Hessischer VGH, Urteil vom 25.03.2010 - 4 A 1687/09
Fundstelle
openJur 2012, 32891
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil desVerwaltungsgerichts Gießen vom 21. Juli 2008 - 1 K 834/08.GI -abgeändert:

Der Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses derRegionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestaltdes Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008wird aufgehoben.

Der Beklagte hat die Kosten des gesamten Verfahrens mit Ausnahmeder außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu tragen.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.Der Kostenschuldner darf die Vollstreckung durchSicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden,sofern nicht der Kostengläubiger vor der Vollstreckung inentsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Mit Schreiben vom 8. August 2007 beantragte die Beigeladene beim Regierungspräsidium Gießen die Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan Mittelhessen 2001 in ihrem Stadtteil Großen-Linden zwecks Ausweisung eines interkommunalen Gewerbeparks „Pfaffenpfad“. Das gegenwärtig landwirtschaftlich genutzte Plangebiet sollte eine Fläche von 83 ha umfassen und im Südwesten der Gemarkung Großen-Linden liegen, unmittelbar angrenzend an das Stadtgebiet der Klägerin, und zwar an das Gewerbegebiet „Rechtenbacher Hohl“ im Stadtteil Lützellinden. Mit Schreiben vom 21. November 2007 reduzierte die Beigeladene die Antragsfläche auf 40 ha und änderte die Lage der Bauflächen. Zugleich erklärte sie den Verzicht auf eine ca. 12 ha große Gewerbefläche an anderer Stelle in ihrem Stadtgebiet. Einen Flächenverzicht stellten auch die Gemeinde Hüttenberg (1 ha) und die Klägerin (11 ha) in Aussicht. Die im Teilraum Mittelhessen-Süd zusammengeschlossenen Kommunen (die Beigeladene, die Stadt Pohlheim, die Gemeinden Fernwald, Hüttenberg und Langgöns) sowie die Klägerin streben im Rahmen der Flächenentwicklung eine interkommunale Zusammenarbeit an.

Der Flächennutzungsplan der Beigeladenen stellt den überwiegenden Teil der Antragsfläche als „Fläche für die Landwirtschaft dar. Im östlichen Bereich ist eine Teilfläche dargestellt mit einem „besonderen Nutzungszweck von Flächen - Gebäuden und Flächen, die überwiegend der Lagerung und Aufbereitung von Mutterboden dienen (gewerbliche Nutzung) sowie Gebäude für die Landwirtschaft“.

Die Antragsfläche ist im Regionalplan Mittelhessen 2001 überwiegend als „Bereich für die Landwirtschaft“ sowie auf Teilflächen als „Bereich für Landschaftsnutzung und -pflege“, „Bereich für besondere Klimafunktionen“ und „Regionaler Grünzug“ dargestellt.

Im Regionalplanentwurf 2006 wird die Antragsfläche als „Vorbehaltsgebiet für Natur und Landschaft“, „Vorranggebiet für Landwirtschaft“ und „Vorranggebiet Regionaler Grünzug“ ausgewiesen. Außerdem handelt es sich danach um ein archäologisch relevantes Gebiet.

Im Rahmen des Anhörungsverfahrens erklärte die Klägerin zunächst, die Antragsunterlagen seien unzureichend. Ihre Zustimmung könne nur erfolgen, wenn die Umlandgemeinden die noch nicht in Anspruch genommenen Flächen aus dem Regionalplan zurückentwickeln würden. Auch sei ein Bedarf in der beantragten Größenordnung unrealistisch. Nach verschiedenen Gesprächen gab die Klägerin am 15. Oktober 2007 eine weitere Stellungnahme ab. Darin heißt es, dass bei einer Halbierung des Flächenbedarfs für das beantragte Gewerbegebiet „Pfaffenpfad“ von ihr, der Klägerin, auch nur die Hälfte, also 11 ha, aus der Mantelfläche „Großgewerbefläche Lützellinden“ als Flächenrückgabe angeboten werde.

Nach Eingang des modifizierten Abweichungsantrages der Beigeladenen vom 22. November 2007 teilte die Klägerin mit, dass sie unter folgenden Voraussetzungen auf eine Fläche von 11 ha im künftigen Regionalplan verzichten werde: - Einzelhandelsausschluss auf der Antragsfläche - Keine konkurrierenden gewerblichen Baugrundstücke größer als 6 ha - Anfertigen einer Immissionsprognose für den Stadtteil Lützellinden - 25 bis 30 ha Gesamtgröße für Pfaffenpfad - Vorschlag der Zweckverbandslösung als künftige Rechtsform der interkommunalen Zusammenarbeit - Aufnahme einer raumordnerischen Vereinbarung in den neuen Regionalplan - Aufrechterhaltung der Hinweise zu den verkehrlichen Erschließungsfragen, naturschutzrechtlichen Ausgleichsflächen, der Abwasserproblematik und der Ersatzlandkonzeption.

Sodann erging auf Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses der Regionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008 gegenüber der Beigeladenen folgende Abweichungsentscheidung:

„Die Abweichung vom Regionalplan Mittelhessen 2001 zwecks Ausweisung eines interkommunalen Gewerbeparks „Pfaffenpfad“ in der Stadt Linden, Stadtteil Großen-Linden, wird gemäß der beigefügten Karte Nr. 2 im reduzierten Umfang von 30 ha unter Berücksichtigung der nachfolgenden Maßgaben zugelassen: 1. Die reduzierte Antragsfläche wird im Regionalplan als „Vorranggebiet Industrie und Gewerbeplanung“ ausgewiesen. 2. Die Flächen in den Gemarkungen Gießen-Lützellinden, Hüttenberg und Linden-Großen-Linden, auf deren gewerbliche Nutzung gemäß Karte Nr. 2 verzichtet wird, werden im Regionalplan als „Vorranggebiet für Landwirtschaft“ festgelegt. Für die Fläche in der Gemarkung Gießen-Lützellinden wird hier zusätzlich noch eine Ausweisung als „Vorranggebiet Regionaler Grünzug“ erfolgen. 3. Im Bereich der beantragten Fläche ist der Einzelhandel auszuschließen. Zum Zweck der Selbstvermarktung können Ausnahmen zugelassen werden.  4. Die Erschließung des Bereichs „Pfaffenpfad“ ist auf der Ebene der Bauleitplanung zu regeln. 5. Ebenso sind die im Anhörungsverfahren angesprochenen naturschutzfachlichen, siedlungsstrukturellen, wasserwirtschaftlichen und denkmalpflegerischen Fragestellungen im Rahmen der Bauleitplanung vertieft zu erörtern.

In der zur Begründung abgegebenen raumordnerischen Bewertung heißt es:

„Die Abweichung von den Zielen des Regionalplans kann vorliegend zugelassen werden, weil die Voraussetzungen des § 12 Abs. 3 HLPG gegeben sind. Danach muss eine Abweichung vertretbar sein und im Einklang mit den Grundzügen der Planung stehen. Letzteres ist hier der Fall. Die Grundzüge der Planung werden nicht berührt. Es liegt auf der Hand, dass durch die Ausweisung einer zusätzlichen Gewerbefläche von 30 ha kein Grundzug der Planung tangiert wird. Durch die vorgenommene Reduzierung des Bereichs auf nunmehr 30 ha bei gleichzeitigem Verzicht auf die gewerbliche Nutzung anderer Flächen ist die Abweichung im Ergebnis auch vertretbar. Die Summe der im künftigen Regionalplan ausgewiesenen Zuwachsflächen für Industrie und Gewerbe bleibt im Teilraum Mittelhessen-Süd in etwa gleich. Soweit von einzelnen Trägern im Rahmen ihrer Beteiligung eine Ablehnung des Vorhabens erfolgt, sind die dafür genannten Gründe nicht geeignet, eine derartige Schlussfolgerung zu rechtfertigen.“

In Bezug auf die Anregungen der Klägerin wird weiterhin ausgeführt, eine Nutzung für Zwecke des Einzelhandels werde bereits durch den gültigen Regionalplan ausgeschlossen. Gleichwohl werde insoweit der Anregung der Stadt Gießen entsprochen, da diese zutreffend darauf verwiesen habe, dass die Regionalversammlung routinemäßig die Einschränkungen des Einzelhandels als Maßgabe formuliere. Für eine Reduzierung von Einzelvorhaben auf eine Fläche unterhalb von 6 ha fehle es der Regionalplanung an einer Regelungsbefugnis. Allerdings sei der von der Stadt Gießen hergestellte Zusammenhang zu der von ihr geplanten städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme im Bereich der „Großfläche“ Lützellinden nachvollziehbar. Aus diesem Grund werde der Beigeladenen empfohlen, diesbezüglich mit der Nachbarstadt Gießen zu einer einvernehmlichen Regelung zu gelangen. Nach Informationen der Oberen Landesplanungsbehörde sei die Beigeladene auch bereit, eine über 6 ha hinausgehende Inanspruchnahme für ein Einzelvorhaben nur in Abstimmung mit der Klägerin zuzulassen. Soweit die Klägerin eine interkommunale Entwicklung der Fläche für sinnvoll erachte, werde den Beteiligten empfohlen, diesen Vorschlag aufzugreifen. Dafür spreche schon der Umstand, dass die Klägerin sich bereiterklärt habe, die Ausweisung eines Bereichs im Umfang von 30 ha durch einen eigenen Flächenverzicht zu ermöglichen. Schließlich habe auch die Beigeladene von Anfang an von dem „interkommunalen Gewerbegebiet Pfaffenpfad“ gesprochen. Ob die Kooperation nur auf diese Fläche und nur auf die beiden Kooperationspartner Gießen und Linden beschränkt bleibt, bedürfe noch weiterer Verhandlungen. Der befürchteten Beeinträchtigung der oberzentralen Funktion der Stadt Gießen werde durch die vorgenommene Flächenreduzierung hinreichend begegnet. Dadurch würden im Übrigen auch gleichlautende Bedenken des Oberzentrums Wetzlar berücksichtigt.

