Hessisches LSG, Urteil vom 25.02.2010 - L 8 KR 49/08
Fundstelle
openJur 2012, 32663
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SozialgerichtsDarmstadt vom 21. November 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nichtzu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin seit01.07.2000 gesamtsozialversicherungspflichtig in den von ihremEhemann geführten Tankstellenbetrieben tätig ist.

Die seit August 1990 bei der Beklagten gegen Krankheitversicherte Klägerin hat eine Ausbildung zur Einzelhandelskauffrauabsolviert und war zunächst als angestellte Kauffrau sowie nacheiner Umschulung zur Bürokauffrau als kaufmännische Angestelltetätig gewesen. Sie ist mit dem Beigeladenen zu 1. verheiratet.Zwischen diesem und der X. AG kam am 28.06.2000 ein schriftlicherTankstellenverwaltungsvertrag zustande, demzufolge der Beigeladenezu 1. die Verwaltung der X-Tankstelle in der L-Straße,U-Stadt, zum 30.06.2000 übernahm. In demTankstellenverwaltungsvertrag heißt es, eine Übertragung derVerwaltung oder der dem Partner obliegenden Leistungen undVerpflichtungen durch Partnerauftritte sei ausgeschlossen. ImGewerberegister der Stadt U. ist der Beigeladene zu 1. mit derBetriebsstätte L-Straße, U-Stadt, und der Tätigkeit Betrieb einerTankstelle mit Waschanlage sowie Verkaufs-/Back-Shop, Kundendienstseit 30.06.2000 als Einzelgewerbetreibender angemeldet. DieKlägerin, die im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaftmit ihrem Ehemann steht, wurde von diesem der Beklagten alsBeitragseinzugsstelle nach der Datenerfassungs- undÜbermittlungsverordnung als abhängig Beschäftigte gemeldet. ImRahmen der von der Beklagten hierauf durchgeführten Prüfung derVersicherungspflicht bei Beschäftigung eines Ehegatten erklärtensowohl die Klägerin als auch ihr Ehemann, die Klägerin übe dieTätigkeiten Kassieren, Warenbestellung, Buchhaltung sowieRechnungsprüfung aus. Sie sei nicht am Betrieb ihres Ehemannesbeteiligt. Das monatliche Arbeitsentgelt betrage brutto 2.400,00 DMund werde regelmäßig gezahlt durch Überweisung auf ein privatesBankkonto der Klägerin. Es bestehe eine feste Arbeitszeit von 6Stunden täglich bei 30 Stunden wöchentlich. Das Arbeitsentgeltwerde als Betriebsausgabe gebucht und vom Arbeitsentgelt werdeLohnsteuer entrichtet (Angaben vom November 2000). Einschriftlicher Arbeitsvertrag sei nicht geschlossen worden. Hieraufhatte die Beklagte mit bindend gewordenem schriftlichen Bescheidvom 14.11.2000 der Klägerin mitgeteilt, nach Prüfung dervorgelegten Unterlagen habe sich ergeben, dass sie seit dem01.07.2000 in einem versicherungspflichtigenBeschäftigungsverhältnis stehe. Dementsprechend wurdenGesamtsozialversicherungsbeiträge von der von dem Beigeladenen zu1. betriebenen Einzelhandelsfirma für die Klägerin an die Beklagteals Beitragseinzugsstelle abgeführt, zuletzt aus einem monatlichenArbeitsentgelt in Höhe von 1.230,00 Euro, das auf ein privates, aufden Namen der Klägerin lautendes Konto überwiesen wurde. Von diesemArbeitsentgelt wurde auch von der Firma des Ehemanns Lohnsteuerabgeführt und das gezahlte Arbeitsentgelt wurde als Betriebsausgabegebucht und steuerlich geltend gemacht. Zum 01.10.2002 hatte derEhemann der Klägerin den Betrieb einer weiteren Tankstelle mitWaschanlage sowie Verkauf und Kundendienst in Y-Stadt, Y-Straßeübernommen (Auskunft aus der Gewerbekartei der Stadt M. vom03.02.2006). Laut Angaben der Klägerin ist ihr Mann überwiegend inder Tankstelle in U-Stadt tätig, sie hingegen in dem Betrieb inM-Stadt.

Am 26. Januar 2006 ging bei der Beklagten ein mit dem Datum vom30.11.2005 versehener Antrag der Klägerin aufsozialversicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit vom30.06.2000 bis heute ein. Darin wurde angegeben, sie, die Klägerin,sei seit 30.06.2000 zuständig und verantwortlich für denkaufmännischen Bereich sowie die Einstellung und Einarbeitung vonPersonal für die beiden Tankstellen. Ihre Tätigkeit seiweisungsfrei und sie sei nicht in Bezug auf Ort, Art und Zeit derAusübung ihrer Tätigkeit gebunden. Entscheidungen würden gemeinsamund in gleichberechtigter Stellung zu ihrem Ehemann getroffen. DieKlägerin legte den Tankstellenverwaltungsvertrag zwischen der X. AGund ihrem Ehemann vom 28.06.2000 sowie einen Kreditvertrag mit derSparkasse G-Stadt vom 29.03.2001 über eine Kreditsumme in Höhe von24.658,00 DM vor. Weiter gab sie an, sie bürge für ihren Ehemann inHöhe von 78.000,00 Euro. In einer gleichfalls vorgelegten„Bestätigung“ des Ehemanns vom 21.10.2005 heißt es,seine Ehefrau habe in seine Firma X. Service Station seit Beginnihrer Tätigkeit am 30.06.2000 die gleiche Verantwortung getragenwie er. Seit dieser Zeit habe eine mündliche Handlungsvollmachtbestanden, welche in der Praxis definitiv ausgeübt wurde. Sinn undZweck dieser Handlungsvollmacht sei gewesen, dass die Klägerin inbestimmten Situationen alleine entscheiden konnte. In der Regelseien jedoch alle Entscheidungen in enger Zusammenarbeit gemeinsamgetroffen worden. In dem von der Klägerin und ihrem Ehemanngemeinsam ausgefüllten „Feststellungsbogen zurversicherungsrechtlichen Beurteilung einesBeschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen (Ehegatten,Lebenspartner) …“ erklärten die Eheleute, dieTätigkeit der Klägerin werde nicht aufgrund einerarbeitsvertraglichen Vereinbarung ausgeübt. Die Klägerin seizuständig für den kaufmännischen Bereich sowie die Einstellung undEinarbeitung von Personal und habe eine gleichberechtigte Stellungin Bezug auf ihren Ehemann. Die Klägerin als mitarbeitendeAngehörige sei in den Betrieb eingegliedert, wobei sie ihreTätigkeit auch tatsächlich ausübe. Ohne ihre Mitarbeit hätte eineandere Arbeitskraft eingestellt werden müssen. Jedoch sei sie anWeisungen des Betriebsinhabers über die Ausführung der Arbeit nichtgebunden und das Weisungsrecht werde auch tatsächlich nichtausgeübt. Die Klägerin wirke bei der Führung des Betriebes –z. B. aufgrund besonderer Fachkenntnisse – mit und könne ihreArbeit frei bestimmen und gestalten. Die Mitarbeit sei aufgrundfamilienhafter Rücksichtnahme durch ein gleichberechtigtesNebeneinander zum Betriebsinhaber geprägt. Weiter sind folgendeAngaben gemacht worden: Es bestehe ein Urlaubsanspruch von 30Arbeitstagen sowie eine gesetzliche Kündigungsfrist, die allerdingsin der Praxis nach betrieblichen Erfordernissen gehandhabt werde.Im Falle der Arbeitsunfähigkeit werde das Arbeitsentgeltfortgezahlt. Das Arbeitsentgelt entspreche nicht dem tariflichenbzw. dem ortsüblichen Gehalt. Es werde den wirtschaftlichenMöglichkeiten der Firma angepasst und sei zur Zeit geringfügig. DasArbeitsentgelt werde regelmäßig auf ein privates Bankkonto derKlägerin überwiesen. Von dem Arbeitsentgelt werde Lohnsteuerentrichtet und dieses werde als Betriebsausgabe gebucht. Weiterlegten die Klägerin und ihr Ehemann eine auf die „PG.mbH“, B-Straße, B-Stadt, lautende Vollmacht zur Vertretungund Rechtewahrnehmung vor.

