VG Frankfurt am Main, Beschluss vom 17.03.2008 - 9 L 207/08.F
Fundstelle
openJur 2012, 29717
  • Rkr:
Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Der Wert des Streitgegenstands wird auf 9.271,11 €festgesetzt.

Gründe

Im Einverständnis mit den Beteiligten entscheidet der Berichterstatter allein (§ 87 a Abs. 2, 3 VwGO).

Das Begehren, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs und einer eventuell nachfolgenden Klage des Antragstellers gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 17. Dezember 2007 über seine Zurruhesetzung wiederherzustellen, ist im Hinblick auf § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, Abs. 5 VwGO statthaft. Die Zurruhesetzungsverfügung des Magistrats der Stadt Frankfurt am Main - Personal- und Organisationsamt - vom 17. Dezember 2007 ist aufgrund der entsprechenden Anordnung in dieser Verfügung sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO). Auch im Übrigen ist der Antrag zulässig.

Das Begehren hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken. In materieller Hinsicht erweist sich die Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung als eilbedürftig; gegen sie sind auch materiell-rechtliche Bedenken nicht zu erheben.

Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung genügt den Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO. Die Antragsgegnerin hat ihre Anordnung nicht nur formelhaft, sondern mit auf den konkreten Fall des Antragstellers bezogenen Erwägungen begründet. Aus diesen Erwägungen kann sich grundsätzlich auch ein öffentliches Interesse am sofortigen Vollzug der Verfügung ergeben. Die Antragsgegnerin hat insoweit zu erkennen gegeben, dass sie sich der Ausnahmelage bei der Anordnung der sofortigen Vollziehung und des Abweichens von der Regel der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs bewusst war. Dies genügt für eine ordnungsgemäße Begründung. Die Frage, ob die angegebenen Gründe die Anordnung der sofortigen Vollziehung in der Sache rechtfertigen können, ist nicht Gegenstand der Prüfung nach Maßgabe von § 80 Abs. 3 VwGO.

Auch im Übrigen begegnet die Anordnung in formeller Hinsicht keinen Bedenken. Insbesondere war insoweit eine Anhörung des Antragstellers nicht erforderlich, da es sich dabei nicht um einen Verwaltungsakt handelt.

In der Sache überwiegt das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung das private Interesse des Antragstellers, von der sofortigen Vollziehung einstweilen bis zu einer Klärung der Rechtmäßigkeit der Verfügung im Hauptsacheverfahren verschont zu bleiben. Die Verfügung vom 17. Dezember 2007 erweist sich als offensichtlich rechtmäßig. Besondere Interessen des Antragstellers, aufgrund derer sich eine sofortige Vollziehung für diesen als unzumutbar darstellte, sind nicht ersichtlich.

Die Zurruhesetzungsverfügung entspricht allerdings nicht den formellen Anforderungen, die an eine derartige Verfügung zu stellen sind. Sie enthält in Bezug auf den Grund für die Zurruhesetzung wie auch die insoweit zugrundeliegenden Erwägungen der Antragsgegnerin in Auseinandersetzung mit den im Verwaltungsverfahren vorgebrachten Einwendungen des Antragstellers nicht einmal im Ansatz eine Begründung. Die Ausführungen zur Begründung der im angefochtenen Bescheid getroffenen Regelungen beziehen sich ausschließlich auf die Höhe der Versorgungsbezüge des Antragstellers. Dies widerspricht offenkundig den Anforderungen, die § 39 Abs. 1 HVwVfG an die Begründung eines derartigen Verwaltungsakts stellt.

