OLG Celle, Urteil vom 23.12.2008 - 14 U 108/08
Fundstelle
openJur 2009, 14
  • Rkr:
Verfahrensgang
  • vorher: Az. 9 O 346/07
Rubrum

Oberlandesgericht Celle

Im Namen des Volkes

Urteil

In dem Rechtsstreit

I. GmbH, vertreten durch die Geschäftsführer ...,

Klägerin und Berufungsklägerin,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...,

gegen

Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesministerium für

Verteidigung, dieses vertreten durch die Oberfinanzdirektion H., ...,

Beklagte und Berufungsbeklagte,

Prozessbevollmächtigte:

Rechtsanwälte ...,

hat der 14. Zivilsenat des Oberlandesgerichts Celle auf die mündliche Verhandlung vom 2. Dezember 2008 durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht ..., die Richterin am Oberlandesgericht ... und den Richter am Oberlandesgericht ... für Recht erkannt:

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das am 30. Mai 2008 verkündete Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Hannover wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des 1,1fachen des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des 1,1fachen des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird zugelassen.

Gründe

A.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Zahlung restlichen Werklohns aufgrund zweier Bauverträge (Bauvorhaben S.kaserne und J.kaserne in B.). Die Parteien streiten (im Berufungsverfahren nur noch) um die Berechtigung einer demgegenüber von der Beklagten mit Schreiben vom 3. Juli 2007 (Anlage K 1, Bl. 11 d. A.) erklärten Aufrechnung in Höhe von 131.951,32 EUR mit einem entsprechenden Teilbetrag des Bundesanteils an den Steuerrückständen der Klägerin aus der Umsatzsteuer für die Jahre 2005 und 2006.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen. Dieser ist insoweit klarzustellen, dass die Beklagte ihre Aufrechnung gegen denjenigen Teil der Werklohnforderungen der Klägerin gerichtet hat, die sich auf von der Klägerin erbrachte Bauleistungen aus der Zeit vor Insolvenzeröffnung beziehen.

Das Landgericht hat mit seinem am 30. Mai 2008 verkündeten Urteil, auf das der Senat auch zur weiteren Sachdarstellung verweist, der Klägerin lediglich einen Teil der geltend gemachten Zinsforderung (nämlich jeweils Verzugszinsen bis zum Zeitpunkt zweier auf die Rechnung vom 27. Dezember 2006 geleisteter Teilzahlungen von 50.000 und 15.000 EUR) zugesprochen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Hierzu hat das Landgericht ausgeführt: Die Aufrechnung der Beklagten sei wirksam. Der rechtskräftige Insolvenzplan habe nach § 94 InsO das im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsrecht der Beklagten nicht berührt. Die Beklagte sei insoweit nicht auf die im Plan festgelegte Insolvenzquote beschränkt. Denn § 94 InsO sei nach seinem Wortlaut, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck der Vorschrift dahingehend auszulegen, dass eine Aufrechnung - zeitlich unbegrenzt - möglich sei, sofern nur bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Aufrechnungsrecht bestanden habe. Der Beklagten könne auch weder entgegengehalten werden, dass sie es versäumt habe, gemäß § 251 InsO die Versagung der Bestätigung des Insolvenzplanes zu beantragen, noch dass ihr Verhalten - die Erteilung der Zustimmung zum Insolvenzplan - als Verzicht auf das Recht zur Aufrechnung oder gar als sittenwidriges Verhalten qualifiziert werden müsse.

Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie anfangs ihre Werklohnforderungen in Höhe von 131.951,32 EUR nebst Verzugszinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Juli 2007 weiterverfolgt hat. Sie hält die Aufrechnung der Beklagten mit den Umsatzsteuerforderungen für die Jahre 2005 und 2006 für unzulässig, jedenfalls für treuwidrig. Das Landgericht habe die Wirkungen des bestätigten Insolvenzplanes und das Verhältnis der §§ 254 ff. InsO zur Vorschrift des § 94 InsO verkannt. Aufgrund der Bindungswirkung des bestätigten Insolvenzplanes müsse die Beklagte dessen gestaltende Wirkung insgesamt gegen sich gelten lassen. Die in dem Plan getroffene Erlassregelung erfasse auch die Erfüllungswirkungen der Aufrechnung. Denn ein Insolvenzplan solle nach seinem Sinn und Zweck gerade dazu dienen, die Insolvenzforderungen der Gläubiger einer abschließenden Entscheidung über ihr Schicksal zuzuführen. Eine Aufrechnung könne deshalb nur dann Berücksichtigung finden, wenn der Insolvenzgläubiger sie bis zum Abstimmungstermin über den Insolvenzplan erkläre oder der Gläubiger sich dem Insolvenzplanvorhaben im Wege eines Widerspruchs nach § 251 InsO widersetze.

