Hessisches LSG, Urteil vom 21.05.2010 - L 7 AL 54/10
Fundstelle
openJur 2012, 33011
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid desSozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2010 aufgehoben.Die Sache wird an das Sozialgericht Frankfurt am Mainzurückverwiesen.

II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte zu Recht die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe aufgehoben und Erstattungsbeträge festgesetzt hat.

Nach einer Zwischenbeschäftigung der Klägerin bewilligte die Beklagte ihr mit Bescheid vom 2. August 2001 ab dem 23. Juli 2001 für längstens 246 Tage Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 860,00 DM mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 368,69 DM weiter. Mit Änderungsbescheiden vom 5. November 2001 und 27. November 2001 änderte die Beklagte die Bewilligung wegen Nebeneinkommens aus einer kurzzeitigen Beschäftigung für den Zeitraum vom 1. Oktober 2001 bis 31. Dezember 2001 ab. Mit Änderungsbescheid vom 2. Januar 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 1. Januar 2002 Arbeitslosengeld nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 440,00 € mit einem wöchentlichen Leistungssatz in Höhe von 164,78 € unter Anrechnung von Nebeneinkommen in Höhe von 23,73 € wöchentlich. Hintergrund hierfür war die Umstellung von DM auf Euro-Beträge. Aufgrund der Dynamisierung zum 1. März 2002 erhöhte die Beklagte mit Änderungsbescheid vom 25. März 2002 ab dem 2. März 2002 das wöchentliche Bemessungsentgelt auf 445,00 € und bewilligte Arbeitslosengeld in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes in Höhe von 166,39 € bis zur Anspruchserschöpfung zum 25. März 2002.

Mit Bescheid vom 28. März 2002 bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 26. März 2002 Anschluss-Arbeitslosenhilfe (Alhi) bis längstens 25. März 2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 860,00 € (ohne Umrechnung des DM-Betrages in €) in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes von 142,03 € ohne Anrechnung von Einkommen.

Am 13. Juni 2002 nahm die Klägerin eine befristete Beschäftigung bis zum 3. Juli 2002 auf und teilte das der Beklagten mit. Mit Bescheid unbekanntem Datums bewilligte die Beklagte der Klägerin ab dem 4. Juli 2002 Alhi in derselben Höhe wie zuvor weiter (Bescheid voraussichtlich im Juli 2002 erlassen).

Erst mit Prüfvermerk vom 3. Dezember 2002 stellte die Beklagte aktenkundig fest, dass bei der Umrechnung von DM auf € ein Fehler unterlaufen und deshalb zuviel Alhi gezahlt ist. Hierzu hörte die Beklagte die Klägerin mit Schreiben vom 10. Dezember 2002 an. Die Klägerin antwortete darauf, in den ihr vorliegenden Bewilligungsbescheiden sei sehr wohl eine Umstellung von DM auf Euro-Beträge erfolgt. Sie habe als Laie nicht erkennen können, dass der Beklagten dabei ein Fehler unterlaufen sei. Mit Bescheid vom 14. Januar 2003 nahm die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe für den Zeitraum vom 26. März 2002 bis 12. Juli 2002 und ab 4. Juli 2002 teilweise in Höhe von 97,72 € wöchentlich zurück. Zur Begründung führte sie aus, aufgrund eines Berechnungsfehlers seien die zugrundeliegenden Berechnungsdaten nicht von DM-Beträgen in Euro-Beträge umgerechnet worden. Auch wenn die Klägerin die Überzahlung nicht verursacht habe, so hätte sie doch mit einfachsten und naheliegenden Überlegungen aufgrund des ihr zur Verfügung stehenden Merkblattes für Arbeitslose erkennen können, dass ihr die Leistung in der bewilligten Höhe nicht zugestanden habe. Schließlich sei das Bemessungsentgelt für Alhi im Bescheid vom 28. März 2002 mit 860,00 € angegeben worden, obwohl sie im letzten Änderungsbescheid für Arbeitslosengeld vom 2. Januar 2002 nur ein Bemessungsentgelt in Höhe von 440,00 € hätte entnehmen können. Für den vorgenannten Zeitraum sei nach § 50 Abs. 1 SGB X ein Erstattungsbetrag in Höhe von 3.629,60 € festgesetzt.

