Hessisches LAG, Urteil vom 20.05.2009 - 2/8 Sa 1650/07
Fundstelle
openJur 2012, 31672
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 5. September 2007 – 5 Ca 217/07 – abgeändert

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres – dh. für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2008 – Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der ... beschäftigten ... im ... (Ü-VersTV-FDB) vom 7. Juli 1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.

Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten im Berufungsrechtszug weiterhin um die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung einer tariflichen Übergangsversorgung bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres der Klägerin.

Die am 7. Juni ... geborene Klägerin war seit November ... als ... in bei der Beklagten und deren Rechtsvorgängerin tätig. Die Beklagte ist ein aus der ehemaligen Bundesanstalt für Flugsicherung hervorgegangenes privates Flugsicherungsunternehmen. Sie nimmt die operativen Flugsicherungsaufgaben für den gesamten deutschen Luftraum wahr. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag über die bei der Beklagten beschäftigten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (im Folgenden: MTV) in der jeweils gültigen Fassung Anwendung. § 45 MTV enthält zur Ausschlussfrist folgende Regelung:

1. Gegenseitige Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis verfallen, wenn sie nicht innerhalb von zwölf Monaten nach ihrer Entstehung schriftlich gelten gemacht werden. Die Frist verkürzt sich mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf sechs Monate.

2. ...

Aufgrund der tarifvertraglich vereinbarten Altersgrenze in § 10 Abs. 2 der Sonderregelungen für die Flugsicherungsdienste (SR-FS-Dienste) (Bl. 12 d.A.) endete das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien mit Vollendung des 59. Lebensjahres der Klägerin am 30. September 2005. Auf der Grundlage des zwischen der Beklagten und der Gewerkschaft der Flugsicherung (GdF e.V.) geschlossenen Tarifvertrags über die Übergangsversorgung für die bei der ... beschäftigten ... (im Folgenden: Ü-VersTV-FDB), dessen allgemeine Voraussetzungen zum Bezug von Übergangsgeld die Klägerin erfüllt, erhielt sie in der Zeit vom 1. Juli 2004 bis zum 30. Juni 2005 Übergangsgeld, zuletzt in Höhe von € ... brutto (= € ... netto).

Der Ü-VersTV-FDB in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 19. Oktober 2004 (wegen dessen Einzelheiten im Übrigen auf Bl. 13-18 d.A. Bezug genommen wird) enthält auszugsweise folgende Regelungen:

§ 1 Geltungsbereich

Dieser Tarifvertrag gilt für alle ... im ... – einschließlich der ... im ..., die aus den operativen ...-Diensten in andere Tätigkeiten gewechselt sind –, die in einem Arbeitsverhältnis mit der ... (im Folgenden ...) stehen und unter den Geltungsbereich des Manteltarifvertrages in der jeweils geltenden Fassung fallen.

§ 4 Arbeitslosigkeit

Für die Zeit des Bezugs von Übergangsgeld nach Ausscheiden aus den Diensten der ... verpflichten sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, sie nicht arbeitslos zu melden.

§ 7 Erlöschen und Ruhen des Anspruchs

(1) Der Anspruch auf Übergangsgeld erlischt

a) mit Beginn des Monats, in dem ab der/die ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art beanspruchen kann.

b) ...

(2) Der Anspruch erlischt auch dann nach Absatz 1 Buchstabe a, wenn Altersrente oder ähnliche Bezüge öffentlich-rechtlicher Art nur mit Abschlägen wegen vorzeitiger Inanspruchnahme bezogen werden können. Solange dies für Frauen mit einem geringeren Lebensalter als für Männer möglich ist, werden weibliche FDB, die am 01. November 2002

- in einem aktiven Beschäftigungsverhältnis mit der ... stehen oder

- sich in der Übergangsversorgung nach diesem Tarifvertrag befinden und spätestens am 01.01.2003

- das 51. Lebensjahr vollendet haben,

- am 01.01.2003 nicht älter als 59 Jahre sind (Ziffer 10 b SR FS-Dienste) und

- sozialversicherungspflichtig Übergangsversorgung nach diesem Tarifvertrag bis zum frühestmöglichen Renteneintritt bezogen haben bzw. beziehen werden

durch Zahlung eines Rentenverlustausgleichs (brutto) hinsichtlich ihrer Gesamtversorgung aus Altersrente und ...- Altersruhegeld so gestellt, wie ein vergleichbarer männlicher Lotse gestellt ist, der zum frühestmöglichen Zeitpunkt aus der Übergangsversorgung ausscheidet bzw. ausgeschieden ist. Die Höhe der Zahlung wird zunächst durch Vergleich der Gesamtversorgung der ehemaligen Mitarbeiterin mit der Übergangsversorgung eines vergleichbaren männlichen Kollegen, jeweils nach Abzug der üblicherweise anfallenden gesetzlichen Abzüge, für jeweils 12 Kalendermonate bestimmt. Ab Eintritt des männlichen vergleichbaren Kollegen in die Altersversorgung werden die Gesamtversorgungsbezüge verglichen und etwaige Differenzen der ehemaligen Mitarbeiterin brutto ausgeglichen.

(3) ...

§ 9 Mitwirkungs- und Erstattungspflichten

(1) Der/die ausgeschiedene Mitarbeiterin/Mitarbeiter ist verpflichtet, frühestmöglich Antrag auf Altersrente oder vergleichbare Leistungen zu stellen, die zum Erlöschen des Anspruchs auf Übergangsgeld führen, und die ... hierüber unverzüglich zu unterrichten.

