SG Kassel, Urteil vom 26.03.2008 - S 7 R 578/05
Fundstelle
openJur 2012, 29727
  • Rkr:

Für die Eigenschaft als Stiefelternteil ist die Eheschließung mit dem leiblichen Elternteil nicht erforderlich. Auch in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft kann eine Stiefelterneigenschaft zu den leiblichen Kindern des Lebenspartners bestehen.

Tenor

Der Bescheid der Beklagten vom 31.03.2005 in der Fassung desWiderspruchsbescheides vom 18.11.2005 wird aufgehoben. Die Beklagtewird verpflichtet, im Versicherungsverlauf der Klägerin weitereBerücksichtigungszeiten für die Erziehung der Kinder CN. A. vom01.05.1980 bis 03.10.1985 und ME. A. vom 01.05.1980 bis 10.10.1982festzustellen.

Die Beklagte hat der Klägerin ihre Kosten zu erstatten.

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten für die Erziehung der leiblichen Kinder ihres Ehemannes vor der Eheschließung.

Die Klägerin ist geboren 1952. Seit dem 04.10.1985 ist die Klägerin verheiratet mit dem Zeugen H. A.. Aus dessen früherer Ehe mit Frau I. SX. sind die Kinder ME. (geboren 1972) und CN. (geboren 1996) hervorgegangen. Am 04.10.1985 schloss die Klägerin mit dem Zeugen H. A. die Ehe. Ein gemeinsamer Haushalt der Eheleute bestand jedoch bereits seit dem 01.05.1980. Vom 1.5.1980 bis zum 03.10.1985 lebten die späteren Eheleute in nichtehelicher Lebensgemeinschaft gemeinsam mit beiden Kindern aus der geschiedenen Ehe des Zeugen.

Mit ihrem Antrag vom 16.12.2003 begehrte die Klägerin die Überprüfung der Kindererziehungszeiten für die Kinder ihres Ehemannes H. A., der im Antragsformular mit Unterschrift vom 07.10.2004 bestätigte, dass die Angaben der Klägerin zur überwiegenden Erziehung seiner Kinder durch sie den tatsächlichen Verhältnissen entsprächen. Mit ihrem Antrag begehrte die Klägerin die Berücksichtigung von Kindererziehungs- bzw. Kinderberücksichtigungszeiten für ME. und CN.. Diese habe sie in einem gemeinsamen Haushalt mit ihrem späteren Ehemann seit dem 01.05.1980 betreut und erzogen.

Mit Bescheid vom 31.03.2005 stellte die Beklagte eine Kinderberücksichtigungszeit der Klägerin für das leibliche Kind CN. ihres Ehemannes für die Zeit vom 04.10.1985 – 30.06.1986 fest. Im Übrigen könnten weder für CN. noch für ME. Kindererziehungs- bzw. –berücksichtigungszeiten vor dem 04.10.1985 berücksichtigt werden, weil die Stiefkinder der Klägerin (CN. und ME.) vor diesem Zeitpunkt noch nicht im Haushalt aufgenommen worden seien. Mit ihrem hiergegen erhobenen Widerspruch vom 28.04.2005 machte die Klägerin geltend, sie habe die Kinder ihres Ehemannes bereits seit dem 22.08.1979 bis zu ihrer Volljährigkeit betreut. Vor der Heirat am 04.10.1985 habe eine eheähnliche Gemeinschaft mit ihrem Ehemann bestanden. Die Beklagte erteilte der Klägerin darauf hin den Hinweis, dass für die Stiefkindeigenschaft lediglich die Zeit nach der Eheschließung von Bedeutung sei.