Mit weiteren Änderungsbescheiden vom 15. Januar 2003 änderte die Beklagte die Bewilligung von Alhi wegen Anrechnung von Einkommen in Höhe von 187,00 € monatlich für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis 31. Mai 2002 und 4. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002 ab. Zugleich setzte sie in Höhe der Anrechnungsbeträge einen Erstattungsanspruch fest. Weiter erklärte sie die Aufrechnung des Erstattungsbetrages gegen laufende Leistungen in voller Höhe nach § 51 Abs. 1 SGB I i.V.m. § 333 Abs. 1 SGB III. Nachdem die Beklagte zunächst mit einem weiteren Änderungsbescheid vom 17. Januar 2003 ab dem 1. Januar 2003 erneut Alhi unter Berücksichtigung eines wöchentlichen Bemessungsentgeltes in Höhe von 860,00 € unter Anrechnung von Nebeneinkommen ab dem 1. Januar 2003 bewilligt hatte, änderte sie das mit einem weiteren als Bewilligungsbescheid bezeichneten Bescheid vom 24. Januar 2003 dahingehend ab, dass Alhi vom 1. Januar 2003 bis 25. März 2003 nach einem wöchentlichen Bemessungsentgelt in Höhe von 445,00 € in Höhe eines wöchentlichen Leistungssatzes in Höhe von 160,72 € unter Anrechnung von Nebeneinkommen in Höhe von 155,54 € wöchentlich bewilligte.

Gegen die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2003 legte die Klägerin am 21. Januar 2003 bei der Beklagten schriftlich Widerspruch ein. Daraufhin holte die Beklagte mit Schreiben vom 26. Februar 2003 die unterbliebene Anhörung nach.

Am 11. Februar 2003 legte die Klägerin zudem schriftlich bei der Beklagten Widerspruch gegen den Änderungsbescheid vom 17. Januar 2003 ein. Dabei führte sie aus, für sie sei die Höhe des Anrechnungsbetrages wegen des Einkommens aus der Nebenbeschäftigung nicht nachvollziehbar. Ein monatliches Einkommen in Höhe von 325,00 € könne nicht zu einer wöchentlichen Anrechnung in Höhe von 117,46 € führen.

Mit weiterem Änderungsbescheid vom 22. Mai 2003 änderte die Beklagte die Anrechnung von Nebeneinkommen für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis 31. Mai 2002 und 4. Juli 2002 bis 31. Dezember 2002 ab. Sie sah nunmehr einen Anrechnungsbetrag in Höhe von 160,00 € monatlich für den Zeitraum vom 1. April 2002 bis 31. Mai 2002 und 1. August 2002 bis 31. Dezember 2002 vor. Weiter berücksichtigte sie einen Anrechnungsbetrag für den Zeitraum vom 4. Juli 2002 bis 31. Juli 2002 in Höhe von 128,55 €. Insgesamt setzte sie einen Erstattungsbetrag in Höhe von nunmehr 1.248,55 € fest. Im Übrigen wiederholte sie nur die vorherigen Verfügungen in den Änderungsbescheiden vom 15. Januar 2003. Sie versah aber den Änderungsbescheid mit einer falschen Rechtsmittelbelehrung, in der sie darauf hinwies, gegen den Änderungsbescheid könne Widerspruch eingelegt werden, obwohl er eigentlich Gegenstand des Widerspruchsverfahrens geworden ist.

Mit Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 (xxx) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin wegen der Anrechnung von Nebeneinkommen als unbegründet zurück. Dabei stützte sie sich darauf, dass die Klägerin aufgrund des Merkblattes für Arbeitslose hätte erkennen können, dass die Ausübung der Nebenbeschäftigung zur Anrechnung des Nebeneinkommens führe. Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 31. Januar 2005 (yyy) wies sie ebenfalls den Widerspruch der Klägerin gegen den Änderungsbescheid vom 14. Januar 2003 als unbegründet zurück. Auch insoweit verwies sie darauf, dass die Klägerin habe erkennen müssen, dass ihr nicht Arbeitslosenhilfe nahezu in Höhe des zuvor bewilligten Arbeitslosengeldes bewilligt werden könne.