...

Zum 30. Juni 2005 stellte die Beklagte gemäß § 7 Abs. 1a Ü-VersTV-FDB die Zahlung von Übergangsgeld an die Klägerin ein. Seit 1. Juli 2005 bezieht die Klägerin aufgrund entsprechender Regelungen im Versorgungstarifvertrag von der Beklagten ein vorzeitiges Altersruhegeld und erhielt bis zum 30. Juni 2008 zusätzlich gemäß § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB einen Rentenverlustausgleich. Daneben bezieht die Klägerin von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder eine Versichertenrente sowie von der Deutschen Rentenversicherung einschließlich eines Zuschusses zum Krankenversicherungsbeitrag eine Altersrente. Die Klägerin führt monatlich Beträge zu ihrer privaten Kranken- und Pflegeversicherung an die ... ab, ohne dass sie ab dem 1. Juli 2005 noch einen Zuschuss von der Beklagten erhält. Des Weiteren fällt auf Grund der nachgelagerten Versteuerung nach dem Alterseinkünftegesetz ein Steuerabzug an. Hinsichtlich der Berechnung der Bezüge der Klägerin einschließlich des Rentenverlustausgleichs und der Übergangsgeldzahlungen an vergleichbare männliche Kollegen der Klägerin wird auf die Ausführungen in den Schriftsätzen vom 3. Dezember 2007 (Bl. 188-194, 203-210 d.A.), vom 13. Februar 2008 (Bl. 188-194,203-209), vom 17. April 2009 (Bl. 305-309 d-A.) und vom 7. Mai 2009 (Bl. 420-422 d.A. Bezug genommen.

Mit ihrer am 28. Juni 2007 beim Arbeitsgericht Offenbach am Main eingegangenen, der Beklagten am 5. Juli 2007 zugestellten Klage vom 27. Juni 2007 hat die Klägerin die Weiterzahlung des tariflichen Übergangsgeldes begehrt. Sie hat die Auffassung vertreten, dass die Regelungen in den §§ 7 Abs. 1a, 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB gegen das Diskriminierungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG verstießen und deshalb unwirksam seien. Daran ändere auch die Gewährung eines Rentenverlustausgleichs nach § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB nichts, weil ihre finanziellen Einbußen durch die Verpflichtung zur frühestmöglichen Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente durch den Rentenverlustausgleich nicht kompensiert würden. Rechtsfolge des Verstoßes sei die Verpflichtung der Beklagten, eine Angleichung nach oben, d.h. die Weiterzahlung der tariflichen Übergangsversorgung, vorzunehmen. Sollten die Regelungen in §§ 7 Abs. 1a, 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB hingegen wirksam sein, habe die Beklagte ihr zumindest ihren gesamten finanziellen Verlust, der ihr durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente entstehe, auszugleichen. Dabei sei bei der Auslegung von § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB zu berücksichtigen, dass die Mehrheit der bei der Beklagten beschäftigten Arbeitnehmer privat krankenversichert sei. Der Vergleich zwischen ihrer Gesamtversorgung aus gesetzlicher sowie betrieblicher Altersrente und der Übergangsversorgung eines vergleichbaren männlichen Kollegen habe nicht zwingend unter Berücksichtigung der Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erfolgen.

Die Klägerin hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, ihr bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, also für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2008 Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der ... beschäftigten ... im ... (Ü-VersTV-FDB) vom 7. Juli 1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen;

2. hilfsweise, festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr die finanziellen Nachteile, die ihr durch die vorzeitige Inanspruchnahme ihrer Altersrente gemäß § 7 Abs. 1a i.V.m. § 9 Abs. 1 des Ü-VersTV-FDB i.d.F. vom 14. November 2002 gegenüber einem männlichen Kollegen entstehen, auszugleichen;

3. hilfsweise, die Beklagte zu verurteilen, ihr zum Ausgleich ihrer finanziellen Nachteile durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 31. August 2007 einen Einmalbetrag in Höhe von € ... netto sowie ab dem 1. September 2007 einen zusätzlichen Verlustausgleich in Höhe von € ... netto monatlich zu zahlen;

4. hilfsweise, für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu 1., festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres, also für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis zum 30. Juni 2008 Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag über die Übergangsversorgung für die bei der ... beschäftigten ... im ... (Ü-VersTV-FDB) vom 7. Juli 1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat unter Bezugnahme auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 18. Mai 2006 (6 AZR 631/05) sowie des Landesarbeitsgericht Saarland vom 22. November 2006 (2 Sa 127/05; Bl. 73-88 d. A.) die Auffassung vertreten, dass die Differenzierung aufgrund der unterschiedlichen Renteneintrittsalter allein auf der typisierenden Betrachtungsweise des Gesetzgebers beruhe und sie daher schon nicht verpflichtet sei, überhaupt einen Ausgleich zu schaffen. Darüber hinaus sei der durch die Tarifvertragsparteien geschaffene Ausgleich ausreichend. Die Tarifvertragsparteien seien bei der Gestaltung der Kompensationsregelung frei, diese nach generalisierenden und typisierenden Merkmalen aufzubauen und hätten deshalb bei der Berechnung des Rentenverlustausgleichs auf die üblicherweise anfallenden gesetzlichen Abzüge abstellen können.