Dies führt jedoch nicht dazu, dass der Bescheid schon im Hinblick darauf zwingend als rechtswidrig anzusehen und folglich im Hauptsacheverfahren aufzuheben wäre. Es bedarf insoweit nicht der Vertiefung, ob die Antragsgegnerin sich diesbezüglich zu Recht auf den Ausnahmefall des § 39 Abs. 2 Nr. 2 HVwVfG berufen kann. Dies hat sie in diesem Verfahren geltend gemacht. Ob die Voraussetzungen dieses Ausnahmetatbestands, bei deren Vorliegen von einer Begründung abgesehen werden kann, erfüllt sind, erscheint jedoch zweifelhaft. Zwar hat die Antragsgegnerin den Antragsteller in einem Gespräch am 4.9.2007 und in ihrem der Zurruhesetzungsverfügung vorausgegangenen Anhörungsschreiben über ihre Einschätzung informiert, dass und auf Grundlage welcher Erkenntnisse sie ihn für dienstunfähig hält. Dennoch gehört zu einer ordnungsgemäßen Begründung eine Darlegung dieser Gründe im Bescheid selbst wie auch eine Auseinandersetzung mit den Einwendungen des Antragstellers gegen die Zurruhesetzung, an der es hier fehlt. Darauf kommt es aber für die Entscheidung nicht an. Die Begründung kann nämlich jedenfalls noch im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nachträglich gegeben werden, sodass der im Fehlen der Begründung liegende ursprüngliche Verfahrensfehler unter dieser Voraussetzung dann als unbeachtlich angesehen werden kann (§ 45 Abs. 1 Nr. 2 HVwVfG). Das Nachholen der Begründung ist im Widerspruchsverfahren, welches derzeit noch anhängig ist, ohne weiteres möglich, und zwar dadurch, dass die Antragsgegnerin in sachlicher Auseinandersetzung mit dem Vorbringen des Antragstellers diesem mitteilt, auf welche Gründe die Zurruhesetzung gestützt wird, soweit an ihr festgehalten wird. Diese Gründe hat sie der Sache nach bereits in diesem Verfahren in hinreichender Weise mitgeteilt (Schriftsatz vom 30.01.2008, Bl. 36 ff. der Gerichtsakte); zudem hat sie sie dem Antragsteller in der Anhörung vor dem Amtsjuristen im Rahmen des Widerspruchsverfahrens am 01.02.2008 verdeutlicht und dabei auch zu erkennen gegeben, dass sie an ihrer Entscheidung aus diesen Erwägungen voraussichtlich festhalten wird. Unter diesen Umständen kommt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers allein im Hinblick auf das Fehlen einer hinreichenden Begründung der Zurruhesetzungsverfügung nicht in Betracht.

Die Voraussetzungen für eine Zurruhesetzung des Antragstellers wegen Dienstunfähigkeit sind erfüllt. Zu Recht hält die Antragsgegnerin den Antragsteller für dienstunfähig. Denn nach amtsärztlichem Gutachten ist davon auszugehen, dass der Antragsteller den gesundheitlichen Anforderungen des Dienstes nicht mehr genügt und als dauernd unfähig zur Erfüllung seiner Dienstpflichten anzusehen ist (§ 51 Abs. 1 HBG).

Die Stellungnahme des Stadtgesundheitsamts der Stadt Frankfurt am Main vom 17.09.2007 (Bl. 125 ff. des Verwaltungsvorgangs), auf die sich die Antragsgegnerin zur Begründung ihrer Einschätzung der Dienstunfähigkeit des Antragstellers beruft, lässt eindeutig erkennen, dass das Stadtgesundheitsamt den Antragsteller als dienstunfähig ansieht. Diese Einschätzung wird in der genannten Stellungnahme ausführlich und unter Einbeziehung und Würdigung aller zur Verfügung stehenden Erkenntnisse begründet, die die Antragsgegnerin wie das Gesundheitsamt auf der Grundlage der zahlreichen amtsärztlichen Untersuchungen des Antragstellers in den vorausgegangenen Jahren haben gewinnen können. Der Einschätzung liegen insbesondere die häufigen und jeweils langfristigen krankheitsbedingten Fehlzeiten des Antragstellers und der Umstand zugrunde, dass ein im Juni 2007 begonnener Wiedereingliederungsversuch von der Antragsgegnerin - die sich insoweit auf eine entsprechende Einschätzung des Stadtgesundheitsamts stützt - als gescheitert angesehen wird. Aus der Stellungnahme des Stadtgesundheitsamts geht mit der gebotenen Eindeutigkeit hervor, dass der Antragsteller aus amtsärztlicher Sicht als dienstunfähig anzusehen ist. Die Feststellungen der Amtsärztin sind zur Überzeugung der Kammer im Einzelnen auch geeignet, ihre Einschätzung bezüglich der Dienstunfähigkeit des Antragstellers zu tragen.