Die Beklagte holte die Auskünfte aus dem Gewerberegister derStadt U. und der Stadt M. ein und übermittelte der PG. mbH eineKopie ihres Bescheides vom 14.11.2000. Hierauf meldete sich für dieKlägerin Herr Rechtsanwalt N., N-Stadt, mit Schriftsatz vom03.04.2006 und beantragte, den Bescheid vom 14.11.2000 gemäß §§ 44,45 Sozialgesetzbuch – Zehntes Buch –Verwaltungsverfahren (SGB X) zurückzunehmen/zu widerrufen undfestzustellen, dass die Klägerin im Rahmen ihrer Tätigkeit imehelichen Betrieb seit dem 30. Juni 2000 nicht derVersicherungspflicht zur Kranken-, Pflege, Renten- undArbeitslosenversicherung unterliege. Mit Bescheid vom 04.05.2006 inGestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2006 hielt dieBeklagte an ihrer bereits im Bescheid vom 14.11.2000 getroffenenEntscheidung fest, dass die Klägerin abhängig beschäftigt und nichtselbständig tätig sei. Die Überprüfung des Bescheides vom14.11.2000 habe ergeben, dass die Klägerin nach wie vor in einemversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Da dieKlägerin nicht Mitinhaberin des Betriebes ihres Ehemannes sei,liege weder eine Mitunternehmerschaft vor noch werde einUnternehmerrisiko getragen. Eine familienhafte Mithilfe scheideaus, weil die Klägerin ein ortsübliches Gehalt beziehe und damitein wesentliches Kriterium der Arbeitnehmereigenschaft erfülle. IhrEhemann habe stets die erforderlichen Meldungen nach der DEÜVerstellt, die die Klägerin als abhängig Beschäftigte auswiesen. VomArbeitsentgelt seien Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgeentrichtet und als Betriebsausgabe gebucht worden. Der im Jahre2000 durchgeführten versicherungsrechtlichen Beurteilung werde einhöheres Gewicht beigemessen als der nunmehr vorgetragenenSchilderung von angeblich abweichenden Verhältnissen. Die Übernahmevon Bürgschaften und die Stellung von Sicherheiten könnten für sichallein keine selbständige Tätigkeit rechtfertigen. Im Übrigen seilediglich eine Kreditverpflichtung nachgewiesen, die keinenZusammenhang zu dem Unternehmen des Ehemannes erkennen lasse. DerVortrag, dass die Klägerin eigenverantwortlich handele und ihrkeine Weisungen erteilt würden, weil der Betriebsinhaber ihr beiihrer Berufsausübung im Wesentlichen freie Hand lasse, seiunerheblich. Die Abhängigkeit unter Familienangehörigen sei imAllgemeinen weniger stark ausgeprägt als in Betrieben außerhalbeines Familienverbundes. Ohne die Beschäftigung der Klägerin müsstezur Bewältigung der anfallenden Arbeiten eine fremde Arbeitskrafteingestellt werden.

Hiergegen erhob die Klägerin über ihren Prozessbevollmächtigtenam 04.09.2006 Klage zum Sozialgericht Darmstadt mit dem Klageziel,festzustellen, dass ihre Tätigkeit für die Firma X. ServiceStation, deren Inhaber der Beigeladenen zu 1. ist, seit dem01.07.2000 nicht versicherungspflichtig gewesen sei. DasSozialgericht hörte in der mündlichen Verhandlung vom 21.11.2007die Klägerin persönlich und ihren Ehemann, den Beigeladenen zu 1.,informatorisch an. Die Klägerin gab an, ihr Ehemann und sie hättengemeinsam gegenüber der Firma X. eine Bürgschaft leisten müssen,die durch Hinterlegung eines Sparbriefes erbracht worden sei.Weiter seien insgesamt 30.000 DM bis 35.000 DM aus privaten Mittelnfür die Erstausstattung mit Shopware und Einrichtungsgegenständenfür die Tankstelle aufgebracht worden. Im Jahre 2002 seien nochmalsetwa 10.000 Euro aus privatem gemeinsamen Vermögen zurWarenbeschaffung eingesetzt worden. Der abgeschlosseneAllzweckkredit sei ebenfalls für den Wareneinkauf des Shopsverwendet worden. Der Beigeladene zu 1. hat angegeben, auch nachder zusätzlichen Übernahme der Tankstelle in Y-Stadt sei seineEhefrau weiterhin als abhängig Beschäftigte geführt, ihr Lohn alsBetriebsausgabe gebucht und Sozialversicherungsbeiträge entrichtetworden. Dies werde bis heute so gehandhabt. Seine Frau und erentschieden gemeinsam über die Verwendung der Gewinne aus demTankstellenbetrieb. In einer Ehe werde so etwas gemeinsamentschieden.