Die weiteren Hinweise der Klägerin, die sich auf die Erschließung des Geländes sowie auf die von dort eventuell ausgehenden Emissionen, die Abwasserproblematik sowie Ausgleichsflächen etc. bezögen, seien berechtigt. Sie deckten sich mit den Anregungen und Hinweisen der Träger öffentlicher Belange. Dabei sei hinsichtlich der Erschließung hervorzuheben, dass die Straßenbauverwaltung die ihr im Rahmen der Beteiligung unterbreiteten Vorstellungen gegenwärtig ablehne. Die Beigeladene sei aber bereits damit beschäftigt, tragfähige Lösungen zu erarbeiten. Es werde von keiner Stelle vorgetragen, dass bezogen auf die Erschließung Hindernisse bestünden, die im Rahmen der anstehenden kommunalen Bauleitplanung nicht überwunden werden könnten.

Hiergegen hat die Klägerin am 14. April 2008 Klage erhoben und zur Begründung im Wesentlichen geltend gemacht, sie werde durch die Abweichungsentscheidung in ihrer Funktion als Oberzentrum geschwächt. Zudem werde ihr Einvernehmensvorbehalt in Bezug auf ihre Funktion im oberzentralen Siedlungsbereich missachtet. Einem Unterzentrum werde durch die Abweichungsentscheidung im oberzentralen Siedlungsbereich ein Gewerbegebiet für großflächige Ansiedlungen erlaubt. Ihre Planungshoheit werde auch verletzt, denn die westlich der Ortslage ausgewiesenen großen gewerblichen Bauflächen sollten den regionalen Bedarf an solchen Flächen decken. Zudem werde ihr, der Klägerin, eine im Regionalplan Mittelhessen 2001 ausgewiesene Gewerbefläche entzogen und mit der Funktionszuweisung als Grünzug bzw. als Fläche für die Landwirtschaft überlagert.

Die Klägerin hat beantragt,

den Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses der Regionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses der Regionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008 nichtig ist.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er hat geltend gemacht, die Klage sei mangels Klagebefugnis unzulässig. Überdies sei die Klage unbegründet. Die oberzentrale Funktion der Klägerin verleihe ihr keinen generellen Anspruch darauf, dass benachbarte Grundzentren gänzlich auf die Ausweisung von Gewerbeflächen verzichten müssten.

Die Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Sie hat die Auffassung vertreten, die Klage sei unzulässig, jedenfalls aber unbegründet.

Durch Urteil vom 21. Juli 2008 hat das Verwaltungsgericht Gießen die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Anfechtungsklage sei mangels Klagebefugnis der Klägerin unzulässig. Zwar sei die Klägerin nicht darauf verwiesen, ihrem Schutz dienende Ziele der Raumordnung im Regionalplan Mittelhessen nach § 2 Abs. 2 BauGB erst im Rahmen der Bauleitplanung der Beigeladenen geltend zu machen. Indessen werde durch die von der Klägerin mit der Anfechtungsklage angegriffene Abweichungsentscheidung kein im Regionalplan Mittelhessen 2001 enthaltenes Ziel der Raumordnung, das dem Schutz der Klägerin diene, verletzt. Durch die Maßgabe Nr. 2 der Abweichungsentscheidung werde der Klägerin kein Recht entzogen, da diese Maßgabe lediglich einen klarstellenden Hinweis enthalte und keine Regelung treffe. Dafür spreche, dass die Festlegung und Ausweisung erst erfolgen werde, wie die Verknüpfung durch „zusätzlich“ in Satz 2 der Maßgabe mit Satz 1 dieser Maßgabe und der Formulierung „wird erfolgen“ in Satz 2 dieser Maßgabe zeigten, das heißt noch nicht mit der Abweichungsentscheidung erfolgt seien. Mithin habe auch kein unzuständiges Gremium gehandelt.

Auf den Antrag der Klägerin hat der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 25. Mai 2009 die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen zugelassen.

Zur Begründung der Berufung trägt die Klägerin im Wesentlichen vor, sie sei nach den Zielen der Raumordnung, wie sie sich aus dem Landesentwicklungsplan 2000 und dem Regionalplan Mittelhessen 2001 (B 3.3-9) ergäben, eines von drei Oberzentren der Planungseinheit Mittelhessen. Bei den beiden anderen Oberzentren handele es sich um die Städte Marburg und Wetzlar. Sie, die Klägerin, sei außerdem nach den Zielen des Regionalplans Mittelhessen 2001 (C 5.4-1) ein gewerblicher Schwerpunkt. Der gültige Regionalplan lege unter B 5.2-1 fest, dass Zuwachsflächen für Industrie und Gewerbe mit Vorrang in gewerblichen Schwerpunkten ausgewiesen werden. Dementsprechend seien in der Plankarte in der Gemarkung der Beigeladenen keine derartigen Zuwachsflächen ausgewiesen. Für solche Gemeinden sehe der Regionalplan gemäß B 5.2-4 nur eine gewerbliche Eigenentwicklung vor. Die Fläche am Pfaffenpfad gehe jedoch eingestandenermaßen über eine gewerbliche Eigenentwicklung hinaus. Mithin stimmten die Ausführungen des Beklagten zur gewerblichen Entwicklung von Grundzentren über den Eigenbedarf hinaus nicht mit den Zielen des geltenden Regionalplans überein. Soweit der Beklagte ausführe, das Gewerbekonzept werde im künftigen Regionalplan nicht weitergeführt, sei dies im vorliegenden Verfahren ohne Belang, weil Verfahrensgegenstand eine Abweichungsentscheidung vom geltenden Regionalplan Mittelhessen 2001 sei.

Aus den Lageplänen ergebe sich, dass die Beigeladene bisher jenseits der Autobahn A 485 keinerlei Siedlungsentwicklung aufweise. Das projektierte Gewerbegebiet schließe dagegen unmittelbar an das bereits rechtsgültig ausgewiesene Gewerbegebiet „Rechtenbacher Hohl“ der Klägerin an. Eine sinnvolle Erschließung des streitgegenständlichen Gebietes sei nur über diese Fläche möglich. Die Beigeladene strebe jedoch an, dieses Gebiet über die eigene Ortslage zu erschließen. Dies würde einen Aufwand verursachen, der nur dann finanzierbar wäre, wenn die Fläche statt der zugelassenen 30 ha entsprechend der ursprünglichen Planung eine Fläche von 80 ha erhielte.

Das Verwaltungsgericht habe die Klagebefugnis zu Unrecht verneint. Sie, die Klägerin, könne sich auf die Verletzung ihrer oberzentralen Funktion und auf die Verletzung des Einvernehmensgebotes aus B 3.3-17 des Regionalplans Mittelhessen 2001 berufen. Das angefochtene Urteil begründe die fehlende Klagebefugnis unter anderem damit, dass die oberzentralen Funktionen nach 4.2 des Landesentwicklungsplanes Hessen allein „Versorgungsfunktionen für die Bevölkerung aus den Bereichen Kultur und Bildung, Soziales und Sport, Verkehr, Verwaltung und Gerichte pp.“ seien, die durch die Ausweisung eines weiteren Gewerbegebiets im Gebiet der Beklagten gänzlich unberührt bleibe. Demgegenüber führe der Beklagte aus, dass Ober- und Mittelzentren aufgrund ihrer zentralörtlichen Lage und Funktion als Gewerbestandorte prädestiniert seien. Es sei in Wahrheit sogar so, dass die zentralen Orte in ihre zentralörtliche Infrastruktur investierten, um ihre zentralörtliche Funktion im Hinblick auf die Ansiedlung von Gewerbe wahrnehmen und die Infrastrukturkosten über höhere Gewerbesteuereinnahmen refinanzieren zu können. Mithin lasse sich die infrastrukturelle Ausstattung und die Ausweisung von Gewerbeflächen nicht voneinander trennen.

