Hessisches LSG, Beschluss vom 17.10.2008 - L 7 AS 251/08 B ER, L 7 AS 253/08 B ER, L 7 AS 252/08 B ER
Fundstelle
openJur 2012, 30888
  • Rkr:

1) Zur Nichtigkeit einer Eingliederungsvereinbarung wegen Verstoß gegen das Schriftformerfordernis.

2) Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit ist nicht tauglicher Regelungsgegenstand einer Eingliederungsvereinbarung. Eine mit einem Hilfebedürftigen, dessen Erwerbsfähigkeit zweifelhaft ist, geschlossene Eingliederungsvereinbarung ist nichtig.

Gründe

Der 1968 geborene Antragsteller bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) von dem Antragsgegner. Zuletzt wurden ihm mit (Folge-) Bescheid vom 7. Mai 2008 Leistungen für die Zeit vom 1. Mai 2008 bis 31. Oktober 2008 bewilligt. Der Antragsteller wendet sich gegen die Kürzung dieser Leistungen nach § 31 SGB II im Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2008.

Im Rahmen eines persönlichen Beratungsgesprächs am 1. Februar 2008 wies der Antragsteller neuerlich auf seine gesundheitliche Situation hin und erklärte, sich nicht für voll erwerbsfähig zu halten. Nach Aktenlage war er zuvor zuletzt vom 23. November 2007 bis 21. Dezember 2007 und vom 17. Januar 2008 bis 25. Januar 2008 arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Mit der für ihn zuständigen Sachbearbeiterin wurde daraufhin eine ärztliche Begutachtung vereinbart. Den ihm vorgelegten Entwurf einer (Folge-) Eingliederungsvereinbarung mit Datum 1. Februar 2008 unterschrieb der Antragsteller an diesem Tag unter Hinweis darauf nicht, diese mangels Brille aufgrund seiner massiven Fehlsichtigkeit nicht lesen zu können. Die Eingliederungsvereinbarung wurde ihm daraufhin - auch ohne Unterschrift eines Vertreters des Antragsgegners - in doppelter Ausfertigung ausgehändigt. Vereinbarungsgemäß gab der Antragsteller eine von ihm unterschriebene Ausfertigung am 4. Februar 2008 bei der Gemeindeverwaltung in A. zur Weiterleitung an den Antragsgegner ab. Dort ging diese am 5. Februar 2008 ein und wurde zu einem nicht mehr feststellbaren Datum von der Sachbearbeiterin Frau E. unterschrieben. Eine Übersendung der beidseitig unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung an den Antragsteller erfolgte nicht mehr.

In der Eingliederungsvereinbarung wurde dem Antragsteller seine gesundheitliche Situation betreffend aufgegeben, zur Prüfung seiner Erwerbsfähigkeit einen Begutachtungstermin beim ärztlichen Dienst wahrzunehmen. Als von ihm übernommene Aufgaben waren u.a. regelmäßige Bewerbungsaktivitäten (mindestens zehn pro Monat, davon mindestens fünf schriftlich) sowie der ordnungsgemäße Antritt und die Absolvierung qualifizierter Arbeitsgelegenheiten vereinbart worden.

Vom 29. Februar 2008 bis 30. März 2008 war der Antragsteller aufgrund einer psychogenen Belastungsreaktion neuerlich arbeitsunfähig. Entsprechende Bescheinigungen legte er dem Antragsgegner jeweils vor.

Unter dem 10. März 2008 und 18. März 2008 wies der Antragsgegner dem Antragsteller eine Arbeitsgelegenheit bei der C. gGmbH im Bereich Bau-/ Haustechnik zu. Die Tätigkeit dort sollte am 17. März 2008 bzw. 31. März 2008 beginnen und jeweils ein halbes Jahr dauern. Beide Bescheide enthielten ferner eine Reihe von Hinweisen und Rechtsfolgenbelehrungen, auch zu der Sanktionsnorm des § 31 SGB II. Die Arbeitsgelegenheiten nahm der Antragsteller nicht auf.

Nach Anhörung des Antragstellers erließ der Antragsgegner unter dem 9. Mai 2008 einen Sanktionsbescheid. Durch diesen wurde das Arbeitslosengeld II nach § 31 Abs. 3 Satz 2 SGB II um 100% der Regelleistung wegen zweiter wiederholter Pflichtverletzung für die Dauer von drei Monaten mit Beginn zum 1. Juni 2008 gekürzt. Als Grund wurde die Verletzung von Aufgaben aus der Eingliederungsvereinbarung vom 1. Februar 2008 genannt. Der Antragsteller habe im Februar 2008 keine Bewerbungsnachweise vorgelegt und die Arbeitsgelegenheiten ab 17. März 2008 und 31. März 2008 nicht angetreten. Das Arbeitslosengeld II sei zuvor bereits vom 1. März 2008 bis zum 31. Mai 2008 um 60 % abgesenkt worden (bestandskräftiger Bescheid des Antragsgegners vom 19. Februar 2008).