Das Sozialgericht wies die Klage mit Urteil vom 21.11.2007 ab.Zur Begründung führte es aus, die Beklagte habe in demangefochtenen Bescheid vom 4. Mai 2006 in Gestalt desWiderspruchsbescheides vom 2. August 2006 rechtsfehlerfrei eineAufhebung des früheren Bescheides vom 14.11.2000 abgelehnt, weildie Klägerin tatsächlich (weiterhin) im Tankstellenbetrieb ihresEhemannes in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis stehe. Nach§ 44 SGB X dürfe ein Bescheid, auch nachdem er unanfechtbargeworden sei, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommenwerden, soweit sich im Einzelfall ergäbe, dass bei Erlass diesesVerwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einemSachverhalt ausgegangen worden sei, der sich als unrichtig erweiseund soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oderBeiträge zu Unrecht erhoben worden seien. In dem Bescheid vom14.11.2000 sei festgestellt worden, dass die Klägerin hinsichtlichihrer Tätigkeit in dem Tankstellenbetrieb ihres Ehemannes vonAnfang an (01.07.2000) als abhängig Beschäftigte gelte und damitbeitragspflichtig zu allen Zweigen der Sozialversicherung sei.Diesen Feststellungen hätten, da schon damals kein schriftlicherArbeitsvertrag existierte, im Wesentlichen die Angaben der Klägerinund ihres Ehemanns als Betriebsinhaber vom November 2000 zugrundegelegen, wonach die Tankstelle nicht gemeinsames Eigentum derEheleute sei, die Klägerin für ihre Tätigkeit mit Kassieren,Warenbestellung, Buchhaltung und Rechnungsprüfung anstelle einerfremden Arbeitskraft beschäftigt werde und dafür ein monatlichesBruttoeinkommen (damals 2.400,00 DM) erhalte, welches auf einprivates Bankkonto der Klägerin überwiesen werde, für dasLohnsteuer entrichtet und das auch als Betriebsausgabe gebuchtwerde. Der Bescheid vom 14.11.2000 erweise sich auch nach Prüfungdurch das Sozialgericht nicht als rechtswidrig. Es sei weder voneinem Sachverhalt ausgegangen worden, der sich als unrichtigerwiesen hätte, noch sei das Recht unrichtig angewandt worden. DieKlägerin sei – weiterhin – als abhängig Beschäftigteversicherungspflichtig tätig. Ausgangspunkt für die rechtlicheBeurteilung sei § 7 Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch –Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung (SGB IV). Darinwerde die für das Beitragsrecht maßgebliche Beschäftigung definiertals nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einemArbeitsverhältnis. Sowohl im Bereich der gesetzlichenKrankenversicherung wie auch bei der Bewertung im Rahmen derArbeitslosenversicherung und der Rentenversicherung unterlägendaher Arbeiter und Angestellte, die gegen ein Arbeitsentgeltbeschäftigt seien – jedenfalls soweit sie nicht oberhalb derjeweils gültigen Beitragsbemessungsgrenze lägen – derVersicherungspflicht (§ 24 Abs. 1 SGB III, § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V,§ 1 Abs. 1 Nr. 1 SGB VI und § 1 Abs. 2 SGB XI). Eineversicherungspflichtige Beschäftigung setze voraus, dass derArbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig sei. EineBeschäftigung in einem fremden Betrieb liege demnach vor, wenn derBeschäftigte in den Betrieb eingegliedert sei und dabei einemhinsichtlich Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsausführungumfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliege. Demgegenübersei eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das eigeneUnternehmerrisiko, das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätteund eigener Betriebsmittel, die Verfügungsmöglichkeit über dieeigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestalteteTätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet (Hinweis auf BSG, Urteilvom 19.08.2003 – B 2 U 38/02 R m.w.N.). Zu den typischenMerkmalen unternehmerischen Handelns gehörten unter anderem, dassLeistungen im eigenen Namen und für eigene Rechnung statt im Rahmenund auf Rechnung eines Auftraggebers erbracht würden. Maßgebend fürdie Beurteilung sei stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung unterBerücksichtigung der im Arbeitsvertrag vereinbarten Regelungen.Wichen die vertraglichen Vereinbarungen von den tatsächlichenVerhältnissen ab, gäben Letztere den Ausschlag. UnterBerücksichtigung dieser Grundsätze stelle sich die Beschäftigungder Klägerin bei dem Beigeladenen zu 1., ihrem Ehemann, alsabhängige Beschäftigung im Rahmen einessozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnisses dar. DieKlägerin war und sei noch in den Tankstellenbetrieb ihres Ehemanneseingegliedert, leiste abhängige Arbeit, die über das Maß einerbloßen Familienhilfe hinausgehe und trage so gut wie keinUnternehmerrisiko. Ausweislich des zwischen dem beigeladenenEhemann der Klägerin und der Firma X. AG im Juni 2000abgeschlossenen Tankstellenverwaltungsvertrages habe ausschließlichder Ehemann der Klägerin als selbständiger Gewerbebetreiber die indiesem Vertrag formulierten Verpflichtungen übernommen. DieKlägerin habe danach weder Rechte noch Pflichten in Bezug auf dieX. AG und sei insbesondere nicht Mitunternehmerin desTankstellenbetriebs geworden. Ihrem Ehemann sei es laut dem Vertragausdrücklich untersagt, die Verwaltung oder die ihm obliegendenLeistungen und Verpflichtungen auf Dritte zu übertragen. Dafür,dass die Klägerin keinerlei Miteigentum an dem von ihrem Ehemannbetriebenen Gewerbe (Handelsvertretung) habe, spreche auch dieAuskunft des Gewerberegisters der Stadt U., wonach ausschließlichihr Ehemann im Handelsregister eingetragen sei, die Klägerinhingegen nicht als Gewerbetreibende gemeldet sei.