Das Verwaltungsgericht übersehe auch, dass die angefochtene Abweichungsentscheidung ihr, der Klägerin, Rechtspositionen in Gestalt von 11 ha im Regionalplan ausgewiesener Gewerbeflächen entziehe, ohne ihr, der Klägerin, dafür Vorteile einzuräumen. Allein dieser Umstand begründe die Klagebefugnis. Sie, die Klägerin, habe dem Entzug der Gewerbeflächen nur unter mehreren Vorbehalten zugestimmt, die die angefochtene Abweichungsentscheidung nicht erfülle. Sie, die Klägerin, habe somit dem Entzug ihrer Rechtsposition in dieser Form nicht zugestimmt. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts enthielten die Maßgaben 1 und 2 Satz 1 nicht nur Hinweise, sondern Regelungen. Der Wortlaut dieser Maßgaben spreche eindeutig dafür, dass das beklagte Land eine Regelung unmittelbar im Regionalplan habe treffen wollen. Dafür spreche auch, dass das beklagte Land bei Gelegenheit anderer Abweichungsentscheidungen durchaus differenziert habe. Gegen den Hinweischarakter der Maßgaben 1 und 2 spreche aber auch der Satz 2 der Maßgabe 2. Durch diese Maßgabe werde angekündigt, dass die sogenannte Verzichtsfläche der Klägerin als regionaler Grünzug ausgewiesen werde. Ein bloßer Hinweis sei eine Wissenserklärung. Der Haupt- und Planungsausschuss könne aber gar nicht wissen, welche Letztentscheidung die nach § 23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 HLPG ausschließlich zuständige Regionalversammlung im Hinblick auf den regionalen Grünzug im kommenden Regionalplan treffen werde. Daraus folge, dass der Haupt- und Planungsausschuss keine Wissenserklärung habe abgeben können. Vielmehr habe er im Zusammenhang mit seiner Abweichungsentscheidung eine Regelung treffen wollen, die die Klägerin daran hindern sollte, bis zum Inkrafttreten des neuen Regionalplans die sogenannte Verzichtsfläche zu überplanen. Ein bloßer Hinweis hätte dies nicht verhindert. Ebenso wenig wären die Verzichtserklärungen dazu geeignet gewesen, die Klägerin zu binden. Denn sie hätten Vorbehalte enthalten, die nicht eingelöst worden seien. Soweit sich die Beigeladene darauf berufe, dass die Willenserklärung des Landes im Zweifel gesetzeskonform auszulegen sei, sei darauf hinzuweisen, dass ein Hinweis des Haupt- und Planungsausschusses auf den Inhalt eines künftigen Regionalplans, über den die zuständige Regionalversammlung noch gar nicht entschieden habe, ebenfalls nicht gesetzeskonform sei. Er sei ebenso wenig gesetzeskonform wie eine Änderung des Regionalplans durch den Haupt- und Planungsausschuss. Also biete dieser Aspekt keine Auslegungshilfe, so dass sich das beklagte Land am Wortlaut seiner Entscheidung festhalten lassen müsse. Die Beigeladene verweise auch ohne Erfolg darauf, dass das beklagte Land durch eine Verfügung nach § 16 Abs. 2 HLPG verhindern könne, dass die Verzichtsflächen überplant würden. Diese Vorschrift setze nämlich voraus, dass die Änderung von Zielen der Raumordnung für die Verzichtfläche eingeleitet seien. Das beklagte Land habe aber kein solches Verfahren eingeleitet. Dies ergebe sich aus der Berichtsvorlage vom 25. April 2008 des Regierungspräsidiums an das Präsidium der Regionalversammlung. Dort seien die Änderungen aufgelistet, die seit der ersten Offenlegung im Jahr 2006 in den Regionalplanentwurf aufgenommen worden seien. Der Pfaffenpfad und „die Verzichtsflächen“ seien dort nicht erwähnt. Dies beruhe darauf, dass das beklagte Land davon ausgehe, dass diese Bereiche bereits durch die entsprechenden Maßgaben der angefochtenen Abweichungsentscheidungen Bestandteil des gültigen Regionalplans seien.

Soweit der Beklagte moniere, dass sie, die Klägerin, von dem im Regionalplan ausgewiesenen 130 ha großen Bereich nur 25 ha entwickeln wolle, beruhe dies gerade auf der streitigen Abweichungsentscheidung. Das Gebiet Pfaffenpfad der Beigeladenen sei auf Großinvestoren orientiert. Dies ergebe sich schon aus der Begründung zu dem Abweichungsantrag, wie ihn die Beigeladene dem Regierungspräsidium vorgelegt und den das Regierungspräsidium befürwortet habe. Dies mache die Ausweisung eines städtebaulichen Entwicklungsbereichs im Bereich der Klägerin rechtlich unmöglich, weil sich der erhöhte Bedarf an Arbeitsstätten aus Sicht von potentiellen Investoren für die Fläche in Lützellinden nicht mehr nachweisen lasse. Im Übrigen habe die Stadtverordnetenversammlung der Klägerin am 26. März 2009 beschlossen, für den gesamten, im Regionalplan ausgewiesenen gewerblichen Bereich von 130 ha ein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans mit dem Ziel der Darstellung dieses Bereichs einzuleiten. Die angefochtene Entscheidung beeinträchtige sie, die Klägerin, bei der Erfüllung ihrer Anpassungspflicht aus dem Regionalplan, weil sie die Durchführung einer städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme und dementsprechend die zügige Durchführung und Realisierung des Planvorhabens unmöglich mache. Sie, die Klägerin, habe daraus die Konsequenz gezogen, in Übereinstimmung mit dem Regionalplan den gesamten Bereich zunächst im Flächennutzungsplan darzustellen und die Fläche im Übrigen entgegen der ursprünglichen Planung zunächst sukzessive auszuweisen. Sollte die streitige Abweichungsentscheidung aufgehoben werden, werde sie, die Klägerin, zu prüfen haben, ob sie zur ursprünglich verfolgten Strategie zurückkehren könne.

Die Klage sei auch begründet. Die angefochtene Abweichungsentscheidung sei rechtswidrig. Nach § 12 Abs. 3 HLPG dürfe vom Regionalplan abgewichen werden, wenn die Abweichung unter raumordnerischen Gesichtspunkten vertretbar sei und Grundzüge des Regionalplans nicht berührt würden. Im vorliegenden Fall sei die Abweichungsentscheidung jedoch raumordnerisch nicht vertretbar. Sie begünstige die Fortsetzung des Suburbanisierungsprozesses, den der Regionalplan selbst abmildern und umkehren wolle. Der angefochtene Bescheid stelle es in das Belieben der Beigeladenen, ob sie im oberzentralen Siedlungsraum kooperiere, wenn sie Flächen von regionaler Bedeutung ausweise. Damit verstoße der Bescheid gegen B 3.3-17 des Regionalplans, ohne dass er von diesem Ziel suspendiere. Es wäre dem beklagten Land rechtlich ohne weiteres möglich gewesen, den Einvernehmensvorbehalt gemäß B 3.3-17 des Regionalplans in dem angefochtenen Bescheid umzusetzen. Es hätte lediglich die Zulässigkeit der bauleitplanerischen Ausweisung der Fläche von dem Zustandekommen einer interkommunalen Kooperation zwischen der Klägerin und der Beigeladenen abhängig gemacht werden müssen. Soweit der Beklagte ausführe, die Zulassung der Fläche am Pfaffenpfad berühre Grundzüge der Planung nicht, widerspreche er sich in seinem eigenen Schriftsatz, indem er vortrage, dass es sich bei den Flächen am Gießener Südkreuz um „1 A-Lagen“ handele, für die die Regionalplanung alle Anliegerkommunen an einen Tisch bringen wolle. Abgesehen davon, dass die angefochtene Abweichungsentscheidung nichts für das Ziel einer kommunalen Zusammenarbeit leiste, sondern im Gegenteil Alleingänge der Beigeladenen ermögliche, sei die Argumentation des beklagten Landes auch in sich widersprüchlich. Entweder sei die Fläche ohne jegliche Bedeutung für die Klägerin, oder es handele sich um eine „1 A-Lage“. Entweder berühre die angefochtene Entscheidung die Grundzüge des Regionalplans nicht, oder die Fläche sei so bedeutsam, dass dafür alle Anliegerkommunen an einen Tisch gebracht werden müssten. Sie, die Klägerin, sei der Meinung, dass die Fläche wegen ihrer Größe und Lage so bedeutsam sei, dass ihre Belange wesentlich beeinträchtigt würden und sehe sich in dieser Auffassung durch die Ausführungen des Beklagen hinsichtlich der Qualität der streitigen Flächen bestätigt.

Der Regionalplan (B 3.3-17) mache die Entwicklung von Bauflächen im oberzentralen Siedlungsraum von dem Einvernehmen des Oberzentrums abhängig. Indem der angefochtene Bescheid die Entwicklung der Fläche ohne Mitwirkung des Oberzentrums ermögliche, sei er raumordnerisch unvertretbar, weil er gegen Ziele der Raumordnung verstoße, von denen er ausdrücklich nicht suspendiere. Der angefochtene Bescheid führe ausdrücklich die Ziele der Raumordnung auf, von denen er Abweichungen zulasse. Die Zielfestlegung B 3.3-17 des Regionalplans werde dabei nicht erwähnt. Soweit das beklagte Land in dem angefochtenen Bescheid ausführe, dass die Abweichungsentscheidung nicht von einer interkommunalen Kooperation habe abhängig gemacht werden können, weil die Beigeladene darauf nur beschränkt Einfluss nehmen könne, übersehe es, dass dieser beschränkte Einfluss der Beigeladenen als Unterzentrum notwendige Folge des Konzepts des oberzentralen Siedlungsraumes sei. Der Plangeber habe gewollt, dass im oberzentralen Siedlungsraum ohne Zustimmung des Oberzentrums keine oberzentralen Funktionen wahrgenommen werden sollten.

