrüche hätten sich die späteren Täter zunächst mit „B“ getroffen, der dann aber heim gegangen sei.

 Sodann sei der Zeuge mit Z5, G und Z4 rum gefahren, und diese Gruppe habe an dem Abend entweder das „X“ oder das „Y“ gemacht. Circa eine Woche später hätten dieselben Beteiligten das andere der beiden genannten Lokalitäten gemacht.

 Auf der Grundlage dieser Aussageentwicklung kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Zeuge Z2 bei seiner ersten Vernehmung am 03.12.2009 einer Fehlerinnerung unterlag und den B mit dem tatsächlich Beteiligten „Z5“ verwechselte und dies nach nochmaligem Überlegen in der weiteren Vernehmung korrigierte.

 Bei dem Angeschuldigten B besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Ziffer 2 StPO.

 Der Angeschuldigte B hat im Falle seiner Verurteilung im Umfang des angenommenen dringenden Tatverdachts mit einer erheblichen zu verbüßenden Jugendstrafe zu rechnen.

 Zwar liegt hier aufgrund des Umstandes, dass der Angeschuldigte B das achtzehnte Lebensjahr erst wenige Monate vor den zur Last gelegten Taten vollendet hat sowie aufgrund seines Lebenszuschnitts (im Elternhaus lebend, nach Beendigung der Schule ohne Abschluss auf Suche nach Ausbildungsstelle) die Anwendung des Jugendstrafrechts nahe, weil der Angeschuldigte B eher einem Jugendlichen gleich steht (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG). Jedoch sprechen die Vielzahl der zur Last gelegten Taten bei dem Angeschuldigten B, der bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, für schädliche Neigungen, jedenfalls aber für die Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG, so dass er sich wegen der vorgeworfenen Taten - für die bei Anwendung von Jugendstrafrecht der Strafrahmen sechs Monate bis zehn Jahre beträgt – einem drohenden längeren Freiheitsentzug ausgesetzt sieht.

 Die erhebliche Straferwartung begründet einen starken Anreiz, sich dem weiteren Fortgang des Strafverfahrens nicht zur Verfügung zu halten. Dem stehen keine genügend fluchthemmenden sozialen Bindungen gegenüber.

 Der Angeschuldigte B ist zwar in Deutschland geboren, besitzt aber die türkische Staatsangehörigkeit und spricht, wie sich aus der Telefonüberwachung ergibt, auch die türkische Sprache. Im Falle einer Flucht in die Türkei würde ihm daher die Eingliederung, auch wenn er in Deutschland aufgewachsen ist, nicht sehr schwer fallen. Dass der Angeschuldigte B gemeinsam mit seinen beiden Brüdern noch bei seinen Eltern lebt, vermag eine hinreichende soziale Bindung nicht zu begründen. Nach eigener Einschätzung sind die Eltern mit der rechtsstaatlichen Erziehung ihrer drei Söhne überfordert. Dem Angeschuldigten eröffnet sich zurzeit auch keine berufliche Perspektive. Er wurde im Sommer 2009 von der Z-Schule ohne Abschluss entlassen und hat weder einen festen Ausbildungsplatz noch eine feste Anstellung. Soweit der Angeschuldigte in seiner Vernehmung vom 11.09.2009 angab,  Kommunizierer  bei C mit einem monatlichen Nettogehalt von € 1.100,00 zu sein, steht dies im Widerspruch zu seiner nur eine Woche zuvor getätigten Angabe, zurzeit bei „D“ im Kreishaus angemeldet zu sein und dort einen Lehrgang als Maler und Lackierer zu machen, wofür er ein wenig Geld erhalte. Aus diesen sich widersprechenden Angaben kann auf das Vorliegen eines festen Ausbildungs- oder Arbeitsverhältnisses nicht geschlossen werden.

 Dass der Angeschuldigte nach der vorläufigen Außervollzugsetzung des Haftbefehls in der Zeit vom 14.10.2009 bis 06.11.2009 nicht untergetaucht ist oder Anstalten zur Flucht getroffen hat, steht der Annahme einer Fluchtgefahr nicht entgegen. Denn in dem genannten Zeitraum kannte der Angeschuldigte das Ausmaß der gegen ihn erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe nicht. Er musste davon ausgehen, dass dringender Tatverdacht nur in Bezug auf die Taten, die Gegenstand des Haftbefehls vom 24.09.2009 gewesen sind, besteht. Dass nach Vorliegen der belastenden Aussage des Mitangeschuldigten E vom 20.10.2009 der dringende Tatverdacht sich wesentlich erweitert und der Angeschuldigte dadurch mit einem drohenden längeren Freiheitsentzug konfrontiert werden wird, war für den Angeschuldigten in dem oben genannten Zeitraum nicht erkennbar, so dass für ihn noch gar kein Anlass bestanden hätte, über eine Flucht nachzudenken.

 Unter den aufgeführten Umständen spricht bei der gebotenen Gesamtabwägung eine größere Wahrscheinlichkeit dafür, dass der Angeschuldigte sich im Falle der Freilassung dem weiteren Verfahren nicht zur Verfügung halten, vielmehr sich durch Flucht oder Untertauchen entziehen würde.

 Bei dieser Sachlage kann der Zweck der Untersuchungshaft auch nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen gemäß § 116 StPO erreicht werden.

 Das Amtsgericht Offenbach war auch nicht gehindert, die durch Beschluss vom 14.10.2009 erfolgte Außervollzugsetzung des Haftbefehls gegen Auflagen durch den erweiterten Haftbefehl vom 06.11.2009 wieder aufzuheben und erneut die Untersuchungshaft anzuordnen, weil die Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO vorlagen.

 Ist ein Haftbefehl einmal unangefochten außer Vollzug gesetzt worden, so ist jede neue haftrechtliche Entscheidung, die den Wegfall der Haftverschonung zur Folge hat, nur unter den einschränkenden Voraussetzungen des § 116 Abs. 4 StPO möglich (BVerfG StV 2008, 26; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8.11.2001 – 4 Ws 544/01; StV 2002, Seite 207).

 Der erneute Vollzug des Haftbefehls durch den Richter kommt nach § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO nur dann in Betracht, wenn neu hervorgetretene Umstände die Verhaftung erforderlich machen (vgl. hierzu auch BGH, Urteil vom 16. September 2004 - 4 StR 84/04 -, NStZ 2005, S. 279 <280>). Dagegen kann eine lediglich andere Beurteilung des unverändert gebliebenen Sachverhalts einen Widerruf nicht rechtfertigen (vgl. BVerfG StV 2008, 26; Beschlüsse der 3. Kammer des Zweiten Senats vom 26. Oktober 2005 - 2 BvR 1618/05 -, StV 2006, S. 26 <27>, 1. Februar 2006 - 2 BvR 2056/05 -, StV 2006, S. 139 <140> und 29. November 2006 - 2 BvR 2342/06 -, Abs.-Nr. 16; Senatsbeschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, § 116 Rn. 44; Schlothauer/Weider, Untersuchungshaft, 3. Aufl., 2001, Rn. 1093).