Den Widerspruch wies der Antragsgegner mit Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008, berichtigt durch Bescheid vom 2. Juli 2008, zurück. Am 24. Juni 2008 hat der Antragsteller hiergegen Klage bei dem Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben (Az. S 38 AS 930/08), über die noch nicht entschieden worden ist. Bereits mit bei dem Sozialgericht am 29. Mai 2008 eingegangenem Antrag hat der Antragsteller die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes begehrt (S 38 AS 823/08 ER).

Mit Bescheid vom 21. Mai 2008 senkte der Antragsgegner die Leistungen nach dessen Anhörung (nochmals) für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. August 2008 ab, wogegen der Antragsteller am 29. Mai 2008 Widerspruch erhob und auch einstweiligen Rechtsschutz begehrt hat (Sozialgericht Frankfurt am Main - S 38 AS 824/08 ER). Zur Begründung bezog sich der Antragsgegner wiederum auf die Verletzung der Eingliederungsvereinbarung vom 1. Februar 2008.

Der Antragsteller habe in den Monaten März und April 2008 keine Bewerbungsnachweise vorgelegt, am 9. Mai 2005 sei er nicht zu einem vereinbarten Beratungstermin erschienen. Über den Widerspruch ist noch nicht entschieden worden.

Mit Änderungsbescheid vom 19. Juni 2008 hob die Beklagte den Bescheid vom 7. Mai 2008 für die Zeit vom 1. Juni 2008 bis 31. August 2008 unter Hinweis auf die Sanktionsbescheide, gestützt auf die §§ 48 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X), 40 Abs. 1 SGB II, 330 Abs. 3 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) vollständig auf. Hiergegen legte der Antragsteller mit Schreiben vom 24. Juni 2008 Widerspruch ein, über den ebenfalls noch nicht entschieden wurde, und stellte Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz (Sozialgericht Frankfurt am Main - S 38 AS 968/08 ER), auch in Bezug auf die Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008 in der Fassung vom 2. Juli 2008.

Am 27. Juni 2008 wurde der Antragsteller im Auftrag des Antragsgegners vom ärztlichen Dienst der Agentur für Arbeit in H. untersucht. Nach den dortigen Feststellungen ist er aufgrund seiner Gesundheitsstörungen (behandlungswürdige seelische Problematik mit Auswirkung auf das körperliche Befinden, eingeschränkte Sehfähigkeit beidseits, Zustand nach Bruch des rechten Schlüsselbeines mit verbliebenen Schmerzen und endgradiger Bewegungseinschränkung der rechten Schulter, chronische Magenschleimhautentzündung, Verdacht auf Nervenschädigung beider Beine) voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt täglich weniger als drei Stunden leistungsfähig.

Mit Beschlüssen vom 25. Juni 2008 (zu S 38 AS 823/08 ER und S 38 AS 824/08 ER) und 25. Juli 2008 (S 38 AS 968/08 ER) hat das Sozialgericht die Anträge auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes mit im Wesentlichen gleicher Begründung zurückgewiesen. Es handele sich jeweils um Verfahren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), die Voraussetzungen für die Anordnung der aufschiebenden Wirkung lägen jedoch nicht vor.

Entscheidungserheblich sei, ob im Rahmen einer offenen Interessenabwägung einem öffentlichen Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes Vorrang gegenüber schützenswerten Interessen des Adressaten einzuräumen sei. Seien Widerspruch oder Klage in der Hauptsache offensichtlich unzulässig oder unbegründet, sei der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ohne weitere Interessenabwägung grundsätzlich abzulehnen, weil der gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit des Verwaltungsaktes kein schützenswertes Interesse des Bescheidadressaten entgegenstehen könne. Da durchgreifende Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide des Antragsgegners nicht bestünden, sei die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen gewesen. Die Bescheide seien formell und auch materiell rechtmäßig. Der Antragsteller habe die in der Eingliederungsvereinbarung vom 1. Februar 2008 - an deren Wirksamkeit keine Zweifel bestünden - festgelegten Verpflichtungen nicht erfüllt. Ein wichtiger Grund im Sinne von § 31 Abs. 1 Satz 2 SGB II habe ihm auch aufgrund seiner Krankheit nicht zur Seite gestanden, zumal eine durchgehende Krankschreibung nicht vorgelegen habe.

