ArbG Gießen, Beschluss vom 09.06.2009 - 5 BV 6/09
Fundstelle
openJur 2012, 31772
  • Rkr:
Tenor

Der Beteiligte zu 2. wird verpflichtet, den Antragsteller von der Forderung in Höhe von 285,60 EUR (in Worten: Zweihundertfünfundachtzig und 60/100 Euro) gemäß der Rechnung mit der Nummer 08/0008 von Rechtsanwältin M., vom 05. März 2008 freizustellen.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt von dem Beteiligten zu 2) die Freistellung von Anwaltskosten in Höhe von 285,60 Euro.

Der Beteiligte zu 2) betreibt ein deutschlandweit tätiges Drogerieunternehmen. Der Antragsteller ist der für den Bezirk B. gewählte Betriebsrat. Er ist zuständig für 27 Filialen mit insgesamt ca. 105 Arbeitnehmern. Die Leitungsmacht für den Bezirk B. wird von dem Vertriebsbüro des Beteiligten zu 2) in P. wahrgenommen.

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Beteiligte zu 2) den Antragsteller rechtzeitig über die Personalplanung informiert. Am 19. Februar 2009 fand zwischen Herrn K., dem Leiter des Vertriebsbüros P., und dem Antragsteller ein Gespräch statt, in dem von Seiten des Beteiligten zu 2) die Personalplanung vorgelegt wurde.

Der Antragsteller hat in seiner Sitzung am 19. Februar 2009 beschlossen, gegen den Beteiligten zu 2) bzw. Herrn K. ein Verfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit nach § 121 BetrVG zu erstatten und Frau Rechtsanwältin  M. mit der Anfertigung der Anzeige zu beauftragen. Wegen des genauen Wortlautes des Beschlusses wird auf Bl. 10 - 12 d. A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 27. Februar 2009 wurde beim RP G. die entsprechende Anzeige erstattet. Wegen der Einzelheiten wird auf Bl. 13 - 15 d. A. verwiesen. Eine Entscheidung hinsichtlich der Anzeige liegt bisher nicht vor, da die örtliche Zuständigkeit zwischen dem RP G. und der Bezirksregierung K. streitig ist. Insoweit wird auf Bl. 28 - 30 und 32 - 34 d. A. verwiesen.

Mit Schreiben vom 05. März 2008 stellte die Rechtsanwältin des Antragstellers dem Beteiligten zu 2) Kosten für die Erstattung der Anzeige in Höhe von 285,60 Euro in Rechnung. Wegen des genauen Inhaltes der Rechnung wird auf Bl. 35 d. A. verwiesen. Der Beteiligte zu 2) lehnt die Zahlung ab.

Der Antragsteller hat am 21. Oktober 2008 beschlossen, gegen den Beteiligten zu 2) ein arbeitsgerichtliches Beschlussverfahren wegen der Kostenübernahme einzuleiten.

Der Antragsteller ist der Auffassung, die Beauftragung der Rechtsanwältin für die Erstattung der Anzeige sei erforderlich gewesen. Dies ergebe sich bereits daraus, dass  der Sachverhalt sehr komplex und die örtliche Zuständigkeit der Behörde schwierig zu klären sei.

Er beantragt,

den Antragsteller von der Forderung in Höhe von 285,60 Euro gemäß der Rechnung mit der Nummer 08/0008 von Rechtsanwältin M., vom 05. März 2008 freizustellen.

Der Beteiligte zu 2) beantragt,

den Antrag zurückzuweisen.