 "Neu" im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO sind nachträglich eingetretene oder nach Erlass des Aussetzungsbeschlusses bekannt gewordene Umstände nur dann, wenn sie die Gründe des Haftverschonungsbeschlusses in einem so wesentlichen Punkt erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung bereits bekannt gewesen wären (vgl. BVerfG StV 2008, 26; Senatsbeschlüsse vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144, und vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 27. September 1999 - 4 Ws 250/99 -, StV 2000, S. 211; Beschluss vom 8. November 2001 - 4 Ws 544/01 -, StV 2002, S. 207). Das maßgebliche Kriterium für den Widerruf besteht mit anderen Worten in einem Wegfall der Vertrauensgrundlage der Aussetzungsentscheidung (BVerfG StV 2008, 26).

 Ob dies der Fall ist, erfordert vor dem Hintergrund der wertsetzenden Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) eine Beurteilung sämtlicher Umstände des Einzelfalls (vgl. hierzu auch OLG Hamm, Beschluss vom 27. Dezember 2002 - 2 Ws 474/02 -, StV 2003, S. 512 <513>). Dabei sind die Grenzen, innerhalb derer eine Haftverschonung wegen neu hervorgetretener Umstände widerrufen werden kann, eng gesteckt (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493).

 Denn das Gericht ist an die Beurteilung der Umstände, auf denen die Aussetzung beruht, grundsätzlich gebunden (vgl. Senatsbeschluss vom 6. November 2000 - 1 Ws 139/00 -, StraFo 2001, S. 144 <145>).

 Lediglich eine nachträglich andere Beurteilung bei gleichbleibender Sachlage rechtfertigt den Widerruf nicht (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). Vielmehr ist angesichts der Bedeutung des Grundrechts der persönlichen Freiheit (Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG) die Schwelle für eine Widerrufsentscheidung grundsätzlich sehr hoch anzusetzen (vgl. BVerfG StV 2008, 26; Senatsbeschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493). In die materielle Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG darf nur aufgrund eines förmlichen Gesetzes und nur unter Beachtung der darin vorgeschriebenen Formen eingegriffen werden (Art. 104 Abs. 1 Satz 1 GG). Die formellen Gewährleistungen des Art. 104 GG stehen mit der materiellen Freiheitsgarantie des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG in einem unlösbaren Zusammenhang (vgl. BVerfG StV 2008, 26; BVerfGE 10, 302 <322>; 58, 208 <220>; 105, 239 <247>). Art. 104 Abs. 1 GG nimmt den schon in Art. 2 Abs. 2 Satz 2 GG enthaltenen Gesetzesvorbehalt auf und verstärkt ihn für alle Freiheitsbeschränkungen, indem er neben der Forderung nach einem förmlichen Gesetz die Pflicht, die sich aus diesem Gesetz ergebenden Formvorschriften zu beachten, zum Verfassungsgebot erhebt (vgl. BVerfG StV 2008, 26; BVerfGE 10, 302 <323>; 29, 183 <195>; 58, 208 <220>; 105, 239 <247>).

 Verstöße gegen die durch Art. 104 GG gewährleisteten Voraussetzungen und Formen freiheitsbeschränkender Gesetze stellen daher stets auch eine Verletzung der Freiheit der Person dar (BVerfG StV 2008, 26; BVerfGE 10, 302 <323>; 58, 208 <220>; 65, 317 <321 f.>). Inhalt und Reichweite freiheitsbeschränkender Gesetze sind deshalb von den Gerichten so auszulegen und anzuwenden, dass sie eine der Bedeutung des Grundrechts angemessene Wirkung entfalten (vgl. BVerfGE 65, 317 <322 f.>; 96, 68 <97>; 105, 239 <247>).

 Im Rahmen der vorzunehmenden Abwägung stets zu berücksichtigen ist deshalb vor allem, dass der Angeklagte inzwischen Gelegenheit hatte, sein Verhalten gegenüber dem Strafverfahren zu dokumentieren (vgl. Senatsbeschluss vom 3. Juni 2004 - 1 Ws 46/04 -, StV 2004, S. 493) und das in ihn gesetzte Vertrauen, namentlich durch strikte Beachtung der ihm erteilten Auflagen, zu rechtfertigen (BVerfG StV 2008, 26 m.w.N.).

 Es bestehen hier keine Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte B in der Zeit seit der Haftverschonung vom 14.10.2009 bis zu seiner erneuten Inhaftierung am 06.11.2009 den ihm auferlegten Pflichten zuwider gehandelt hat (§ 116 Abs. 4 Ziff. 1 StPO), Anstalten zur Flucht getroffen hat, auf ordnungsgemäße Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben ist oder er auf andere Weise gezeigt hat, dass das in ihn gesetzte Vertrauen nicht gerechtfertigt war (§ 116 Abs. 4 Ziff. 2 StPO). Ausweislich der Angaben des Bewährungshelfers F im Termin vom 06.11.2009 liegen Meldungen aus dem Fußfesselprojekt nicht vor. Soweit das Amtsgericht in dem Beschluss vom 06.11.2009 darauf abgestellt hat, der Angeschuldigte B habe nicht alle Termine wahrgenommen, besteht insoweit kein Anhalt. Auf ein Unterbleiben des Schulbesuches und der Aufnahme einer Tätigkeit kann alleine bereits aufgrund des kurzen Zeitraumes zwischen Haftverschonung und erneuter Inhaftierung nicht abgestellt werden.

 Gleichwohl liegen „neu hervorgetretene Umstände“, die eine Verhaftung des Angeklagten erforderlich machen (§ 116 Abs. 4 Ziff. 3 StPO), vor. Es sind nachträglich eingetretene Umstände gegeben, die geeignet sind, die tatsächliche Grundlage der Haftverschonungsentscheidung in einem so wesentlichen Punkt zu erschüttern, dass keine Aussetzung bewilligt worden wäre, wenn sie bei der Entscheidung schon bekannt gewesen wären. Der erneute Vollzug des Haftbefehls auf Grund § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kommt insbesondere dann in Betracht, wenn sonstige (auch zeitlich vor dem Aussetzungsbeschluss entstandene) schwerwiegende Tatsachen nachträglich bekannt werden, die das Gericht, hätte es sie zum Zeitpunkt der Aussetzungsentscheidung gekannt, zur Ablehnung der Haftverschonung veranlasst hätten (vgl. BVerfG StV 2008, 27; Hilger, in: Löwe-Rosenberg, StPO, 25. Auflage, § 116 Rdnr. 50). Ein neu hervorgetretener Umstand im Sinne des § 116 Abs. 4 Nr. 3 StPO kann beispielsweise in der Verstärkung des bisherigen oder im Hinzutreten eines weiteren Haftgrundes gesehen werden (vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., Rdnr. 28 m. w. N.).

 Im Zeitpunkt der Beantragung und des Erlasses des erweiterten Haftbefehls vom 24.09.2009 lag aus Sicht des Haftrichters dringender Tatverdacht lediglich hinsichtlich drei bandenmäßig begangenen Einbruchsdiebstählen, drei bandenmäßig begangenen Einbruchsversuchen und zwei schweren Diebstählen (davon einer bandenmäßig begangen) vor.

