ArbG Darmstadt, Urteil vom 24.09.2009 - 8 Ca 419/09
Fundstelle
openJur 2012, 32108
  • Rkr:
Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Kosten des Rechtsstreits hat der Kläger zu tragen.

3. Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 17.258,40 € festgesetzt.

4. Die Berufung wird nicht gesondert zugelassen. Hiervon unberührt bleibt die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Eingruppierung des Klägers in die Lohngruppe 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages der Brot- und Backwarenindustrie des Landes Hessen.

Der Kläger ist seit dem 01. Januar 2000 bei der Beklagten beschäftigt. Der Kläger wurde als Verpackungshelfer in der Verpackung eingestellt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge der Brot- und Backwarenindustrie des Landes Hessen Anwendung.

§ 3 des LGTV enthält für gewerbliche Arbeitnehmer folgende Lohngruppen:

1. Schichtführer, leitende Konditoren

2. Ofenführer, Maschinenführer (Anlagenführer), Teigmacher, sonstige Handwerker

3. Kraftfahrer, Verkaufsfahrer

4. Bäcker

5. ungelernte Arbeitskräfte mit schwerer oder schwieriger Arbeit

6. ungelernte Arbeitskräfte mit einfacher Arbeit wie z.B. Brotschneiden, Einpacken, Glasieren, Zuckern, Putzarbeiten

Der Kläger ist derzeit in die Lohngruppe 5 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages eingruppiert. Er ist an einer Brotschnitt- und Verpackungsmaschine beschäftigt. Das Brot wird als Meterware angeliefert. Es befinden sich in einem Wagen 63 Stangen mit einer Länge von 1,40 m. Durchschnittlich werden pro Stunde 2 - 2,5 dieser Wagen verarbeitet. Der Kläger legt das Brot auf das Laufband. Es wird automatisch zur Brotschneidemaschine geführt. Der Kläger stellt je nach Brotsorte und Verpackungswunsch die Geschwindigkeit des Messers ein. Nach Durchlaufen der Brotschneidemaschine werden die geschnittenen Brote an eine Verpackungsmaschine weitergeleitet. Es folgt eine Sichtkontrolle des Klägers, ob die Päckchen verschlossen sind. Danach laufen die Brote auf einem Förderband zu einem Roboter, der diese in entsprechende Kisten stapelt. Es wird von dem Kläger kontrolliert, ob das Brot von dem Roboter richtig aufgenommen wird. Der Kläger stellt für die Verpackung das Haltbarkeitsdatum ein und wechselt die Clipeinstellungen. Im Anschluss läuft die befüllte Kiste mit Brot zu einem Pasteurisierungsofen. Sollten sich Kisten in diesem Ofen verklemmen oder verdrehen, beseitigt der Kläger diese Störung. Während des gesamten Arbeitsvorganges nimmt der Kläger Kontrollwiegungen vor und protokolliert diese.

Der Kläger vertritt in der Abteilung Ganzbrot und Kilobrot die dortigen Arbeitnehmer. Diese Arbeitnehmer vergütet die Beklagte als Maschinenführer.

Der Kläger ist der Auffassung, dass er in die Lohngruppe 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages einzugruppieren sei. Er gehe einer Tätigkeit als Maschinenführer nach. Der Kläger behauptet, dass er die auftretenden Störungen beseitige und Veränderung bei der Schnittbreite der jeweiligen Brotsorten einstelle. Es existiere kein Vorgesetzter als Maschinenführer. Mit Ausnahme der Überwachung der Funktionalität der Metalldetektoren, rüste er die Maschine auf eine Vielzahl von Produkten um, baue die Maschine um, behebe selbstständig Störungen, wie das Auswechseln von Messern. Der Kläger behauptet, dass mindestens zwei Arbeitnehmer in seiner Abteilung als Maschinenführer vergütet werden.

Der Kläger beantragt,

1.

die Beklagte wird verurteilt, an ihn 1.139,90 Euro brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2.

Es wird festgestellt, dass die beklagte Partei verpflichtet ist, ihn ab dem 01.07.2008 eine Vergütung nach der Lohngruppe II des Lohn- und Gehaltstarifvertrages der Brot- und Backwarenindustrie Hessen zu zahlen und etwaige Bruttonachzahlungsbeträge, beginnend ab dem 01.07.2008, ab dem jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Auffassung, dass der Kläger ordnungsgemäß nach der Lohngruppe V des Tarifvertrages vergütet werde. Bei dem Kläger handele es sich um eine ungelernte Kraft, die zum Teil mit einfachen und schweren Tätigkeiten betraut werde. Als Maschinenführer werde bei der Beklagten nur vergütet, der für eine Anlage zuständig sei, die aus der Bedienung von mindestens sechs Maschinen bestehe. Der Kläger bediene lediglich zwei Maschinen. Der Kläger sei nicht in der Lage eine Maschine umzurüsten, diese umzubauen oder Störungen zu beseitigen. 80 % der Gesamttätigkeit des Klägers belaufe sich auf die Portionierung der Brotstangen am Beginn des Arbeitsvorganges. Bei den Kontrollwiegungen betätige der Kläger maximal einen Plus oder Minus-Knopf. Der Kläger rüste die Maschine nicht um. Beim Wechsel von 250g auf 500g Pakete wechsele er nur denSpreitzschuhaus. Die Einstellung der Spurbreite mache einen Handgriff aus. Der Kläger behebe keine Störungen am Packroboter oder Pasteurisierungsofen. Er bediene ausschließlich ein Touch-Panel mit einfachen Steuerungsmodellen. Das Einlegen des Clipbandes und die Einstellung des Mindesthaltbarkeitsdatums erfordere lediglich eine Einarbeitungszeit von 3 Tagen.