Gegen die Widerspruchsbescheide der Beklagten vom 31. Januar 2005 hat die Klägerin am 2. März 2005 bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klagen erhoben. Sie hat hierzu ausgeführt, grobe Fahrlässigkeit sei ihr wegen der Umstellung auf Euro-Beträge nicht vorzuwerfen. Die Beklagte selber habe nochmals mit Bescheid vom 17. Januar 2003 insoweit einen Fehler gemacht. Zudem sei die Zahlungsaufstellung vom 31. Januar 2005 nicht korrekt, weil die dort benannte Alhi nicht an sie ausgezahlt, sondern einbehalten worden sei. Unverständlich sei für sie auch, wieso ein Nettoeinkommen in Höhe von 352,00 € monatlich zugrunde gelegt sei, obwohl sie tatsächlich nur 325,00 € verdient habe. Eine korrekte Neuberechnung sei in jedem Fall erforderlich. Im Übrigen sträube sie sich nicht dagegen, zu Unrecht erhaltene Leistungen zu erstatten. Weiter verwies sie auf steuerliche Nachteile, die sie durch die Überzahlung der Beklagten erlitten habe. Die Beklagte hat hierauf erwidert, der falsche Anrechnungsbetrag von 352,00 € monatlich sei bereits im Änderungsbescheid vom 22. Mai 2003 korrigierend berücksichtigt. Die Zahlungsaufstellung gäbe nur den Stand zum 31. Dezember 2002 wieder.

Die Kammervorsitzende hat mit Verfügung vom 5. November 2008 einen Termin zur mündlichen Verhandlung am 26. November 2008 anberaumt und in der Ladung die Anordnung des persönlichen Erscheinens der Klägerin angeordnet. Am 18. November 2008 bat die Klägerin bei dem SG schriftlich um Terminsverlegung, weil sie in der Kalenderwoche für ihren Arbeitgeber eine wichtige Jahresabrechnung erstellen müsse. Darauf antwortete die Kammervorsitzende mit Schreiben vom 20. November 2008, der Termin würde stattfinden. Aber die Anordnung des persönlichen Erscheinens werde aufgehoben. Am 25. November 2008 reichte die Klägerin bei dem SG schriftlich weitere Unterlagen für den Verhandlungstermin ein. Sie sollten berücksichtigt werden, weil sie wegen der abgelehnten Verlegung nicht daran teilnehmen könne.

In der mündlichen Verhandlung hat die Kammer in der Besetzung mit ehrenamtlichen Richtern beschlossen, die mündliche Verhandlung zu vertagen. Lediglich die Bestimmung des weiteren Termins hat sie dabei der Kammervorsitzenden vorbehalten.

Gleichwohl hat die Kammervorsitzende mit Schreiben vom 25. Januar 2010 die Beteiligten zu einer beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG angehört. Der Sachverhalt sei geklärt und weise keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art auf. Darauf hat die Klägerin am 11. Februar 2010 schriftlich geantwortet, das Anhörungsschreiben des SG sei für sie unverständlich. Zuletzt sei ihr am 30. Dezember 2008 mitgeteilt worden, dass die mündliche Verhandlung vertagt und ein neuer Termin von Amts wegen anberaumt werde. Sie könne nicht bestätigen, dass die Rechtsstreitigkeiten keine besonderen Schwierigkeiten aufwiesen. Ihr sei weiterhin nicht klar, um welchen Betrag es gehe. Auch habe sie keine Aufstellung der einbehaltenen Zahlung von Seiten der Beklagten erhalten. Es sei ihr auch unverständlich, wie die Beklagte zu der Behauptung käme, sie habe ihre Nebentätigkeit nicht mitgeteilt. Wegen dieser ungeklärten Fragen, sei sie mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid nicht einverstanden. Laut Aktenvermerk ist das Schreiben der Kammervorsitzenden am 22. Februar 2010 vorgelegt worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 25. Februar 2010 hat das SG in der Besetzung ohne ehrenamtliche Richter und ohne mündliche Verhandlung die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Sache sei in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht durchschnittlich gelagert. Das Gericht sähe von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab und nehme Bezug auf den Inhalt der Bescheide und der Widerspruchsbescheide gemäß § 136 Abs. 3 SGG.