Selbst wenn die Voraussetzungen für eine Zulassung der Abweichung nach § 12 Abs. 3 HLPG vorgelegen hätten, wäre der angefochtene Bescheid rechtswidrig, weil der Beklagte sich von sachwidrigen Erwägungen bei der Ausübung seines Ermessens habe leiten lassen. Der Beklagte habe in der Klageerwiderung als wesentlichen Ermessensgrund angeführt, mitbestimmend für die Abweichungsentscheidung sei auch der Umstand gewesen, dass die Klägerin hinsichtlich der Entwicklung der Großfläche Lützellinden ihre selbst gesetzten Zwischenziele nicht erreicht habe. So sei es ihr nicht gelungen, eine Entwicklungssatzung auf den Weg zu bringen. Diese Erwägungen seien grob sachwidrig. Sie, die Klägerin, habe sachliche Gründe gehabt, die zu einer Verzögerung des Erlasses der Entwicklungssatzung geführt hätten. Der Haupt- und Planungsausschuss habe nämlich gefordert, dass die Gewerbefläche in Lützellinden in Funktionsverbindung mit der Stadt Wetzlar zu entwickeln sei. Dem sei sie, die Klägerin, gefolgt. Der Beklagte habe auch keine Erkenntnisse über den Stand der Verhandlungen zwischen Wetzlar und Gießen. Er habe davon abgesehen, sich sachkundig zu machen. Der Beklagte habe aus den angeblichen Versäumnissen der Klägerin die Konsequenz gezogen, entgegen dem Prinzip der zentralen Orte und des oberzentralen Siedlungsraums oberzentrale Funktionen auf ein Unterzentrum zu übertragen. Eine Abweichungsentscheidung sei nicht das geeignete Instrumentarium für derart weitreichende Entscheidungen. Es komme hinzu, dass auch das beklagte Land bei der Fortschreibung des Regionalplans den vorgegebenen Zeitraum von acht Jahren (§ 10 Abs. 7 HLPG) überschreite.

Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb ermessensfehlerhaft, weil die Zulassung der Fläche am Pfaffenpfad damit begründet werde, dass sie, die Klägerin, auf eine gewerbliche Fläche von 11 ha verzichtet habe. Damit lasse der Beklagte außer Acht, dass sie, die Beklagte, ihren Verzicht nur unter bestimmten Voraussetzungen in Aussicht gestellt habe, die im vorliegenden Fall nicht erfüllt seien. Daraus folge, dass der Beklagte in dem angefochtenen Bescheid die seiner Entscheidung zugrundeliegenden Tatsachen falsch bewertet habe. Er sei von einem wirksamen Flächenverzicht ausgegangen, der nicht gegeben sei.

Der Bescheid sei auch rechtswidrig, weil er selbst festlege, dass die Flächenverzichte im Regionalplan umgesetzt werden. Die Festlegung von Zielen der Raumordnung sei aber nur durch den Regionalplan möglich. Selbst wenn der angefochtene Bescheid lediglich darauf hinweisen würde, dass der Flächenverzicht künftig im Regionalplan umgesetzt werde, sei er rechtswidrig. Denn in diesem Fall überschreite der Haupt- und Planungsausschuss auch mit solch einem Hinweis seine Kompetenzen, weil er den Entscheidungen der Regionalversammlung vorgreife. Hätte der angefochtene Bescheid die verbindliche Umsetzung des Flächenverzichtes gewährleisten wollen, hätte er die Zulassung der Abweichung von der aufschiebenden Bedingung der Ausweisung des Flächenverzichts im Regionalplan abhängig machen müssen. Der Beklagte trage vor, dass die Regionalversammlung großen Wert darauf gelegt habe, dass durch die Flächenausweisung die Gesamtbilanz der Gewerbeflächen nicht verändert werde. Auch dieser Vortrag zeige, dass der Beklagte zwischen der Regionalversammlung und ihrem Haupt- und Planungsausschuss nicht hinreichend unterscheide. Die Regionalversammlung habe nämlich im Hinblick auf die angefochtene Entscheidung gar keine Beschlüsse gefasst. Vielmehr seien solche Beschlüsse vom Haupt- und Planungsausschuss gefasst worden, der dabei Kompetenzen wahrgenommen habe, die nur der Regionalversammlung zustünden.

Der angefochtene Bescheid sei auch deshalb rechtswidrig, weil er mit den Maßgaben 1 und 2 die Klägerin belaste, ohne dass es hierfür eine Rechtsgrundlage gebe. Er lege im Stadtgebiet von Gießen eine landwirtschaftliche Fläche fest, die der geltende Regionalplan als Bereich für Industrie und Gewerbe ausweise. § 12 HLPG biete keine Rechtsgrundlage dafür, dass Abweichungsentscheidungen Maßgaben enthielten, die Dritte belasten.

Die Abweichungsentscheidung sei raumordnerisch auch deshalb unvertretbar, weil sie unterstelle, dass sich die Fläche am Pfaffenpfad in der zugelassenen Gestalt in einer Größe von 30 ha wirtschaftlich erschließen lasse. In diesem Zusammenhang sei von Bedeutung, dass der Bürgermeister der Beigeladenen gegenüber der Gießener Allgemeine (vom 23. Mai 2008) erklärt habe, die Erschließung des Gebietes Pfaffenpfad sei durch Erträge aus der Gewerbefläche nur finanzierbar, wenn es nicht bei den zugestandenen 30 ha bleibe; daher habe er das Ziel, die kompletten 80 ha gemeinsam mit Nachbargemeinden zu nutzen. Diese Zielsetzung werde auch aus dem gesamten Schriftverkehr im Vorfeld des angefochtenen Bescheides deutlich. Es sei rechtswidrig, wenn der Beklagte eine wirtschaftlich nicht erschließbare Fläche für raumordnerisch vertretbar erkläre.

Das Verwaltungsgericht habe auch den Feststellungsantrag zu Unrecht abgewiesen. Die der Abweichungsentscheidung beigefügten Maßgaben Nr. 1 und 2 seien nichtig, weil der Haupt- und Planungsausschuss durch sie ganz offenkundig seine durch § 23 Abs. 5 HLPG begrenzten Kompetenzen überschritten habe. Darüber hinaus habe er auch Normsetzungsbefugnisse für sich in Anspruch genommen, die ihm nicht zustehen. Ziele der Raumordnung seien generell-abstrakte Regelungen und damit Rechtsnormen. Insoweit komme es auf die eher esoterischen Ausführungen des Verwaltungsgerichts nicht an, nach denen hessische Regionalpläne Allgemeinverfügungen seien. Dementsprechend sei der Versuch der Änderung des rechtssatzförmigen Regionalplans durch die Handlungsform des Verwaltungsakts als grob formenmissbräuchlich anzusehen. Daran ändere sich auch dadurch nichts, dass die Fläche nunmehr im Entwurf des neuen Regionalplans ausgewiesen sei. Zum einen liege der Aufnahme der Fläche in den Entwurf des Regionalplans keine landesplanerische Abwägung der Regionalversammlung zugrunde. Vielmehr habe diese die Fläche ohne eigene Abwägung aufgrund der bereits ergangenen Abweichungsentscheidung in den Entwurf übernommen, weil sie die Abweichungsentscheidung als eine gültige Änderung des Regionalplans aufgefasst habe. Zum anderen sei der Regionalplanentwurf noch nicht beschlossen. Die Abweichungsentscheidung erledige sich erst durch das zeitlich noch nicht absehbare Inkrafttreten des Regionalplans.

Sie, die Klägerin, habe auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Nichtigkeit der Abweichungsentscheidung. Denn zumindest die Maßgaben Nr. 1 und 2 erweckten den Eindruck, als Ziele der Raumordnung zu gelten und damit Beachtens- und Anpassungspflichten auszulösen. Damit würde ein Rechtsverhältnis zwischen den Beteiligten begründet. Das gelte für die Maßgabe 1 deshalb, weil sie Änderungen der Erschließungsplanung der Klägerin im Geltungsbereich des Bebauungsplans Rechtenbacher Hohl nach sich ziehen würde, der unmittelbar neben der zugelassenen Abweichungsfläche liege. Für die Maßgabe Nr. 2 Satz 1 gelte dies, weil diese Maßgabe unmittelbar im Stadtgebiet eine Beachtenspflicht nach sich ziehe und eine bisher im Regionalplan enthaltene Rechtsposition entziehe.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Gießen vom 21. Juli 2008 - 1 K 834/08.GI - abzuändern und den Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses der Regionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008 aufzuheben, hilfsweise festzustellen, dass der Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008 nichtig ist.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er macht im Wesentlichen geltend, durch eine Gewerbefläche im Gemarkungsbereich der Beigeladenen im Umfang von 30 ha, die zudem teilweise durch Reduzierungen von Gewerbeflächen an anderer Stelle im lokalen Umfeld ermöglicht werde, werde die oberzentrale Funktion der Klägerin nicht substantiell beeinträchtigt. Die Klägerin habe sich in der Vergangenheit widersprüchlich verhalten. Als die Beigeladene noch eine Fläche von 80 ha für sich begehrt habe, habe die Klägerin ihre prinzipielle Bereitschaft bekundet, durch einen eigenen Flächenverzicht im Umfang von 22 ha einen Beitrag zur Entwicklung des Standortes Pfaffenpfad zu leisten. Mit Blick auf die nunmehr von ihr dargestellte Interessenlage hätte sie einem derartigen Ansinnen aber von vornherein vehement entgegentreten müssen. Die von der Klägerin dargestellte Folgerung, ein Gewerbebereich Pfaffenpfad stelle für ihre Gewerbefläche in Lützellinden eine Konkurrenz dar, sei ohne weitere Belege nicht schlüssig und nachvollziehbar. Dies gelte umso mehr, als sich die Überlegungen der Klägerin noch in einem unverbindlichen Stadium befänden.