Auch die, allerdings nicht schriftlich festgelegten,Vereinbarungen zwischen der Klägerin und ihrem Ehemann ließen sichnur als abhängiges Beschäftigungsverhältnis werten. Beide hätten inihrer Erklärung vom November 2000 angegeben, dass die Klägerin einefeste Arbeitszeit von täglich 6 Stunden wöchentlich zu erfüllenhabe, wofür sie ein regelmäßiges auf ein ihr allein gehörendesPrivatkonto zu zahlendes Arbeitseinkommen erhalte. Dies sei von derKlägerin und ihrem Ehemann auch in dem ausgefülltenFeststellungsbogen zur versicherungsrechtlichen Beurteilung einesBeschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen vom 30.11.2005gegenüber der Beklagten nochmals bestätigt worden. Nach dengemachten Angaben werde ein monatliches Arbeitsentgelt in Höhe vonnunmehr 1.230,00 Euro gezahlt. Bestätigt würden diese Angaben auchdurch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 20.06.2007vorgelegten Abrechnungen der Brutto-Netto-Bezüge, welche imZeitraum Dezember 2003 bis Dezember 2006 bezahlt wurden. Dabeifalle auf, dass neben dem vereinbarten Gehalt auch regelmäßig einFahrtkostenzuschuss in Höhe von 225,50 Euro gezahlt wurde, wobeihierauf durchgängig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträgeabgeführt worden seien. Zwar werde nunmehr – entgegen denDarlegungen vom November 2000 – geltend gemacht, die Klägerinsei an Weisungen nicht gebunden, könne ihre Tätigkeit vielmehr freibestimmen und gestalten und wirke bei der Führung des Betriebesmit. Andererseits werde aber ausgeführt, die Klägerin habe einenUrlaubsanspruch von 30 Tagen mit gesetzlicher Kündigungsfrist undeinen Lohnfortzahlungsanspruch im Falle einer Arbeitsunfähigkeit.Diese für ein Arbeitnehmerverhältnis typischen Regelungen würdenauch dadurch bestätigt, dass der Lohn als Betriebsausgabesteuerrechtlich geltend gemacht worden sei und weiterhin werde.

Soweit die Klägerin geltend mache, sie trage einUnternehmerrisiko, weil sie zusammen mit ihrem Ehemann gegenüberder X. GmbH eine Bürgschaft über 78.000,00 Euro eingegangen sei unddarüber hinaus noch einen Privatkredit über 25.000,00 DMabgeschlossen habe, mit dem Waren für den Tankstellenbetriebeingekauft worden seien, greife dies nicht. Diese Verpflichtungengingen nicht über eine übliche Kreditabsicherung hinaus, welcheeine Ehefrau eines Firmeninhabers leiste. Auch umfasse der mit derSparkasse G-Stadt am 29.01.2001 abgeschlossene Kreditvertrag einen„Allzweck-Kredit“, der zugunsten der Eheleute laufe,also zur freien Verfügung der Klägerin und des Beigeladenen zu 1.stehe. Dass sich die Klägerin wie auch deren Ehemann dabeiverpflichten mussten, ihre Bezüge zur Sicherung des Kreditesabzutreten, sei ein bei Kreditvergaben normaler Vorgang, derkeinesfalls für die Annahme eines eigenen Unternehmerrisikosspreche. Gleiches gelte auch für die von der Klägerin geltendgemachte Bürgschaft über 78.000,00 Euro, welche nach denDarlegungen der Ehegatten in der mündlichen Verhandlung durchHinterlegung eins Sparbuches, das die Eheleute gemeinsam angesparthatten, erfolgt sei. Dabei sei auch ungeklärt, welcher Anteil davonvon dem einen oder anderen Ehegatten geleistet wurde. Auch aus demVortrag, dass die Eheleute im Jahr 2002 nochmals etwa 10.000,00Euro aus privatem gemeinsamen Vermögen zur Warenbeschaffungeingesetzt hätten, ließen sich keine Rückschlüsse auf ein echtesUnternehmerrisiko der Klägerin ziehen. Auch müsse davon ausgegangenwerden, dass dieses Geld zumindest überwiegend aus den Gewinnen derTankstelle selbst stamme, da kaum vorstellbar sei, dass dieKlägerin mit einem Monatseinkommen von 1.230,00 Euro großeRücklagen bilden konnte. Schließlich könne aus dem Umstand, dassüber die Gewinne der Tankstelle gemeinsam beraten und beschlossenwerde, im hiesigen Zusammenhang Nichts abgeleitet werden. DerEhemann der Klägerin habe im Termin zur mündlichen Verhandlungüberzeugend dargelegt, dass in einer Ehe so etwas gemeinsamentschieden werde.

Die vorzunehmende Würdigung der Gesamtumstände des Einzelfallesergäbe, dass trotz der zwischen Ehegatten sicherlich geringerausgeprägten Weisungsgebundenheit davon auszugehen sei, dass dieKlägerin in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis zu dem vonihrem Ehemann betriebenen Tankstellenbetrieb stehe. Dafür sprecheauch, dass trotz Übernahme einer zweiten Tankstelle in M-Stadt imJahre 2003 die Klägerin ebenfalls nicht in den diesbezüglichenTankstellen-Verwaltungsvertrag mit der Firma X. AG einbezogenworden sei. Die Klägerin sei somit sowohl für die Vergangenheit wiegegenwärtig als abhängig Beschäftigte und damitsozialversicherungspflichtige Mitarbeiterin anzusehen.