Ergänzend hat es ausgeführt, der Vortrag der Klägerin sei leider nicht klar. Da die Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 26. November 2008 ohne überzeugende Entschuldigung nicht erschienen sei, habe der Sachverhalt nicht aufgeklärt werden können. Es sei auch nicht eindeutig zu bestimmen, was die Klägerin genau mit ihrer Klage verfolge. Dabei sei anzumerken, dass die Rückforderungssumme inzwischen fast gänzlich aufgerechnet worden sei, die Klägerin aber gegen die Aufrechnung nichts unternommen habe. Die Anrechnung von Nebeneinkommen sei nicht zu beanstanden. Nicht entscheidungserheblich sei es, dass die Klägerin nach ihrer Behauptung das Nebeneinkommen rechtzeitig angezeigt habe. Ob inzwischen die gesamte Rückforderungssumme durch Aufrechnung erloschen sei, sei nicht mehr zu klären.

Gegen den ihr am 5. März 2010 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 23. März 2010 bei dem SG Berufung eingelegt. Auf Anregung des Berichterstatters haben die Beteiligten sich schriftlich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt. Dabei hat die Klägerin wörtlich darauf hingewiesen, ohne mündliche Verhandlung soll nur entschieden werden, wenn die Sache an das Sozialgericht zurückverwiesen wird.

Die Klägerin trägt vor, der Gerichtsbescheid des SG habe völlig außer Acht gelassen, ob ihr tatsächlich grobe Fahrlässigkeit zu Lasten gelegt werden könne. Sie sei davon ausgegangen, dass der Unterschiedsbetrag von Arbeitslosengeld zu Alhi in Höhe von 17,37 € (gemeint ist wohl ein wöchentlicher Leistungssatz) der Rechtslage entspreche. Eine weitergehende Differenz habe sie nicht erkennen können. Deswegen sei ihr der Fehler bei der Umstellung von DM-Beträgen auf Euro-Beträge nicht zur Last zu legen. Unverständlich sei für sie auch, wieso die Beklagte mit weiterer Zahlungsaufforderung vom 19. März 2010 einen Zahlungsbetrag in Höhe von 3.845,32 € geltend machen könne, wenn in den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheides stünde, die Rückforderungssumme sei inzwischen fast gänzlich aufgerechnet.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Februar 2010 aufzuheben sowiea) den Bescheid der Beklagten vom 14. Januar 2003 in der Fassung der Änderungsbescheide vom 24. Januar 2003 und 22. Mai 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2005 (xxx) undb) die Bescheide der Beklagten vom 15. Januar 2003 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 22. Mai 2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2005 (yyy) zumindest abzuändern.

Die Beklagte stellt keinen Sachantrag.

Die Beklagte teilt mit, von einer Stellungnahme zur Sache und einem Sachantrag derzeit abzusehen, weil beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Frankfurt am Main zurückzuverweisen.

Wegen weiterer Einzelheiten und dem Vorbringen der Beteiligen im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der Entscheidung gewesen ist, Bezug genommen.

Gründe

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung liegen gemäß §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG vor, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben. Unschädlich ist es, dass die Klägerin dem Wortlaut ihrer Erklärung nach ihre Zustimmung davon abhängig gemacht hat, dass keine Entscheidung in der Sache erfolgt.

Zwar dürfen Prozesshandlungen, zu denen die Erklärung nach § 124 Abs. 2 SGG gehört nicht unter einer Bedingung abgegeben werden, deren Eintritt sich außerhalb des prozessualen Rahmens bewegt. Doch können Prozesshandlungen unter Beachtung des Grundrechts auf ein faires Verfahren als nicht bedingt ausgelegt werden, wenn unter Berücksichtigung der Umstände eine verständige Auslegung das nahelegt (Meyer-Ladewig u.a., SGG, 9. Aufl., vor § 60 Rn. 11 f. mwN).

Danach ist die Erklärung der Klägerin gleichermaßen wie die der Beklagten so zu verstehen, dass sie ohne Bedingung ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung im Vertrauen darauf erteilt hat, dass der Senat entsprechend der mitgeteilten Absicht ohne mündliche Verhandlung keine Entscheidung in der Sache treffen wird.

Auf die zulässige Berufung der Klägerin ist der verfahrensfehlerhafte Gerichtsbescheid des SG aufzuheben und die Sache an das SG zurückzuverweisen (§ 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG).