 Wegen der weiteren Taten, die Gegenstand des erweiterten Haftbefehls vom 06.11.2009 wurden, gab es zwar bereits erste Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte B möglicherweise auch als Täter in Betracht kommen könnte. Insoweit bestand aber allenfalls ein Anfangsverdacht, der mangels konkret den Angeschuldigten B belastender Aussagen von Zeugen oder Mitbeschuldigten nicht „dringend” war, so dass hierauf der Erlass eines Haftbefehls nicht gestützt werden konnte.

 Auf Grundlage dieses tatsächlichen Kenntnis- und Ermittlungsstandes hat der Haftrichter den erweiterten Haftbefehl nebst Verschonungsbeschluss erlassen. Er hat die Auffassung vertreten, der Wiederholungsgefahr könne hinreichend mit milderen Maßnahmen als dem Vollzug der Untersuchungshaft begegnet werden. Erst nach diesem Zeitpunkt ist im Laufe der weiteren Ermittlungen, insbesondere durch Beschuldigtenvernehmung des Mitangeschuldigten E vom 20.10.2009, der gegen den Angeschuldigten B sprechende Anfangsverdacht zu einem dringenden Tatverdacht erhärtet worden.

 Dieser Umstand aber, dass der Angeschuldigte B auch als Täter sieben weiterer bandenmäßig begangener Einbruchsdiebstähle und zwei weiterer Einbruchsversuche dringend in Tatverdacht steht, ist neu und war dem Amtsgericht bei Erlass des Verschonungsbeschlusses unbekannt. Zum damaligen Zeitpunkt konnte mangels dringenden Tatverdachts kein entsprechender Haftbefehl erlassen werden.

 Hätte das Amtsgericht aber gewusst, dass sich der Angeschuldigte mutmaßlich wegen zehn bandenmäßigen Einbruchsdiebstählen, fünf bandenmäßigen Einbruchsversuchen und einem schweren Diebstahl wird verantworten müssen, so hätte es von einer weit höheren möglichen Straferwartung ausgehen müssen.

 Im Zusammenhang mit den übrigen – oben aufgeführten - Lebensumständen des Angeschuldigten B, wäre der Fluchtanreiz erheblich höher zu bewerten gewesen. Wäre die Gesamtheit dieser Umstände dem Amtsgericht bereits am 14.10.2009 bekannt gewesen, so wäre es weder zu der Annahme gelangt, es bestehe keine Fluchtgefahr, noch, dass dem Fluchtanreiz hinreichend sicher mit milderen Mitteln als dem Vollzug der Untersuchungshaft begegnet werden könne.

 Dabei war auch der zeitliche Zusammenhang der gegenständlichen Taten zu berücksichtigen. Im Zeitpunkt der Außervollzugsetzung musste der Haftrichter davon ausgehen, dass der dringende Tatverdacht wegen einer Tat im Mai, vier weiterer Taten im August (begangen innerhalb von elf Tagen) und zwei Taten im September (begangen innerhalb von zwei Tagen) besteht. Diese Chronologie der Geschehnisse erlaubte noch den Rückschluss auf die Begehung von Gelegenheitstaten, weil der Verlauf noch nicht dem Bild einer serienmäßigen Tatbegehung entsprach. Bei dem Termin vom 06.11.2009 bestand indes ein dringender Tatverdacht, bezogen auf die Zeit vom 31.07.2009 bis 23.08.2009, bezüglich zwölf Einbruchsdelikten. Diese engmaschige Begehung über einen längeren Zeitraum – über dreieinhalb Wochen im Schnitt jeden zweiten Tag ein Delikt – entspricht dem Bild einer serienmäßigen Begehung. Insoweit liegt auch das vom Haftrichter angenommene Vorliegen des subsidiären Haftgrundes der Wiederholungsgefahr nahe, was aber vorliegend nicht abschließend entschieden werden muss.

 Der Angeschuldigte B befindet sich in dieser Sache zwar schon mehr als sechs Monate in Untersuchungshaft – entgegen der Annahme der Generalstaatsanwaltschaft war der Termin zur Vorlage der Akten an den Senat nicht der 05.05.2010, sondern der Vorlagetermin lag, da die drei Wochen Untersuchungshaft vor der Außervollzugsetzung des Haftbefehls am 14.10.2009 zu berücksichtigen sind, bereits Mitte April 2010 - ohne dass bisher ein Urteil ergangen wäre, das auf Freiheitsstrafe oder eine freiheitsentziehende Maßregel erkannt hätte. Jedoch haben folgende Umstände ein Urteil bisher nicht zugelassen:

 Nachdem der Angeschuldigte B am 11.09.2009 in Haft genommen worden war, wurde am 15.09.2009 ein Ermittlungsbericht über die Aussage des vormalig Mitbeschuldigten K zu dem Tatkomplex „W“ gefertigt. Am 17.09. 2009 meldete sich die Verteidigerin zur Akte und beantragte Akteneinsicht, die ihr am 18.09.2009 zwecks Gewährung rechtlichen Gehörs gewährt wurde.

 Am 20.09.2009 erfolgte die vorläufige Auswertung der Telefonüberwachung des Anschlusses des vormalig Mitbeschuldigten Z3. Am 28.09.2009 wurden Beschlüsse nach den §§ 110 g und 100 a und b StPO angeregt. Am 29.09.2009 wurde ein Beschluss nach 110 g StPO erlassen.

 Am 07.10.2009 erfolgte eine Anfrage an die M bezüglich der Nutzerdaten mehrerer Beschuldigter. Diese Anfrage wurde am 13.10.2009 beantwortet. Am 14.10.2009 wurde der Haftbefehl gegen den Angeschuldigten B außer Vollzug gesetzt.

 Am 16.10.2009 ergingen Durchsuchungsbeschlüsse. Am 20.10.2009 wurde die Beschuldigtenvernehmung des Mitangeschuldigten E durchgeführt, in deren unmittelbaren Anschluss die Polizeibeamten eine Besichtigung mehrerer Tatorte mit dem Angeschuldigtem E vornahmen. Noch am selben Tage erfolgten die Beschuldigtenvernehmungen der Mitangeschuldigten H, I und L.

 Am 21.10.2009 wurde die Beschuldigtenvernehmung des Angeschuldigten E fortgesetzt und es fanden die Vorführungstermine der Mitangeschuldigten H, I und L statt. Am 22.10.2009 meldeten sich für die Angeschuldigten I, E und H Verteidiger zur Akte, die jeweils Akteneinsicht zwecks rechtlichen Gehörs erhielten. Am 26. und 27.10.2009 wurde der Erlass von Durchsuchungsanordnungen angeregt und am 28.10.2009 ergingen Durchsuchungsbeschlüsse. Am 29.10.2009 wurde ein Vermerk über den Ermittlungsstand betreffend den Mitangeschuldigten G gefertigt. Am 04.11.2009 erging ein Untersuchungsauftrag an das Kriminaltechnische Institut wegen DNA und Werkzeugspuren. Am 05.11.2009 wurde der gesondert verfolgte N vernommen.