Nach den weiteren Ermittlungen der Beklagten war nach dem ihr vorliegenden Scheidungsurteil die Ehe zwischen Frau I. A. (nunmehr: SX.) und Herrn H. A., dem Zeugen und Ehemann der Klägerin, am 03.03.1980 geschieden worden. Das Amtsgericht Eschwege teilte der Beklagten auf ihre Anfrage mit Schreiben vom 20.07.2005 mit, die alleinige elterliche Sorge für die Kinder ME. und CN. sei anlässlich der Scheidung auf H. A. übertragen worden. Die Beklagte stellte ferner fest, dass im Versicherungskonto der Kindesmutter für die Kinder ME. und CN. Kindererziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten voll angerechnet worden seien, obwohl nach Aktenlage die Kinder seit dem 01.08.1979 nicht mehr von der Mutter der Kinder erzogen worden seien. Auf eine entsprechende Anfrage der Beklagten vom 14.07.2005 antwortete die Mutter der Kinder nicht. Mit Widerspruchsbescheid vom 18.11.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin als unbegründet zurück. Kindererziehungszeiten seien Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren (§ 56 Sozialgesetzbuch – SGB – VI); nach § 57 SGB VI seien Kinderberücksichtigungszeiten möglich. Als erziehende Elternteile kämen auch Stiefmütter und Stiefväter im Sinne des § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I in Betracht. Nach allgemeinem Sprachgebrauch sei ein Stiefkind jedes in eine Ehe eingebrachte Kind des anderen Ehegatten. Die Klägerin habe jedoch erst am 04.10.1985 die Ehe mit dem Kindesvater geschlossen, sodass Kinderberücksichtigungszeiten erst ab dem Tag der Eheschließung anerkannt werden könnten. Für den Zeitraum vor dem 04.10.1985 seien daher Kinderberücksichtigungs- bzw. –erziehungszeiten nicht anzuerkennen.

Hiergegen richtet sich die am 16.12.2005 zum Sozialgericht Kassel erhobene Klage.

Die Klägerin trägt vor, sie habe am 01.05.1980 ihre berufliche Tätigkeit in vollem Umfange aufgegeben, um die Kinder ihres späteren Ehemannes ME. und CN. zu erziehen. Die Erziehung sei ab diesem Zeitpunkt durch sie erfolgt. Seit dieser Zeit habe ein gemeinsamer Haushalt mit den Kindern und ihrem späteren Ehemann bestanden. Vor dem 01.05.1980 und nach der Trennung der leiblichen Eltern habe die Mutter ihres Ehemannes die Kinder betreut. Die Mutter der Kinder habe die eheliche Wohnung am 04.04.1978 verlassen.

Die Klägerin beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 31.03.2005 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.11.2005 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, im Versicherungsverlauf der Klägerin weitere Berücksichtigungszeiten für die Erziehung der Kinder CN. A. vom 01.05.1980 bis 03.10.1985 und ME. A. vom 01.05.1980 bis 10.10.1982 festzustellen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält an ihrer Auffassung in den angefochtenen Bescheiden fest. Insbesondere sei erst nach der Eheschließung der Klägerin mit dem leiblichen Vater der Kinder CN. und ME. der Status von Stiefkindern für die betreuten Kinder erfüllt gewesen, sodass erst ab dem 04.10.1985 Kinderberücksichtigungszeiten festgestellt werden könnten. Dies sei im Falle von CN. für die Zeit ab dem 04.10.1985 erfolgt. Der maßgebliche 10 Jahreszeitraum für die Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten bei ME. sei zu diesem Zeitpunkt aufgrund ihres Alters bereits abgelaufen gewesen. Allenfalls käme noch in Betracht, Kindererziehungs- bzw. –berücksichtigungszeiten für den Vater der Kinder bzw. die Großmutter für die Zeit vom 04.04.1978 – 03.10.1985 anzuerkennen. Dass die Klägerin bereits vor der Eheschließung am 04.10.1985 mit dem Vater der Kinder in einer eheähnlichen Gemeinschaft gelebt habe, sei hierbei unerheblich. Aufgrund einer fiktiven Berechnung einer möglichen Altersrente der Klägerin würde sich eine höhere Regelaltersrente von 1,80 Euro monatlich bei Anerkennung der von der Klägerin begehrten Zeiten ergeben.