Wegen des weiteren unstreitigen Sachverhaltes und des weiteren Vortrags der Parteien im ersten Rechtszug wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils des Arbeitsgerichts Offenbach am Main vom 5. September 2007 (Bl. 124-129 d.A.) gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Offenbach am Main hat durch Urteil vom 5. September 2007 die Klage abgewiesen. Es hat angenommen, der Antrag zu 1. sei ebenso wie der Antrag zu 2. unzulässig, da Zahlungsanträge grundsätzlich zu beziffern seien. Soweit die Klage im Übrigen zulässig sei, sei sie unbegründet. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Zahlung eines Einmalbetrages für die Zeit vom 1. Juli 2005 bis 31. August 2007 sowie auf Zahlung eines weiteren monatlichen Verlustausgleichs ab 1. September 2007. Die Beklagte habe ausweislich des Berechnungsbogens bei der Vergleichsberechnung für den vergleichbaren männlichen Kollegen einen Lohnsteuerabzug gemäß der Lohnsteuerklasse 4 entsprechend der Lohnsteuerklasse der Klägerin während des Bezugs von Übergangsgeld vorgenommen und im Übrigen den durchschnittlichen Beitragssatz zur gesetzlichen Krankenversicherung (§ 245 SGB V) sowie den gesetzlich festgelegten Beitragssatz zur Pflegeversicherung (§ 55 Abs. 1 SGB XI) zugrunde gelegt. Dies entspreche der in § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB bestimmten Berechnung nach Abzug der üblicherweise anfallenden gesetzlichen Abzüge, was aus der Auslegung der Tarifvorschrift folge. Die Klägerin könne auch nicht für die Zeit ab September 2007 weitere Zahlung von Übergangsgeld verlangen. Ihr diesbezüglicher Anspruch sei gemäß § 7 Abs. 1a i.V.m. § 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB erloschen. Beide Tarifvorschriften verstießen nicht gegen § 7 Abs. 1 AGG, denn die Klägerin werde durch sie nicht wegen ihres Geschlechts in unzulässiger Weise benachteiligt. Nach § 7 Abs. 1 AGG dürften Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Zu den unter § 1 AGG aufgeführten Gründen gehöre auch die Benachteiligung wegen des Geschlechts. Auch wenn die Anwendung der §§ 7 Abs. 1a, 9 Abs. 1 Ü-VersTV-FDB zu einer mittelbaren Benachteiligung zwischen Männern und Frauen führe, weil sie zwar geschlechtsneutral formuliert seien und hinsichtlich der Zahlung des Übergangsgeldes bzw. der Verpflichtung zur frühestmöglichen Inanspruchnahme der gesetzlichen Altersrente nicht zwischen Männern und Frauen differenzierten, sei diese unterschiedliche Behandlung aber durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich. Dies gelte insbesondere unter Berücksichtigung des in § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB vereinbarten Rentenverlustausgleichs. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf Bl. 129-141 d.A. Bezug genommen.

Gegen dieses ihr am 4. Oktober 2007 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit einem am 2. November 2007 bei dem Hessischen Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese mit einem am 3. Dezember 2007 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.

Sie verfolgt ihr Klagebegehren unter teilweiser Änderung und Erweiterung der Anträge unter Wiederholung und Ergänzung ihres erstinstanzlichen Vorbringens weiter. Sie vertritt die Ansicht, die Klage sei mit dem geänderten Hauptfeststellungsantrag nunmehr zulässig und auch begründet. Sie werde aufgrund ihres Geschlechts und der damit bedingten Verpflichtung, drei Jahre früher als ein vergleichbarer männlicher Kollege aus der Übergangsversorgung in den Altersrentenbezug wechseln zu müssen, durch die tariflichen Regelungen benachteiligt. Die hierin liegende mittelbare Diskriminierung sei nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt oder zur Erreichung eines solchen Ziels angemessen und erforderlich. Folge sei, dass die benachteiligenden Tarifregelungen der §§ 7 Abs, 1 i.V.m. 9 Abs. 1 Ü-Vers-TV-FDB unwirksam seien. Zweck des Übergangsgeldes sei es, den Verlust des Einkommens aus der wegen Überschreitung der Altersgrenze nicht mehr möglichen Tätigkeit in der Flugverkehrskontrolle auszugleichen. Die von den Tarifparteien geschaffene Kompensationsregelung des § 7 Abs. 2 Ü-Vers-TV-FDB reiche zum Ausgleich der hierdurch gegenüber vergleichbaren männlichen Kollegen eintretenden Nachteile nicht aus, um den Intentionen des AGG gerecht zu werden, zumal ihr durch den früheren Eintritt des Rentenfalls auch Nachteile bei der Höhe der betrieblichen Rente entstünden.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach vom 5. September 2007 – 5 Ca 217/07, abzuändern und festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres – also für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2009 – Übergangsgeld nach dem Tarifvertrag für die Übergangsversorgung für die bei der ... beschäftigten ... im ... (Ü-Vers-TV-FDB) vom 07.07.1993 in der jeweils gültigen Fassung zu zahlen,

hilfsweise festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, sie unter Berücksichtigung der Beiträge und Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung und zur privaten Krankenversicherung sowie unter Berücksichtigung auch der nachträglich erfolgenden Steuerabzüge hinsichtlich ihres Nettoeinkommens so zu stellen, wie einen männlichen ..., der als Wachleiter-FDB in der Vergütungsgruppe 7 Stufe 3 des Eingruppierungstarifvertrags eingruppiert war und bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres Übergangsgeld nach dem Ü-Vers-TV-FDB beziehen kann,