Gegen die ihm am 30. Juni 2008 zugestellten Beschlüsse (S 38 AS 823/08 ER und S 38 AS 824/08 ER) hat der Antragsteller jeweils am 30. Juli 2008 Beschwerde bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht (L 7 AS 251/08 B ER, L 7 AS 252/08 B ER), gegen den am 30. Juli 2008 zugestellten Beschluss (S 38 AS 968/08 ER) hat er noch am gleichen Tag Beschwerde erhoben (L 7 AS 253/08 B ER).

Der Antragsteller ist der Ansicht, dass eine wirksame Eingliederungsvereinbarung zwischen ihm und dem Antragsgegner nicht zu Stande gekommen ist. Bei der Eingliederungsvereinbarung handele es sich um einen öffentlich-rechtlichen Vertrag, für den das Schriftformerfordernis des § 56 SGB X gelte. Entsprechend hätten vorliegend sowohl Angebot, als auch Annahme schriftlich erfolgen müssen und diese schriftlichen Erklärungen jeweils dem Vertragspartner zugehen müssen. Mit Übergabe der von ihm unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung habe er ein schriftliches Angebot zum Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung unterbreitet, das mit Zugang bei dem Antragsgegner am 5. Februar 2008 wirksam geworden sei. Um einen wirksamen schriftlichen Vertragsschluss unter Abwesenden im Sinne von § 130 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) herbeizuführen, hätte der Antragsgegner ihm eine auch von ihm unterschriebene Version der Eingliederungsvereinbarung - als Annahme des Angebots - zukommen lassen müssen, was nicht geschehen sei. § 151 BGB, der den Verzicht des Zugangs der Annahmeerklärung regele, sei nicht anwendbar.

Die Hilfebedürftigen erhielten regelmäßig ein beidseitig unterschriebenes Exemplar der Hilfevereinbarung, so dass sich aus der Verkehrssitte nicht entnehmen ließe, dass auf das Zugangserfordernis hätte verzichtet werden können. Auch habe der Antragsgegner nicht objektiv erkennbar einen Annahmewillen im Sinne einer konkludenten Annahme betätigt. Unter Hinweis auf das ärztliche Gutachten vom 27. Juni 2008 trägt der Antragsteller im Weiteren vor, bereits zum Zeitpunkt seiner Unterschrift auf der Eingliederungsvereinbarung arbeitsunfähig gewesen zu sein. Ein Arbeitsunfähiger könne wegen fehlender Arbeitsbemühungen nicht sanktioniert werden.

Der Antragsteller beantragt unter Berücksichtigung seines letzten Schriftsatzes vom 15. Oktober 2008 (sinngemäß) noch,

1) unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2008 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 in der Fassung vom 2. Juli 2008 anzuordnen und den Antragsgegner in Aufhebung des Vollzuges des Bescheids vom 9. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Juni 2008 in der Fassung vom 2. Juli 2008 dazu zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2008 ungekürzte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszuzahlen.

2) unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juni 2008 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 21. Mai 2008 anzuordnen und den Antragsgegner in Aufhebung des Vollzuges des Bescheids vom 21. Mai 2008 zu verpflichten, an ihn für den Zeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2008 ungekürzte Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende auszuzahlen.

3) unter Aufhebung des Beschlusses des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 25. Juli 2008 die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 19. Juni 2008 anzuordnen.

Der Antragsgegner beantragt,

die Beschwerden zurückzuweisen.