Wegen der weiteren Einzelheiten und Unterlagen und wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.

Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung vom 26.03.2008 den Ehemann der Klägerin, Herrn H. A., uneidlich als Zeugen vernommen. Wegen des Inhaltes der Zeugenaussage wird verwiesen auf die Sitzungsniederschrift des Sozialgerichts Kassel zur mündlichen Verhandlung am 26.03.2008.

Gründe

Die von der Klägerin erhobene Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft und im Übrigen zulässig. Die Klage ist auch begründet. Die Klägerin hat Anspruch auf Feststellung von weiteren Berücksichtigungszeiten gemäß § 57 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VI für die Erziehung der Kinder CN. A. vom 01.05.1980 bis 30.10.1985 und ME. A. vom 01.05.1980 bis 10.10.1982, da die Klägerin die Kinder ihres damaligen Lebensgefährten in Haushaltsgemeinschaft mit ihm und den Kindern erzogen hat. Die Kinder ME. und CN. A. sind im Verhältnis zur Klägerin Stiefkinder im Sinne von § 56 Abs. 2 Nr. 1 SGB I.

Beitragszeiten wegen Kindererziehung im Sinne von § 56 Abs. 1 i.V.m. § 249 Abs. 1 SGB VI kommen bei der Klägerin nicht in Betracht, da die Kinder ME. und CN. bereits am 11.10.1972 bzw. 01.07.1976 geboren sind und bei Begründung des gemeinsamen Haushaltes der Klägerin mit den Kindern am 01.05.1980 wegen ihres Alters nicht mehr für eine Kindererziehungszeit im Sinne von § 249 Abs. 1 SGB VI in Betracht kommen, da Kindererziehungszeiten für ein vor dem 01.01.1992 geborenes Kind 12 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt enden.

Festzustellen sind jedoch Kindererziehungszeiten im Sinne von § 57 Abs. 1 SGB VI. Hiernach ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem 10. Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen. Kindererziehungszeiten sind gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten 3 Lebensjahren. Für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 SGB I) wird eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist,2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt oder einer solchen gleich steht und3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Die Voraussetzungen bei der Klägerin für die Anrechnung einer Kinderberücksichtigungszeit sind – soweit die weiteren Voraussetzungen des § 56 SGB betroffen sind – erfüllt, da der leibliche Vater der Kinder der Zuordnung der Berücksichtigungszeit für die Klägerin zugestimmt hat, die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgte und die Klägerin auch nicht von der Anrechnung der Berücksichtigungszeit im Sinne von § 56 Abs. 4 SGB VI ausgeschlossen ist.