höchst hilfsweise die Beklagte zu verurteilen, ihr zum Ausgleich der ihr durch die vorzeitige Inanspruchnahme der Altersrente für Frauen entstehenden Nachteile in der Zeit vom 01.07.2005 bis zum 30.06.2008 über den bereits geleisteten Rentenverlustausgleich gemäß § 7 Abs. 2 Ü-Vers-TV-FDB weitere Ausgleichsleistungen und zwar

a) für die Zeit vom 01.07.2005 bis zum 28.02.2006 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

b) für die Zeit vom 01.03.2006 bis zum 30.04.2006 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

c) für die Zeit vom 01.05.2006 bis zum 30.06.2006 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

d) für die Zeit vom 01.07.2006 bis zum 31.10.2006 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem Folgemonat,

e) für die Zeit vom 01.11.2006 bis zum 28.02.2007 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem Folgemonat,

f) für die Zeit vom 01.03.2007 bis zum 30.06.2007 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jeweils ab dem Folgemonat,

g) für die Zeit vom 01.07.2007 bis zum 31.10.2007 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

h) für die Zeit vom 01.11.2007 bis zum 31.12.2007 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

i) für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 30.06.2008 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat,

j) für die Zeit ab dem 01.07.2008 monatlich € ... netto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgemonat

zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt die angefochtene Entscheidung ebenfalls unter Wiederholung ihres erstinstanzlichen Vorbringens. Sie hält die mit der Berufung angegriffenen Tarifregelungen für wirksam. Die mit dem früheren Rentenbezug einhergehenden nachteiligen Wirkungen seien sachlich gerechtfertigt, weil allgemeine soziale Sicherungssysteme eingriffen, der Statuswechsel gesellschaftspolitisch erwünscht und die wirtschaftliche Grundlage der Lebenshaltung der Klägerin gewährleistet sei.

Wegen der Einzelheiten des Parteivorbringens wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze und die Sitzungsniederschriften vom 2. Juli 2008 (Bl. 364 f. d.A.) und vom 20. Mai 2009 (Bl. 443 d.A.) Bezug genommen.

Gründe

I.

Die Berufung der Klägerin gegen das am 5. September 2007 verkündete Urteil des Arbeitsgerichts Offenbach am Main ist zulässig. Das Rechtsmittel ist nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes statthaft (§§ 64 Abs. 2, 8 Abs. 2 ArbGG). Die Klägerin hat es auch form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 519, 520 ZPO, 66 Abs. 1 ArbGG).

II.

Die Berufung hat auch in der Sache Erfolg. Die Klägerin hat bis zum Ende des Monats, in dem sie ihr 63. Lebensjahres vollendet, d.h. bis zum 30. Juni 2008 einen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr das Übergangsgeld nach §§ 2, 5 Ü-VersTV-FDB gewährt.

1.

Der in der Berufungsinstanz erstmals gestellte Hauptantrag ist zulässig.

Die Klägerin kann in der Berufungsinstanz den Hauptantrag von der ursprünglich unbezifferten Zahlungsklage zulässig auf einen Feststellungsantrag umstellen. Hierin liegt keine Klageänderung (§ 264 Nr. 2 ZPO). Der von ihr vollzogene Wechsel von der Leistungs- zur Feststellungsklage stellt bei unverändertem Sachverhalt keine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO dar und eine solche Antragsbeschränkung ist in der Rechtsmittelinstanz zulässig (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 – 9 AZR 985/07, BB 2009, 1069; BAG vom 13. Februar 2007 – 9 AZR 207/06, AP Nr. 19 zu § 823 BGB).

Dieser Feststellungsantrag ist auch zulässig. Die Voraussetzungen des § 256 Abs. 1 ZPO sind erfüllt.

Nach dieser Vorschrift kann Klage auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses erhoben werden, wenn der Kläger ein rechtliches Interesse daran hat, dass das Rechtsverhältnis durch gerichtliche Entscheidung alsbald festgestellt wird. Das besondere Feststellungsinteresse als Prozessvoraussetzung muss grundsätzlich bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorliegen.

Grundsätzlich anerkannt ist, dass auch der Umfang einer Zahlungsverpflichtung des Arbeitgebers Inhalt einer Feststellungsklage sein kann (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.). Im Verhältnis zur Leistungsklage ist eine Feststellungsklage zulässig, wenn mit ihr eine sachgerechte, einfache Erledigung der aufgetretenen Streitpunkte zu erreichen ist und prozesswirtschaftliche Überlegungen gegen einen Zwang zur Leistungsklage sprechen (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O. m.w.H.). Dieses Feststellungsinteresse entfällt auch nicht deswegen, weil auch der nach Auffassung der Klägerin verlängerte Bezugszeitraum für die Übergangsversorgung im Laufe des Rechtsstreits sein Ende gefunden hat (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.).

Unter Beachtung dieser Grundsätze ist die Feststellungsklage zulässig. Das Feststellungsurteil ist geeignet, den Streitpunkt der Parteien endgültig zu beseitigen und weitere Prozesse zu vermeiden. Zwischen den Parteien besteht lediglich Streit darüber, ob die Klägerin für den Zeitraum 1. Juli 2005 bis 30. Juni 2008 Anspruch auf Zahlung der Übergangsversorgung nach dem Ü-VersTV-FDB hat, nicht jedoch über die Ausgestaltung der Leistungspflicht.