Die Eingliederungsvereinbarung hält er für wirksam. Die Übergabe der zwei Exemplare an den Antragsteller stelle ein Angebot zum Abschluss eines öffentlich-rechtlichen Vertrages dar. Durch diese sei der Rechtsbindungswille des Antragsgegners manifestiert worden. Eine Unterschrift eines Behördenmitarbeiters sei in Anwendung des Rechtsgedankens des § 33 Abs. 3 SGB X entbehrlich. Die später noch erfolgte Unterschrift auf der Eingliederungsvereinbarung habe insofern nur noch deklaratorischen Charakter gehabt. Bei Fehlen einer Unterschrift sei das Schriftformerfordernis immer noch als erfüllt anzusehen, wenn derartige Begleitumstände vorlägen, dass auf eine vom Absender und somit vom Antragsgegner bewusst und gewollt in den Verkehr gebrachte Willenserklärung geschlossen werden könne. Nach der Verkehrssitte sei eine ausdrückliche weitere Erklärung dann nicht zu erwarten (BSG vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R). Hilfsweise habe der Antragsgegner jedenfalls einen Annahmewillen getätigt, da ein Exemplar, welches beide Unterschriften der Beteiligten enthalte, in der Verwaltungsakte vorhanden sei. Bezüglich der Betätigung des Annahmewillens sei eine betriebsinterne Handlung ausreichend.Die nachträglich festgestellte fehlende Erwerbsfähigkeit stehe der Eingliederungsvereinbarung ebenfalls nicht entgegen, denn Anfang Februar 2008 habe der Antragsteller noch als erwerbsfähig gegolten, zumal auch das Gutachten des ärztlichen Dienstes nichts über die Erwerbsfähigkeit zu diesem Zeitpunkt aussage. Da keine durchgehende Krankschreibung zu Beginn des Jahres 2008 vorgelegen habe, liege der Schluss nahe, dass zu diesem Zeitpunkt noch keine Erwerbsunfähigkeit, sondern nur vorübergehende gesundheitliche Beeinträchtigungen vorgelegen hätten. Es habe dem Antragsteller auch offen gestanden, die Eingliederungsvereinbarung nicht zu unterschreiben. Da er dies jedoch getan habe, sei davon auszugehen, dass er die in der Eingliederungsvereinbarung vereinbarten Ziele für zumutbar und erreichbar gehalten habe und selbst von seiner Erwerbsfähigkeit ausgegangen sei.

Wegen des Sach- und Streitstandes im Übrigen wird auf die Gerichtsakten der vorliegenden Verfahren, auf die Gerichtsakten S 38 AS 823/08 ER, S 38 AS 824/08 ER und S 38 AS 968/08 ER (Sozialgericht Frankfurt am Main) sowie auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.

II.

Gemäß § 113 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) waren die Streitsachen L 7 AS 251/08 B ER, L 7 AS 252/08 B ER und L 7 AS 253/08 B ER zur gemeinsamen Entscheidung zu verbinden.

Die Beschwerden sind, soweit über sie noch zu entscheiden ist, zulässig und auch begründet.

Gegenstand der Beschwerdeverfahren im einstweiligen Rechtsschutz ist die Vollziehung der Absenkung der Regelleistung um 100 % vom 1. Juni 2008 bis 31. August 2008 und der entsprechenden teilweisen Aufhebung der Leistungsbewilligung vom 7. Mai 2008 durch den Bescheid vom 9. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 in der Fassung vom 2. Juli 2008 und der Bescheide vom 21. Mai 2008 und 19. Juni 2008.

Bei den von dem Antragsteller geltend gemachten Begehren auf einstweiligen Rechtsschutz handelt es sich, worauf das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat, ausschließlich um solche nach § 86b Abs. 1 SGG. Danach kann das Gericht in der Hauptsache auf Antrag

a. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen, b. in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen, c. in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.

Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

Vorliegend handelt es sich um ein Begehren nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG mit dem Ziel, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 9. Mai 2008 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 in der Fassung vom 2. Juli 2008 sowie der Widersprüche gegen die Bescheide vom 21. Mai 2008 und 19. Juni 2008 anzuordnen.

Bei dem Ausspruch einer Sanktion nach § 31 SGB II wie auch bei der Aufhebung einer Leistungsbewilligung handelt es sich um Verwaltungsakte im Sinne von § 39 Nr. 1 SGB II, die über Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende entscheiden. Die letztgenannte Regelung stellt einen der anderen durch Bundesgesetz vorgeschriebenen Fälle dar, bei denen die aufschiebende Wirkung gemäß § 86a Abs. 2 Nr. 4 SGG entfällt.

Zu dem Verfahren L 7 AS 253/08 B ER (Sozialgericht Frankfurt am Main - S 38 AS 968/08 ER) weist der Senat zur Klarstellung vorab auf folgendes hin:

Die ablehnende Entscheidung unter Ziffer I. 1. des Beschlusses war, soweit der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz in Bezug auf "die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 21. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008, geändert durch Widerspruchsbescheid vom 2. Juli 2008 und die Aufhebung der Vollziehung" abgelehnt wurde, bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Einen solchen Antrag hat der anwaltlich vertretene Antragsteller nicht gestellt. Er wäre i. Ü. auch nicht möglich gewesen. Denn der Widerspruchsbescheid des Antragsgegners vom 17. Juni 2008 in der (im Tatbestand) berichtigten Fassung vom 2. Juli 2008 bezieht sich ausschließlich auf den Widerspruch des Antragstellers vom 29. Mai 2008 gegen den Bescheid vom 9. Mai 2008. Ein Widerspruchsbescheid zu dem Widerspruch des Antragstellers ebenfalls vom 29. Mai 2008 gegen den weiteren Bescheid vom 21. Mai 2008 ist bisher noch nicht ergangen.