Entscheidend für den Ausgang des Rechtsstreits ist somit die Frage, ob die auch für § 57 SGB VI geltende Verweisung des § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI auf § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I für die Klägerin Ansprüche eröffnet. Gemäß § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I gelten als Eltern auch die Stiefeltern. Streitentscheidend ist somit, ob die Klägerin während der Betreuung der leiblichen Kinder ihres späteren Ehemannes in dem Zeitraum ab dem 01.05.1980 bis zur Eheschließung am 04.10.1985 als Stiefelternteil der leiblichen Kinder ihres späteren Ehegatten, des Zeugen H. A., anzusehen ist. Bei den der Entscheidung zugrundeliegenden Umständen geht die Kammer als erwiesenem Sachverhalt davon aus, dass die Klägerin im Frühjahr 1980 in den bereits vom Zeugen H. A. im Hause seiner Eltern unterhaltenen Haushalt mit seinen beiden leiblichen Kindern eingezogen ist. Ferner geht die Kammer davon aus, dass die Klägerin ab dem 01.05.1980 ab Einzug in den gemeinsamen Haushalt die Kinder ME. und CN. tatsächlich erzogen hat. Dies ergibt sich aus der Zeugenaussage ihres Ehemannes H. A., der die Angaben der Klägerin bestätigt hat. Hiernach ist die Klägerin nach der Scheidung von seiner früheren Ehefrau im März 1980 in seinen Haushalt im Hause seiner Eltern eingezogen. Zuvor sei die Betreuung der Kinder durch seine Mutter, die Großmutter der Kinder, erfolgt. Sie habe jedoch bereits zu Beginn des Jahres 1980 ihre eigene Berufstätigkeit reduziert und später ganz aufgegeben, sodass sie ab dem Zeitpunkt ihres Einzuges ins Haus seiner Eltern und damit in seinen Haushalt für die Erziehung der Kinder gemeinsam mit ihm zuständig gewesen sei. Man habe in dieser Zeit bis zur Eheschließung am 04.10.1985 praktisch als „Ehe ohne Trauschein“ gelebt. Die Klägerin sei wegen der Erziehung der Kinder uneigennützig eingesprungen; er selbst sei weiterhin auswärts einer Berufstätigkeit nachgegangen, seine spätere Ehefrau, die Klägerin, sei zu Hause gewesen, um die Kinder zu betreuen und den Haushalt zu führen. Nach den Ermittlungen der Beklagten ist für die Kammer zudem erwiesen, dass mit der Scheidung von seiner früheren Ehefrau I. A. (nunmehr I. SX.) am 03.03.1980 dem Ehemann der Klägerin das Sorgerecht für die Kinder ME. und CN. in vollem Umfang übertragen worden ist (Auskunft des Amtsgerichts Eschwege an die Beklagte vom 20.07.2005). Zwar ergibt sich aufgrund der vorgelegten Meldebestätigung von der Klägerin durch den Magistrat der Stadt QQ. vom 19.02.2003, dass die Klägerin erst ab 01.07.1980 unter der Adresse ihres Ehemannes gemeldet war. Diese Meldebestätigung entkräftet jedoch nicht die Aussage des Zeugen, wonach der Einzug der Klägerin in seinen Hausstand bereits zuvor im Frühjahr 1980 nach der rechtskräftigen Ehescheidung im März 1980 erfolgte. Denn die Meldung als Hauptwohnsitz zum 01.07.1980 bei der zuständigen Meldebehörde kann auch zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt sein. Nach der Aussage des Zeugen und der Einlassung der Klägerin selbst ist die Kammer damit davon überzeugt, dass ab dem 01.05.1980 die Kinderbetreuung durch sie erfolgte, und ihr späterer Ehemann, der Zeuge H. A., tagsüber einer Berufstätigkeit nachging.

Ausgehend von diesem Sachverhalt und der tatsächlichen Erziehungsleistung der Klägerin ab dem 01.05.1980 zugunsten der leiblichen Kinder des Zeugen H. A., ihres späteren Ehemannes, ist streitentscheidend, ob die Klägerin als Stiefelternteil im Sinne von § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I angesehen werden kann. Die Beklagte hat sich darauf berufen, nach dem allgemeinen Sprachgebrauch sei ein Stiefkind jedes in die Ehe eingebrachte Kind des anderen Ehegatten. An dieser Auffassung hat sie auch im Klageverfahren festgehalten. Erst mit der Eheschließung mit dem Zeugen H. A. komme der Klägerin der Status eines Stiefelternteiles zu. Nach der einschlägigen Kommentarliteratur ist Stiefelternteil, wer das leibliche oder angenommene Kind des Ehegatten, das nicht auch sein eigenes ist, in dem gemeinsamen Haushalt mit aufgenommen hat (Kasseler Kommentar Versicherungsrecht, Görtner, § 56 RdNr. 13 zitiert nach BSG, Sozialrecht Nr. 9 zu § 1262 RVO = NJW 1963, 2341). Weitere Voraussetzung für die Annahme eines Stiefkindschaftsverhältnisses ist die Aufnahme in den Haushalt der Erziehenden, was im vorliegenden Falle allerdings ab dem 01.05.1980 zur Überzeugung der Kammer vorlag und im Übrigen unstreitig sein dürfte. Nach der vom Bundessozialgericht in der zitierten Entscheidung im Jahre 1963 vorgenommenen Definition der Stiefelterneigenschaft – und damit nach der Auffassung der Beklagten -, käme es im vorliegenden Fall somit darauf an, wann die Eheschließung der Klägerin mit dem leiblichen Vater der erzogenen Kinder ME. und CN. A. stattgefunden habe, da erst hiernach die Stiefelterneigenschaft der Klägerin anzunehmen wäre.