Gemäß § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das SG zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet. Wesentlichkeit ist anzunehmen, wenn die Entscheidung auf dem Mangel beruhen kann oder es sich um einen Mangel handelt, der einen absoluten Revisionsgrund gemäß § 202 SGG i.V.m. § 547 ZPO darstellen würde.

Ein solcher absoluter Revisionsgrund ist nach § 547 Nr. 1 ZPO gegeben, weil das SG nicht in ordnungsgemäßer Besetzung entschieden und damit den Beteiligten den verfassungsrechtlichen Anspruch auf eine Entscheidung durch den gesetzlichen Richter nach Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG entzogen hat (vgl. BSG, 16.3.2006 - B 4 RA 59/04 R und 30.8.2001 - B 4 RA 87/00 R).

Ohne ehrenamtliche Richter darf eine Kammer des SG nur über eine Klage entscheiden, wenn die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG vorliegen (§ 12 Abs. 1 SGG). Hiergegen hat das SG aus zwei Gründen verstoßen.

Erstens hat das SG aus den Entscheidungsgründen des Gerichtsbescheids ersichtlich, die Voraussetzungen für eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu Recht selber nicht als erfüllt angesehen.

Voraussetzung hierfür ist unter anderem, dass der Sachverhalt in wesentlicher Hinsicht geklärt ist. Das liegt vor, wenn keine entscheidungserheblichen Umstände offen bleiben (Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 105 Rn. 7 mwN). Das SG hat aber selber eingeräumt, dass es nicht weiß, was im Einzelnen Gegenstand der Klage sein soll. Die Bestimmung des durch den Klageantrag festgelegten Streitgegenstandes stellt jedoch in jedem Fall eine entscheidungserhebliche Tatsache dar. Dabei durfte die Kammer die Bestimmung des Streitgegenstandes nicht mit der Begründung verwehren, die Klägerin habe insoweit ihre Obliegenheit zur Sachverhaltsaufklärung verletzt. Die Klägerin hat von sich aus sowohl vor der mündlichen Verhandlung als auch nach Anhörung zum Gerichtsbescheid eindringlich darauf hingewiesen, die Sache in einem Termin zur Aufklärung des Sachverhalts erörtern zu wollen. Unabhängig von der Frage, ob die Klägerin ihr Nichterscheinen im Termin zur mündlichen Verhandlung hinreichend entschuldigt hat, hätte das SG an das Nichterscheinen nur negative Folgen knüpfen dürfen, wenn es zu verstehen gegeben hätte, dass es das Erscheinen der Klägerin für geboten hält. Stattdessen hat es durch die Aufhebung der Anordnung des persönlichen Erscheinens gerade zum Ausdruck gebracht, das Erscheinen der Klägerin für entbehrlich zu halten.

Weiter hat sich die Kammervorsitzende über den Beschluss der Kammer mit ehrenamtlichen Richtern hinweggesetzt. Zwar ist nach wohl herrschender Meinung eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid auch nach mündlicher Verhandlung möglich (Meyer-Ladewig u.a., a.a.O., § 105 Rn. 8). Das erlaubt es aber nicht, sich über einen entgegenstehenden Beschluss der Kammer mit ehrenamtlichen Richtern in der mündlichen Verhandlung hinwegzusetzen. Das ist vorliegend der Fall, weil die Kammer in der mündlichen Verhandlung beschlossen hat, diese zu vertagen, wohl um die Klägerin im weiteren Termin anhören zu können, und der Kammervorsitzenden nur vorbehalten hat, einen neuen Termin zu bestimmen. Nur mit ehrenamtlichen Richtern hätte die Kammer den Beschluss ändern können, um eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid zu ermöglichen. Das wiegt besonders schwer, weil die Klägerin die Kammervorsitzende auf das Anhörungsschreiben zur beabsichtigten Entscheidung durch Gerichtsbescheid auf diesen Umstand rechtzeitig vor Erlass des Gerichtsbescheides schriftlich hingewiesen hat.

Zudem hat das SG darüber hinaus den verfassungsrechtlich aus Art. 103 Abs. 1 S. 1 GG verbürgten Anspruch der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs verletzt (§ 62 SGG), weil es gegenüber der Klägerin nicht offen gelegt hat, dass nach seiner Auffassung die Aufklärung des Sachverhaltes von einem Erscheinen im Verhandlungstermin erforderlich gewesen ist.

