AG Eschwege, Urteil vom 14.04.2008 - 2 C 122/08
Fundstelle
openJur 2012, 30038
  • Rkr:
Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtstreits zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Berufung wird nicht zugelassen.

Tatbestand

(gemäß § 313 a Abs. 1 ZPO ohne Tatbestand)

Gründe

Die Klage bleibt ohne Erfolg. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Rechtsanwaltsgebühren aus §§ 7 Abs. 1, 18 StVG, 3 Nr. 1 PflVG a. F.

Zwar haften die Beklagten, wie unstrittig ist, für sämtlichen durch den Verkehrsunfall vom 12.08.2006 verursachten Schaden. Dieser ist, wie dem Grundsatz nach ebenfalls nicht im Streit steht, jedoch nach § 249 BGB nur insoweit zu ersetzen, als er in den Grenzen der Erforderlichkeit entstanden ist. Dabei verkennt die Klägerin auch nicht, dass sich die Erforderlichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts danach richtet, ob diese aus der Sicht des Geschädigten zur Wahrnehmung seiner Rechte geboten und zweckmäßig erscheint.

Hieraus folgt zunächst, dass diese Frage einzelfallabhängig zu entscheiden ist. Einen Grundsatz, nach welchem der Geschädigte eines Verkehrsunfalls stets einen Rechtsanwalt beauftragen kann und der Schädiger die hierdurch entstehenden Kosten zu tragen hat, gibt es nicht. Denn selbstverständlich kann auch ein Verkehrsunfall – wie jedes andere mit denkbaren Ansprüchen einhergehende Ereignis – von solch einfacher sachlicher und rechtlicher Schwierigkeit sein, dass sich die sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts als nicht erforderlich erweist.

Vorliegend gelangt das Gericht zu der Einschätzung, dass die sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts den vorgenannten Kriterien der Erforderlichkeit nicht entspricht.

Der Verkehrsunfall weist in seinem tatsächlichen Ablauf und seiner rechtlichen Bewertung keine ersichtlichen Schwierigkeiten auf. Der Beklagte zu 1) überfuhr eine rote Ampel und beschädigte infolge dessen das Fahrzeug der Klägerin. Der Sachverhalt ist eindeutig, die hieraus zu ziehende Rechtsfolge der Alleinhaftung der Beklagten ebenso. Dass die Unfallstelle eine mit Lichtzeichen versehene Kreuzung ist, eine Örtlichkeit, die "gegebenenfalls viel Spielraum für Argumentation innerhalb der Schuldfrage zulässt", kann nur dann richtig sein, wenn gerade der konkrete Unfallhergang aus der Sicht des Geschädigten potentiell streitig sein könnte. Für ein etwaiges auch nur ansatzweise in Betracht zu ziehendes Mitverschulden des Fahrers des Klägerfahrzeugs wird von der Klägerin indes nichts vorgetragen und ist auch sonst nichts ersichtlich. Die bloße theoretische Möglichkeit, dass eine Haftpflichtversicherung "Spielraum für Argumentation" betreffend die Schuldfrage hat und nutzen könnte, genügt ohne aus der Sicht des Geschädigten denkbare greifbare Anhaltspunkte für ein solches Verhalten nicht.

In subjektiver Hinsicht handelt es sich bei der Klägerin um ein im Rechts- und Wirtschaftsverkehr tätiges, also über hinreichende geschäftliche Gewandtheit verfügendes Unternehmen, dem Umgang mit anderen Unternehmen nicht unvertraut sein dürfen. Ob die Klägerin "in der Regel mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen nichts zu tun hat", ist ohne Belang, da hier keine näheren Rechtskenntnisse zu verlangen sind, sondern lediglich die Frage zu stellen ist, ob die Anzeige des Schadens, verbunden mit dem Begehren auf Schadensersatz, von der Klägerin selbst vorgenommen werden kann. Abgesehen davon folgt aus der genannten von den Bevollmächtigten der Klägerin gewählten Formulierung, dass die Klägerin durchaus schon einmal, wenn auch nicht "in der Regel" mit der Abwicklung von Verkehrsunfällen befasst ist, so dass noch nicht einmal eine gänzliche Unerfahrenheit der Klägerin auf diesem Gebiet sicher auszumachen ist.

Das Interesse der Klägerin, das beschädigte Fahrzeug möglichst schnell wieder betriebsbereit zu bekommen, gebot die sofortige Beauftragung eines Rechtsanwalts ebenfalls nicht. Das wäre nur dann der Fall, wenn die Klägerin ernsthaft hätte erwarten müssen, dass bei eigener Geltendmachung ihrer Ansprüche eine längere Bearbeitungsfrist drohte. Auch hierfür liegen keine Anhaltspunkte vor. Die einzige Verzögerung, die sich vorliegend gegebenenfalls bejahen ließe, kann aus dem Zwischenschritt, zunächst einen Rechtsanwalt zu beauftragen, hergeleitet werden.

Es verbleibt der Umstand, dass das beschädigte Fahrzeug ein Leasingwagen war. Warum diese Tatsache die Klägerin "befürchten" können ließ, "dass sich die Schadensregulierung länger hinziehen würde", ist nicht auszumachen und wird nicht durch substanziellen Vortrag gestützt.

Der rechtlich anerkennenswerten Erwartung einer zügigen Schadensregulierung hätte vorliegend durch entsprechende geringe der Beklagten zu 2) zuzugestehende Bearbeitungsfristen begegnet werden können, nicht aber schon dadurch, dass die Klägerin ohne vorgehende eigene Bemühungen die Durchsetzung ihrer berechtigten Ansprüche in die Hände ihrer Rechtsanwälte legt.

Die durch die Klägerin in Bezug genommenen Entscheidungen ändern an diesem Ergebnis nichts. Sollte die genannte Entscheidung des Amtsgerichts Kelheim derart zu verstehen sein, dass stets nach einem Verkehrsunfall "einer normalen Firma" wie auch einer Privatperson nicht zugemutet werden könne, zunächst allein Schadensersatz zu verlangen, verkennte eine solche Ansicht das Erfordernis der Einzelfallbetrachtung. Im Gegenteil gilt: Auch bei einer geschädigten Privatperson ist die Erforderlichkeit nach § 249 BGB in jedem Einzelfall positiv festzustellen. Zwar mag man zu dem Ergebnis kommen, dass in aller Regel die Beauftragung eines Rechtsanwalts als erforderlich angesehen werden kann. Der vorliegende Verkehrsunfall ist indes aus den obigen Gründen kein "Regelfall".

Der zitierten Entscheidung des Amtsgerichts Mainz vom 23.12.2004 – 89 C 280/04 – schließlich lässt sich nichts entnehmen, das die Ansicht der Klägerin stützte. Die dortige Entscheidung betrifft die Klage einer nicht geschäftlich tätigen Person, und die Frage der Erstattungsfähigkeit von Anwaltskosten stand dort dem Grunde nach außer Streit.

Erweist sich die Klage daher nach allem als nicht berechtigt, war sie mit der auf § 91 Abs. 1 ZPO gründenden Kostenfolge abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711, 713 ZPO.

Die Berufung war gemäß § 511 Abs. 4 ZPO nicht zuzulassen. Die Sache hat keine grundsätzliche Bedeutung, da die zur Entscheidung stehende Frage dem Grundsatz nach in der Rechtsprechung geklärt ist und lediglich über die Umsetzung im konkreten Fall Streit bestand. Auch bedarf es keiner Entscheidung des Berufungsgerichts zur Rechtsfortbildung oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung.

Streitwert: 470,05 EUR.

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