 Nachdem der Angeschuldigte B am 06.11.2009 wieder in Haft genommen worden war, wurde am 26.11.2009 ein Untersuchungsbericht zu Tatspuren an Werkzeugen – dem Aufträge vom 06.10.2009 und 04.11.2009 zu Grunde lagen – erstellt. Am 03.12.2009 erfolgte eine ergänzende Beschuldigtenvernehmung des Z2, die am 07.12.2009 fortgesetzt wurde. Am 16.12.2009 wurde der abschließende, 28 Seiten umfassende, Ermittlungsbericht gefertigt. Am selben Tage bat der Verteidiger des Mitangeschuldigten L darum, seinen Mandanten erneut zu vernehmen. Diese weitere Beschuldigtenvernehmung fand am 30.12.2009 statt. In der Zwischenzeit war am 18.12.2009 eine DNA-Analyse, die am 02.09.2009 in Auftrag gegeben worden war, erstellt worden. Am 08.01.2010 wurde die Vernehmung des Zeugen Z6 durchgeführt.

 Am 21.01.2010 wurde die Anklageschrift gefertigt. Am 29.01.2010 wurde die Zustellung der beim Landgericht Darmstadt am 27.01.2010 eingegangenen Anklage verfügt und eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen gesetzt. Mit Verfügung vom selben Tage wurden die Verteidiger um Mitteilung der freien Terminstage für die Monate März bis Mai 2010 gebeten. Die letzte Zustellung der Anklage erfolgte am 16.02.2010. Bereits am 04.02.2010 war der Haftbefehl gemäß der Anklage erweitert worden. In der Zeit vom 05.02.2010 bis 10.02.2010 teilten die Verteidiger der Angeschuldigten I, L und E ihre freien Termine in den Monaten März bis Mai 2010 mit. Der Verteidiger des Angeschuldigten I ergänzte seine Mitteilung in der Folgezeit mehrfach.

 Im Termin zur Haftbefehlsverkündung am 25.02.2010 wurde u.a. die Frage erörtert, ob bei einem der vier Angeschuldigten – G und B, H und I – möglicherweise eine Drogenproblematik besteht. Unter dem 04.03.2010 teilte der Verteidiger des Mitangeschuldigten H mit, bei seinem Mandanten bestehe sowohl eine Drogen- als auch eine Alkoholproblematik. Daraufhin ordnete die Kammer am 15.03.2010 eine psychiatrische Begutachtung des Angeschuldigten H bezüglich seiner strafrechtlichen Verantwortlichkeit an. Nachdem das psychiatrische Gutachten vom 20.04.2010 erstattet worden war, fragte die Vorsitzende in der Zeit vom 26.04.2010 bis zum 28.04.2010 bei den Verteidigern telefonisch deren freie Termine in den Monaten Mai bis Juli 2010 ab, mit dem Ergebnis, dass einzig der Termin am 29.06.2010 bei sämtlichen Verteidigern noch frei ist. Mit Verfügung vom 04.05.2010 bestimmte die Kammervorsitzende zwölf Termine auf den 15.6., 29.6., 30.6., 1.7., 5.7., 26.7., 2.8., 12.8., 17.8., 7.9., 9.9. und 16.9.2010 und teilte den Verteidigern mit, dass die Kammer beabsichtigt, zur Sicherung des Verfahrens gegebenenfalls im Verhinderungsfall für die Angeschuldigten weitere Pflichtverteidiger zu bestellen.

 Die vorgenannten Umstände sind als wichtiger Grund im Sinne des § 121 Abs. 1 StPO anzusehen, der geeignet ist, den Vorrang der Strafverfolgung gegenüber dem Freiheitsanspruch des Angeschuldigten zu begründen.

 Das Verfahren wurde bis zur Anklageschrift ausreichend gefördert. Nach Vorliegen der Anklageschrift wurde frühzeitig von der Kammer der Versuch unternommen, eine Terminsabstimmung mit den Verteidigern zu erreichen.

 Dass die Begutachtung des Mitangeschuldigten H erst am 15.03.2010 angeordnet wurde, ist aus Beschleunigungsaspekten nicht zu beanstanden, da erstmals durch die Mitteilung des Verteidigers des Angeschuldigten H vom 04.03.2010 dessen mögliche Drogen- oder Alkoholproblematik in dem Verfahren thematisiert wurde. Eine Abtrennung war in Anbetracht des Vorwurfes der bandenmäßigen Begehungsweise und des Erfordernisses der einheitlichen Beurteilung nicht angezeigt. Die Vorsitzende hat noch - unter Berücksichtigung des Umfangs des Verfahrens und des Erfordernisses der Terminskoordination bei einer Vielzahl von Verteidigern – zeitgerechte Termine zur Hauptverhandlung, beginnend am 15.06.2010, vorgesehen.

 Im Hinblick auf die Bedeutung der Strafsache und die Höhe der im Verurteilungsfall zu erwartenden Jugendstrafe ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

 Die Abwägung zwischen dem Grundrecht des Angeschuldigten B auf Wahrung seiner persönlichen Freiheit und dem Interesse an einer wirksamen Strafverfolgung rechtfertigt die weitere Anordnung der Untersuchungshaft.

 Der Angeschuldigte A ist der ihm im Haftbefehl des Landgerichts Darmstadt vom 04.02. 2010 und der Anklage vom 21.01.2010 zur Last gelegten Straftaten des schweren Bandendiebstahls (§§ 244 a Abs. 1 StGB, 243 Abs. 1 Satz 2 Ziffer 1) in vier Fällen, eines versuchten schweren Bandendiebstahls (§§ 244 a Abs. 1, 244 Abs. 1 Ziffer 3, 22, 23 StGB), einer Begünstigung (§ 257 StGB) und einer tateinheitlich begangenen Körperverletzung und Beleidigung (§§ 185 und 223 StGB) dringend verdächtig. Der dringende Tatverdacht gründet sich auf die in der Anklageschrift angeführten Beweismittel.

 In Bezug auf die Fälle 1, 5 und 25 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 kann betreffend den Angeschuldigten A ein dringender Tatverdacht nicht angenommen werden.

 Zu allen drei Fällen hat der Angeschuldigte A sich bisher nicht zur Sache eingelassen, und es sind bislang keine für die Annahme eines dringenden Tatverdachts ausreichenden Beweismittel aktenkundig.

 Betreffend Fall 1 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 besteht kein dringender Tatverdacht. Aus den Angaben der Zeuginnen Z7 und Z8 ergibt sich lediglich, dass der Angeschuldigte in Besitz eines zuvor bei einem Einbruchsdiebstahl entwendeten CD-Radios gewesen ist. Wie der Angeschuldigte den Besitz an dem Radio erlangt hat, ist nach Aktenstand nicht feststellbar. Weder liegen Aussagen zu unmittelbaren Wahrnehmungen des Einbruchsvorgangs selbst vor, noch hat der Angeschuldigte gegenüber Zeugen Äußerungen getätigt, aus denen auf ein Entwenden des Radios gefolgert werden kann. Er hat lediglich nach der Aussage der Zeugin Z7 ihr gegenüber angegeben, das Radio im Flur gefunden zu haben. Soweit in der Wohnung der Zeugin Z7, in die der Angeschuldigte das Radio gebracht hatte, auch die bei dem Einbruchsdiebstahl entwendeten Getränke, u.a. die Flasche ägyptischen Rotweins, aufgefunden wurde, besteht kein Anhalt, dass der Angeschuldigte dieses Stehlgut in die Wohnung gebracht hat.