Gegen das ihr am 18.01.2008 zugestellte Urteil hat die Klägerinam 14.02.2008 Berufung eingelegt. Die Klägerin trägt vor, bei derversicherungsrechtlichen Beurteilung sei auf die tatsächlichenVerhältnisse abzustellen. Hierbei ergäbe sich für einen objektivenBetrachter das Bild einer unternehmerischen Partnerschaft derEheleute. Die Klägerin sei an sämtlichen maßgeblichenunternehmerischen Entscheidungen in demselben Maße beteiligt wieihr Ehemann. Sie habe mit ihrem finanziellen Einsatz die Existenzdes gesamten Betriebes erst ermöglicht. Die erfolgte Anmeldung undBeibehaltung zur Sozialversicherungspflicht sei sachunangemessengewesen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichtsgäben die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag, wenn diese dergewählten rechtlichen Ausgestaltung widersprächen. Die von derBeklagten angeführten landessozialgerichtlichen Entscheidungen unddas BSG-Urteil vom 08.12.1999 (B 12 KR 25/98 R) seien hier nichteinschlägig. Eine rückwirkende sozialversicherungsrechtlicheBeurteilung habe der Gesetzgeber zugelassen, wie sich schon aus derNorm des § 45 SGB X ergebe. Im Berufungsverfahren hat der bisherigeProzessbevollmächtigte der Klägerin, Rechtsanwalt N., das Mandatniedergelegt und die weitere Vertretung der Klägerin ist von derRechtsanwaltsgesellschaft mbH., N-Stadt übernommen worden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. November 2007sowie den Bescheid der Beklagten vom 4. Mai 2006 in der Gestalt desWiderspruchsbescheides vom 2. August 2006 aufzuheben und dieBeklagte zu verurteilen, den Bescheid vom 14. November 2000 nach §44 SGB X zu widerrufen sowie festzustellen, dass die Klägerin imRahmen ihrer Tätigkeit in der Firma X. Service Station, Inhaber A.,seit dem 1. Juli 2000 nicht der Versicherungs- und Beitragspflichtzur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungunterliegt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angegriffene Urteil und die streitbefangenenBescheide für zutreffend. Sie trägt ergänzend vor, die jetztabweichende Darstellung der Klägerin im Vergleich zu ihren Angabenim Rahmen der bereits im Jahr 2000 erfolgtenversicherungsrechtlichen Prüfung seien auf einen Motivwechselzurückzuführen. Hätten die Klägerin und ihr Ehemann von Anfang aneine unternehmerische Partnerschaft eingehen wollen, hätten siedies der Kasse bereits bei der Beurteilung im Jahre 2000mitgeteilt. Die Klägerin sei aufgrund der vertraglichenVereinbarung ihres Ehemanns mit der X. AG zu keinem Zeitpunktberechtigt, ihre Interessen im Unternehmen durchzusetzen. Nach derRechtsprechung des Bundessozialgerichts (Hinweis auf Urteil vom25.01.2006 – B 12 KR 30/04 R) seien die tatsächlichenVerhältnisse im Rahmen eines Vertragsverhältnisses über dieLeistung einer Tätigkeit nur insoweit maßgeblich, wie diepraktizierte Beziehung im Rahmen des rechtlich Zulässigen liege.Weiter verweist die Beklagte auf in ihrem Sinne ergangeneEntscheidungen des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom20.03.2007 (L 11 KR 4972/06) und 17.04.2007 (L 11 R 5748/06) sowiedie Urteile des Bayrischen Landessozialgerichts vom 14.12.2006 (L 4KR 3/04) und vom 07.08.2008 (L 4 KR 85/07).

Die Beigeladenen zu 1. bis 4. haben sich am Verfahren nichtbeteiligt und keine Anträge gestellt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringensder Beteiligten wird auf die von der Beklagten vorgelegteVerwaltungsakte, die zur Klägerin geführte Verwaltungsakte derBeigeladenen zu 3. sowie die Gerichtsakte beider Rechtszüge Bezuggenommen.

Gründe

Die nach den §§ 143, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG)form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin iststatthaft und auch zulässig. Der Senat erachtet die letztlich aufeine Feststellung zielende Klage gemäß § 55 SGG als zulässig, ohnedass zu entscheiden war, ob und für welche Zeit in derVergangenheit eine Beitragserstattung in Betracht kommenkönnte.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat dieKlage zu Recht abgewiesen, denn der Bescheid der Beklagten vom04.05.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2006ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.Die Beklagte hat zutreffend festgestellt, dass die Klägerin seitdem 01.7.2000 mit ihrer im Betrieb des Beigeladenen zu 1.ausgeübten Tätigkeit der Versicherungspflicht in allen Zweigen derSozialversicherung unterliegt.

Nach § 28 h Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB IV entscheidet dieEinzugsstelle über die Versicherungspflicht und Beitragshöhe in derKranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht derArbeitsförderung. Die Beklagte ist hier die nach § 28 i Satz 1 SGBIV zuständige Einzugsstelle, weil diese bei der Klägerin dieKrankenversicherung durchführt. Wie das Sozialgericht zutreffendausgeführt hat, ist hier davon auszugehen, dass die Beklagtebereits mit dem bestandskräftig gewordenen Bescheid vom 14.11.2000kurze Zeit nach der Aufnahme der Tätigkeit der Klägerin bei ihremEhemann und der Meldung deren Tätigkeit als abhängige Beschäftigunggegenüber der Beklagten nach durchgeführter Prüfung eineEntscheidung über die Versicherungspflicht der Beschäftigung derKlägerin getroffen hatte. Insoweit bedurfte es einer Korrekturdieses Bescheides, um die begehrte Feststellung zu treffen, dassdie Klägerin von Anfang an mit ihrer Tätigkeit in demTankstellenbetrieb ihres Ehemannes nicht der Versicherungspflichtzur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherungunterliege. Um eine Aufhebung der in dem Ausgangsbescheid vom 14.November 2000 getroffenen Feststellung zu erlangen, müssen entwederdie Voraussetzungen des § 44 SGB X oder die des § 48 SGB Xvorliegen. Beides ist nicht der Fall, wie das Sozialgericht imErgebnis zutreffend festgestellt hat. Eine nach § 44 SGB Xeröffnete Bescheidkorrektur, die vom Gesetz als Rücknahme desVerwaltungsaktes bezeichnet wird, setzt eine anfänglicheRechtswidrigkeit des zu beseitigenden Verwaltungsaktes voraus,mithin, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtigangewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, dersich als unrichtig erweist. Dagegen soll § 48 SGB X die Aufhebungvon Dauerverwaltungsakten ermöglichen, die wegen einer nach Erlassdes Ausgangsbescheides eintretenden Änderung der Sach- undRechtslage in Widerspruch zur Rechtslage getreten sind. Dabeierfasst § 44 Abs. 1 SGB X auch Verwaltungsakte, die sich ihremGegenstand nach auf eine Beitragserhebung beziehen. Dies ist auchgegeben, wenn durch den Verwaltungsakt eine Beitragszahlungspflichtverpflichtend oder feststellend geregelt worden ist. Letzterestrifft für den Ausgangsbescheid vom 14.11.2000 zu. Zu prüfen istdaher zunächst, ob der bestandskräftig gewordene Bescheid vom14.11.2000 im Widerspruch zur materiellen Rechtslage stand, wobeimaßgebend für die Beurteilung der Rechtswidrigkeit des zurKorrektur anstehenden Verwaltungsaktes die Verhältnisse imZeitpunkt seines Erlasses sind. Hinsichtlich der rechtlichenVorgaben gilt dabei Folgendes:

Personen, die gegen Arbeitsentgelt beschäftigt sind, unterliegenin der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie in derArbeitslosenversicherung der Beitrags- bzw. Versicherungspflicht (§5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 20 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 Nr. 1 SGB XI, §1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI sowie § 168 Abs. 1 Arbeitsförderungsgesetzbis 31.12.1997 und ab 1.1.1998 § 24 Abs. 1 und § 25 Abs. 1 SGB III). Beurteilungsmaßstab für das Vorliegen einer abhängigenBeschäftigung ist § 7 Abs. 1 SGB IV bzw. seit 1.1.1999 § 7 Abs. 1Satz 1 SGB IV. Danach ist Beschäftigung die nichtselbstständigeArbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis. Nach § 7 Abs. 1Satz 2 SGB IV (eingefügt erst mit Wirkung vom 1.1.1999 durch Art. 1Nr. 1 Buchst a, Art. 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung derSelbständigkeit vom 20.12.1999, BGBl I 2000 S. 2) sindAnhaltspunkte für eine Beschäftigung eine Tätigkeit nach Weisungenund eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation desWeisungsgebers.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG)setzt eine Beschäftigung voraus, dass der Arbeitnehmer vomArbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung ineinem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte inden Betrieb eingegliedert ist und er dabei einem Zeit, Dauer, Ortund Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebersunterliegt. Demgegenüber ist eine selbstständige Tätigkeitvornehmlich durch das eigene Unternehmerrisiko, das Vorhandenseineiner eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über dieeigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestalteteTätigkeit und Arbeitszeit gekennzeichnet. Ob jemand abhängigbeschäftigt oder selbstständig tätig ist, hängt davon ab, welcheMerkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild derArbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichenVerhältnissen, zu denen die rechtlich relevanten Umstände gehören,die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigenBeschäftigung erlauben (vgl. Urteile des BSG vom 1.12.1977, 12/3/12RK 39/74, BSGE 45, 199 = SozR 2200 § 1227 Nr. 8, vom 4.6.1998, B 12KR 5/97 R, SozR 3-2400 § 7 Nr. 13, vom 18.12.2001, B 12 KR 10/01 R,SozR 3-2400 § 7 Nr. 20, vom 22.6.2005, B 12 KR 28/03 R, SozR4-2400 § 7 Nr. 5, vom 24.1.2007, B 12 KR 31/06 R, SozR 4-2400 § 7Nr. 7 vom 28.5.2008, B 12 KR 13/07 R, USK 2008-45 und vom11.03.2009, B 12 KR 21/07 R; zur Verfassungsmäßigkeit dieserAbgrenzung Bundesverfassungsgericht, Kammerbeschluss vom 20.5.1996,1 BvR 21/96, SozR 3-2400 § 7 Nr. 11).

Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus demVertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen desrechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist.Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis derBeteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenenVereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehungerschließen lässt. Eine in Widerspruch zu ursprünglich getroffenenVereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die sich darausergebende Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur derRechtsbeziehung geht der nur formellen Vereinbarung vor, soweiteine – formlose – Abbedingung rechtlich möglich ist.Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlichist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zuden tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daherunabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehendeRechtsmacht (vgl. BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 4; SozR 3-4100, § 168Nr. 18). In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisseden Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Dabeiist die praktizierte Beziehung aber nur insoweit maßgeblich, wiesie rechtlich zulässig ist (vgl. hierzu: BSG, SozR 4-2400, § 7 Nr.7).

Die Frage, ob zwischen Angehörigen eine Beschäftigung gegenArbeitsentgelt vorliegt - oder ggf. einenichtversicherungspflichtige Mitarbeit auf familienrechtlicherBasis (familienhafte Mithilfe) erfolgt – beurteilt sich nachden gleichen Grundsätzen, wie sie allgemein für die Beurteilung derVersicherungspflicht maßgebend sind. Ein entgeltlichesBeschäftigungsverhältnis zwischen Angehörigen kann nach den in derRechtsprechung entwickelten Grundsätzen angenommen werden, wenn derAngehörige in den Betrieb des Arbeitgebers wie eine fremdeArbeitskraft eingegliedert ist und die Beschäftigung tatsächlichausübt, der Angehörige dem Weisungsrecht des Arbeitgebers –wenn auch in abgeschwächter Form – unterliegt, der Angehörigeanstelle einer fremden Arbeitskraft beschäftigt wird, ein derArbeitsleistung angemessenes (d. h. im Regelfall ein tariflichesoder ortsübliches) Arbeitsentgelt vereinbart ist und auchregelmäßig gezahlt wird, von dem Arbeitsentgelt regelmäßigLohnsteuer entrichtet wird und das Arbeitsentgelt alsBetriebsausgabe gebucht wird. Beim Fehlen einer (maßgeblichen)Unternehmensbeteiligung eines Familienangehörigen ist in der Regelvon einer abhängigen Beschäftigung auszugehen. Etwas anderes giltnur dann, wenn ein Familienangehöriger, obwohl er nicht maßgeblicham Unternehmenskapital beteiligt ist – aufgrund derverwandtschaftlichen Beziehungen faktisch wie ein Alleininhaber dieGeschäfte des Unternehmens nach eigenem Gutdünken führt (vgl. BSG,Urteil vom 08.12.1987 – B 7 RAr 25/86). Bei der Beschäftigungeines Familienangehörigen ist zudem neben der Eingliederung desBeschäftigten in den Betrieb und dem ggf. abgeschwächtenWeisungsrecht des Arbeitgebers von Bedeutung, ob der Beschäftigteein Entgelt erhält, das einen angemessenen Gegenwert für diegeleistete Arbeit darstellt, mithin über einen freien Unterhalt,Taschengeld oder eine Anerkennung für Gefälligkeiten hinausgeht.Dabei kommt der Höhe des Entgeltes lediglich Indizwirkung zu. Esgilt nicht der Rechtssatz, dass eine untertarifliche oder eineerheblich übertarifliche Bezahlung die Annahme einesbeitragspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausschließt (vgl.BSG, Urteil vom 17.12.2002 – B 11 AL 34/02 R). WeitereAbgrenzungskriterien sind nach der Rechtsprechung, ob einschriftlicher Arbeitsvertrag geschlossen ist, ob das gezahlteEntgelt der Lohnsteuerpflicht unterliegt, als Betriebsausgabeverbucht und dem Angehörigen zur freien Verfügung ausgezahlt wird,und schließlich, ob der Angehörige eine fremde Arbeitskraftersetzt. Sind die genannten Voraussetzungen erfüllt, ist es für dieBejahung eines Beschäftigungsverhältnisses nicht erforderlich, dassder Beschäftigte wirtschaftlich auf das Entgelt angewiesen ist. DerAnnahme eines Beschäftigungsverhältnisses steht es grundsätzlichauch nicht entgegen, dass die Abhängigkeit in der Familie imAllgemeinen weniger stark ausgeprägt ist als zwischen nichtverwandten Personen und deshalb das Weisungsrecht möglicherweisenur mit gewissen Einschränkungen ausgeübt wird (vgl. BSGE 34, 207,210; BSG, SozR 3-2400, § 7 Nr. 1; SozR 3-4100, § 168 Nr. 11).