Im vorliegenden Fall komme außerdem noch hinzu, dass die Beklagte schon nach Treu und Glauben gemäß § 242 BGB gehalten sei, ihre in den Insolvenzplan einbezogenen Gegenforderungen nicht gegen die Werklohnforderungen der Klägerin aufzurechnen. Das ergebe sich daraus, dass die Vertreterin des Finanzamts Hannover Land II für die Beklagte bindend dem Insolvenzplan im Abstimmungstermin ausdrücklich ihre Zustimmung erteilt und sich so mit der Einbeziehung der angemeldeten Steuerforderungen einverstanden gezeigt habe.

Die Beklagte (wie auch das Landgericht) verkenne im Übrigen die im Erlass des Bundesministeriums der Finanzen vom 17. Dezember 1998 (BStBl. I S. 1500) unter Abschnitt 9.3 zutreffend dargestellte Rechtslage, wonach Abgabenforderungen nach Annahme eines Insolvenzplanes nur noch unvollkommene Forderungen seien, die forthin einem Aufrechnungsverbot unterlägen (vgl. Anlage K 10, Bl. 161 f. d. A. = Anlage B 13, Bl. 174 ff. d. A.).

Schließlich könne sich im vorliegenden Fall die Beklagte unabhängig davon bereits deshalb nicht auf einen Erhalt der Aufrechnungslage nach § 94 InsO berufen, weil die konkret geltend gemachten Umsatzsteuerverbindlichkeiten erst nach den Werklohnforderungen fällig geworden seien, sodass hier ein Aufrechnungsverbot gemäß § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO bestehe. Denn die Umsatzsteuerverbindlichkeiten seien erst infolge der Festsetzung durch das Finanzamt Hannover Land II am 16. August 2007 fällig geworden, wie sich aus § 220 Abs. 2 Satz 2 AO ergebe.

Nachdem die Beklagte im Verlauf des Berufungsverfahrens mit Schriftsatz vom 14. November 2008 (Bl. 260/261 d. A.) hilfsweise die Aufrechnung gegenüber

der mit der Berufung weiterverfolgten Klagforderung von 131.951,32 EUR mit einem gleich hohen, nach Grund und Höhe unstreitigen erstrangigen Teilbetrag des Bundesanteils der Umsatzsteuer für die Monate Juni bis August 2008 erklärt hat, hat die Klägerin ihrerseits den Rechtsstreit in der Hauptsache einschließlich der Zinsnebenforderung für erledigt erklärt.

Sie beantragt nunmehr,

festzustellen, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt in erster Linie das angefochtene Urteil und widerspricht im Hinblick darauf einer Erledigung. Nach ihrer Auffassung könne die Zustimmung eines Insolvenzgläubigers zum Insolvenzplan nicht dahingehend verstanden werden, dass damit eine bereits bei Insolvenzeröffnung begründete Aufrechnungslage aufgegeben werde. Die von der Klägerin zitierten Literaturstellen beträfen - ebenso wie der Beschluss des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2007 (IX ZB 204/05 - ZIP 2007, 923) - lediglich die (gänzlich anders gelagerte) Konstellation, wonach der Insolvenzgläubiger nach Durchführung des Planverfahrens nicht mit später entstehenden Forderungen des Schuldners aufrechnen könne. Entgegen der Darstellung der Klägerin stehe § 94 InsO auch nicht im Widerspruch zu § 254 Abs. 1 InsO. Denn die letztgenannte Bestimmung werde durch die Regelung in Abs. 2 dieser Vorschrift eingeschränkt. Dort sei zwar die Aufrechnungsbefugnis nicht ausdrücklich genannt. Insoweit müsse aber ein „ErstRechtSchluss“ gezogen werden, sodass die Aufrechnungsbefugnis - ebenso wie die anderen in § 254 Abs. 2 InsO genannten Rechtspositionen - unbeschadet der Wirkungen des Insolvenzplans erhalten bleibe.