Hinsichtlich der Maßgaben sei festzuhalten, dass die Argumentation der Klägerin durch die mittlerweile eingetretene Entwicklung eindrucksvoll widerlegt werde. So habe die Regionalversammlung Mittelhessen am 1. Oktober 2008 den Regionalplan Mittelhessen beschlossen. Dabei seien auch die hier in Rede stehenden einschlägigen Maßnahmen einbezogen worden. Möglicherweise habe die Regionalversammlung durch die Wahl unterschiedlicher Formulierungen innerhalb verschiedener Abweichungsentscheidungen einen Beitrag zu einer gewissen Verunsicherung geleistet. Im Gesamtkontext, bei dem alle maßgeblichen Umstände bei der Auslegung herangezogen würden, werde aber stets hinreichend deutlich, dass die Zuständigkeit der Regionalversammlung von den Ausschüssen innerhalb des ihnen von der Geschäftsordnung zugewiesenen Kompetenzbereichs stets gewahrt worden sei. Soweit die Klägerin sich auf B 3.3-17 (Z) des Regionalplanes beziehe und anführe, sie habe ihr danach erforderliches Einvernehmen nicht erteilt, gelte es klarzustellen, dass die Abweichungsentscheidung zugunsten der Beigeladenen die oberzentrale Funktion der Klägerin nicht berühre, so dass der genannte Plansatz hier nicht einschlägig sei. Allerdings sei nicht völlig auszuschließen, dass sich eventuell im Zuge der Bauleitplanung ausnahmsweise Konstellationen ergeben könnten, die geeignet seien, eine tatsächliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange hervorzurufen. Dann wäre die Klägerin befugt dagegen vorzugehen. Die bloße Einräumung einer gewerblichen Entwicklung im Bereich Pfaffenpfad auf der Ebene der Regionalplanung verleihe ihr diese Befugnis aber in der konkreten Situation nicht.

Die Klägerin selbst wolle von der Großfläche Lützellinden, die ursprünglich im Regionalplan 2001 eine Fläche von ca. 200 ha umfasst habe und die dann auf einen Antrag der Klägerin hin im Jahr 2006 auf 130 ha reduziert worden sei, nur noch ganze 25 ha entwickeln. Für das Erfordernis der sehr massiven Reduzierung werde das Projekt Pfaffenpfad auf Seiten der Beigeladenen verantwortlich gemacht. Dieses Vorgehen der Klägerin erweise sich als unredlich und zugleich auch als unverständlich. Welchen Sinn solle die Durchführung des Berufungsverfahrens haben, wenn die Klägerin der von ihr angegriffenen Entscheidung derartige auf Dauer gerichtete negative Wirkungen zuschreibe. Die neuerliche massive Reduzierung der vormaligen Großfläche Lützellinden erfolge in Wahrheit aus anderen Gründen, die der Stadtbaurat der Klägerin gegenüber der Gießener Allgemeine im Januar 2009 geäußert habe: „Wir haben jetzt zusammen über 50 ha besiedelbare Gewerbefläche an der Autobahn 45 zur Verfügung. Die muss man in diesen Zeiten erst einmal vermarkten.“ Demgegenüber bewerte die Regionalplanung das ursprüngliche Konzept einer Großfläche Lützellinden weiterhin positiv. Sie denke ihrer Funktion gemäß nicht nur in zentralörtlichen, sondern in teil- bzw. gesamträumlichen Kategorien und bleibe danach bei ihrer Auffassung, dass die Flächen um das Gießener Südkreuz sogenannte 1 A-Lagen darstellten. Sie sei bestrebt, alle Anliegerkommunen an einen Tisch zu bringen. Es gehe nicht darum, die Klägerin in ihrer Oberzentralität zu schwächen, sondern den Teilraum insgesamt zu stärken.

Der von der Klägerin angestrengte Versuch, dem nach der Geschäftsordnung zuständigen Haupt- und Planungsausschuss der Regionalversammlung eine Kompetenzüberschreitung zu unterstellen, weil er eine planerische Letztentscheidung getroffen habe, sei untauglich. Der Entwurf des Regionalplans, der der Landesregierung im Dezember 2008 zur Genehmigung vorgelegt worden sei, weise den Bereich Pfaffenpfad in der auf 30 ha verringerten Form als Gewerbezuwachsfläche aus. Werde der Regionalplan in dieser Form in Kraft gesetzt, so wäre die streitige Abweichungsentscheidung überholt und das vorliegende Verfahren erledigt.

Das von der Klägerin zitierte Konzept der gewerblichen Schwerpunkte sei in den Regionalplanentwurf Mittelhessen nicht übernommen worden. Wie die Klägerin zutreffend ausführe, habe es sich dabei bis auf eine Ausnahme um eine Liste von Orten gehandelt, die entweder Ober- oder Mittelzentren seien. Diese Orte seien aufgrund ihrer zentralörtlichen Ausstattung und ihrer Funktion ohnehin als Gewerbestandorte prädestiniert. Insofern bedürfe es keiner weiteren Hervorhebung. Durch die Aufgabe des vormaligen Schwerpunktkonzeptes würden aber Grundzentren nicht von der gewerblichen Entwicklung innerhalb ihres Gemarkungsbereichs ausgeschlossen. Der von der Klägerin herangezogene Gesichtspunkt „oberzentraler Siedlungsraum“ habe in den Regionalplanentwurf (Stand: Juni 2009) jedenfalls keinen Eingang mehr gefunden. Dadurch werde aber die sich aus der Oberzentralität der Klägerin ableitbare Funktion in keiner Weise beeinträchtigt. Eine Gewerbefläche von nur noch 30 ha, die eine Umlandgemeinde noch dazu in der Absicht interkommunaler Kooperation entwickeln wolle, sei grundsätzlich nicht geeignet, diese oberzentrale Funktion zu beeinträchtigen. Dies gelte umso mehr, als die Klägerin durch den von ihr in Aussicht gestellten Flächenverzicht erst eine wesentliche Voraussetzung für die regionalplanerische Ausweisung des Bereichs Pfaffenpfad geschaffen habe. Die Regionalversammlung habe nämlich bei ihrer Entscheidung großen Wert darauf gelegt, dass durch die Flächenausweisung die Gesamtbilanz der Gewerbeflächen nicht geändert und deren Bestand auf der Ebene des Regionalplans konstant gehalten werde.

Die Beigeladene hat im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt.

Sie führt aus, die Behauptung der Klägerin, dass eine Erschließung des projektierten Gewerbegebietes nur finanzierbar wäre, wenn die Fläche auf 80 ha erweitert würde, sei unzutreffend.

Die Klägerin sei darauf hinzuweisen, dass mit ihrer Stellung als Oberzentrum nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten einhergingen. Die Klägerin habe es über Jahrzehnte hin versäumt, Industrie- und Gewerbeflächen auszuweisen. Hätte die Klägerin in der Vergangenheit ausreichend Flächen zur Verfügung gestellt, müsste sie sich jetzt nicht mit dem von ihr kritisierten Suburbanisierungsprozess auseinandersetzen. Die Klägerin habe innerhalb ihres Stadtgebietes innerhalb von Bebauungsplangebieten 24 ha unausgeschöpfte Flächen. Im ersten Entwurf des Regionalplans seien Vorranggebiete Industrie und Gewerbe - Zuwachs in einem Umfang von 208 ha ausgewiesen worden. Damit habe sich im Jahr 2008 ein Flächenpotential von mehr als 230 ha ergeben. Dieses Potential sei im derzeitigen Entwurf des Regionalplans noch einmal ausgeweitet worden. Vor diesem Hintergrund damit zu argumentieren, dass die Planungen der Beigeladenen wegen der Größe des Gebietes oberzentrale Funktionen beeinträchtigten, sei unzutreffend.

Sofern der Regionalplanentwurf in der derzeitigen Variante von der Regionalversammlung beschlossen werde, fehle das Rechtsschutzinteresse für das vorliegende Berufungsverfahren, da in den derzeit offenliegenden Entwurf sowohl die Antragsflächen der Beigeladenen als auch die „Verzichtsflächen“ der Klägerin übernommen worden seien.

Es könne dahinstehen, ob die Klage im Übrigen zulässig oder unzulässig sei, da die Klägerin jedenfalls nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt werde. Die Meinung der Klägerin, dass Handel und Gewerbe zu den zentralen Funktionen gehörten, die für die Einordnung zentraler Orte maßgeblich seien und zentrale Orte überhaupt erst konstituierten, sei unzutreffend. Sie finde in der Begründung des Landesentwicklungsplans Hessen 2000 (4.2) keine Grundlage. Dort werde ausgeführt:

„Oberzentren sind beispielsweise gekennzeichnet durch Einrichtungen zur Deckung des höheren spezialisierten Bedarfs, sie weisen beispielhaft folgende Infrastruktur auf: - Kultur und Bildung: Hochschulen, Zentral-, Fachbibliothek, überregional bedeutsame  Museen, Kongresszentrum oder vergleichbare Mehrzweckhalle - Soziales und Sport: Krankenhaus der Maximalversorgung, Frauenhäuser, überregio-  nal bedeutsame Sportstätten - Verkehr: ICE/IC-Haltepunkt, innerstädtisches öffentliches Verkehrsnetz - Verwaltung und Gerichte: Behörden höherer oder mittlerer Verwaltungsebene,  Gerichte höherer oder mittlerer Instanz“.