Dieser Verfahrensverstoß ist auch als wesentlich anzusehen, weil davon die Entscheidung in der Sache abhängen kann. Gegenstand des Rechtsstreits, der im Einzelnen in einem Termin mit der Klägerin zu klären ist, ist wohl eine Rücknahmeentscheidung der Beklagten, welche jedenfalls hinsichtlich des zunächst falsch zugrunde gelegten Bemessungsentgelts davon abhängig ist, ob der Klägerin zumindest grob fahrlässig zur Last zu legen ist, nicht gewusst zu haben, dass ihr Alhi in der rechtswidrig bewilligten Höhe nicht zustehen kann (§ 45 Abs. 2 S. 3 Nr. 3 SGB X). Die ständige Rechtsprechung des BSG hat insoweit klargestellt, dass dabei ein subjektiver Verschuldensmaßstab zu Grunde zu legen ist (BSG, 13.7.2006 - B 7a AL 16/05 R mwN), der vor allem im vorliegenden Fall es erforderlich macht, sich von der Kenntnis- und Beurteilungsfähigkeit der Klägerin einen persönlichen Eindruck zu verschaffen, zumal der Leistungssatz für die Alhi trotz des fehlerhaft zu hoch berücksichtigten Bemessungsentgelts unterhalb des für das zuvor bewilligte Arbeitslosengeld geblieben ist.

Weiter hat das SG damit entscheidungserheblich gegen die Pflicht zur Aufklärung des Sachverhalts gemäß § 103 SGG verstoßen.

Im Rahmen des dem Senat eingeräumten pflichtgemäßen Ermessens ist eine Zurückverweisung gegenüber einer Heilung der Fehler im Berufungsverfahren unter Berücksichtigung aller Umstände vorzuziehen.

Zwar ist grundsätzlich der Fehlerkorrektur im Berufungsverfahren Vorrang einzuräumen, um die Verfahrensdauer nicht unnötig zu verlängern. Das gilt vor allem dann, wenn das Rechtsmittelgericht die Reichweite für die Befugnis, durch Gerichtsbescheid nach § 105 SGG entscheiden zu dürfen, enger auslegt als das SG. Ausführungen in den Entscheidungsgründen bieten dann für das SG eine hinreichende Möglichkeit in weiteren Rechtsstreitigkeiten die Auffassung des LSG zu berücksichtigen. Dabei ist auch zuzugestehen, dass trotz rechtlicher Bindung faktisch gewisse Beurteilungsspielräume bestehen, die zur Wahrung eines effektiven sozialgerichtlichen Rechtsschutzes das LSG nicht ohne hinreichenden sachlichen Grund einengen sollte.

Etwas anderes hat aber zu gelten, wenn wie im vorliegenden Fall das SG „mit sehenden Augen“ rechtsstaatliche Verfahrensgrundsätze grob missachtet. In diesem Fall verdeutlicht die Zurückverweisung, dass die verfahrensrechtliche „Entgleisung“ nicht hingenommen werden darf. Geboten ist das zumindest dann, wenn mit der Zurückverweisung für die Beteiligten keine relevanten Nachteile verbunden sind. Das ist vorliegend der Fall, weil die Entscheidung im Berufungsverfahren in kürzester Zeit getroffen ist und ohnehin der Sachverhalt noch einer weiteren Aufklärung bedarf, die im ersten Rechtszug nicht mehr Zeit beanspruchen sollte.

Das SG wird daher aufgrund der derzeitigen Beschlusslage seiner Kammer mit ehrenamtlichen Richtern einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung anzuberaumen haben, in dem der Klägerin Gelegenheit zu geben ist, den Streitgegenstand vollständig zu bestimmen. Weiter ist die Klägerin zu einem subjektiven Schuldvorwurf persönlich zu befragen, soweit es nach der Bestimmung des Streitgegenstandes darauf noch ankommen wird.

Auch über die Kosten des Berufungsverfahrens wird das SG zu befinden haben.

Gründe die Revision nach § 160 Abs. 2 SGG zuzulassen sind nicht ersichtlich.