2.

Der Feststellungsantrag ist auch begründet. Die Klägerin hatte für den vorgenannten Zeitraum, d.h. bis zum Ende des Monats, in dem sie ihr 63. Lebensjahr vollendet hat, Anspruch auf Übergangsgeld nach dem Ü-VersTV-FDB.

Die Regelung des § 7 Abs. 1 a, Abs. 2 S. 1 Ü-VersTV-FDB ist wegen mittelbarer Benachteiligung wegen des Geschlechts, die nicht nach sachlich gerechtfertigt ist, unwirksam (§ 7 Abs. 2 AGG).

2.1.

Auf den Streitfall ist dass am 18. August 2006 in Kraft getretene AGG anzuwenden.

Das neue Recht in Gestalt des AGG ist anzuwenden, wenn nach seinem Inkrafttreten Tatsachen entstehen, die für die Benachteiligungsverbote des AGG erheblich sind. Nachdem das AGG keine Übergangsregelung enthält, findet es auch dann Anwendung, wenn diese Benachteiligung auf einem vor seinem Inkrafttreten abgeschlossenen Tarifvertrag beruht (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG, 2. Aufl., § 33 Rn 12; von Roetteken, AGG, § 33 Rn 13). Lediglich abgeschlossenen Benachteiligungen, die zeitlich vor Inkrafttreten des AGG liegen, unterfallen nicht diesem Gesetz (vgl. BAG vom 16. September 2008 – 9 AZR 791/07, AP Nr. 15 zu § 81 SGB IX).

Die beanstandete Benachteiligung der Klägerin durch die Vorschriften des Ü-VersTV-FDB ist nach Inkrafttreten des Gesetzes im August 2006 mit Wegfall der Zahlung der Übergangsversorgung in der Zeit von Juli 2005 bis Juni 2008 eingetreten.

2.2.

§ 7 Ü-VersTV-FDB i.V.m. § 237 a SGB VI verletzt das in § 1 AGG geregelte Verbot der Benachteiligungen wegen des Geschlechts.

Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 2 AGG unterliegen auch kollektivrechtliche Regelungen, die Beschäftigungsbedingungen festlegen, der Diskriminierungskontrolle des AGG.

Nach § 7 Abs. 1 AGG dürfen Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes benachteiligt werden. Gemäß § 1 AGG ist Ziel dieses Gesetzes, Benachteiligungen u.a. wegen des Geschlechts zu verhindern oder zu beseitigen.

Nach § 3 Abs. 2 AGG liegt eine mittelbaren Benachteiligung vor, wenn Personen wegen dem Anschein nach neutraler Vorschriften, Kriterien oder Verfahren wegen eines in § 1 AGG genannten Grundes gegenüber anderen Personen in besonderer Weise benachteiligt werden können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel zu dessen Erreichung angemessen und erforderlich. Eine Benachteiligung ist mittelbar merkmalsbedingt, wenn als Differenzierungskriterium, das die benachteiligenden Folgen herbeiführt, zwar nicht unmittelbar die Zugehörigkeit zur geschützten Gruppe dient, wohl aber solche Merkmale, die von Gruppenmitgliedern erheblich häufiger als von anderen Personen erfüllt werden (vgl. ErfK/Schlachter, 9. Aufl., § 3 AGG Rn 6).

Nach des § 7 Ü-VersTV-FDB erlischt der Anspruch auf Übergangsversorgung mit Beginn des Monats, von dem ab der/die ausgeschiedene Mitarbeiter/Mitarbeiterin Altersrente vor Vollendung des 65. Lebensjahres in Anspruch nehmen kann, auch wenn dieser Rentenbezug nur mit Abschlägen möglich ist.

Nach § 237 a Abs. 1 SGB VI haben versicherte Frauen Anspruch auf Altersrente, wenn sie vor dem 1. Januar ... geboren sind, das 60. Lebensjahr vollendet und nach Vollendung des 40. Lebensjahres mehr als zehn Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit erfüllt haben. Nach § 237 a Abs. 2 SGB VI wird die Altersgrenze von 60 Jahren bei Altersrenten für Frauen für Versicherte, die nach dem 31. Dezember ... geboren sind, angehoben.

Danach war für die Klägerin die vorzeitige Inanspruchnahme einer Altersrente ab dem 1. Juli 2005 möglich. Die Klägerin zählt aufgrund ihres Geburtstags am 7. Juni ... zu den Frauen, bei denen zwar die Altersgrenze angehoben wurde, für die jedoch eine vorzeitige Inanspruchnahme der der Altersrente noch möglich ist. Wegen dieser vorzeitigen Inanspruchnahme vermindert sich der Zugangsfaktor gemäß § 77 Abs. 2 Nr. 2 a SGB VI um einen versicherungsmathematischen Abschlag von 0,3 % für jeden Monat, für den die Altersrente vorzeitig in Anspruch genommen wird (Ehnes in LPK-SGB VI, § 237 a Rn 9). Nach § 7 Abs. 2 S. 1 Ü-VersTV-FDB erlischt auch in einem solchen Fall der Anspruch auf Übergangsgeld.

Diese tarifvertragliche Regelung, die zum Erlöschen der Ansprüche auf Übergangsversorgung für ... führt, die vorzeitige Altersrente für Frauen in Anspruch nehmen können, stellt eine mittelbarer Benachteiligung der Klägerin wegen ihres Geschlechts dar.