Zudem sprächen auch rechtsdogmatische Gründe für das Auslegungsergebnis des Landgerichts. Denn die Erklärung der Aufrechnung wirke gemäß § 389 BGB zeitlich zurück auf den Zeitpunkt, in dem die wechselseitigen Forderungen sich aufrechenbar gegenüber gestanden hätten. Dies sei im vorliegenden Fall der Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung. Die Umsatzsteuerforderung der Beklagten sei aber zu diesem Zeitpunkt noch eine vollwirksame Forderung gewesen. eine unvollkommene Forderung sei - folge man der Rechtsauffassung der Klägerin - nämlich erst mit der Rechtskraft des Insolvenzplanes entstanden.

Aus alledem folge zugleich, dass die Aufrechnung auch nicht gemäß § 242 BGB treuwidrig sei. Vielmehr sei es Sache der Klägerin gewesen, im Hinblick auf die

für sie bzw. den Planaufsteller erkennbar bestehende Aufrechnungslage eine Einigung mit der Beklagten zu erzielen.

Entgegen dem Berufungsvorbringen scheitere die Wirksamkeit der Aufrechnung nicht an § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (VII R 45/03) sei die Umsatzsteuer für den Veranlagungszeitraum 2006 wegen der Insolvenzeröffnung gemäß § 220 Abs. 2 Satz 1 AO spätestens mit Ablauf des Veranlagungszeitraums am 31. Dezember 2006 fällig geworden. Dementsprechend sei der Umsatzsteuerbescheid des Finanzamtes Hannover Land II aus August 2007 hier lediglich rein deklaratorischer Natur.

Für den Fall, dass der Senat ihre Rechtsauffassung nicht teile und der rechtlichen Bewertung in der Berufungsbegründung der Klägerin folgen wolle, beruft sich die Beklagte außerdem auf ihre mit dem Schriftsatz vom 14. November 2008 erklärte Hilfsaufrechnung.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach und Streitstandes wird auf den vorgetragenen Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie das Sitzungsprotokoll vom 2. Dezember 2008 (Bl. 291 f. d. A.) Bezug genommen.

B.

I.

Die Berufung der Klägerin bleibt ohne Erfolg. Das Landgericht hat ohne Rechtsfehler die Klage in Höhe von 131.951,32 EUR nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 4. Juli 2007 abgewiesen, weil die betreffende Werklohnforderung der Klägerin gemäß § 389 BGB durch die wirksame Aufrechnung der Beklagten vom 3. Juli 2007 erloschen ist. Damit war über die von der Beklagten im Berufungsverfahren mit Schriftsatz vom 14. November 2008 erklärte Hilfsaufrechnung nicht zu entscheiden, weshalb auch die von der Klägerin zuletzt begehrte Feststellung der Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache nicht in Betracht kam. Denn die Klage war von Anfang an unbegründet.