Es dürfte unstreitig sein, dass Oberzentren durch ihre infrastrukturelle Ausstattung eine gewisse Standortgunst aufwiesen und hierdurch Handel und Gewerbe anzögen. Dies gelte jedoch nicht für alle Branchen gleichermaßen. Es bestehe gerade kein untrennbarer Zusammenhang zwischen oberzentralen Funktionen, zu denen ausschließlich die öffentliche Infrastruktur im weitesten Sinne sowie der Einzelhandel zählten. Vielmehr ziehe die Infrastruktur Handel und Gewerbe nach sich. Die Bemühungen, der Klägerin aus den nebeneinander stehenden Zielfestsetzungen des Regionalplans etwas anderes zu konstruieren, seien nicht haltbar. Sie verkenne, dass das System der zentralen Orte und damit die Bestimmung eines Oberzentrums an die vorhandene Infrastruktur anknüpfe. Die Regionalplanung verknüpfe nicht wie in einer Planwirtschaft die Infrastruktur mit Handel und Gewerbe und unterwerfe sie dem politischen Willen des Plangebers, sondern bestimme die gewerblichen Schwerpunkte vollzugsorientiert nach der Interessenlage der potentiellen Nutzer der Plangebiete. Wenn man die Argumentation der Klägerin konsequent weiterverfolge, würde auch die Ausweisung eines allgemeinen Wohngebietes oberzentrale Funktionen tangieren. Bei diesem Verständnis könnten sogar Wohngebiete nach 3.3-17 des Regionalplans nur im Einverständnis mit dem Oberzentrum festgelegt werden. Praktisch würde dieses Verständnis dazu führen, dass jede kommunale Bauleitplanung im oberzentralen Siedlungsraum nur im Einvernehmen mit dem Oberzentrum stattfinden könnte. Dies könne nicht richtig sein und würde die Planungshoheit der Umlandgemeinden nach Art. 28 GG verletzen.

Als Begründung dafür, dass „oberzentrale Funktionen“ tangiert seien, könne auch nicht die Lage und die Größe bzw. die Qualität der geplanten Fläche Pfaffenpfad herhalten. Unbestritten weise die streitgegenständliche Fläche eine besondere Standortgunst auf. Die streitgegenständliche Fläche sei raumordnerisch sinnvoll, da sie einfach zu erschließen sei, keine Kollisionen mit den Interessen von Anwohnern aufweise von Immissionen verschont zu bleiben und verkehrlich sehr gut angebunden sei. Selbstverständlich komme hierzu noch der Agglomarationsvorteil aufgrund der Lage der Fläche und die Tatsache, dass die Flächengröße auf die aktuellen Nachfragebedingungen zugeschnitten sei. Letztlich biete die von der Beigeladenen gewünschte Planung Vorteile für die Region als Ganzes, insbesondere für den oberzentralen Siedlungsraum. Da die Zulassung der streitigen Gewerbeflächen keine oberzentrale Funktionen der Berufungsklägerin tangiere, könne auch nicht ihr Einvernehmensrecht aus B 3.3-17 des Regionalplans Mittelhessen 2001 verletzt sein. Es dränge sich der Verdacht auf, dass eine unattraktive Planung der Klägerin dadurch attraktiv gemacht werden solle, dass keine besser geeigneten Flächen im Siedlungsraum zur Verfügung stehen dürften. Anhaltspunkt für die Unattraktivität der Planung sei insoweit das Verhalten der Stadt Wetzlar, die aufgrund ihres Gutachtens von einer interkommunalen Kooperation mit der Klägerin Abstand genommen habe. Außerdem befinde sich nur wenige Kilometer von der „Rechtenbacher Hohl“ die Konversionsfläche „Magna Park“, die gemeinsam von Butzbach und Langgöns entwickelt worden sei. Dies Gebiet besitze ebenfalls einen Autobahnanschluss und wäre mit seinen 105 ha ebenfalls für Großgewerbe geeignet. Somit bestehe bereits eine realistische Alternative zu Lützellinden mit vergleichbarer Lagegunst und mit Sicherheit günstigerem Hebesatz.

Auch die Maßgaben 1 und 2 des Abweichungsbescheides seien rechtlich nicht zu beanstanden. Der Klägerin würden durch die Maßgaben keine durch regionalplanerische Festlegungen begründeten Rechtspositionen entzogen. Vielmehr würden diese erst durch den neuen Regionalplan entzogen. Aber auch durch den neuen Plan werde die Klägerin nicht beeinträchtigt, weil ihr im Bereich der Rechtenbacher Hohl ca. 11 ha Fläche entzogen werde. An anderer Stelle seien nämlich Bereiche für Industrie und Gewerbe neu hinzugekommen. Insgesamt stünden der Klägerin mehr Flächen als vor der Abweichungsentscheidung zur Verfügung. Selbst wenn man die Richtigkeit des Vortrags der Berufungskläger unterstelle, habe dies lediglich zur Folge, dass die insoweit belastenden Maßgaben aufgehoben werden müssten, nicht jedoch die Abweichungsentscheidung als solche. Eine Teilaufhebung sei geboten, wenn der Verwaltungsakt teilbar sei und sich die Rechtswidrigkeit des einen Teils nicht auf den Rest des Verwaltungsaktes auswirke. Teilbar sei der Verwaltungsakt, wenn er ohne den fraglichen Teil sinnvoller- und rechtmäßigerweise bestehen bleiben könne. Genauso liege der Fall hier.

Entgegen der Auffassung der Klägerin seien die tatbestandlichen Voraussetzungen einer Abweichungszulassung gemäß § 12 HLPG gegeben. Die Ausführungen der Klägerin beruhten auf einem grundlegend falschen Verständnis des vorliegenden Regionalplans und der Regionalplanung im Allgemeinen. Es sei nicht so, dass die Nicht-Oberzentren in einem oberzentralen Siedlungsraum lediglich für die Wünsche und Absichten der Klägerin zur Verfügung stünden. Vielmehr könnten und sollten sich auch diese eigenverantwortlich entwickeln. Gerade interkommunale Gewerbegebiete lägen typischerweise im „suburbanen“ Raum, das heißt außerhalb der Ortslage. Hieraus zu schließen, dass eine Maßnahme raumordnerisch unvertretbar sei, könne nicht richtig sein. Es sei befremdlich, wenn die Stadt Gießen eine interkommunale Kooperation einfordere. Eine solche Kooperation beruhe auf Gegenseitigkeit. Die Klägerin lasse jedoch ein modernes Verständnis von kooperativer und konsensualer Planung sowie die notwendige Sensibilität im Umgang mit den Umlandgemeinden vermissen.

Die Abweichungsentscheidung sei auch nicht deswegen unvertretbar, weil in den Nebenbestimmungen keine verpflichtende interkommunale Zusammenarbeit geregelt worden sei. Zwar sei diese wünschenswert, deren Erfolg derzeit jedoch unwahrscheinlich. Darüber hinaus bestehe bei einer Fläche, wie sie hier im Streit stehe, keine Verpflichtung zur interkommunalen Entwicklung.

Ein Hefter mit Unterlagen der Klägerin sowie die einschlägigen Verwaltungsvorgänge des Beklagten (1 Ordner und 1 Hefter) liegen vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist begründet.

Zutreffend führt das Verwaltungsgericht aus, dass es sich bei dem Hauptantrag der Klägerin gegen die Entscheidung über die Abweichung vom Regionalplan Mittelhessen 2001 (Beschluss des Haupt- und Planungsausschusses der Regionalversammlung Mittelhessen vom 11. März 2008 in der Gestalt des Bescheides des Regierungspräsidiums Gießen vom 19. März 2008) um eine Anfechtungsklage handelt. Soweit das Verwaltungsgericht zur Begründung dieser Ansicht unter Bezugnahme auf das Urteil des Senats vom 15. August 2002 - 4 N 3272/01 - (ESVGH 53, 39 - 48) ausführt, Regionalpläne hätten keinen Normcharakter, sondern seien Allgemeinverfügungen im Sinne des § 35 Satz 2 HVwVfG, ist darauf hinzuweisen, dass der Senat nunmehr im Einklang mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20. November 2003 - BVerwG 4 CN 6/03 - (BRS 66 Nr. 55) davon ausgeht, dass in einem Regionalplan enthaltene Ziele der Raumordnung Rechtsvorschriften im Sinne des § 47 Abs. 1 Nr. 2 VwGO sind. Dies bedeutet jedoch nicht, dass auch die Zulassung einer Abweichung von einem raumordnerischen Ziel selbst Rechtssatzqualität hätte. Ebenso wie die Zulassung einer Abweichung von Festsetzungen eines Bebauungsplans keinen Normcharakter hat, sondern lediglich von der Pflicht zur Einhaltung der Festsetzung des Bebauungsplans durch Einzelfallregelung im Wege eines Verwaltungsaktes entbindet, stellt auch die Zulassung einer Abweichung von Zielen der Raumordnung einen Verwaltungsakt dar. Der Entscheidung über die Zielabweichung kommt gegenüber demjenigen, der die Abweichung beantragt hat, sowie den von der Abweichung Betroffenen Außenwirkung zu, denn durch diese werden Rechte einer außerhalb der Verwaltung stehenden Rechtsperson unmittelbar begründet, verbindlich festgestellt oder mit bindender Wirkung verneint (vgl. Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, Raumordnungs- und Planungsrecht des Bundes und der Länder, Stand: Oktober 2009, K § 11 Rdnr. 114). Dieser Auffassung ist der Hessische Landesgesetzgeber durch die Regelung des § 12 Abs. 5 Satz 2 HLPG gefolgt, wonach ein Widerspruchsverfahren nach § 68 VwGO gegen die Abweichungsentscheidung nicht stattfindet. Damit hat der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass die Abweichungsentscheidung als Verwaltungsakt ohne Vorverfahren mit der Klage angefochten werden kann.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts fehlt es der Klägerin nicht an der erforderlichen Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO, da nach ihrem Vorbringen die Verletzung eigener Rechte als möglich erscheint. Erforderlich und ausreichend ist hierfür, dass es ein subjektives Recht in der von der Klägerin behaupteten Art überhaupt gibt, die streitgegenständliche Bestimmung also zumindest auch ihren subjektiven Interessen zu dienen bestimmt ist, die Klägerin zu deren geschützten Personenkreis gehört und eine Rechtsverletzung nicht offensichtlich ausgeschlossen ist.