Das Sozialgericht ist in seinem Beschluss vom 25. Juli 2008 insoweit von fehlerhaften Voraussetzungen ausgegangen.

Soweit der Antragsteller in dem Verfahren vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main S 38 AS 968/08 ER mit Schriftsatz vom 24. Juni 2008 - eingegangen am 27. Juni 2008 - "im Wege der Antragserweiterung" tatsächlich beantragt hatte, "die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen den Sanktionsbescheid vom 9. Mai 2008 in Form des Widerspruchsbescheides vom 17. Juni 2008 und die Aufhebung der Vollziehung" anzuordnen, wäre dieser Antrag als unzulässig abzuweisen gewesen.Noch während des Beschwerdeverfahrens hat der Antragsgegner den Widerspruch des Antragstellers zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 17. Juni 2008). Dagegen hat der Antragsteller am 24. Juni 2008 Klage zum Sozialgericht Frankfurt am Main erhoben (Az.: S 38 AS 930/08), was bei der Beschlussfassung des Sozialgerichts richtigerweise entsprechend auch berücksichtigt wurde (Seite 5 des Beschlusses vom 25. Juni 2008 S 38 AS 823/08 ER).Der Antrag, die aufschiebende Wirkung nach § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG anzuordnen, zielt grundsätzlich darauf ab, diese Entscheidung für die Dauer des gesamten Verfahrens bis zum Eintritt der Unanfechtbarkeit der angegriffenen Verwaltungsentscheidung zu erreichen. Das entspricht dem Interesse an effektivem Rechtsschutz. Damit erfasst der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs zugleich jene auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der (später erhobenen) Klage. Einer gesonderten Antragstellung auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung und Aufhebung der Vollziehung bedurfte es nach Klageerhebung daher nicht mehr. Die konkret erfolgte Antragstellung war nicht zulässig (§ 17 Abs. 1 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG -).

Die aufschiebende Wirkung der Klage und auch der Widersprüche ist vorliegend anzuordnen, weil erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Sanktionsbescheide bestehen.

Ein Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 86b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGG ist begründet, wenn das private Interesse des Anfechtenden, den Vollzug des angefochtenen Bescheides bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen (privates Aussetzungsinteresse), gegenüber dem öffentlichen Interesse an dessen Sofortvollzug (öffentliches Vollzugsinteresse) überwiegt. Dies ist im vorläufigen Rechtsschutzverfahren summarisch zu prüfen und dabei der Sachverhalt gemäß § 103 SGG von Amts wegen unter Heranziehung der Beteiligten zu ermitteln, soweit dies unter Berücksichtigung der Eilbedürftigkeit des Rechtsschutzbegehrens geboten ist. Die danach nötige Abwägung zwischen dem privaten Aussetzungsinteresse und dem öffentlichen Vollzugsinteresse hat sich an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, weil am Vollzug eines rechtswidrigen Bescheides in der Regel kein öffentliches Interesse besteht, während bei einem rechtmäßigen Bescheid das öffentliche Interesse angesichts der gesetzlich angeordneten, sofortigen Vollziehbarkeit in der Regel vorrangig ist. Daneben sind aber auch alle sonstigen Umstände des Einzelfalles, die für und gegen die sofortige Vollziehbarkeit sprechen, gegeneinander abzuwägen, insbesondere das besondere Vollzugsinteresse im Einzelfall, der Umfang der drohenden Rechtsbeeinträchtigung und die Folgen, die der Sofortvollzug eines rechtswidrigen Bescheides einerseits und das Aussetzen des Sofortvollzugs eines rechtmäßigen Bescheides andererseits mit sich bringen würde. Je geringer die Erfolgsaussichten in der Hauptsache sind, um so gewichtiger müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände sein. Bei einem gänzlich offenen Ausgang in der Hauptsache müssen die sonstigen, gegen den Sofortvollzug sprechenden Umstände in jedem Fall höher zu bewerten sein, als die für ihn sprechenden, sonstigen Umstände, da es andernfalls bei der bereits gesetzlich angeordneten sofortigen Vollziehbarkeit bleibt (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 86b Rz. 12a ff).

Bei der im Rahmen des § 86b Abs. 1 SGG sonach gebotenen Interessenabwägung überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage und der von ihm erhobenen Widersprüche gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Vollziehung der Bescheide. Die Klage, wie auch die Widersprüche, haben überwiegende Erfolgsaussichten.