Er ist der Auffassung, die Beauftragung der Rechtsanwältin zur Erstattung der Anzeige sei nicht erforderlich gewesen. Nicht das subjektive Ermessen des Antragstellers sei ausschlaggebend. Zur Erstattung einer Anzeige bedürfe es keinerlei juristischer Kenntnisse, weil rechtliche Ausführungen entbehrlich und keine Fristen zu beachten seien. Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung des Antragstellers habe dieser nicht davon ausgehen können, dass die Frage der örtlichen Zuständigkeit der Behörde problematisch sein werde. Im Übrigen entfalle eine Kostentragungspflicht des Arbeitgebers, wenn der Arbeitgeber keinen Anlass für den Prozess gegeben habe. Der Beteiligte zu 2) bestreitet, dass der Antragsteller in einer ordnungsgemäß anberaumten Sitzung einen ordnungsgemäßen Beschluss zur Erstattung einer Anzeige sowie zur Beauftragung der Rechtsanwältin getroffen habe.

Zur weiteren Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die zu den Akten gereichten Ablichtungen und auf die Sitzungsniederschriften Bezug genommen.

II.

Der Antrag ist begründet.

Der Beteiligte zu 2) ist gemäß § 40 Abs. 1 BetrVG verpflichtet, den Antragsteller von den Kosten für die Beauftragung von Frau Rechtsanwältin M. zur Erstattung einer Anzeige nach § 121 BetrVG in Höhe von 285,60 Euro freizustellen.

Der Antragsteller hat in seiner Sitzung vom 19. Februar 2008 die Einleitung eines Verfahrens nach § 121 BetrVG sowie die Beauftragung von Frau Rechtsanwältin M. beschlossen. Dies geht aus dem vorgelegten Protokoll der Sitzung hervor. Es liegen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beschluss nicht ordnungsgemäß zustande gekommen wäre. Der Beteiligte zu 2) hat hierzu nichts vorgetragen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichtes, der sich die Kammer anschließt, kann der Betriebsrat einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen bei rechtlichen Streitigkeiten beauftragen, sofern er dessen Tätigwerden für erforderlich halten durfte und die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht von vornherein offensichtlich aussichtslos oder mutwillig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 03. Oktober 1979 - 6 ABR 102/76 - AP Nr. 14 zu § 40 BetrVG 1972).

Der Antragsteller durfte bei pflichtgemäßer Würdigung die Beauftragung der Rechtsanwältin zur Erstattung der Anzeige nach § 121 BetrVG für erforderlich halten. Der Streit zwischen den Beteiligten hinsichtlich der rechtzeitigen Information des Antragstellers über die Personalplanung lag schon in den vergangenen Jahren vor. Offensichtlich kam es dann in dem Gespräch am 19. Februar 2008 erneut zu einer Auseinandersetzung hierüber. Für den Antragsteller stellte sich damit die Frage, wie er seinen Unterrichtungsanspruch nach § 92 BetrVG nachhaltig durchsetzen konnte. Hierzu durfte der Antragsteller auch die Einleitung eines Verfahrens nach § 121 BetrVG in Betracht ziehen. Schwerpunkt dieses Verfahrens ist die Klärung der Frage, ob der Arbeitgeber zielgerichtet unvollständig unterrichtet und ob dies durch vorsätzliches Handeln geschieht. Diese Beurteilung ist selbst für einen Juristen im Einzelfall schwierig und hängt von vielen Faktoren im Einzelfall ab. Die Beauftragung eines Rechtsanwaltes bzw. einer Rechtsanwältin zur Absicherung eines derart massiven Schrittes gegen den Arbeitgeber ist nicht zu beanstanden. Darüber hinaus hat der Antragsteller zu Recht darauf hingewiesen, dass eine besondere Schwierigkeit bezüglich der Frage der örtlichen Zuständigkeit der Ordnungsbehörde vorliegt, wie sich aus den vorgelegten Schreiben des RP G. sowie der Bezirksregierung K. ergibt. Auch mit der Beurteilung dieser Fragestellung dürfte der juristische Laie überfordert sein.

Die Höhe der abgerechneten Rechtsanwaltsgebühren ist nicht zu beanstanden. Auch der Beteiligte zu 2) trägt hierfür keine Anhaltspunkte vor.

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