Soweit die Klägerin geltend macht, die streitige Abweichungsentscheidung verletze sie in ihrer oberzentralen Funktion nach der Zielfestlegung B 3.3-9 und in dem Einvernehmensgebot nach der Zielfestlegung B 3.3-17 des Regionalplans Mittelhessen 2001, dürfte es sich um abwehrfähige Rechte handeln, die nicht nur im Rahmen eines Normenkontrollverfahrens nach § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegen einen Bebauungsplan gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BauGB geltend gemacht werden können (Koch/Hendler, Baurecht, Raumordnungs- und Landesplanungsrecht, 5. Aufl., S. 143, und Schmitz, in: Bielberg/Runkel/Spannowsky, a. a. O., K § 11 Rdnr. 115), sondern auch im Wege der Anfechtungsklage gegen eine Abweichungsentscheidung (OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 15. Oktober 2008 - 1 A 10388/08 - BRS 73 Nr. 7, insoweit bestätigt durch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 5. November 2009 - BVerwG 4 C 3.09 - DVBl. 2010, S. 180 ff.). Insbesondere das Einvernehmensgebot nach B 3.3-17 stellt ein verbindliches Ziel der Raumordnung dar, das der Klägerin eine Mitwirkungsbefugnis verleiht.

Die insoweit von der Klägerin gerügte Rechtsverletzung ist jedoch nicht möglich, da die angefochtene Abweichungsentscheidung sich zu der Ausweisung der Klägerin als Oberzentrum gar nicht verhält und von dem Einvernehmensgebot B 3.3-17 keine Abweichung zulässt. Wie das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O.) ausführt, muss sich der gewollte Regelungsgehalt eines Verwaltungsakts entweder aus dem Tenor des Bescheides oder aus den sonstigen Umständen klar und unmissverständlich ergeben. Der Tenor der streitigen Abweichungsentscheidung enthält aber gar keine Präzisierung, von welchen Zielfestlegungen des Regionalplans er überhaupt eine Abweichung gestatten will, sondern begrenzt die Abweichung lediglich räumlich unter Hinweis auf die beigefügte Karte Nr. 2 und sachlich hinsichtlich der Ausweisung eines interkommunalen Gewerbeparks. Aus der Begründung der Abweichungsentscheidung wird jedoch hinreichend deutlich, dass die Abweichungsentscheidung sich ausschließlich auf die flächenbezogenen Zielfestlegungen „Bereich für Landwirtschaft“ bzw. „Bereich für Landschaftsnutzung und -pflege“, „Bereich für besondere Klimafunktionen“ und „Regionaler Grünzug“ bezieht und dass dementsprechend nur eine Abweichung von diesen Zielfestlegungen zugelassen werden sollte. Denn nur hinsichtlich dieser flächenbezogenen Zielfestlegungen enthält die Begründung der Abweichungsentscheidung und die raumordnerische Bewertung Ermessenserwägungen. Die oberzentrale Funktion der Klägerin und das Einvernehmensgebot nach der Zielfestsetzung B 3.3 - 17 des Regionalplans Mittelhessen 2001 werden an keiner Stelle erwähnt. Dementsprechend verleiht die Abweichungsentscheidung der Beigeladenen keine Befugnis, die oberzentrale Funktion der Klägerin in Frage zu stellen oder das Einvernehmensgebot außer Acht zu lassen. Für eine regionalplanerische Entscheidung zu diesen beiden Gesichtspunkten bestand für den Beklagten auch kein Anlass, denn der Abweichungsantrag der Beigeladenen bezog sich ebenfalls ausschließlich auf die oben genannten flächenbezogenen Darstellungen und nicht auf die oberzentrale Funktion der Klägerin oder das Einvernehmensgebot nach B 3.3 - 17 des Regionalplans Mittelhessen 2001. Für eine Abweichungsentscheidung hinsichtlich dieses Einvernehmensgebots bestand aus Sicht des Beklagten im Übrigen auch deshalb keine Veranlassung, weil er (unzutreffender Weise) davon ausging, die Abweichungsentscheidung ergehe im Einvernehmen mit der Klägerin.

Danach steht fest, dass die streitige Abweichungsentscheidung die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der oberzentralen Funktion der Klägerin nicht verbindlich feststellt und dass die Beigeladene auch nicht von der Verpflichtung entbunden wird, Einzelmaßnahmen, die oberzentrale Funktionen enthalten, nur im Einvernehmen mit dem Oberzentrum festzulegen (B 3.3.-17 des Regionalplans Mittelhessen 2001). Dementsprechend ist eine Verletzung der der Klägerin insoweit zustehenden Rechte offensichtlich ausgeschlossen.

Der Klägerin steht die erforderliche Klagebefugnis aber deshalb zu, weil die im Tenor der Entscheidung enthaltene Maßgabe 2. unmittelbar geltende Regelungen für Teile des Gemeindegebiets der Klägerin trifft und die Klägerin insoweit in ihrer durch Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG gewährleisteten kommunalen Planungshoheit verletzt sein kann (Schmitz, in: Bielenberg/Runkel/Spannowsky, a. a. O., K § 11 Rdnr. 114).

Bei der Maßgabe 2. handelt es sich nicht um einen unverbindlichen Hinweis auf eine künftige Regelung im neuen Regionalplan. Aus der im angefochtenen Bescheid enthaltenen raumordnerischen Bewertung wird nämlich deutlich, dass es dem Beklagten entscheidend darauf ankam, die in der Region vorgesehene Gewerbefläche insgesamt nicht zu erhöhen. Nur bei gleichzeitigem Fortfall anderweitiger geplanter Gewerbeflächen konnte dem Vorhaben der Beigeladenen zugestimmt werden. Dies hat die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 15. März 2010 nochmals bestätigt. Dem Verwaltungsgericht und der Beigeladenen ist dabei zuzugestehen, dass sich dem Wortlaut der 2. Maßgabe nicht zweifelsfrei entnehmen lässt, ob durch diese Maßgabe bereits der Regionalplan Mittelhessen 2001 modifiziert werden soll oder ob sich diese Maßgabe auf den künftigen Regionalplan beziehen soll. Aus dem tatsächlichen und rechtlichen Gesamtzusammenhang des angefochtenen Bescheides ist aber zu entnehmen, dass sich die Maßgabe auf den gegenwärtig noch gültigen Regionalplan Mittelhessen 2001 beziehen muss. Denn eine Maßgabe, die die Zulassung einer Abweichung vom Regionalplan 2001 davon abhängig macht, dass der künftige Regionalplan mit einem entsprechenden Inhalt in Kraft tritt, wäre völlig sinnlos, weil mit dem Inkrafttreten des neuen Regionalplans der alte Regionalplan ohnehin unbeachtlich wird. Steht somit fest, dass der Beklagte durch die Maßgabe 2. sicherstellen wollte, dass auch schon vor dem Inkrafttreten des neuen Regionalplans die regionale Gewerbeflächenbilanz unverändert bleibt, so hatte er den erkennbaren Regelungswillen, die in der Karte Nr. 2 bezeichnete, 11 ha große Fläche der Stadt Gießen als „Vorranggebiet für Landwirtschaft“ und zusätzlich als „Vorranggebiet Regionaler Grünzug“ darzustellen. Dieser Regelungswille wird auch im Wortlaut der Maßgabe 2. hinreichend deutlich.