Zur Überzeugung des Senats spricht Einiges für die Rechtswidrigkeit der Sanktionsbescheide vom 9. Mai 2008 und 21. Mai 2008, weshalb als Folge auch der an diese anknüpfende Aufhebungsbescheid vom 19. Juni 2008 keinen Bestand haben kann.

Nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 b) i.V.m. Abs. 3 Satz 2 SGB II wird das Arbeitslosengeld II bei wiederholter Pflichtverletzung nach Abs. 1 um 100 vom Hundert gemindert, wenn der erwerbsfähige Hilfebedürftige sich trotz Belehrung über die Rechtsfolgen weigert, in der Eingliederungsvereinbarung festgelegte Pflichten zu erfüllen, insbesondere in ausreichendem Umfang Eigenbemühungen nachzuweisen.

Grundvoraussetzung für einen Pflichtenverstoß im Sinne dieser Vorschrift ist die Existenz einer wirksamen Eingliederungsvereinbarung. Daraus folgt, dass eine Absenkung nur dann vorgenommen werden kann bzw. ein entsprechender Verwaltungsakt nur dann rechtmäßig ist, wenn eine wirksame und nicht nichtige Eingliederungsvereinbarung vereinbart worden ist (vgl. Sonnhof in: Juris PK-SGB II § 15 Rz. 109, § 31 Rz. 44).

Der Antragsgegner beruft sich vorliegend auf die mit dem Antragsteller am 1. Februar 2008 geschlossene Eingliederungsvereinbarung. Zur Überzeugung des Senats erweist sich diese jedoch als nichtig.

Bei der Eingliederungsvereinbarung gem. § 15 Abs. 1 SGB II handelt es sich nach herrschender Meinung um einen öffentlich - rechtlichen Vertrag. Regelungsgegenstand sind die sich aus dem SGB II ergebenden (öffentlichen) Rechte und Pflichten. (Berlit in LPK - SGB II, 2. Aufl., § 15 Rz. 8; Rixen in Eicher/ Spellbrink, SGB II, § 15 Rz. 2). Die Eingliederungsvereinbarung ist ein unechter Austauschvertrag i. S. v. § 55 Abs. 1 SGB X, in der sich der Vertragspartner der Behörde zu einer Gegenleistung verpflichtet, die zu einem bestimmten Zweck vereinbart werden und der Behörde zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben dienen muss.

Gemäß § 58 Abs. 1 SGB X ist ein öffentlich-rechtlicher Vertrag nichtig, wenn sich die Nichtigkeit aus einer entsprechenden Anwendung der Vorschriften aus dem BGB ergibt.

Die in Rede stehende Eingliederungsvereinbarung ist vorliegend zum einen nichtig, weil sie der nach § 56 SGB X gesetzlich vorgeschriebenen Schriftform des Rechtsgeschäfts nicht genügt und ein Verstoß gegen eine gesetzliche Formvorschrift nach § 125 Satz 1 BGB zur Nichtigkeit des Vertrags führt.

Wie jeder Vertrag kommt auch der öffentlich-rechtliche durch Abgabe zweier korrespondierender Willenerklärungen zustande (§§ 145 ff BGB). Von dem Schriftformerfordernis des § 56 SGB X sind entsprechend sowohl das Vertragsangebot als auch die zeitlich nachfolgende Vertragsannahme erfasst, weshalb es der Unterschrift beider Parteien auf der Vertragsurkunde bedarf (Krasney in: KassKomm, SGB X, § 56 Rz. 5).

Entgegen der Ansicht des Antragsgegners wurde durch ihn mit Übergabe des Entwurfs der Eingliederungsvereinbarung an den Antragsteller am 1. Februar 2008 kein wirksames Angebot unterbreitet.

Es fehlte insoweit an der Unterschrift eines Behördenmitarbeiters als Vertreter. Die Unterschrift war auch nicht gemäß § 33 Abs. 3 SGB X entbehrlich. Die auf einseitige hoheitliche Handlungen zugeschnittene Regelung ist auch von ihrem Rechtsgedanken her auf öffentlich-rechtliche Verträge mit Blick auf den gänzlich anderen Rechtscharakter des Rechtsgeschäfts nicht anwendbar (h.M. Krasney in: KassKomm, SGB X, § 56 Rz. 4; Engelmann in: von Wulffen, SGB X, 6. Aufl. 2008, § 56 Rz. 6).

Mit Übergabe des von ihm unterschriebenen Entwurfs der Eingliederungsvereinbarung an die Mitarbeiterin der Gemeindeverwaltung A. hat vielmehr der Antragsteller dem Antragsgegner ein Vertragsangebot unterbreitet, welches mit Zugang bei diesem am 5. Februar 2008 wirksam wurde (§ 130 Abs. 1 Satz 1 BGB).