 Gleiches gilt für den in der Wohnung der Zeugin Z7 ebenfalls aufgefundenen Schraubendreher, der als Tatwerkzeug in Betracht kommen könnte. Dieser wies auch keine dem Angeschuldigten zuordenbaren DNA-Spuren auf.

 Betreffend Fall 5 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 besteht kein dringender Tatverdacht. Es wird insoweit auf die obigen Ausführungen zu dem selbem Fall bei dem Angeschuldigten B verwiesen.

 Ergänzend ist anzumerken, dass der Zeuge Z1 zwar weiter angegeben hat, der Z3 habe ihm erzählt, Teile des Motorrollers in der Tiefgarage des … Weges gesehen zu haben, und der Angeschuldigte A im … Weg … wohnt. Indes wird der Indizwert dieses Umstandes dadurch relativiert, dass bei einer anschließenden Begehung der Tiefgarage keine Teile aufgefunden wurden.

 Betreffend Fall 25 des Haftbefehls vom 04.02.2010 und der Anklage vom 21.01.2010 besteht ebenso kein dringender Tatverdacht. Sowohl der Zeuge Z9 als auch die Zeugin Z10 haben in ihren Vernehmungen vom 02.09.2009 angegeben, drei Tatbeteiligte beobachtet zu haben. Ein Anhaltspunkt für einen vierten Tatbeteiligten gibt es nicht. Der Angeschuldigte E hat in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 20.10.2009 aber nur sich selbst und die Angeschuldigten B und H als Beteiligte an dem Einbruchsversuch benannt. Vor diesem Hintergrund vermag alleine dem Umstand, dass sich an dem bei der Tat verwendeten Schraubendreher eine DNA-Spur des Angeschuldigten A befindet, keine tragfähige Indizwirkung zuzukommen.

 Betreffend den Angeschuldigten A besteht ebenfalls der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 112 Abs. 2 Ziffer 2 StPO, der indessen nicht den Vollzug der Untersuchungshaft gegen den Angeschuldigten erfordert.

 Der Angeschuldigte A hat im Falle seiner Verurteilung im Umfang des angenommenen dringenden Tatverdachts mit einer empfindlichen zu verbüßenden Jugendstrafe zu rechnen.

 Zwar liegt vorliegend die Anwendung des Jugendstrafrechts nahe. In Bezug auf die Fälle 2 und 3 der Anklage war der Angeschuldigte ohnehin zur Tatzeit erst 17 Jahre alt und damit Jugendlicher im Sinne des § 1 Abs. 2 JGG. Doch auch bezüglich der übrigen Fälle der Anklage dürfte der Angeschuldigte einem Jugendlichen gleich stehen (§ 105 Abs. 1 Nr. 1 JGG). Denn er hatte das achtzehnte Lebensjahr erst wenige Tage bzw. Wochen vor den zur Last gelegten Taten vollendet, lebt noch bei seiner Mutter und besucht noch die Schule.

 Jedoch sprechen alleine die Mehrzahl der ihm zur Last gelegten Taten, bei denen es sich außer in den Fällen 2 und 14 der Anklage um Verbrechen handelt, jedenfalls für die Annahme der Schwere der Schuld im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG.

 Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeschuldigte zwar bereits strafrechtlich in Erscheinung getreten ist, jedoch bisher noch nicht zu einer Jugendstrafe verurteilt wurde, sieht er sich bereits angesichts der Anzahl und Schwere der vorgeworfenen Taten - für die bei Anwendung von Jugendstrafrecht der Strafrahmen sechs Monate bis zehn Jahre beträgt - einem drohenden empfindlichen Freiheitsentzug ausgesetzt.

 Die bestehende Fluchtgefahr des Angeschuldigten gründet sich ferner darauf, dass er irakischer Staatsangehöriger ist. Da er erst im Alter von acht Jahren mit seiner Mutter nach Deutschland einreiste, beherrscht er seine Heimatsprache und besteht auch ein Anhaltspunkt für das Bestehen verwandtschaftlicher oder freundschaftlicher Kontakte ins Ausland. Vor allem aber bestehen bei dem Angeschuldigten erhebliche Anhaltspunkte für eine charakterliche Labilität, weil er nach eigenen Angaben regelmäßig Drogen (Marihuana zwei- bis dreimal wöchentlich, zudem bezeichnet er sich als „Wochenendtrinker“) konsumierte.

 Andererseits bestehen soziale Bindungen des Angeschuldigten. Er lebt bei seiner Mutter, die nach seinen Angaben auf ihn angewiesen ist, da sie der deutschen Sprache nicht mächtig ist, an einer Nervenkrankheit leidet und keine nennenswerten sozialen Kontakte hat. Für eine enge Bindung spricht, dass der Angeschuldigte ausweislich der Erkenntnisse aus der Telefonüberwachung sogar aus der Haft heraus versucht, die Versorgung seiner Mutter zu organisieren. Der Angeschuldigte besuchte bis zu seiner Inhaftierung eine sog. „Schubklasse“ in der O-Schule in Stadt1. In einer Schubklasse erhält der Schüler die Gelegenheit, seinen Hauptschulabschluss nachzuholen und er wird bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz unterstützt.

 Bei der gebotenen Gesamtabwägung der dargelegten Umstände erachtet der Senat die in der Beschlussformel angeführten, weniger einschneidenden Maßnahmen gemäß § 116 StPO als ausreichend, dem bestehenden aber auch nicht sonderlich hohen Fluchtanreiz wirksam zu begegnen. Den in der Beschlussformel aufgeführten Auflagen und Weisungen kommt im Zusammenwirken mit den beschriebenen Bindungen des Angeschuldigten eine die Flucht hemmende Wirkung zu, die der Senat für ausreichend hält, die Fluchtgefahr soweit zu verringern, dass der Vollzug der Untersuchungshaft nicht erforderlich ist.

 Der Angeschuldigte war daher von dem weiteren Vollzug der Untersuchungshaft zu verschonen. Der Verschonung entgegen stehende Haftgründe sind nicht gegeben.

 Die Voraussetzungen des in dem erweiternden Haftbefehl des Landgerichts Darmstadt vom 04.02.2010 angenommenen Haftgrundes der Verdunkelungsgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Ziffer 3 b StPO, den auch der Generalstaatsanwalt für gegeben hält, sind nicht erfüllt.

 Die Verdunkelungsgefahr setzt voraus, dass das Verhalten des Angeschuldigten den dringenden Verdacht begründet, dass durch bestimmte Handlungen auf sachliche oder persönliche Beweismittel eingewirkt und dadurch die Ermittlung der Wahrheit erschwert wird (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 52. Auflage, § 112 Rn. 26). Soweit der Angeschuldigte wiederholt aus der Untersuchungshaft heraus mit dem Mitangeschuldigten G per Telefon Gespräche über den Inhalt bereits erfolgter Aussagen, die Personen der Aussagenden und mögliches weiteres Aussageverhalten anderer Beteiligter geführt hat, genügt dies nicht zur Annahme eines unlauteren Einwirkens auf Beweispersonen.