Die mithin zulässige Klage ist auch begründet. Dies gilt schon deshalb, weil die Maßgabe 2. in den ausschließlichen Kompetenzbereich der Regionalversammlung fällt, der gemäß § 23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 HLPG nicht auf Ausschüsse übertragen werden kann. Denn durch die Maßgabe 2. wird über eine bloße Abweichungsentscheidung hinaus bezüglich der in der Karte Nr. 2 (als Anlage der Abweichungsentscheidung) verzeichneten Gebiete das Ziel "Vorranggebiet für Landwirtschaft" festgelegt und die Fläche in der Gemarkung Gießen-Lützellinden zusätzlich als "Vorranggebiet regionaler Grünzug" ausgewiesen. Damit ändert die Maßgabe 2. der Sache nach den Regionalplan Mittelhessen 2001 und stellt eine partielle Neuplanung dar. Werden als Nebenbestimmung einer raumordnungsrechtlichen Abweichungsentscheidung neue raumordnerische Ziele festgelegt, so stellt dies eine inhaltliche Änderung des Regionalplans dar; hierfür bedarf es einer Beschlussfassung über den Regionalplan, die gemäß § 23 Abs. 5 Satz 4 Nr. 2 HLPG nicht auf Ausschüsse übertragen werden kann. Darüber hinaus spricht viel dafür, dass auch die Beschlussfassung über "echte Abweichungsentscheidungen", die den Regionalplan als solchen unverändert lassen, der Regionalversammlung selbst vorbehalten bleiben muss und nicht auf einen Ausschuss delegiert werden kann. § 22 Abs. 2 Nr. 2 HLPG legt nämlich fest, dass die Regionalversammlung über die Abweichung vom Regionalplan zu entscheiden hat; § 12 Abs. 4 HLPG setzt eine Entscheidung der Regionalversammlung, eine Abweichung zuzulassen oder zu versagen, voraus. Dementsprechend wird auch in der Begründung des Gesetzentwurfes zur Neufassung des Hessischen Landesplanungsgesetzes vom 12. März 2002 (Landtagsdrucks. 15/3746 - Seite 25) ausgeführt: "Die Regionalversammlungen als Plangeber sollen auch weiterhin Einfluss auf den Planvollzug haben und deshalb auch für die Entscheidungen über die Abweichungen zuständig bleiben." Der Senat vermag aus der Befugnis der Regionalversammlung, ihre inneren Angelegenheiten und die Wahrnehmung ihrer Aufgaben zu organisieren (§ 22 Abs. 3 Satz 2 HLPG) keine gesetzliche Ermächtigungsgrundlage für eine Delegation der in § 22 Abs. 2 Nr. 2 HLPG eingeräumten Kompetenzen auf Ausschüsse zu entnehmen. Denn die Übertragung von Entscheidungsbefugnissen eines Plenums auf einen Ausschuss stellt keine bloße Regelung der Organisation der Aufgabenwahrnehmung dar, sondern ist eine Verlagerung der Aufgabenwahrnehmung selbst. Auch § 23 Abs. 5 HLPG, der die Übertragung bestimmter Aufgaben auf die Ausschüsse verbietet, ermächtigt nicht dazu, alle nicht ausgeschlossenen Aufgaben an Ausschüsse zu delegieren. Die mit diesen Gesichtspunkten zusammenhängenden Fragen können aber im vorliegenden Verfahren auf sich beruhen, da die Maßgabe 2. der streitigen Abweichungsentscheidung sich im vorliegenden Fall als partielle Neuplanung darstellt, die keinesfalls in den Zuständigkeitsbereich des Haupt- und Planungsausschusses fällt. Schon aus diesem Grund ist die Maßgabe 2. rechtswidrig.

Die Maßgabe 2. ist darüber hinaus auch aus einem zweiten, die vorliegende Entscheidung selbstständig tragenden Grund rechtswidrig. Denn ein wirksamer "Flächenverzicht" der zur Festlegung der Maßgabe 2. bezüglich des Gebiets der Klägerin in der Sache berechtigt hätte, liegt nicht vor. Zum einen ist festzuhalten, dass die Klägerin einen unmittelbaren Flächenverzicht gar nicht erklärt hat, sondern lediglich mitgeteilt hat, sie werde im künftigen Regionalplan auf eine gewerbliche Fläche von 11 ha verzichten. Zum anderen hat sie ihren künftigen Verzicht von sieben Voraussetzungen abhängig gemacht, die jedoch nicht vollständig erfüllt sind, wie der Beklagte im angefochtenen Bescheid auf Seite 8 selbst näher ausführt. Die Begrenzung der Einzelvorhaben auf eine Fläche von maximal 6 ha, der Vorschlag einer Zweckverbandslösung als künftiger Rechtsform der interkommunalen Zusammenarbeit, sowie die Hinweise zur Erschließung des Geländes sind insbesondere nach wie vor nicht umgesetzt. Soweit der Beklagte ausführt, dass diese Gesichtspunkte im Rahmen der streitigen Abweichungsentscheidung nicht geregelt werden konnten, mag dies zutreffen. Dies ändert aber nichts daran, dass der Flächenverzicht der Klägerin erst nach oder bei Erfüllung der von ihr aufgestellten Voraussetzungen erfolgen sollte.Lagen somit die Voraussetzungen für den Erlass einer Abweichungsentscheidung bezüglich der in Maßgabe 2. genannten Flächen der Klägerin nicht vor, so verletzt die gleichwohl getroffene Regelung die Klägerin in ihrer Planungshoheit, die durch das in Art. 28 Abs. 2 Satz 2 GG gewährleistete kommunale Selbstverwaltungsrecht geschützt ist (vgl. Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 1. August 2002 - BVerwG 4 C 5.01 - BRS 65 Nr. 10). Die Maßgabe 2. der angefochtenen Verfügung ist mithin rechtswidrig und verletzt eigene Rechte der Klägerin. Denn durch die Maßgabe 2. wird die 11 ha große Fläche im Stadtgebiet der Klägerin der Bauleitplanung entzogen. Die in § 2 Abs. 1 Satz 1 BauGB den Gemeinden zur eigenen Verantwortung übertragene Bauleitplanung ist jedoch Kernbestandteil der kommunalen Planungshoheit und damit des verfassungsrechtlich garantierten Selbstverwaltungsrechts der Gemeinde für die Angelegenheiten der örtlichen Gemeinschaft. Sie umfasst das ihr als Selbstverwaltungskörperschaft zustehende Recht auf Planung der baulichen und sonstigen Nutzung der Grundstücke in ihrem Gebiet. Dabei kann im vorliegenden Verfahren offenbleiben, ob eine Rechtsverletzung der Gemeinde durch eine überörtliche Planung nur dann in Betracht kommt, wenn die überörtliche Planung eine hinreichend bestimmte örtliche Planung nachhaltig stört (verneinend zum Beispiel Battis, in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, Kommentar, 11. Aufl., § 2 Rdnr. 22, bejahend NWVerfGH, Urteil vom 25. Juni 2002 - VerfGH 42/00 - NVwZ 2003, 202 ff.). Im vorliegenden Fall bestehen jedenfalls bezüglich der streitigen Fläche hinreichend konkrete planerische Vorstellungen der Klägerin, die durch die Maßgabe 2. durchkreuzt werden. Eine gemeindliche Planung ist nicht erst dann hinreichend konkretisiert, wenn sie das Stadium eines verbindlichen Bauleitplans erreicht hat (NWVerfGH a. a. O.). Vielmehr können auch auf andere Weise dokumentierte örtliche Planungsvorstellungen Bedeutung erlangen. Dies ist hier der Fall. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass die im Regionalplan Mittelhessen 2001 dargestellte Gewerbefläche in Gießen-Lützellinden bereits das Ergebnis eines planerischen Prozesses ist, in den die Klägerin ihre eigenen bestehenden Planungsabsichten eingebracht hat. Die regionale Planungsversammlung Mittelhessen hat diese klägerischen Planungsabsichten aufgegriffen und zum Gegenstand der regionalplanerischen Festlegungen gemacht. In der Folgezeit hat die Klägerin ihre Planungen weiter vorangetrieben. So hat die Stadtverordnetenversammlung der Klägerin am 26. März 2009 beschlossen, für den gesamten im Regionalplan ausgewiesenen gewerblichen Bereich von 130 ha ein Verfahren zur Änderung des Flächennutzungsplans mit dem Ziel der Darstellung dieses Bereichs einzuleiten.

Entgegen der Auffassung der Beigeladenen erfasst die Rechtswidrigkeit der Maßgabe 2. den gesamten Abweichungsentscheid. Denn es handelt sich bei der Maßgabe 2. nach dem Gesamtzusammenhang der Begründung des Bescheides um keine selbstständig angreifbare Auflage, die etwa die Beigeladene zu erfüllen hätte, sondern um eine in der Kompetenz des Beklagten liegende Regelung einer Rahmenbedingung, die die Abweichungsentscheidung als solche erst ermöglicht. Denn aus der Begründung der Abweichungsentscheidung und der beigefügten raumordnerischen Bewertung ist zu entnehmen, dass durch die Maßgabe 2. die entscheidende Voraussetzung dafür geschaffen worden ist, die die Abweichungsentscheidung erst vertretbar macht. Auch aus dem Tenor der angefochtenen Abweichungsentscheidung ergibt sich, dass die Zulassung der Abweichung und die beigefügten fünf Maßgaben eine unaufgebbare Einheit darstellen, aus der kein Teilstück herausgebrochen werden kann, ohne den übrigen Inhalt der Regelung in Frage zu stellen. Danach steht fest, dass die Rechtswidrigkeit der Maßgabe 2. den gesamten angefochtenen Bescheid erfasst.

Im Hinblick darauf, dass die Klage mit dem Hauptantrag Erfolg hat, ist der Hilfsantrag gegenstandslos.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 2, 162 Abs. 3 VwGO. Da die Beigeladene im Berufungsverfahren keinen Antrag gestellt und sich damit keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (§ 154 Abs. 3 VwGO) entspricht es nicht der Billigkeit, ihre außergerichtlichen Kosten der unterliegenden Partei aufzuerlegen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Gründe für die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 VwGO liegen nicht vor.