1. Bis zu dem Abstimmungstermin über den Insolvenzplan am 26. Februar 2007 war die Beklagte zur Aufrechnung mit den von ihr zu dem am 29. Dezember 2006 eröffneten Insolvenzverfahren angemeldeten Umsatzsteuerforderungen berechtigt. Die Aufrechnung war entgegen dem Berufungsvorbringen der Klägerin nicht durch § 95 Abs. 1 Satz 3 InsO ausgeschlossen. Denn das setzt voraus, dass die Forderung, gegen die aufgerechnet werden soll (hier also die Werklohnforderungen der Klägerin), unbedingt und fällig wird, bevor die Aufrechnung erfolgen kann. Im vorliegenden Fall ist jedoch die Umsatzsteuerforderung der Beklagten bereits vor Fälligkeit der Werklohnforderungen der Klägerin ihrerseits fällig geworden. Denn nach der von der Beklagten zutreffend zitierten Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BB 2004, 1546) kann im Insolvenzverfahren mit Steuerforderungen aufgerechnet werden, die - wie hier - vor Verfahrenseröffnung entstanden sind, ohne dass es deren vorheriger Festsetzung, Feststellung oder Anmeldung zur Insolvenztabelle bedarf. Der Bundesfinanzhof hat in der zitierten Entscheidung ausgeführt, dass im Falle einer Insolvenzeröffnung die Einschränkung des § 220 Abs. 2 Satz 2 AO (Eintreten der Fälligkeit erst mit Bekanntgabe der Steuerfestsetzung) nicht Platz greift, weil das Finanzamt nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch § 87 InsO gehindert ist, seine Forderungen durch Steuerbescheid festzusetzen. In einem solchen Fall richtet sich die Fälligkeit der Steuerforderung nach der Grundregel des § 220 Abs. 2 Satz 1 AO, wonach der Anspruch bei Fehlen einer anderweitigen gesetzlichen Regelung mit seiner Entstehung fällig wird. Der Bundesfinanzhof hat daraus abgeleitet (BB 2004, 1546 - jurisRdnr. 17), dass im Falle der Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerzahlers die in diesem Zeitpunkt entstandenen Steuerforderungen fällig werden, ohne dass es dafür ihrer Festsetzung oder Feststellung durch Verwaltungsakt bedürfe. Dass im vorliegenden Fall spezielle steuergesetzliche Fälligkeitsbestimmungen zu einem anderen Ergebnis führen könnten, hat

die Klägerin weder vorgetragen noch ist dies ansonsten ersichtlich. Nachdem der Anspruch auf Umsatzsteuervorauszahlungen mit dem Ende des letzten Tages

des maßgeblichen Voranmeldungszeitraumes entsteht (vgl. BFH, a. a. O. - jurisRdnr. 13 a. E.), erweist sich demnach die Rechtsauffassung der Beklagten als zutreffend, dass ihre Aufrechnungsforderung hier spätestens mit Ablauf des 31. Dezember 2006 fällig geworden ist.

Demgegenüber ist die Werklohnforderung der Klägerin nach der Regelung in § 16 Nr. 3 der von den Parteien unstreitig dem Bauvertrag zugrunde gelegten VOB/B erst zwei Monate nach Zugang der jeweiligen Schlussrechnungen, also im Verlauf der Monate Januar und Februar 2007, fällig geworden (denn die Rechnungen stammen vom 8. November, 6. November und 27. Dezember 2006).

Das Landgericht ist deshalb im Ergebnis zutreffend von einer im Insolvenzverfahren zugunsten der Beklagten bestehenden Aufrechnungslage ausgegangen.

2. Das angefochtene Urteil hält den Berufungsangriffen der Klägerin auch insoweit stand, als das Landgericht angenommen hat, die Wirkungen des rechtskräftig gewordenen Insolvenzplanes stünden der erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens mit Schreiben vom 3. Juli 2007 erklärten Aufrechnung der Beklagten hier nicht entgegen.

a) Die Vorschriften der §§ 94, 254 InsO sind nach Auffassung des Senates dahingehend auszulegen, dass eine durch § 94 InsO gesicherte Aufrechnungsbefugnis eines Gläubigers auch durch einen Insolvenzplan nicht beseitigt werden kann.