 Im Gespräch vom 29.09.2009, 21:54 Uhr hat der Angeschuldigte mit dem Mitangeschuldigten G über den groben Inhalt von ihn belastenden Aussagen eines „P“ und „Q“ gesprochen, dabei sein Missfallen über den „P“ („der Hurensohn“) zum Ausdruck gebracht und den G aufgefordert, dessen Bruder mitzuteilen, dass er selbst bisher nicht ausgesagt hat. Hierin kann kein Versuch, den Mitangeschuldigten G zu einer Einflussnahme auf die ihn belastenden Personen zu veranlassen, gesehen werden.

 Im Gespräch vom 12.10.2009, 23:19 Uhr äußert der Angeschuldigte gegenüber dem Mitangeschuldigten G, er solle seinem Bruder zum Stillschweigen auffordern („der soll nix sagen … keine Beweise“). Weiter lässt sich der Angeschuldigte erzählen, welche Gespräche in der Zwischenzeit der Mitangeschuldigte G mit „P“ und „Q“ geführt hat. Zudem erklärt der Angeschuldigte, der „Q“ habe auch über andere „gesungen“, woraufhin beide Gesprächspartner ankündigen, weitere Erkundigungen einzuholen.

 Soweit der Angeschuldigte in diesem Gespräch den Mitangeschuldigten G zu einer Einflussnahme auf dessen Bruder auffordert, liegt zwar der Versuch eines mittelbaren Einwirkens auf eine Beweisperson vor. Indes stellt sich dieses Verhalten nicht als „unlauter“ im Sinne des § 112 Abs. 2 Ziffer 3 b StPO dar. Der Angeschuldigte fordert seinen Gesprächspartner nicht zur Verwendung unlauterer Mittel wie Täuschung oder Bedrohung auf, und in der bloßen Aufforderung an einen Mitbeschuldigten, zu schweigen, kann auch nicht der Versuch, die Beweislage zu Ungunsten der Wahrheit abzuändern, gesehen werden. Denn ebenso, wie es nicht unlauter ist, einen Zeugen ohne Druck zur Wahrnehmung seines Zeugnisverweigerungsrechts aufzufordern (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., §112, Rn. 33), kann es nicht als per se verwerflich angesehen werden, wenn ein Mitangeschuldigter gebeten wird, sich auf sein Recht zu Schweigen zu berufen.

 In Bezug auf den weiteren Inhalt des Gesprächs besteht kein Anhalt, dass der Angeschuldigte den Mitangeschuldigten G zu einem Vorgehen gegen die betreffenden Aussagepersonen aufforderte. Vielmehr war der Mitangeschuldigte G augenscheinlich in eigener Initiative tätig und wollte auch seine weiteren Nachforschungen aus eigenem Antrieb heraus anstellen.

 Im Gespräch vom 16.10.2009, 22:53 Uhr erkundigt sich der Angeschuldigte, ob der Bruder des Mitangeschuldigten G geschwiegen habe („aber er hat nicht gesagt so … über?“). Weiter erfragt er, ob der Bruder nähere Angaben zu der Aussage des „P“ gemacht habe, und dass dieser ein „Bastard“ sei. Weiter vereinbaren die Gesprächspartner, im Falle einer Haftentlassung zu reden.

 Auch in diesen Gesprächsinhalten findet sich kein konkreter Anhalt für den Versuch einer Einflussnahme des Angeschuldigten auf die Beweislage.

 Die Voraussetzungen des in dem Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 16.09.2009 und in dem erweiterten Haftbefehl des Amtsgerichts Offenbach am Main vom 06.11.2009 noch angenommenen Haftgrundes der Wiederholungsgefahr gemäß § 112 a Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 StPO liegen nicht vor.

 Auch wenn die Tatbestände des bandenmäßig begangenen Diebstahls in einem besonders schweren Fall und des bandenmäßig begangenen Wohnungseinbruchsdiebstahls grundsätzlich in den Katalog der Anlasstaten nach § 112 a Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 StPO fallen, ist der Angeschuldigte nicht dringend verdächtig wiederholt Taten begangen zu haben, die eine schwer wiegende Beeinträchtigung der Rechtsordnung im Sinne des § 112 a Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 StPO darstellen.

 Da die Katalogtaten des § 112 a Abs. 1 Satz 1 Ziffer 2 StPO schon generell schwerwiegender Natur sind, kann das Merkmal „die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigend“ vom Gesetzgeber nur als weitere Einschränkung des Haftgrundes gemeint sein, zumal aus Verfassungsgründen eine restriktive Auslegung dieses Haftgrundes geboten ist (BVerfGE 35, 185, 191). Anlasstaten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes können aber in den verfahrensgegenständlichen Taten in Anbetracht des Schadensumfangs nicht gesehen werden. Als Taten überdurchschnittlichen Schweregrades und Unrechtsgehaltes kommen nur solche, die mindestens in der oberen Hälfte der mittelschweren Straftaten liegen, als Anlasstaten in Betracht. Maßgeblich für die Beurteilung sind insbesondere auch Art und Umfang des jeweiligen angerichteten Schadens (vgl. Thüringer OLG; Beschluss vom 23.01.2008, 1 Ws 29/08, zitiert nach juris; OLG Karlsruhe, StV 2002, 147), wobei es unzulässig ist, die Tatschwere nach dem Gesamtschaden zu bemessen (OLG Frankfurt am Main, StV 2000, 209, 210). Bei den vorliegend zu beurteilenden Straftaten liegt nur in einem Fall der Wert des Stehlgutes im Bereich eines vierstelligen Eurobetrages. Auch im Übrigen weisen die Taten insgesamt nur ein durchschnittliches Erscheinungsbild auf.

 Es sind dem Senat weitere Strafverfahren gegen den Angeschuldigten A bekannt, die alle zurzeit vor dem Jugendschöffengericht beim Amtsgericht Offenbach am Main anhängig sind. Es handelt sich dabei um die zum Aktenzeichen 1310 Js 79504/09 hinzu verbundenen Verfahren zu den Aktenzeichen 1310 Js 80812/09, 1310 Js 80815/09, 1310 Js 84431/09, 1310 Js 83949/09 und 1310 Js 84689/09.

 Die diesen Verfahren zugrunde liegenden Taten können zwar nach der ab dem 01.10.2009 gültigen Fassung des § 112 a Abs. 1 Satz 2 StPO „in die Beurteilung des dringenden Tatverdachts“ der Anlasstaten einbezogen werden.

 Die den Strafverfahren zu den Aktenzeichen 1310 Js 79504/09, 1310 Js 80812/09, 1310 Js 80815/09, 1310 Js 83949/09 und 1310 Js 84689/09 zugrunde liegenden Taten weisen aber ebenfalls – unabhängig vom Bestehen eines dringenden Tatverdachts – nicht den erforderlichen Schweregrad auf und stellen keine die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigende Straftaten dar.