Eine formwirksame Annahme dieses Angebots ist durch den Antragsgegner nicht erfolgt. Zwar hat die für den Antragsteller zuständige Sachbearbeiterin des Antragsgegners die Eingliederungsvereinbarung (noch) unterschrieben. Eine kraft Gesetzes formbedürftige Willenserklärung muss dem Empfänger jedoch auch in der vorgeschriebenen Form, zudem im Original, zugehen (Reichold in: JurisPK-BGB § 130 Rz. 9). Eine Übersendung der Annahmeerklärung, hier letztlich der beidseitig unterschriebenen Eingliederungsvereinbarung, hat der Antragsgegner indes an den Antragsteller nicht veranlasst. Mangels Zugang ist dessen Erklärung über die Vertragsannahme daher gem. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht wirksam geworden.

Der Zugang der Annahmeerklärung war auch nicht nach § 151 BGB entbehrlich. Nach dessen Satz 1 kommt der Vertrag durch die Annahme des Antrags zustande, ohne dass die Annahme dem Antragenden gegenüber erklärt zu werden braucht, wenn eine solche Erklärung nach der Verkehrssitte nicht zu erwarten ist oder der Antragende auf sie verzichtet hat (zur grundsätzlichen Anwendbarkeit des § 151 BGB auf öffentlich-rechtliche Verträge siehe BSG vom 29. Juni 1995 - B 11 RAr 109/94, BSG vom 18. Juli 2006 - B 1 KR 24/05 R).

Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Senats nicht vor. Eine Verkehrssitte, nach der der Zugang der Annahmeerklärung bei Eingliederungsvereinbarungen nicht zu erwarten ist, ist nicht feststellbar. Eine solche wäre nur dann anzunehmen, wenn bei einem Rechtsgeschäft dieser Art unter vergleichbaren Umständen üblicherweise auf eine Annahmeerklärung verzichtet wird.

Nach der Erklärung des Sitzungsvertreters im Erörterungstermin ist davon auszugehen, dass Hilfebedürftige eine Ausfertigung der Vertragsurkunde erhalten. Der Antragsteller selbst hatte nach Aktenlage vor der in Rede stehenden bereits drei Eingliederungsvereinbarungen mit dem Antragsgegner geschlossen, die jeweils beidseitig unterschrieben worden waren und von denen er jeweils ein (Original-) Exemplar erhalten hat. Mit Blick auf diese Praxis und auch den Umstand, dass die Eingliederungsvereinbarung für den Antragsteller erhebliche Pflichten mit sich brachte, also nicht nur rechtlich vorteilhaft war, spricht hier einiges für eine fehlende Verkehrssitte. Einen Verzicht auf den Zugang der Annahmeerklärung hat der Antragsteller ebenfalls weder ausdrücklich noch konkludent erklärt. Auch ein stillschweigender Verzicht des Antragstellers ist nach den gegebenen Umständen nicht annehmbar.

Unabhängig davon ist in Anwendung des § 151 BGB für einen Vertragsschluss zudem noch eine nach außen hervortretende eindeutige Betätigung des Annahmewillens erforderlich. Ist die Annahmeerklärung schriftformbedürftig, bedarf es zur Wahrung des Formerfordernisses zudem einer schriftlichen Betätigung des Annahmewillens gegenüber dem Vertragsantragenden (Backmann in: JurisPK-BGB § 151 Rz. 25, 26).

Nach Eingang der Eingliederungsvereinbarung am 5. Februar 2008 hat der Antragsgegner sich erstmals wieder mit Schreiben vom 13. Februar 2008 schriftlich an den Antragsteller gewandt und ihm - ohne Bezugnahme auf diese - eine Arbeitsgelegenheit zugewiesen. Für die insoweit zu beachtende Annahmefrist des § 151 Satz 2 BGB kommt es auf den mutmaßlichen Willen des Vertragsantragenden - hier also des Antragstellers - an. In Ansehung dessen, dass die Eingliederungsvereinbarung bereits ab Beginn des Monats Februar 2008 Pflichten des Antragstellers statuierte, ist davon auszugehen, dass ihm zeitnah daran gelegen sein musste, Klarheit über den Vertragsschluss zu erlangen. Dem entspricht eine kurze Frist zur Betätigung des Annahmewillens im Sinne einer unverzüglichen Handlung. Sofern man überhaupt das Schreiben vom 13. Februar 2008 als für die Betätigung des Annahmewillens geeignete Handlung des Antragsgegners ansehen kann, genügt jedenfalls eine Zeitspanne von mehr als einer Woche dem nicht mehr.