Nach § 94 InsO wird das Recht eines Insolvenzgläubigers, der zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens zur Aufrechnung berechtigt ist, durch das Verfahren nicht berührt. Eine bereits begründete Aufrechnungslage bleibt also erhalten. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers auch gegenüber einem rechtskräftigen Insolvenzplan gelten. In der Begründung zu § 106 des Regierungsentwurfs der Insolvenzordnung (der - bis auf die spätere zusätzliche Einbeziehung von Aufrechnungsvereinbarungen - mit § 94 InsO wortgleich ist) heißt es insoweit (BTDrs. 12/2443, S. 140): „Die Formulierung der neuen Vorschrift bringt zusätzlich zum Ausdruck, dass auch der weitere Ablauf des Verfahrens, insbesondere die Annahme und Bestätigung eines Sanierungsplans, die Befugnis zur Aufrechnung nicht beeinträchtigen kann (vgl. § 54 Satz 2 VerglO). Eine erworbene Aufrechnungsbefugnis ist eine gesicherte Rechtstellung, die auch im Insolvenzverfahren uneingeschränkt anerkannt wird.“ Die in der Gesetzesbegründung ausdrücklich in Bezug genommene Vorgängervorschrift des § 54 Satz 2 VerglO lautet wie folgt: „Soweit die Aufrechnung hiernach statthaft ist, wird die Befugnis hierzu durch die Wirkungen des Vergleichs nicht berührt.“ Diese Bestimmung war vom Bundesgerichtshof (vgl. NJW 1983, 1119 - jurisRdnr. 11 f.) dahingehend ausgelegt worden, dass der Insolvenzgläubiger selbst nach Vergleichsbestätigung ungeachtet einer Stundungs und Erlasswirkung des Vergleiches berechtigt blieb, mit der gesamten Forderung in ihrer ursprünglichen Höhe weiter aufzurechnen. Lediglich die sich nach § 54 Satz 1, 2. Halbsatz der Vergleichsordnung aus den darin in Bezug genommenen Vorschriften der §§ 54, 55 KO ergebenden Einschränkungen für die Zulässigkeit der Aufrechnung könnten zu einer Beschränkung der Aufrechnung mit dem die Vergleichsquote des Gläubigers übersteigenden Teil seiner Forderung führen.

Der Gesetzgeber hat demnach eindeutig zum Ausdruck gebracht, dass er an der früher ausdrücklich in § 54 Satz 2 VerglO geregelten fortbestehenden Aufrechnungsbefugnis des Insolvenzgläubigers ungeachtet eventueller Erlassregelungen in einem Sanierungsplan für das neue Recht weiterhin festhalten wollte. Dieses Ergebnis der historischen Auslegung ist auch vom Gesetzeswortlaut gedeckt. Denn wenn eine zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bestehende Aufrechnungsbefugnis „durch das Verfahren nicht berührt“ werden soll, kann dies durchaus dahingehend ausgelegt werden, dass dem auch ein in einem Insolvenzplan vorgesehener Forderungs(teil)erlass nicht entgegensteht. Dann bezieht sich die aus § 254 Abs. 1 Sätze 1, 3 InsO folgende Erlasswirkung des Insolvenzplanes nur auf künftig entstehende Aufrechnungslagen.

Dieser Auslegung stehen weder der Wortlaut von § 254 InsO noch der Sinn

und Zweck des Insolvenzplanverfahrens entgegen. Der Eintritt der in § 254 Abs. 1 InsO festgeschriebenen Rechtswirkungen setzt voraus, dass eine planunterworfene Rechtsposition betroffen ist. Hierunter fällt jedoch unter Berücksichtigung der Regelung in § 94 InsO eine bereits bei Insolvenzeröffnung begründete Aufrechnungsbefugnis nicht. Das korrespondiert auch mit § 217 InsO. Diese Bestimmung legt fest, inwieweit bei der Plangestaltung eine Abweichung von Vorschriften der Insolvenzordnung möglich ist. § 217 InsO stellt indessen § 94 InsO nicht zur Disposition.