Unter dem Begriff der Vergütung sind alle Leistungen zu verstehen, die der Arbeitgeber in Bezug auf die Arbeitsleistung unmittelbar oder mittelbar gewährt. Hierzu gehören alle gegenwärtigen oder künftigen Leistungen, die der Arbeitnehmer von seinem Arbeitgeber im Hinblick auf das Dienstverhältnis erhält, sei es, dass sie wegen einer vertraglichen Vereinbarung, aufgrund einer Rechtsvorschrift oder freiwillig erbracht werden (vgl. BAG vom 14. August 2007 – 9 AZR 943/06, AP Nr. 1 zu § 33 AGG). Unerheblich ist, ob die Leistungsgewährung im laufenden Arbeitsverhältnis oder nach dessen Beendigung erfolgt (vgl. BAG vom 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06, AP Nr.1 zu § 2 AGG). Ein geringeres Entgelt darf weder unmittelbar noch mittelbar auf Grund des Geschlechts gezahlt werden (vgl. BAG vom 18. Mai 2006 – 6 AZR 631/05, AP Nr. 1 zu § 8 TV-SozSich).

Eine geschlechtsbedingte mittelbare Entgeltbenachteiligung liegt vor, wenn sich die Entgelthöhe nach Merkmalen bestimmt, die von Arbeitnehmern eines Geschlechts tatsächlich wesentlich seltener erfüllt werden als von Arbeitnehmern des anderen Geschlechts, ohne dass die Verwendung dieser Merkmale durch ein wesentliches unternehmerisches oder sozialpolitisches Bedürfnis gerechtfertigt wäre (vgl. EuGH vom 26. September 2000 – C – 322/98, EuGHE I 2000, 7505; BAG vom 18. Mai 2006 a.a.O).

Die mittelbare Diskriminierung ist darin zu sehen, dass § 7 Ü-VersTV-FDB zwar neutral formuliert ist und nach seinem Wortlaut Beschäftigte hinsichtlich der Voraussetzungen und Dauer der Gewährung der Übergangsversorgung nicht abhängig von ihrem Geschlecht unterschiedlich behandelt werden. Allerdings knüpft die Regelung über das Erlöschen der Übergangsversorgung an die Möglichkeit der vorzeitigen Inanspruchnahme einer gesetzlichen Altersrente an. Damit betrifft sie Männer und Frauen unterschiedlich. Denn neben schwerbehinderte Menschen können nur Frauen der Übergangsjahrgänge vorzeitige Altersrente in Anspruch nehmen (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; LAG Düsseldorf vom 15. Februar 2008 a.a.O).

Hierdurch werden diese Frauen – und damit auch die Klägerin – sowie schwerbehinderte Beschäftigte der Beklagten benachteiligt, da sie mit der Möglichkeit des Bezugs einer vorzeitigen Altersrente automatisch den Anspruch auf Übergangsversorgung verlieren und hierdurch finanziell schlechter gestellt sind wie vergleichbare männliche (nicht schwerbehinderte) Kollegen.

Die Klägerin kann – im Unterschied zu den männlichen ... gleichen Alters, mit Ausnahme schwerbehinderter Kollegen – das Übergangsgeld nach Vollendung des 60. Lebensjahres gemäß § 7 Ü-VersTV-FDB nicht mehr in Anspruch nehmen. Sie erhält vielmehr eine mit Abschlägen versehene gesetzliche Altersrente sowie eine betriebliche Altersversorgung und die Rentenverlustausgleichsleistung nach § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB. Hierdurch steht sie sich laufend nachweisbar finanziell schlechter als ein vergleichbarer männlicher Kollege. Neben geringeren monatlichen Einkünften im Zeitraum Juli 2005 bis Juni 2008 bleiben dauerhaft bestehen die versicherungsmathematischen Abschläge und die Klägerin kann nach dem Ende des Monats der Vollendung ihres 60. Lebensjahres keine höheren Rentenansprüche mehr erwerben (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.).

Der Annahme einer mittelbaren Diskriminierung steht nicht entgegen, dass die Ausgestaltung der gesetzlichen Rentenversicherung nicht den Anforderungen von §§ 1, 7 AGG unterliegt. Knüpft ein Arbeitgeber durch Bezugnahme auf eine Kollektivvereinbarung an die sozialversicherungsrechtlichen Unterscheidungen an und handelt er deswegen benachteiligend, unterfallen diese Handlungen uneingeschränkt dem sachlichen Geltungsbereich der Richtlinie 97/80/EG (vgl. zur Schwerbehinderung BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; BAG vom 18. Mai 2006 a.a.O.).

Die Regelungen im Ü-VersTV-FDB überlassen den unter § 237 a SGB VI fallenden Frauen abweichend von der gesetzlichen Regelung des § 236 Abs. 1 SGB VI in der zurzeit der Vollendung des 60. Lebensjahres der Klägerin geltenden Fassung nicht die Wahl, ob sie eine vorzeitige Altersrente mit Abschlägen in Anspruch nehmen oder nicht. Der Anspruch auf Übergangsversorgung nach § 7 Ü-VersTV-FDB erlischt ohne Zutun der Mitarbeiterin, sobald die Voraussetzungen einer gesetzlichen Altersrente erfüllt sind.

2.3.

Die mit dem Erlöschenstatbestand verbundene mittelbare Diskriminierung ist unzulässig, weil sie nicht durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt ist.