Soweit sich der Antragsteller in diesem Verfahren wie auch zuvor in seinen Einwendungen gegen die ihm von der Antragsgegnerin mitgeteilte Absicht, ihn zur Ruhe zu setzen, auf Feststellungen seines ihn behandelnden Arztes berufen hat, der eine berufliche Wiedereingliederungsmaßnahme als erfolgversprechend ansieht, kann dies seinem Begehren nicht zum Erfolg verhelfen.

Zum einen kommt den Feststellungen und Einschätzungen des Amtsarztes gegenüber privatärztlichen Einschätzungen eine gesteigerte Bedeutung für die Beweiswürdigung zu, können diese doch die Frage der Dienstunfähigkeit aufgrund ihrer Amtsstellung und ihrer Kenntnisse hinsichtlich der Erfordernisse der Verwaltung und der Anforderungen, die die Wahrnehmung der Aufgaben auf dem dem Antragsteller übertragenen Dienstposten mit sich bringt, regelmäßig besser beurteilen als ein Privatarzt, dem diese Anforderungen nicht in gleicher Weise bekannt und vertraut sind (BVerwG, Urteil vom 27.01.1994, 2 C 19.92 - E 95, 94 ff; HessVGH, Beschluss vom 14.12.2006 - 1 UZ 230/06). Darauf hat die Antragsgegnerin zu Recht hingewiesen. Folglich kommt den Feststellungen des Stadtgesundheitsamts insoweit der Vorrang vor abweichenden privatärztlichen Einschätzungen zu. Dies muss insbesondere dann gelten, wenn solche Einschätzungen nur ganz allgemein formuliert und nicht näher substantiiert sind, wie dies bei den vom Antragsteller vorgelegten Bescheinigungen von XX vom 21.11.2007 und 08.02.2008 der Fall ist. Der Arzt vertritt darin zwar die Auffassung, der Antragsteller befinde sich in Bezug auf das chronische Schmerzsyndrom in einer Besserungsphase, und erachtet eine Wiedereingliederung in den Arbeitsprozess als positiv für die „längerfristige Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit“. Damit bestätigt der Privatarzt jedoch nur, dass auch er den Antragsteller derzeit nicht für arbeitsfähig hält. Abgesehen davon ist aus diesen Bescheinigungen aber nicht einmal im Ansatz ersichtlich, aus welchen Gründen der Einschätzung des Stadtgesundheitsamts nicht sollte gefolgt werden können.

Zum anderen hat sich der Antragsteller bereits im Juni 2007 einer Wiedereingliederungsmaßnahme gestellt, die indes aus den in der amtsärztlichen Stellungnahme ausführlich dargelegten Gründen als gescheitert anzusehen ist. Diesen Umstand hat die Antragsgegnerin fehlerfrei bei ihrer Entscheidung berücksichtigt. Unter diesen Umständen kann allein die nicht näher begründete Einschätzung des Privatarztes, eine (erneute) Wiedereingliederungsmaßnahme sei sinnvoll, eine Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzungsverfügung derzeit nicht begründen.

Im Übrigen hat der Antragsteller - in diesem Verfahren wie auch in der Anhörung vor dem Amtsjuristen - nichts substantiiert für die Annahme vorgetragen, sein Gesundheitszustand unterscheide sich derzeit in einer Weise von demjenigen zum Zeitpunkt der Zurruhesetzungsverfügung, dass die Antragsgegnerin womöglich gehalten wäre, von ihrer Einschätzung seiner Dienstfähigkeit im Rahmen des Widerspruchsverfahrens abzurücken. Die vom Antragsteller in Bezug genommenen Entscheidungen des OVG Lüneburg und des VG Kassel betrafen jedoch nur Fälle, in denen Anhaltspunkte gegeben waren, dass der Beurteilung des Gesundheitszustands bzw. der Dienstunfähigkeit zu Gunsten des betroffenen Beamten andere, noch vor dem für die Entscheidung über die Zurruhesetzung maßgeblichen Zeitpunkt bekannt gewordene Erkenntnisse zugrunde zu legen waren; auf diese Entscheidungen kann der Antragsteller sich mithin nicht erfolgreich berufen.