Entgegen der Ansicht der Klägerin spricht auch der Sinn und Zweck des Insolvenzplanverfahrens nicht gegen die vorstehende Gesetzesauslegung. Zwar können der Planzweck und die Planerfüllung gefährdet werden, wenn dem Schuldner vermeintlich freie Geldmittel aus Forderungen gegen einen Insolvenzgläubiger im Ergebnis nicht zur Verfügung stehen, weil sich der Gläubiger bei Aufforderung zur Zahlung nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens auf die bereits bei Insolvenzeröffnung bestehende Aufrechnungslage beruft und nunmehr die Aufrechnung erklärt. Das ist aber lediglich die Folge einer Fehlbeurteilung der Rechtslage durch den Planaufsteller, der es versäumt hat, die fortbestehende Aufrechnungsmöglichkeit des Insolvenzgläubigers von vornherein in seine Überlegungen mit einzubeziehen. Insoweit hat sich keine Änderung gegenüber der früheren Rechtslage unter Geltung der Vergleichsordnung ergeben, bei der in einem solchen Fall ebenfalls der vom Gesetzgeber mit dem gerichtlichen Vergleichsverfahren bezweckte Sanierungserfolg gefährdet gewesen wäre. Deshalb trägt das in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgebrachte Argument der Klägerin nicht, eine Auslegung des § 94 InsO im Sinne des § 54 Satz 2 VerglO komme wegen des vom Gesetzgeber mit der Einführung des Insolvenzplanverfahrens verfolgten Sanierungszwecks nicht in Betracht. Im Übrigen war auch im Regierungsentwurf der Insolvenzordnung bereits das Insolvenzplanverfahren vorgesehen, sodass davon ausgegangen werden muss, dass dem Gesetzgeber die möglichen plangefährdenden Auswirkungen der von ihm gewollten und über die offene Formulierung von § 94 InsO auch im Gesetzeswortlaut hinreichend zum Ausdruck gebrachten inhaltlichen Fortgeltung der früheren Regelung des § 54 Satz 2 VerglO durchaus bewusst waren. diese Auswirkungen sind deshalb nicht geeignet, eine dem in der Gesetzesbegründung klar zum Ausdruck gebrachten Willen des Gesetzgebers widersprechende Auslegung des § 94 InsO zu rechtfertigen.

Die von der Klägerin im Rechtsstreit angeführte Entscheidung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs vom 29. März 2007 (ZIP 2007, 923) steht ebenfalls einer Auslegung des § 94 InsO im Sinne der Gesetzesbegründung zu § 106 RegEInsO nicht entgegen. Denn der Bundesgerichtshof hatte über einen Fall zu entscheiden, der eine erst nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens begründete Aufrechnungslage betraf. Er hat insoweit ausgeführt, bei einem im Insolvenzplan vorgesehenen vollständigen und unbedingten Erlass der zur Tabelle festgestellten Forderungen sei eine spätere Aufrechnung gegen nach Bestätigung des Insolvenzplans neu entstandene Forderungen des Schuldners schon wegen Fehlens einer aufrechenbaren Forderung ausgeschlossen. Die genannte Entscheidung präjudiziert somit nicht die Beurteilung der vom erkennenden Senat zu entscheidenden Frage, wie sich die Bestätigung des Insolvenzplans auf eine schon während des Insolvenzverfahrens bestehende und zunächst durch § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnis auswirkt.

Auch die insolvenzrechtliche Literatur stützt insoweit überwiegend die auf eine historische Gesetzesauslegung gegründete Rechtsauffassung des Landgerichts und des erkennenden Senats (vgl. namentlich Jaeger, Insolvenzordnung, 1. Aufl. 2007, § 94 Rdnr. 21. Häsemeyer, Insolvenzrecht, 3. Aufl. 2003, Rdnr. 19.32.

Kübler/Prütting, Kommentar zur Insolvenzordnung, Loseblattsammlung, Stand: August 2008, § 254 Rdnr. 16 [mit anderer Tendenz hingegen bei § 94 Rdnr. 91 bis 94]. Eickmann in Heidelberger Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 94 Rdnr. 18. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 4. Aufl. 2006, § 94 Rdnr. 2. Uhlenbruck, Kommentar zur Insolvenzordnung, 12. Aufl. 2003, § 94 Rdnr. 1, 40 und 52). Ein Aufrechnungsverbot durch den bestätigten Insolvenzplan bejahen demgegenüber lediglich Gottwald (Insolvenzrechtshandbuch, 3. Aufl. 2006, § 70 Rdnr. 20 und Loose in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO,

Loseblattsammlung, 116. Lieferung. Stand: September 2008, § 251 Rdnr. 116 unter Hinweis auf den auch von den Parteien zitierten Erlass des Bundesministeriums der Finanzen). In den zuletzt genannten Literaturstellen fehlt jedoch jegliche Auseinandersetzung mit der abweichenden Gesetzesbegründung und der Problematik insgesamt. Insbesondere wird daraus mangels dahingehender Erörterungen nicht deutlich, ob sich das von den betreffenden Autoren angenommene Aufrechnungsverbot auch auf von § 94 InsO geschützte Aufrechnungslagen oder aber nur auf erst später entstehende Forderungen des vormaligen Insolvenzschuldners beziehen soll.