Grundsätzlich ist es nicht ausgeschlossen, dass arbeitsrechtliche Regelungen, die an das gesetzliche Rentenrecht und die in ihm enthaltenen unterschiedlichen Bezugsvoraussetzungen anknüpfen, gerechtfertigt sein können, auch wenn sie auf dem noch eingeschränkt zulässigen unterschiedlichen Zugangsalter für Frauen und Männer beruhen (vgl. LAG Düsseldorf vom 15. Februar 2008 a.a.O.). Die gerichtliche Kontrolle von Tarifbestimmungen wird durch die von Art. 9 Abs. 3 GG gewährleistete Tarifautonomie begrenzt. Den Tarifvertragsparteien steht als selbständigen Grundrechtsträgern eine Einschätzungsprärogative zu, soweit es um die Beurteilung des tatsächlichen Regelungsbedarfs im Hinblick auf die betroffenen Interessen und die Rechtsfolgen geht. Sie sind nicht dazu verpflichtet, die zweckmäßigste, vernünftigste oder gerechteste Lösung zu wählen. Es genügt, wenn es für die getroffene Regelung einen sachlich vertretbaren Grund gibt. Der Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien ist jedoch durch die von Art. 3 Abs. 3 S. 1 GG, §§ 1, 7 AGG getroffenen Wertentscheidungen eingeengt (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.).

Als Rechtsgrund für eine zulässige unterschiedliche Behandlung von Männern und Frauen reicht es nicht aus, allein auf die sozialrechtliche Vorschrift und deren Verfassungsmäßigkeit Bezug zu nehmen. Notwendig ist, ob zwischen der vom Arbeitgeber geschuldeten Leistung und der in Bezug genommenen Rentenberechtigung des Arbeitnehmers ein sachlicher Zusammenhang besteht. Dies beurteilt sich anhand des mit der Arbeitgeberleistung verfolgten Ziels. Welches Ziel erreicht werden soll, richtet sich bei tarifvertraglichen Regelungen nach den Vorgaben der Tarifvertragsparteien, die sich aus den anspruchsbegründenden Merkmalen ergeben. Ausschluss- und Kürzungsregelungen, die auf sozialrechtliche Bestimmungen verweisen, müssen sich deshalb an den tariflichen Regelungszielen messen lassen (BAG vom 20. August 2002 – 9 AZR 750/00, AP Nr. 6 zu § 1 TVG Tarifverträge: Süßwarenindustrie m. w. N.; LAG Düsseldorf vom 15. Februar 2008 a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist die Benachteiligung der Klägerin nicht sachlich gerechtfertigt. Das Übergangsgeld nach dem Ü-VersTV-FDB stellt keine Leistung der betrieblichen Altersversorgung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 1 BetrAVG dar, sondern dient der Überbrückung einer erwarteten Arbeitslosigkeit (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; LAG Düsseldorf vom 15. Februar 2008 a.a.O.).

Eine Altersversorgungszusage ist nur anzunehmen, wenn sie einem Versorgungszweck dient, die Leistungspflicht nach dem Inhalt der Zusage durch ein im Gesetz genanntes biologisches Ereignis (Alter, Invalidität oder Tod) ausgelöst wird und es sich um eine Zusage eines Arbeitgebers aus Anlass eines Arbeitsverhältnisses handelt (vgl. BAG vom 28. Oktober 2008 – 3 AZR 317/07, BetrAV 2009, 370 m.w.H.)

Diese Voraussetzungen sind nicht gegeben. Ziel der Übergangsversorgung ist es, Versorgungslücken zu überbrücken, die aufgrund des nach § 10 Abs. 2 der Sonderregelungen für die Flugsicherungsdienste (SR-FS-Dienste) zwingend eintretenden vorzeitigen Ausscheidens der ... und ... aus dem Arbeitsverhältnis entstehen (vgl. BAG vom 16 Dezember 2008 a.a.O.). Alle, d.h. männliche wie weibliche Beschäftigte aus diesem Betriebsbereich sollen wirtschaftlich abgesichert werden, weil ihr Arbeitsverhältnis aufgrund der tariflichen Altersgrenze mit Vollendung des 59. Lebensjahrs endet. Zwar scheiden die unter den Ü-VersTV-FDB fallenden Beschäftigten nominell noch nicht aus dem Berufsleben aus, sie sind jedoch gemäß § 4 Ü-VersTV-FDB für die Zeit des Bezugs von Übergangsgeld verpflichtet, sich nicht arbeitslos zu melden. Mittels des gewährten Übergangsgeldes wird die Zeit der faktischen Arbeitslosigkeit bis zur Erreichung des Alters, in dem Leistungen aus der gesetzlichen Rentenversicherung bezogen werden können, überbrückt.

Mit diesem Regelungszweck ist es nicht zu vereinbaren, wenn die Anknüpfung an das gesetzliche Rentenversicherungsrecht dazu führt, dass Frauen und Männer (oder schwerbehinderte und nicht schwerbehinderte Menschen) nicht in gleicher Weise wirtschaftlich abgesichert werden (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.).

Anders als im Bereich der Altersteilzeit hat das Arbeitsverhältnis der unter den Ü-VersTV-FDB fallenden Beschäftigten geendet Und anders als im Falle von Überbrückungsbeihilfen und Sozialplanleistungen soll mittels der Gewährung der Übergangsversorgung nicht eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess erreicht werden (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; BAG vom 18. Mai 2006 a.a.O.).

