OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 21.01.2010 - 3 Ws 1072/09
Fundstelle
openJur 2012, 32591
  • Rkr:
Tenor

Der angefochtene Beschluss – mit Ausnahme der Festsetzung des Gegenstandswertes und der Bewilligung von Prozesskostenhilfe - wird aufgehoben und der Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens hat der Antragssteller zu tragen.

Der Gegenstandswert wird auch für das Rechtsbeschwerdeverfahren auf  500.- € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller verbüßt in der JVA … eine mehrjährige Haftstrafe wegen räuberischer Erpressung. Er beantragte am 07.04.2009 beim zuständigen Bereichsleiter die Aushändigung von ihm bei der Firma … bestellter DVDs mit pornographischem Inhalt. Dies wurde von der JVA unter Berufung auf den Erlass des HMdJ vom 12.02.2009, der sich auf den Beschluss des Senats vom 01.04.2008 (3 Ws 72/08) bezieht, abgelehnt.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer die JVA … verpflichtet, dem Antragssteller die bestellten DVDs auszuhändigen, obwohl diese nicht mit einer Freigabe der Freiwilligen Selbstkontrolle der Filmwirtschaft (FSK) versehen sind. Die Strafvollstreckungskammer ist der Auffassung, eine FSK -Freigabe sei kein geeignetes Versagenskriterium, da der Versandhandel DVDs mit pornographischem Inhalt der Prüfstelle überhaupt nicht vorlegen würde. Diese würden nicht kontrolliert, da das Gesetz die Abgabe nur an Erwachsene zulasse. Der Versandhändler müsse garantieren, dass er derartige DVDs nicht an Personen unter 18 Jahre abgebe.

Hiergegen wendet sich der Beschwerdeführer mit der form- und fristgerecht eingelegten und ebenso begründeten Rechtsbeschwerde, mit der die Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

Die Rechtsbeschwerde ist zulässig, da die Nachprüfung der angefochtenen Entscheidung zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich ist (§ 116 Abs. 1 StVollzG).

Sie hat auch in der Sache Erfolg.

Nach § 70 Abs. 1 StVollzG darf ein Gefangener Bücher und andere Gegenstände zur Freizeitbeschäftigung besitzen, es sei denn, das Vollzugsziel oder die Sicherheit oder Ordnung der Anstalt würden dadurch gefährdet, § 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG. Dabei reicht es aus, wenn der fragliche Gegenstand generell-abstrakt geeignet ist, Vollzugsziel und Sicherheit und Ordnung der Anstalt zu gefährden und diese Gefährdung nur mit einem der Anstalt nicht mehr zumutbaren Kontrollaufwand ausgeschlossen werden kann (BVerfG, NJW 2003, S. 2447). Der Besitz von DVDs mit pornographischen Inhalten ist angesichts der sexuellen Ausnahmesituation der zum Teil auch wegen Sexualdelikten oder sexuell motivierter Gewalttaten Inhaftierten und des Umstandes, dass ein Austausch von DVDs zwischen den Gefangenen nicht verhindert werden kann, generell geeignet, zu einer Gefährdung sowohl der Vollzugsziele als auch der Sicherheit und Ordnung der Justizvollzugsanstalt im Sinne von 70 Abs. 2 Nr. 2 StVollzG zu führen. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats, dass dieser Gefahr durch zumutbare Maßnahmen wie den ausschließlichen Bezug von DVDs, die von der FSK ab 18 Jahren freigegeben worden sind, über ein ausgesuchtes Versandhandelsunternehmen, einer Mengenbegrenzung für ihren Besitz und durch ihre Siegelung begegnet werden kann (vergl. Beschlüsse vom 01.04.2008, 3 Ws 72/08; vom 15.03.2007, 3 Ws 44/07; vom 26.01.2005, 3 Ws 1322-1323/04).

Mit Beschluss vom 01.04.2008 (3 Ws 72/08) hat der Senat zudem entschieden, dass bereits das Fehlen der FSK-18 Freigabe als Grund ausreicht, den Bezug einer DVD zu versagen. An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Es ist einer JVA nicht zuzumuten, alle DVDs eigenständig umfassend zu kontrollieren, so dass es nicht zu beanstanden ist, wenn die JVA bei der Prüfung einer etwaigen Gefährdung der Sicherheit und Ordnung der Anstalt auf die Sachkompetenz der FSK und deren Entscheidung zurückgreift. Soweit diese Rechtsprechung zur Folge hat, dass der Bezug bestimmter DVDs mit pornographischem Inhalt nicht mehr möglich ist, weil diese nicht für eine Abgabe an Minderjährige oder eine öffentliche Vorführung bestimmt sind und aus diesem Grund der Prüfstelle nicht vorgelegt werden und daher auch keine Freigabe erhalten, hat der Gefangene dies im Interesse einer effektiven Kontrolle hinzunehmen. Er kann eben nur solche DVDs beziehen, die geprüft werden, da das Label an die Stelle der an sich gebotenen, aber wegen des Zeitaufwands unzumutbaren Inhaltskontrolle durch die Anstalt tritt. Es verbleibt ihm auch in diesem Fall ein ausreichendes Angebot an DVDs mit erotisch-sexuellem Inhalt (so im Ergebnis auch OLG Hamburg, Beschluss vom 25.06.2008, 3 Ws 43/08, ebenso OLG Brandenburg, Beschluss vom 26.02.2008, 1 Ws 1/08; OLG Celle, Beschluss vom 09.05.2006, 1 Ws 157/06, das auch die Versagung von DVDs mit FSK-18 Freigabe für nicht zu beanstanden hält).

Da die Sache spruchreif ist, konnte der Senat nach § 119 Abs. 4 S. 2 StVollzG an Stelle der Strafvollstreckungskammer entscheiden und den Antrag des Gefangenen auf gerichtliche Entscheidung zurückweisen.

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen folgt aus § 121 Abs. 2 S. 1, Abs. 4 StVollzG i.V.m. § 473 Abs. 1 StPO; die Festsetzung des Gegenstandswertes beruht auf §§ 60, 52 Abs. 1 GKG.