Die sich über den Willen des Gesetzgebers hinwegsetzende Gegenansicht würde im Übrigen einem Insolvenzgläubiger aufnötigen, vorsorglich im Falle eines Insolvenzplanverfahrens die Aufrechnung selbst dann erklären zu müssen, wenn aus seiner Sicht die Hauptforderung des Schuldners in der Sache gar nicht begründet ist. Würde dadurch die aufgerechnete Gegenforderung voll verbraucht, könnte sie vom Insolvenzgläubiger dann auch nicht mehr mit der ihm sonst zustehenden Quote in den Insolvenzplan eingestellt werden. Dies stützt ebenfalls die auf eine historische Auslegung gestützte Ansicht des Senats, dass der Insolvenzplan nach § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnisse nicht berührt.

b) Vor dem Hintergrund der Gesetzeslage, wie sie sich nach den vorstehenden Ausführungen aus Sicht des Senats darstellt, kann auch die durch das

Finanzamt HannoverLand II erklärte Zustimmung zu dem Insolvenzplan vom 26. Februar 2007 nicht im Sinne eines weitergehenden Verzichts auf die Rechte aus der bereits bei Insolvenzeröffnung begründeten Aufrechnungsbefugnis ausgelegt werden. Denn es sind weder Umstände vorgetragen noch sonst ersichtlich, die auf einen dahingehenden Erklärungswillen deuten würden. Zur Ermittlung des rechtlich maßgeblichen Sinns der im Rahmen der Abstimmung über den vorgeschlagenen Insolvenzplan vom Finanzamt abgegebenen Willenserklärung können die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die die Wirkungen eines Insolvenzplans regeln, nicht außer Betracht bleiben. Solange keine anderen Anhaltspunkte vorliegen, kann der Schuldner die Zustimmung eines Insolvenzgläubigers zum Insolvenzplan nach Treu und Glauben aus objektivierter Empfängersicht (vgl. §§ 133, 157 BGB) nur so verstehen, dass der Gläubiger mit seiner Erklärung diejenigen Wirkungen des Insolvenzplans gegen sich gelten lassen will, wie sie nach dem Inhalt der im Plan getroffenen Regelungen und im Übrigen aufgrund der Vorgaben des Gesetzes eintreten sollen. Der hier geltende Insolvenzplan sieht in seinem gestaltenden Teil einen quotalen Erlass der Forderungen der Absonderungsberechtigten und nicht nachrangigen Insolvenzgläubiger gemäß einem dem Plan

als Anlage beigefügten Vermögensstatus vor. Dieser Status weist zwar offene Forderungen aus Lieferungen und Leistungen per 31. Dezember 2006 in Höhe von 12.463.162 EUR aus. es ist jedoch nicht erkennbar, dass dabei auch Forderungen einbezogen worden sind, denen schon während des Insolvenzverfahrens aufrechenbare Insolvenzforderungen nicht nachrangiger Insolvenzgläubiger gegenüberstanden. Infolgedessen bietet der Planinhalt als solcher keinen hinreichenden Anhalt dafür, dass dadurch nach dem Willen der Beteiligten hinsichtlich der bereits bei Insolvenzeröffnung begründeten Aufrechnungslagen Rechtsfolgen vereinbart werden sollten, die von der gesetzlichen Regelung des § 94 InsO abweichen.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Erlasses des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 17. Dezember 1998 (BStBl. I S. 1500). Zwar wird darin in Abschnitt 9.3 unter der Überschrift „Wirkung des bestätigten Insolvenzplans“ ausgeführt, Abgabenforderungen, auf die nach dem Insolvenzplan zu verzichten sei, würden zu sog. „unvollkommenen“ Forderungen und seien deshalb zwar weiterhin erfüllbar, dürften aber „gegenüber dem Schuldner nicht mehr geltend gemacht werden (Vollstreckungsverbot, Aufrechnungsverbot)“. Damit wird aber lediglich die allgemeine Rechtsfolge der Planwirkung nach § 254 InsO erläutert. Hingegen setzt sich der BMFErlass nicht mit der Problematik auseinander, ob die Wirkung des gerichtlich bestätigten und rechtskräftigen Plans von § 94 InsO geschützte Aufrechnungsbefugnisse erfasst oder ob stattdessen der Plan - ungeachtet seiner Rechtswirkungen im Übrigen - eine solche Aufrechnungsbefugnis von vornherein nicht berührt. Da der BMFErlass auch