 Bei den Taten vom 09.02.2009 (1310 Js 80812/09 und 1310 Js 80815/09) soll der Angeschuldigte A eine Wohnungseingangstür durch einen Tritt beschädigte haben und später in eine unbewohnte Wohnung im 11. Obergeschoss eingedrungen sein und dabei Gegenstände, u.a. einen Kühlschrank, vom Balkon aus nach unten geworfen haben und dabei die Verletzung von Personen in Kauf genommen haben. Bei der Tat vom 23.03. 2009 (1310 Js 79504/09) soll er ein Toilettenfenster eines Wettbüros aufgehebelt haben, wobei er vor der Entwendung von Gegenständen festgenommen wurde. Als Motivation für den versuchten Einbruchsdiebstahl gab der Angeschuldigte A an, bei einer Bekannten Schulden in Höhe von € 300,00 zu haben, deren Begleichung die Beute habe dienen sollen. Bei der Tat von 25.05.2009 (1310 Js 83949/09) handelt es sich um ein Verkehrsdelikt. Insoweit handelt es sich entweder nicht um Taten aus dem Katalog des § 112 a Abs. 1 S 2 StPO, bzw. soweit dies der Fall ist sind keine maßgeblichen Schäden verursacht worden, die die Wertung einer die Rechtsordnung schwerwiegend beeinträchtigenden Straftat zulassen.

 Bei den mit Anklage zum AZ 1310 Js 84689/09 angeklagten Taten soll der Angeschuldigte A in der Zeit vom 06.02.2009 bis zum 25.04.2009 zwei Motorroller und einen Pkw entwendet haben und nach deren Nutzung – bei den Rollern drei bzw. vier Tage, bei dem Pkw einige Stunden – diese in Brand gesteckt haben. Weiter soll er versucht haben, am 02.05.2009 einen weiteren Motorroller kurzzuschließen. Insoweit besteht der dringende Tatverdacht jeweils nur bezogen auf einen unbefugten Gebrauch. In Bezug auf die an den Gebrauch jeweils anschließenden Brandstiftungen besteht bezüglich den Angeschuldigten A kein dringender Tatverdacht.

 Bei dem Fall vom 06.02. 2009 war nach der Aussage des Zeugen Z11 vom 19.02.2009 der Angeschuldigte A zwar an der Entwendung des Motorrollers – den der Geschädigte nach seinen Angaben zu einem Preis von € 50,00 erworben hatte - beteiligt, er hat indes nur den Mitangeschuldigten B bei der Nutzung des Motorrollers beobachtet.

 Dafür, dass der Angeschuldigte A nach der Entwendung des Motorrollers weitere Tatbeiträge geleistet hat, besteht damit kein Anhalt.

 Bei dem Fall vom 25.03.2009 hat der Zeuge Z3 zwar angegeben, dass der Angeschuldigte A mit dem Motorroller – der nach den Geschädigtenangaben einen Wert von ca. € 3.000,00 hatte - längere Zeit herum gefahren sei und ihm gegenüber auch angegeben habe, diesen „gerippt“ zu haben. Angaben zu der Inbrandsetzung des Motorrollers konnte der Zeuge indes nicht machen und es gibt auch ansonsten für die Inbrandsetzung keine Tatzeugen. Insoweit kann nicht ausgeschlossen werden, dass die Inbrandsetzung erst nach einer Weitergabe der Fahrzeuge an einen anderen Nutzer erfolgt ist.

 Bei dem Fall vom 25.04.2009 hat der Zeuge Z12 lediglich beobachtet, dass unter anderem der Angeschuldigte A um 22:00 Uhr mit dem entwendeten R – der nach den Angaben des Geschädigten einen Wert von etwa € 500,00 hatte - circa eine Stunde auf einem Parkdeck herumfuhr. Eigene Wahrnehmungen zur Inbrandsetzung hat der Zeuge nicht gemacht, er wurde lediglich um 1:00 Uhr telefonisch von einem „S“ darüber in Kenntnis gesetzt. Weitere Kenntnisse von der Inbrandsetzung hat der Zeuge durch die Erzählungen des Mitangeschuldigten B, der ihm gegenüber angegeben hat, den R entwendet zu haben und ihn in der Nacht angezündet zu haben. Dafür, dass der Angeschuldigte A zu diesem Zeitpunkt – etwa zwei Stunden nach der Nutzung des Pkw - noch auf dem Parkdeck dabei war, bestehen keine konkreten Anhaltspunkte.

 Einzig bei der Tat vom 08.04.2009 (1310 Js 84431/09) liegt eine Tat vor, die grundsätzlich als schwer wiegende Anlasstat – Wohnungseinbruchsdiebstahl mit Beutewert über € 6.000,00 – in Betracht kommt. Indes ist insoweit ein dringender Tatverdacht nicht zu bejahen. Soweit der Zeuge Z12 in seiner Beschuldigtenvernehmung vom 15.05.2009 Angaben zu einem Wohnungseinbruch gemacht hat, ist nicht hinreichend klar, dass diese Beobachtungen dem hier gegenständlichen Vorgang zuzuordnen sind. Der Zeuge Z12 hat angegeben, er habe irgendwann im April beobachtet, wie im 2. OG links des …-Wegs „B“ und „T“ an einer Wohnungstür hebelten, wobei er im Weitergehen gehört habe, dass die Tür aufging.

 Aus der Wohnung, in der eine türkische Familie wohne, seien angeblich ein Ofen und ein Glastisch gestohlen worden, und er habe auch eine Stunde später den „B“ beobachtet, wie dieser einen Glastisch nach draußen getragen habe.

 Dass die vom Zeugen vorgenommene grobe zeitliche Einordnung (April) und seine Beschreibung der Wohnungslage mit Tatort und -zeit des hier gegenständlichen Vorganges korrespondieren, könnte ebenso für eine Zuordenbarkeit sprechen, wie der Umstand, dass der Zeuge den Transport eines Glastisches beobachtete, und ein solcher auf der Stehlgutliste enthalten ist. Auch könnte die vom Zeugen als Gerücht gehörte Entwendung eines „Ofens“ in Einklang zu bringen sein mit dem auf der Stehlgutliste befindlichen Herd.

 Indes gibt es Ungereimtheiten, die es als nicht hinreichend wahrscheinlich erscheinen lassen, dass die Beobachtungen des Zeugen sich tatsächlich auf die hier angeklagte Tat beziehen. Die Anzeige des Einbruchs erfolgte um 22:45 Uhr und entsprechend wurde auch in der Anklage von dieser Tatzeit ausgegangen. Der Zeuge Z12 beschrieb aber Beobachtungen, die er am Nachmittag gemacht hatte. Nach den Angaben der Geschädigten schilderte ihnen ein unmittelbarer Tatzeuge eine Tatbegehung durch vier bis fünf Täter, während der Zeuge Z12 nur zwei Täter beobachtet hatte. Bei den Wohnungsberechtigten handelt es sich um ein deutsch / chinesisches Paar, während der Zeuge Z12 den Beginn eines Einbruchs in die Wohnung einer türkischen Familie beobachtet hat.