Wegen des weiteren Vortrags der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1.

Der Kläger ist nicht in die Tarifgruppe 2 des Lohn- und Gehaltstarifvertrages der Brot- und Backwarenindustrie einzugruppieren. Der Kläger ist nicht als Maschinenführer tätig. Demnach steht ihm auch kein Zahlungsanspruch zu. Der Kläger ist ihm Rahmen einer Streitigkeit über eine Eingruppierung darlegungs- und beweisbelastet, sofern er eine Höhergruppierung anstrebt. Verlangt der Arbeitnehmer eine höhere Eingruppierung besteht kein Anspruch auf Eingruppierung durch den Arbeitgeber, der klageweise durchgesetzt werden kann. Vielmehr hängt die Zahlung der höheren Vergütung nicht von der Eingruppierung, sondern alleine von der Erfüllung der Tätigkeitsmerkmale der begehrten Vergütungsgruppe ab (so bereits BAG 16.10.1974 - 4 AZR 1/74 - AP Nr. 81 zu BAT 1975 §§ 22, 23). Die Sachverhaltsdarstellung des Arbeitnehmers muss auch die Tatsachen umfassen, aus denen das Gericht die Bildung von Arbeitsvorgängen vornehmen kann. Fehlt es hieran, ist die Eingruppierungsklage unschlüssig (BAG 28.02.1979 - 4 AZR 427/77 - AP Nr. 16 zu BAT 1975 §§ 22, 23). Der Kläger hat seiner Darlegungslast nicht genügt. Er hat nicht konkret vorgetragen, dass er als Maschinenführerin Arbeitsvorgänge verrichtet.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts folgt die Auslegung des normativen Teiles eines Tarifvertrages den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Dabei ist zunächst vom Tarifwortlaut auszugehen. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften (§ 133 BGB). Über den reinen Tarifwortlaut hinaus ist der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien und damit der von ihnen beabsichtigte Sinn und Zweck der Tarifnorm mitzuberücksichtigen, sofern und soweit sie in den tariflichen Normen ihren Niederschlag gefunden haben (BAG 12.11.1997 - 10 AZR 206/97 - AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Deutsche Bahn, m.w.N.). Nach § 5 Ziff. 1 des Manteltarifvertrages für die Brotindustrie in Hessen vom 04.12.1996 (MTV) erfolgt die Entgeltbezahlung nach dem jeweiligen Lohn- und Gehaltstarifvertrag. Nach § 5 Ziff. 2 Abs. 1 ist für die Eingruppierung in die Lohn- und Gehaltsgruppe der Wert der Arbeit, der Schwierigkeitsgrad und die Art der ausgeübten Tätigkeit entscheidend. Übt ein Arbeitnehmer mehrere Tätigkeiten aus, so ist er in die Tarifgruppe einzustufen, die seiner überwiegenden Tätigkeit entspricht (§ 5 Ziff. 2 Abs. 3 MTV). Das bedeutet nichts anderes, als dass, wie auch in anderen Tarifverträgen (vgl. z.B. BAG 09.06.1980, AP Nr. 4 zu § 21 MTB II), grundsätzlich diejenige Tätigkeit des Arbeitnehmers tarifrechtlich maßgeblich ist, die mehr als die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit in Anspruch nimmt. Schreibt der Tarifvertrag allerdings, wie vorliegend Tätigkeiten vor, kann das nur so verstanden werden, dass Arbeitnehmer, die Tätigkeiten ausführen, die den in der jeweiligen Lohngruppe genannten entsprechen, Anspruch auf Lohn der jeweiligen Lohngruppe haben sollen, ohne dass es eines Rückgriffs auf die allgemeine Bestimmung des § 5 Ziff. 2 Abs. 2 MTV bedarf. Nennen die Tarifvertragsparteien nämlich in Lohngruppen bestimmte Tätigkeiten, so ist davon auszugehen, dass mit der Ausübung dieser Tätigkeiten die tarifrechtlichen Merkmale der jeweiligen Lohngruppe erfüllt werden (LAG Hessen 09.12.2002 - 16 Sa 1144/02 - juris). Der Kläger führt jedoch keine Maschine. Da die Tarifvertragsparteien der Brot- und Backwarenindustrie den Begriff "Maschinenführer" nicht näher definiert haben, ist für die Auslegung vom allgemeinen Sprachgebrauch auszugehen. Nach dem allgemeinen Sprachgebrauch ist ein "Führer" "jemand, der jemanden oder andere oder eine Sache führt" (vgl. Brockhaus/Wahrig, Deutsches Wörterbuch a.a.O., Band 2 1981, S. 880). Der Maschinenführer wird einem Anlagenführer gleichgestellt. Der Kläger hat nicht konkret vorgetragen, dass es sich bei der Brotschnitt- und Verpackungsmaschine um eine eigenständige in sich geschlossene Anlage handelt. Der Kläger führt die Maschine nicht, er bedient sie gelegentlich durch einfaches Betätigen der Steuerungselemente. Der Kläger legt Brotstangen auf das Laufband, die von einer Maschine weiterverarbeitet werden und behebt Störungen, wenn sich Kisten in der Maschine verklemmen. Hier entspricht die von dem Kläger ausgeübte Tätigkeit nicht den Merkmalen des § 3 Ziff. 2 LGTV als Maschinenführer. Die Tarifvertragsparteien haben in Lohngruppe 2 nicht die Tätigkeit eines Maschinenbedieners aufgenommen. Im Vergleich zu den anderen genannten Tätigkeitsbeschreibungen der Lohngruppe 2 ist ein Maschinenbediener mit diesen nicht vergleichbar. Die Tarifvertragsparteien haben, sofern die Tätigkeit nicht einem Ofenführer, einem Maschinenführer, einem Anlagenführer oder einem Teigmacher entspricht, den Begriff des sonstigen Handwerkers in die Lohngruppe 2 aufgenommen. Der Kläger nimmt keine handwerklichen Tätigkeiten an der Maschine vor. Die Maschinen arbeiten vollkommen autark, ohne dass der Kläger die Brotschnitt- oder Verpackungsmaschine führen müsste. Er bedient ausschließlich die Maschine. Selbst wenn man zu der Auffassung gelangen sollte, dass es eines Rückgriffs auf die allgemeine Bestimmung des § 5 Ziff. 2 Abs. 2 MTV zur Auslegung der Tarifnorm bedarf, so nimmt der Arbeitsvorgang des Bedienens der Maschine zeitlich gesehen nicht den überwiegenden Teil der Arbeitsleistung des Klägers ein und ist daher für die Tätigkeit nicht prägend.