an anderer Stelle (insbesondere im Abschnitt 7./„Aufrechnung im Insolvenzverfahren“) keinen Hinweis darauf enthält, die Finanzbehörden wollten ihren im Verfahren abgegebenen Erklärungen einen weiterreichenden Inhalt beimessen

als nach der gesetzlichen Regelung vorgesehen, kann die hier vom Finanzamt HannoverLand II am 26. Februar 2007 abgegebene Zustimmung zu dem vorgeschlagenen Insolvenzplan selbst im Lichte des Erlasses seiner obersten Dienstbehörde nicht im Sinne eines umfassenden Verzichts auf insolvenzrechtlich geschützte Aufrechnungsbefugnisse ausgelegt werden.

c) Der Senat erachtet schließlich das Verhalten der Beklagten entgegen der Ansicht der Klägerin auch nicht als sitten oder treuwidrig. Der Beklagten war es deshalb nicht gemäß § 138 Abs. 1 oder § 242 BGB verwehrt, am 3. Juli 2007 gegenüber den von der Klägerin geltend gemachten Werklohnforderungen nach Abschluss der Prüfung der vorgelegten Rechnungen die Aufrechnung mit dem über die Quote des Insolvenzplans hinausgehenden Teil ihrer Steuerforderung zu erklären. Insoweit verweist der Senat auf die zutreffenden Ausführungen auf S. 9 oben des angefochtenen Urteils. Unter Zugrundelegung der Gesetzesbegründung und der überwiegenden Literaturauffassung konnte sich das Finanzamt darauf verlassen, dass die von ihm erklärte Zustimmung zum Insolvenzplan lediglich die Wirkung hatte, dass der Teilerlass der Steuerforderung einer Aufrechnung mit künftig neu entstehenden Forderungen der Klägerin entgegenstehen würde. Insoweit hat sich die Beklagte im Übrigen durchaus konsequent verhalten, weil sie auf der anderen Seite diejenigen Teile der Werklohnforderung, die nach ihrer (von der Klägerin nicht in Frage gestellten) Auffassung auf einer Leistungserbringung der Klägerin in der Zeit nach Insolvenzeröffnung beruhten und deshalb von § 94 InsO nicht erfasst waren, durch Zahlung ausgeglichen hat. Es ist schließlich auch nicht ersichtlich, dass das Finanzamt HannoverLand II etwa bei seiner Zustimmung zum Insolvenzplan am 26. Februar 2007 schon positiv Kenntnis vom Bestehen einer aufrechenbaren Gegenforderung der Beklagten gegen die Klägerin gehabt hätte.

Vor diesem Hintergrund erweist sich im Übrigen in zumindest gleicher Weise das Verhalten der Klägerin selbst als widersprüchlich. Denn sie verlangt der Beklagten ab, auf ihre über die Quote hinausgehende Forderung zu verzichten, gleichzeitig aber die im Insolvenzverfahren aufrechenbar gegenüberstehende Werklohnforderung der Klägerin voll bezahlen zu müssen.

II.

Die prozessualen Nebenentscheidungen beruhen auf § 97 Abs. 1, § 708 Nr. 10, § 711 Satz 1, 2 ZPO.

Die Zulassung der Revision erfolgt gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Fall 2 ZPO

im Hinblick auf die Abweichung von dem am 13. November 2008 verkündeten Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Celle (16 U 63/08), der in einem parallel gelagerten Fall entschieden hat, die Wirkungen des rechtskräftigen Insolvenzplans stünden der später erklärten Aufrechnung des Gläubigers mit seiner Forderung auch dann entgegen, wenn schon während des Insolvenzverfahrens eine Aufrechnungslage bestand.