Dieser Auffassung kann die Kammer nicht folgen. Die Entscheidung des Bundessozialgerichtes, in der die in Bezug genommene Definition der Stiefelterneigenschaft aufgenommen ist, liegt mittlerweile über 40 Jahre zurück. Die gesellschaftlichen Veränderungen seit diesem Zeitpunkt sind im Falle der Klägerin zu berücksichtigen. Hiernach erachtet es die Kammer für geboten, die Stiefelterneigenschaft auch einer Person zuzuordnen, die nicht mit dem leiblichen Elternteil der erzogenen Kinder verheiratet ist. Vielmehr reicht die Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt ist und einen gegenseitigen Einstehenswillen der Partner füreinander begründet, für die Anerkennung einer Stiefelterneigenschaft im Sinne von § 56 Abs. 3 Nr. 2 SGB I und damit auch für die Anerkennung einer Berücksichtigungszeit im Sinne von § 57 SGB VI aus, soweit die übrigen Voraussetzungen (Aufnahme in den Haushalt und tatsächliche Erziehung der Kinder) bei der erziehenden Person erfüllt sind. Die Berufung der Beklagten auf den allgemein Sprachgebrauch der Stiefelternschaft überzeugt nicht und trifft im Übrigen zur Überzeugung der Kammer nicht zu. Vielmehr handelt es sich bei der Stieffamilie um eine Familie, in der ein Kind lebt, das nur von einem Partner abstammt (vgl. Brockhaus ? zum Stichwort Stieffamilie). Hiernach ist der Begriff der Stieffamilie nicht an bestimmte Rechtsformen (wie z.B. die Ehe) gebunden, sondern vielmehr mit der sozialen Funktion der Familie verknüpft, in die das Kind aufgenommen ist. Mit dem Begriff der Stieffamilie wird eine Vielzahl unterschiedlicher Familienformen bezeichnet, denen jedoch eines gemeinsam ist: Zu den beiden leiblichen Elternteilen kommt mindestens ein sozialer Elternteil hinzu oder ein verstorbener Elternteil wird durch einen sozialen Elternteil ersetzt. Im Anschluss an eine Trennung der Eltern spielt sich das Familienleben in verschiedenen Haushalten ab. Es gibt den Haushalt, in dem das Kind mit einem leiblichen Elternteil wohnt, bei dem es die meiste Zeit lebt (Alltagsfamilie). Daneben besteht oft der Haushalt des außerhalb lebenden Elternteils, den das Kind in den Ferien oder an den Wochenenden besucht (Wochenendfamilie). In beiden Haushalten können neue Partner als soziale Elternteile hinzutreten, wodurch eine Stiefkonstellation entsteht. Diese Sichtweise fokussiert nicht nur auf die eheliche Stieffamilie, sondern schließt auch nichtehelich zusammenlebende und Paare mit getrennten Haushalten ein und betont die haushaltsübergreifende Struktur heutiger Stieffamilien (Quelle: Deutsches Jugendinstitut e.V., Nockherstraße 2, 81541 München, „Projekt: Stieffamilien in Deutschland“, weiteres Projekt „Wandel und Entwicklung familialer Lebensformen“ im Auftrag des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, vgl. www.dji.de zum Thema „Projekte“).