2.

Die Klageforderung kann schließlich auch nicht mit Erfolg auf den allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt werden. Dem steht bereits teilweise entgegen, dass der Kläger mit seinen Anträgen u.a. die Feststellung der tariflichen Eingruppierung geltend macht. Der Gleichbehandlungsgrundsatz vermag keinen Anspruch auf eine höhere Eingruppierung als die sich aus dem jeweiligen Tarifvertrag ergebende zu begründen, sondern allenfalls einen Anspruch auf Gleichbehandlung mit unzutreffend höher vergüteten Arbeitnehmern (Hess. LAG 11.12.2007 - 4 Sa 1432/07 - juris). Weiter ist nicht ersichtlich, aus welchen Tatsachen zu schließen sein soll, dass die Beklagte gemäß der Darstellung des Klägers trotz ihres Bestreitens die Arbeitnehmer G... und A... gemäß der Lohngruppe 2 vergütet. Schließlich verbietet der Gleichbehandlungsgrundsatz lediglich die Schlechterstellung, nicht aber die Besserstellung einzelner Arbeitnehmer. Der Gleichbehandlungsgrundsatz wirkt erst, wenn der Arbeitgeber Leistungen nach einem generalisierenden Prinzip gewährt (vgl. nur BAG 19.06.2001 - 3 AZR 507/00 - AP BetrAVG § 1 Gleichbehandlung Nr. 50, zu II 3). Auch wenn die Darstellung des Klägers zutreffen sollte, würde er nicht schlechter behandelt als der ganz überwiegende Teil der ungelernten Produktionsmitarbeiter. Dass bestimmte Arbeitnehmer aufgrund eines generalisierenden Prinzips, das auch auf die Klägerin zutrifft, bevorzugt werden, ist nach dem Vortrag der Parteien nicht erkennbar.

3.

Der Kläger hat gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 91 Abs. 1 ZPO die Kosten des Rechtstreits zu tragen, da sie voll unterliegt. Der Wert des gemäß § 46 Abs. 2 ArbGG i.V.m. § 3 ZPO im Urteil festzusetzenden Streitgegenstandes setzt sich zusammen aus dem 36-fachen Differenzbetrag der Lohngruppe 2 und 5. des Lohn- und Gehaltstarifvertrages der Brot- und Backwarenindustrie. Die Berufung ist gemäß § 64 Absatz 2a ArbGG nicht zuzulassen, da Gründe für eine solche Berufung nach § 64 Absatz 3 ArbGG nicht vorliegen. Die Statthaftigkeit der Berufung nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes gemäß § 64 Absatz 2b ArbGG bleibt hiervon unberührt.

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