Über das bisher Bemerkte hinaus ergeben sich zudem noch weitere erhebliche und auch grundsätzliche Bedenken an der Wirksamkeit der Eingliederungsvereinbarung. Der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung setzt bereits nach dem Gesetzestext des § 15 SGB II voraus, dass der Hilfebedürftige überhaupt erwerbsfähig ist.

Ohnehin werden Leistungen nach dem SGB II nur erwerbsfähigen Hilfebedürftigen gewährt (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II).

Bei zweifelhafter Erwerbsfähigkeit kommt eine Eingliederungsvereinbarung daher gar nicht erst in Betracht. Insbesondere kann die Frage, ob diese gegeben ist, nicht Gegenstand einer Eingliederungsvereinbarung sein. Die Prüfung der Erwerbsfähigkeit ist insoweit ein nicht tauglicher Regelungsgegenstand (so auch LSG Rheinland-Pfalz vom 5. Juli 2007 - L 3 ER 175/07 AS). Vorliegend war in der Eingliederungsvereinbarung die Wahrnehmung eines ärztlichen Untersuchungstermins zur Feststellung der Erwerbsfähigkeit vereinbart worden, nachdem der Antragsteller zuvor längere Zeit arbeitsunfähig erkrankt gewesen war und Zweifel an dieser geäußert hatte. Der Abschluss einer Eingliederungsvereinbarung mit einem Hilfebedürftigen mit fraglicher Erwerbsfähigkeit verstößt gegen den elementaren Leistungsgrundsatz des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II und ist daher gem. § 58 SGB X i.V.m. § 134 BGB nichtig (so auch Sonnhoff in: Juris-PK SGB II, § 15 Rz. 85.1, 115.1).

Aus alledem folgt, dass es vorliegend wegen Nichtigkeit der Eingliederungsvereinbarung bereits an den tatbestandlichen Voraussetzungen für eine Sanktionierung nach § 31 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1b) SGB II fehlt. Da die Voraussetzungen der Ermächtigungsgrundlage unabhängig davon, ob die Absenkung verfahrensrechtlich eine Aufhebung der Leistungsbewilligung nach SGB X erfordert oder ob die Absenkung nach § 31 SGB II die Regelung der §§ 45 ff SGB X verdrängt, nicht gegeben sind, kommt es auf die - streitige - und auch vom Sozialgericht aufgeworfene Frage, ob es in Fällen wie dem vorliegenden über einen Sanktionsbescheid hinaus noch eines gesonderten Aufhebungsbescheides bedarf, daher im Ergebnis nicht an. Erweisen sich die Sanktionsbescheide vom 9. Mai 2008 und 21. Mai 2008 schon als rechtswidrig, kann jedenfalls auch der (Aufhebungs-) Bescheid vom 19. Juni 2008 keinen Bestand haben.

Nach § 86b Abs. 1 Satz 2 SGG kann das Gericht bei Verwaltungsakten, die im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden sind, die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Diese Vorschrift stellt es in das Ermessen des Gerichts, Vollzugsfolgen rückgängig zu machen (LSG Berlin-Brandenburg vom 24. November 2006 - L 5 B 949/06 AS ER; LSG Baden-Württemberg vom 18. Oktober 2006 - L 7 SO 3313/06 ER-B). Sie macht mittelbar auch deutlich, dass die aufschiebende Wirkung auch bei bereits vollzogenen Verwaltungsakten angeordnet werden kann (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Auflage 2005, § 86b Rz. 10).

Zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung ist der Sanktionszeitraum vom 1. Juni 2008 bis zum 31. August 2008 bereits abgelaufen. Dem steht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage und der Widersprüche nach dem zuvor Gesagten aber nicht entgegen. Der Senat macht insoweit von seinem Ermessen angesichts der überwiegenden Erfolgsaussichten der Klage und der Widersprüche auch dahingehend Gebrauch, die Vollziehung aufzuheben, d.h. den Antragsgegner zu verpflichten, an den Antragsteller für den streitgegenständlichen Zeitraum die ungekürzten Leistungen auszuzahlen. Bei den Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende handelt es sich um das verfassungsrechtlich verbürgte sog. soziokulturelle Existenzminimum, auf dessen Verzicht im Regelfall niemand längere Zeit verwiesen werden kann, wenn dies nicht gesetzlich rechtmäßig - z.B. auf Grundlage des § 31 SGB II - angeordnet ist und hierüber

Sicherheit besteht (LSG Nordrhein-Westfalen vom 24. September 2007 - L 20 B 169/07 AS ER).

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).

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