Ergibt sich somit bereits aus dem allgemeinen Sprachgebrauch entgegen der Auffassung der Beklagten kein Anhaltspunkt dafür, dass ein Stiefelternteil erst dann ein Stiefelternteil ist, wenn er mit dem leiblichen Elternteil verheiratet ist, so vermag die Kammer auch andere sachliche Differenzierungskriterien nicht zu erkennen, die denjenigen Partner in einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft, die auf Dauer angelegt ist, von einem Lebenspartner in einer ehelichen Lebensgemeinschaft, der die nicht leiblichen Kinder des Partners erzieht, unterscheidet. Die §§ 56 f. SGB VI regeln die Anerkennung von Zeiten der Erziehung eines Kindes zur sozialen Absicherung der Erziehenden in einer Phase, in der die Betreuung des Kindes anderweitig nicht in Betracht kommt. Der Gesetzgeber geht hierbei davon aus, dass die Kindererziehung eine Leistung im Interesse der Gesellschaft ist und dem Staat eine besondere Verpflichtung obliegt, Familien mit Kindern materiell zu unterstützen. Mit ihnen soll dem Umstand Rechnung getragen werden, dass in Familien mit kleinen Kindern vielfach ein Ehegatte – häufig die Frau – während der Kindererziehung gar nicht oder nur eingeschränkt in der Lage ist, eigene Rentenansprüche aufzubauen (Kasseler Kommentar, Günther, § 56 RdNr. 4). Erziehungszeiten und Kinderberücksichtigungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung sind somit als entscheidender Beitrag zu einer Verbesserung der eigenständigen sozialen Sicherung der Frau gedacht. Kinderberücksichtigungszeiten stehen somit demjenigen Elternteil zu, der das Kind tatsächlich erzogen hat, dem die Zeiten der Erziehung zuzuordnen sind oder zugeordnet werden. Hierbei ist die Berechtigung zur Personensorge im Sinne von § 1626 BGB für die Begründung der Elterneigenschaft im Sinne des § 56 SGB I unerheblich. Entscheidend ist neben der familienrechtlichen Stellung allein die tatsächliche Erziehung, die auch von einem nichtsorgeberechtigten Elternteil ausgeübt werden kann (Kasseler Kommentar, Gürtner, RdNr. 10 zu § 56 SGB VI). Diese Voraussetzungen der tatsächlichen Erziehung durch die Klägerin der Kinder für die Zeit ab dem 01.05.1980 liegen zur Überzeugung der Kammer nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme vor. Die Klägerin hat auch – wie es sich ebenfalls aus der Beweisaufnahme ergibt – ihre ursprüngliche berufliche Tätigkeit als Köchin in vollem Umfange aufgegeben, um sich der Haushaltsführung und damit der Erziehung der Kinder ihres späteren Ehemannes, des Zeugen H. A., in der damaligen nichtehelichen Lebensgemeinschaft ab dem 01.05.1980 zu widmen. Damit sind die tatsächlichen Erziehungszeiten der Klägerin ab dem 01.05.1980 im Sinne von § 249 Abs. 5 i.V.m. § 57 SGB VI glaubhaft gemacht. Dass die Lebensgemeinschaft der Klägerin mit dem Zeugen H. A. auf Dauer angelegt war und ihr ein gegenseitiger Einstandwille zugrundelag, ergibt sich vorliegend aus der rückschauend festzustellenden Eheschließung wenige Jahre nach Begründung des gemeinsamen Haushaltes. Der Anerkennung von Kinderberücksichtigungszeiten bei der Klägerin ab dem 01.05.1980 im geltend gemachten Umfang steht nicht entgegen, dass die Beklagte offenbar im Versicherungsverlauf der leiblichen Mutter der Kinder ebenfalls Kinderberücksichtigungszeiten festgestellt hat. Eine Beiladung der leiblichen Mutter der Kinder nach § 75 Abs. 2 SGG war nicht erforderlich, da die Berücksichtigung von Kinderberücksichtigungszeiten bei der Klägerin und der leiblichen Mutter nicht in einem Alternativverhältnis stehen, sondern allein von den tatsächlichen Gegebenheiten der Erziehung der Kinder, wie sie bei der Klägerin vorliegen, abhängen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.