 Es kann daher nicht ausgeschlossen werden, dass sich die von dem Zeugen Z12 getätigten Wahrnehmungen auf einen anderen Vorgang als die angeklagte Tat beziehen. Selbst wenn man eine Zuordenbarkeit annähme, könnte nicht ausgeschlossen werden, dass die Angeschuldigten B und A lediglich den Glastisch und kleinere, leicht transportable Gegenstände entwendeten, während die restlichen Einrichtungsgegenstände zu einem späteren Zeitpunkt entwendet wurden. Dafür spräche, dass es kaum nachvollziehbar wäre, dass zwei Täter eine Wohnzimmereckcouch und einen Herd weg tragen können. Es besteht indes kein greifbarer Anhaltspunkt dafür, ob es sich bei der denkbaren zweiten Entwendung um dieselben Täter mit Helfern oder um andere Täter, die das Offenstehen der Wohnungstür ausnutzten, handelte.

 Alleine, dass der von den Geschädigten benannte Tatzeuge einen der Täter als „U“ benannt hat und dieser Name phonetische Ähnlichkeiten zu dem Vornamen des Angeschuldigten A „U“ aufweist, stellt kein ausreichendes Indiz dar.

 Abgesehen davon ist auch die weitere Voraussetzung für die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht gegeben.

 Aus verfassungsrechtlichen Gründen sind strenge Anforderungen an den Haftgrund der Wiederholungsgefahr zu stellen, weil die wegen Wiederholungsgefahr angeordnete Untersuchungshaft kein Mittel der Verfahrenssicherung, sondern eine vorbeugende Maßnahme zum Schutz der Rechtsgemeinschaft vor weiteren erheblichen Straftaten darstellt und somit präventiv-polizeilicher Natur ist (BVerfGE 19, 342).

 Die Wiederholungsgefahr muss durch bestimmte Tatsachen begründet werden, die eine so starke innere Neigung des Angeschuldigten zu einschlägigen Straftaten erkennen lassen, dass die Gefahr besteht, er werde gleichartige Taten wie die Anlasstaten bis zur rechtskräftigen Verurteilung begehen (so OLG Oldenburg, Beschluss vom 10.12. 2009, AZ 1 Ws 679/09; Thüringer OLG, Beschluss vom 14.10.2008, AZ 1 Ws 448/08 und Beschluss vom 21.10.2008, AZ 1 Ws 459/08 zitiert jeweils nach juris). Diese Gefahrenprognose erfordert eine hohe Wahrscheinlichkeit der Fortsetzung des strafbaren Verhaltens. Insoweit sind bestimmte Indiztatsachen zu berücksichtigen und zu würdigen, die entsprechenden Schlussfolgerungen gestatten, wie z.B. Vorstrafen des Angeschuldigten, seine Persönlichkeitsstruktur, seine gesamten Lebensverhältnisse und anderes (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 10.02. 2010, AZ 2 Ws 35/10; Thüringer OLG, a.a.O., zitiert nach juris).

 Bei Anwendung dieses Maßstabs ergibt eine zusammenfassende Würdigung der aus den Akten ersichtlichen Umstände, dass die Annahme, der Angeschuldigte werde vor einer möglichen rechtskräftigen Aburteilung in vorliegender Sache mit hoher Wahrscheinlichkeit erneut gleich gelagerte Taten begehen, nicht gerechtfertigt ist.

 Die für die Wiederholungsgefahr geforderte hohe Wahrscheinlichkeit erneuter Taten lässt sich schwer begründen, wenn es an einer Vorverurteilung wegen eines gleichgelagerten schwerwiegenden Delikts fehlt.

 Vorliegend ist der Angeschuldigte zwar bereits wiederholt strafrechtlich auffällig gewesen, jedoch liegt eine Verurteilung wegen einer schwer wiegenden Tat bisher nicht vor. Das Amtsgericht Offenbach am Main hat ihn mit Urteil vom 20.06.2006 (AZ 1310 Js 85904/05) wegen eines am 23.02.2006 begangenen versuchten Diebstahls in einem besonders schweren Fall verwarnt. Nachdem er einer richterlichen Weisung nicht nachkam wurde er zu einer Woche Jugendarrest verurteilt. Der letzten Verurteilung zu einem zweiwöchigen Jugendarrest im Urteil des Jugendschöffengerichts Offenbach am Main im Urteil vom 16.09.2009 (1310 Js 81882/08) lag ein Einbruchsdiebstahl in ein Textilwarengeschäft zugrunde, bei dem der Wert des Diebesgutes etwa € 300,00 betrug. Der Angeschuldigte wurde am 16.09.2009 noch im Gerichtssaal in vorliegender Sache festgenommen.

 Auch ist der Angeschuldigte vorliegend zwar einer Mehrzahl von gleich gelagerten Taten dringend verdächtig, eine serienmäßige Begehung von Straftaten, die als Indiz für eine Wiederholungswahrscheinlichkeit in Betracht kommt (dazu OLG Thüringen, a.a.O.) kann hierin indes noch nicht gesehen werden.

 Auch sind die allgemeinen Lebensverhältnisse des Angeschuldigten als verhältnismäßig geordnet anzusehen. Er lebt seit zehn Jahren in der Bundesrepublik, wohnt noch bei seiner Mutter und besuchte bis zu seiner Inhaftierung eine sog. „Schubklasse“ in der O-Schule in Stadt1.

 Auch in der Persönlichkeitsstruktur des Angeschuldigten sind keine greifbaren Auffälligkeiten, die die Annahme einer inneren Tatneigung zu tragen vermögen, erkennbar. Der Umstand, dass der Angeschuldigte nach eigenen Angaben mit einiger Regelmäßigkeit Drogen konsumiert, stellt eine Auffälligkeit im Persönlichkeitsbild dar, die aber für sich betrachtet für die Annahme einer Tatneigung keine tragfähige Grundlage darstellt. Insbesondere besteht kein Anhalt, dass der Angeschuldigte zur Finanzierung seines Drogenkonsums die Taten begangen hat und aufgrund einer Sucht zu weiteren Taten möglicherweise weiter getrieben wird.

 In der vorzunehmenden Gesamtabwägung der aufgeführten Umstände erscheint es dem Senat nicht wahrscheinlich, dass der Angeschuldigte nach einer Haftentlassung in alte Verhaltensmuster zurückfällt.

 Insbesondere ist davon auszugehen, dass sich der Angeschuldigte von der Warnwirkung, die von der letzten Verurteilung ausgeht sowie der sich unmittelbar daran anschließenden mehrmonatigen Untersuchungshaft, in der Weise beeindrucken lässt, dass er nach der Haftentlassung von weiteren Tatbegehungen Abstand nimmt. Dabei übersieht der Senat nicht, dass der Angeschuldigte zeitnah vor den hier gegenständlichen Taten bei einem Einbruchsversuch am 23.03.2009 vorläufig festgenommen wurde und nicht bereits diesen Umstand zum Anlass genommen hat, von weiteren Tatbegehungen abzusehen.

 Die Haftbeschwerde des Angeschuldigten A war, soweit sie sich gegen den Bestand des Haftbefehls richtete, aus den oben ausgeführten Gründen zu verwerfen. Im Übrigen hat sie sich erledigt, nachdem der Senat eine Entscheidung im Rahmen der §§ 121 f StPO erlassen hat (vgl. Meyer-Goßner, a.a.O., § 122 Rn. 18; OLG Braunschweig, Beschluss vom 23.01. 2007, AZ 1 HEs 9/06, zitiert nach juris).