Der Ausgleich der finanziellen Nachteile, die als Folge der tariflichen Regelung über das Ausscheiden der im Bereich Flugdatenbearbeitung eingesetzten Arbeitnehmer mit Vollendung des 59. Lebensjahres eintreten, wird jedoch – auch unter Berücksichtigung des gemäß § 7 Abs. 2 Ü-VersTV-FDB gewährten Rentenverlustausgleichs – nicht erreicht, weil die unter die Übergangsjahrgänge fallende Klägerin bereits mit Vollendung des 60. Lebensjahres ihren Anspruch auf Übergangsgeld verliert, ohne vollständig finanziell einem vergleichbarer männlicher Kollege gleichgestellt zu werden (vgl. LAG Düsseldorf vom 15. Februar 2008 a.a.O.). Die Summe aller Nettoeinkünfte der Klägerin in der Zeit nach dem 1. Oktober 2006 liegt unter der eines vergleichbaren männlichen ..., die dieser bis zur Vollendung seines 63. Lebensjahres erhält.

2.4.

Ist damit die Regelung in § 7 Ü-VersTV-FDB gemäß § 7 Abs. 2 AGG unwirksam, hat die Klägerin als Benachteiligte entsprechend der zugrunde liegenden Regelung einen Anspruch auf die vorenthaltene Leistung (vgl. BAG vom 16. Dezember 2008 a.a.O.; BAG vom 11. Dezember 2007 – 3 AZR 249/06, AP Nr. 1 zu § 2 AGG). Sie kann daher das Übergangsgeld wie ein vergleichbarer männlicher ... bis zur Vollendung des 63. Lebensjahres beziehen. Die Rückabwicklung der zwischenzeitlich bezogenen Leistungen ist möglich.

2.5.

Der Anspruch der Klägerin auf die Gewährung der Übergangsversorgung über den Zeitpunkt der Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus ist auch nicht – auch nicht in Teilen – aufgrund einer tariflicher Ausschlussfrist verfallen.

Zwar regelt der auf das Arbeitsverhältnis der Parteien anzuwendende Manteltarifvertrag in § 45 den Verfall von Ansprüchen.

Grundsätzlich kann ein Anspruch auf Übergangsgeld auch einer tariflichen Ausschlussfrist unterliegen (vgl. BAG vom 17. März 1988 – 6 AZR 121/87, dokumentiert in juris; BAG vom 14. Februar 1977 – 4 AZR 579/75, AP Nr. 5 zu § 70 BAT). Voraussetzung ist jedoch, dass die die Ausschlussfrist regelnde Tarifbestimmung auch für die Ansprüche auf Übergangsgeld Anwendung findet. Dies ist zu verneinen, wenn die Leistung auf Übergangsgeld in einem eigenständigen Tarifvertrag geregelt ist, der als besondere Regelung dem Manteltarifvertrag vorgeht und abschließende Bestimmungen über das Entstehen und Erlöschen des Anspruchs auf Übergangsgeld enthält (vgl. BAG vom 5. September 1995 – 9 AZR 533/94, AP Nr. 24 zu § 1 TVG; BAG vom 14. Februar 1977 a.a.O.).

Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze unterliegt der klägerische Anspruch keiner Ausschlussfrist. Der Ü-VersTV-FDB enthält keine Verfallklausel und § 45 MTV ist auf den Übergangsgeldanspruch nicht anzuwenden.

Der geltend gemachte Anspruch ist auch nicht verwirkt.

Die Verwirkung ist ein Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung und mit dem Verbot widersprüchlichen Verhaltens verwandt. Sie dient dem Bedürfnis nach Rechtsklarheit und ihr Zweck richtet sich grundsätzlich nicht darauf, Schuldner, denen gegenüber Gläubiger längere Zeit ihre Rechte nicht geltend gemacht haben, von ihrer Pflicht zur Leistung vorzeitig zu befreien. Deshalb kann allein der Zeitablauf die Verwirkung eines Rechts nicht rechtfertigen. Um den Tatbestand der Verwirkung auszufüllen, muss neben das Zeitmoment noch das Umstandsmoment treten. Es müssen also besondere Umstände sowohl im Verhalten des Berechtigten als auch des Verpflichteten hinzukommen, die es rechtfertigen, die späte Geltendmachung des Rechts als mit Treu und Glauben unvereinbar und für den Verpflichteten als unzumutbar anzusehen (vgl. BAG vom 25. April 2001 – 5 AZR 497/99, AP Nr. 46 zu § 242 BGB Verwirkung m.w.H.). Grundsätzlich begründet das bloße Absehen von Mahnungen noch keine Vertrauensposition des Schuldners (vgl. BAG vom 28. Mai 2001 – 9 AZR 145/01 – EzA § 242 Verwirkung Nr. 2).

Es kann dahingestellt bleiben, ob das Zeitmoment als Voraussetzung des Verwirkungstatbestandes erfüllt ist. Jedenfalls sind keine Umstände ersichtlich, aus denen sich ergibt, dass die Geltendmachung der Ansprüche auf Fortzahlung des Übergangsgeldes über die Vollendung des 60. Lebensjahres hinaus, die erstmals mit der Klage vom 27. Juni 2007, der Beklagten zugestellt am 5. Juli 2007 erfolgt ist, treuwidrig ist und das Leistungsverlangen nunmehr für die Beklagte unzumutbar wäre.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Die Beklagte hat als unterlegene Partei die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 Ziffer 1 ArbGG.

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