Nach diesen Grundsätzen, die auch der Senat seiner Beurteilungzugrunde legt, kann nicht bezweifelt werden, dass die von derBeklagten in ihrem Ausgangsbescheid vom 14.11.2000 getroffeneFeststellung, die Klägerin stehe seit dem 01.07.2000 in einemversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis zu der Firmaihres Ehemannes, rechtlich zutreffend war. Die Klägerin und ihrEhemann hatten im Rahmen der seinerzeit angestellten Prüfung, obdie Anmeldung der Klägerin als Beschäftigte ihres Ehemannes„reell“ ist, angegeben, die Klägerin habe eine festeArbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich und beziehe ein regelmäßigesmonatliches Arbeitsentgelt in Höhe von brutto 2.400,00 DM, das aufein der Klägerin gehörendes Privatkonto gezahlt werde. Weiter warangegeben worden, das Arbeitsentgelt werde als Betriebsausgabegebucht und vom Arbeitsentgelt werde Lohnsteuer entrichtet. Die vonder Klägerin seinerzeit ausgeübte Tätigkeit wurde mit Kassieren,Warenbestellung, Buchhaltung sowie Rechnungsprüfung angegeben. Dassdiese Angaben seinerzeit völlig unzutreffend waren, wird auch vonder Klägerin und ihrem Ehemann nicht geltend gemacht. Dagegenspricht auch, dass seinerzeit und auch in der Folgezeitentsprechend den gemachten Angaben verfahren wurde, insbesonderedurchgängig Lohnsteuer und Sozialversicherungsbeiträge von dem derKlägerin gezahlten Entgelt abgeführt wurden. Bei dieser Sachlagemusste die Beklagte an der in dem Bescheid vom 14.11.2000getroffenen Feststellung festhalten, da die Voraussetzungen füreine Rücknahme nach § 44 SGB X nicht vorliegen.

Die Beklagte und das Sozialgericht haben auch zutreffendentschieden, dass die Klägerin auch in der nach dem Ergehen desBescheides vom 14.11.2000 liegenden Zeit weiterhin als abhängigBeschäftigte versicherungspflichtig tätig ist. Eine wesentlicheÄnderung in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen,welche beim Erlass des Verwaltungsaktes vom 14.11.2000 mitDauerwirkung vorgelegen haben, ist in der Folgezeit nichteingetreten. Dementsprechend kann die Klägerin auch nicht nach § 48SGB X eine Aufhebung der in dem Ausgangsbescheid getroffenenFeststellung verlangen. Die Tätigkeit der Klägerin wurde und wirdauch nach dem 14.11.2000 wie ein abhängigesBeschäftigungsverhältnis abgewickelt. Nach den von der Klägerin undihrem Ehemann in dem Feststellungsbogen zurversicherungsrechtlichen Beurteilung einesBeschäftigungsverhältnisses zwischen Angehörigen unter dem Datumvom 30.11.2005 gegenüber der Beklagten gemachten Angaben wird einmonatliches Arbeitsentgelt in Höhe von nunmehr 1.230,30 Eurogezahlt, und zwar weiterhin auf ein auf die Klägerin lautendesPrivatkonto. Von diesem als Arbeitsentgelt deklarierten Betragwurden ausweislich der vorgelegten Abrechnungen für den ZeitraumDezember 2003 bis Dezember 2006 durchgängig Lohnsteuer undSozialversicherungsbeiträge abgeführt. Zusätzlich wurde regelmäßigein Fahrtkostenzuschuss in Höhe von 225,50 Euro gezahlt. Weiter istauf dem Feststellungsbogen angegeben worden, dass die Klägerineinen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen mit gesetzlicherKündigungsfrist und zudem einen Lohnfortzahlungsanspruch im Falleder Arbeitsunfähigkeit habe. Hieraus haben die Beklagte und dasSozialgericht zutreffend abgeleitet, dass die – ohneschriftlichen Arbeitsvertrag – praktizierte Verfahrensweisetypisch für ein Beschäftigungsverhältnis und damit für eineabhängige Beschäftigung sei. Dafür spricht auch, dass dievorgelegten Gehaltsabrechnungen keine Bestandteile enthalten, dieauch nur ansatzweise auf eine Gewinn- bzw. Umsatzbeteiligungschließen lassen. Weiter wurde das gezahlte Entgelt alsbetriebsbedingter Aufwand im Rahmen der Firma des Ehemannes derKlägerin erfasst. Gerade die Verbuchung der Vergütung an Ehegattenals Betriebsausgaben und die tatsächliche zeitnahe Entrichtung vonLohnsteuer ist ein starkes Indiz für eine abhängige Beschäftigung.Lohnsteuerpflicht und Beitragspflicht in der Sozialversicherungberuhen auf dem gleichen Rechtsbegriff des„entgeltlichen“ Beschäftigungsverhältnisses. Wesentlichfür das Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses ist deshalb dieArt der Verbuchung und Versteuerung der Bezüge der Verwandten.Werden die Bezüge nicht als Privatentnahmen, sondern alsBetriebsausgaben verbucht und lohnversteuert, so haben dieBeteiligten damit für den Bereich des Steuerrechts eindeutig zumAusdruck gebracht, dass sie ihre Beziehungen auf die Grundlageeines entgeltlichen Beschäftigungsverhältnisses gestellt haben.Wird steuerrechtlich von einem Arbeitsverhältnis ausgegangen, sowird regelmäßig auch für den Bereich der Sozialversicherung voneinem versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis ausgegangenwerden können (vgl. BSG, Urteil vom 21.04.1993 – B 11 RAr67/92 – USK 9335).

Ist nach den äußeren Erscheinungsformen von einemversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis auszugehen, solässt sich dies auch nicht mehr durch Aussagen der Beteiligten überdas angebliche Fehlen der Weisungsgebundenheit des mitarbeitendenAngehörigen ausräumen. Weisungsgebundenheit kann beiBeschäftigungen von Verwandten naturgemäß in sehr abgeschwächterForm auftreten und ist wegen der Undurchsichtigkeit der familiärenBeziehungen ohnehin kaum messbar.

Schließlich ist die Klägerin, wie das Sozialgericht zutreffenddargelegt hat, auch nicht am Unternehmensrisiko der Einzelfirmaihres Ehemannes beteiligt. Maßgebendes Kriterium für ein solchesRisiko ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auchmit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg desEinsatzes der sächlichen und persönlichen Mittel also ungewiss ist(vgl. BSG, Urteil vom 28. 05. 2008 – B 12 KR 13/07 R). DieKlägerin ist nicht rechtsförmlich am Unternehmen ihres Ehemannesbeteiligt. Es kommt hinzu, dass die Klägerin weder in den im Jahre2000 mit der Firma X. AG abgeschlossenenTankstellen-Verwaltungsvertrag noch im Rahmen der Übernahme einerzweiten Tankstelle in M-Stadt durch den Beigeladenen zu 1. im Jahre2003 in die Rechtsbeziehungen mit der Firma X. einbezogen wurde.Weiter gilt, wie das Sozialgericht bereits ausgeführt hat, dass esdem Ehemann der Klägerin laut dem Tankstellen-Verwaltungsvertragausdrücklich untersagt ist, die Verwaltung oder die ihm obliegendenLeistungen und Verpflichtungen auf Dritte zu übertragen. Auch nachden von der Beklagten eingeholten Auskünften aus demGewerberegister der Stadt U. und der Stadt M. ist lediglich derEhemann der Klägerin dort als Gewerbetreibender gemeldet. Auchreicht allein die Gewährung eines Darlehens bzw. die Übernahmeeiner Bürgschaft unter Eheleuten nicht aus, um eine nach außen hindurchweg als versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnisdokumentierte Tätigkeit eines Ehegatten im Betriebe des anderenEhegatten als unternehmerische Tätigkeit einzustufen. Durch dieGewährung eines Darlehens bzw. die Übernahme einer Bürgschaftenthält der Darlehensgeber keine Befugnisse, die Geschicke desBetriebes zu beeinflussen. Hieraus entsteht auch keinBetriebsrisiko, denn die Tragung dieser Risiken findet ihreRechtfertigung in den zugrundeliegenden ehelichen Beziehungen.Eheleute haben in der Regel ein gesteigertes beiderseitigesInteresse am wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens eines derEhegatten. Zudem werden selbstschuldnerische Bürgschaftenüblicherweise von Kreditinstituten bei der Kreditgewährung anverheiratete Schuldner verlangt. In diesem Zusammenhang hat dasSozialgericht auch zutreffend ausgeführt, dass der mit derSparkasse G-Stadt am 29.01.2001 abgeschlossene Kreditvertrag einen„Allzweck-Kredit“ betreffe, der zugunsten der Klägerinund ihres Ehemannes laufe, also zur freien Verfügung beider stehe.Auch hat die Vorinstanz zutreffend aus dem Umstand, dass nachAngaben der Klägerin und ihres Ehemannes über die Gewinne derTankstelle gemeinsam beraten und beschlossen wird, keineSchlussfolgerungen hergeleitet, die gegen die Annahme einesabhängigen Beschäftigungsverhältnisses sprächen. In bestehendenEhen ist es üblich, Entscheidungen in wichtigen finanziellenAngelegenheiten gemeinsam zu treffen. Dies hat der Beigeladene zu1. letztlich auch so zum Ausdruck gebracht.

Zusammenfassend überwiegen somit die Anhaltspunkte, die für eineabhängige Beschäftigung sprechen bei Weitem. Auch der Senat ist,wie das Bayrische Landessozialgericht in seinen Urteilen vom11.12.2008 (L 4 KR 97/08 und L 4 KR 55/07) der Auffassung, dass nurin extremen Fällen rückwirkend in ein jahrelang von den Beteiligtengewolltes und gelebtes Sozialversicherungsverhältnis eingegriffenwerden kann und dieses rückabgewickelt werden kann. SolcheExtremfälle wären gegeben im Falle der Praktizierung einesSozialversicherungsverhältnisses trotz offensichtlicherschwerwiegender Fehler, Umgereimtheiten oder im Falle derErschleichung eines Versicherungsschutzes. Danach müssen klareBeweise vorliegen, um ein Sozialversicherungsverhältnis bei derBeschäftigung unter Angehörigen rückabzuwickeln. Dies gilt vorallem dann, wenn die Beschäftigung von allen Beteiligten gebilligtund diese auch steuerlich und in sonstiger Weise alsArbeitsverhältnis behandelt wurde. Der Eintritt eines„Sinneswandels“, weil nunmehr für in der Vergangenheitliegende Zeiten die familienhafte Mithilfe oder eineMitunternehmerschaft mit der Folge der Beitragserstattungattraktiver zu sein scheint, vermag eine Rückabwicklung nicht zurechtfertigen. Auch der Gesetzgeber hat dem Rechnung getragen indemer § 26 Abs. 1 SGB IV einen neuen Satz 3 anfügte (geschehen durchArt. 1 Nr. 14 des Gesetzes zur Änderung des Vierten BuchesSozialgesetzbuch und andere Gesetze vom 19.12.2007, BGBl. I, 2007,3024) und damit generell die Rückerstattung zu Unrecht entrichteterRentenversicherungsbeiträge einschränkte. Die Neuregelung besagt,dass zu Unrecht entrichtete Beiträge zur GesetzlichenRentenversicherung nach Ablauf der Verjährungsfrist nach § 27 Abs.2 Satz 1 SGB IV als zu Recht entrichtete Pflichtbeiträge gelten.Diese bleiben damit erhalten, können jedoch nicht erstattet werden(vgl. Juris PK SGB IV, § 7 Rdziff. 162.1, Stand 12.10.2009). DieNeuregelung gilt ab dem 01.01.2008.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Aufgrund desUnterliegens der Klägerin sind dieser keine Kosten zuerstatten.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160Abs. 2 SGG).