Auch die Feststellung eines Grads der Behinderung des Antragstellers von 40 v. H. durch Bescheid des Versorgungsamts vom 28.1.2008 ist nicht geeignet, die Zurruhesetzungsverfügung als rechtswidrig erscheinen zu lassen. Schwerbehinderten ist der Antragsteller dadurch noch nicht gleichgestellt; eine ausdrückliche Gleichstellung ist im Übrigen auch nicht ausgesprochen worden. Folglich kann er sich nicht auf die besonderen Schutzvorschriften berufen, die ausschließlich für schwerbehinderte Beschäftigte gelten. Soweit die Vorgaben für das betriebliche Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) nicht nur für Schwerbehinderte, sondern für alle Beschäftigten und damit auch in Bezug auf den Antragsteller Anwendung finden sollten (vgl. BAG, Urteil vom 12.7.2007 - 2 AZR 716/07, PersR 2008, 90 -LS-; HessVGH, Beschluss v. 6.3.2008 - 1 TG 2730/07), führt auch dies zu keinem anderen Ergebnis. Die Antragsgegnerin hat mit dem Antragsteller Personalgespräche zu seinen Einsatzmöglichkeiten geführt und unter Einschaltung des Stadtgesundheitsamts und auf dessen Empfehlung hin eine Wiedereingliederungsmaßnahme ab dem 1.6.2007 begonnen, die jedoch nach Einschätzung des Stadtgesundheitsamts als gescheitert anzusehen ist, nicht zuletzt wegen der erneuten Fehlzeiten des Antragstellers. Damit hat die Antragsgegnerin der Sache nach und sinngemäß die Vorgaben des § 84 Abs. 2 SGB IX eingehalten (vgl. HessVGH, a.a.O.).

Eine Vermeidung der Zurruhesetzung des Antragstellers war auch nicht im Hinblick auf § 51 Abs. 3 HBG möglich oder geboten. Zwar hat die Antragsgegnerin die Frage einer anderweitigen Verwendungsmöglichkeit des Antragstellers auf einem anderen, womöglich auch unterwertigen Dienstposten vor ihrer Beschlussfassung über die Zurruhesetzung des Antragstellers offenkundig nicht geprüft. Auf der Grundlage der Feststellungen des Stadtgesundheitsamts war eine derartige Prüfung jedoch auch nicht angezeigt, steht doch aufgrund der Feststellung der allgemeinen Dienstunfähigkeit des Antragstellers zugleich fest, dass dieser schlechthin auf keinem anderen Dienstposten als dienstfähig angesehen werden könnte.

Besondere Umstände, aufgrund derer die sofortige Vollziehung der Zurruhesetzungsverfügung für den Antragsteller als unzumutbar erscheinen könnte, hat dieser nicht substantiiert vorgetragen. Die sofortige Vollziehung der Verfügung hat für ihn lediglich zur Folge, dass er von der Pflicht zur Dienstleistung entbunden ist und folglich keinen Dienst mehr zu leisten hat. Die Reduzierung der finanziellen Bezüge des Antragstellers ergibt sich hingegen unmittelbar aus § 53 Abs. 2 Satz 3 HBG; sie steht also mit der angeordneten sofortigen Vollziehung nicht im Zusammenhang, sondern beruht auf einer gesetzlichen Vorschrift, die auch ein Erfolg des Antragstellers in diesem Verfahren nicht außer Kraft setzen könnte. Im Übrigen hat der Antragsteller aber auch nichts vorgetragen, was darauf schließen ließe, dass er in eine wirtschaftliche Notlage gerate.

Als unterliegender Beteiligter hat der Antragsteller die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 154 Abs. 1 VwGO).

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 3, § 52 Abs. 5 GKG. Der Hauptsachestreitwert (Endgrundgehalt Besoldungsgruppe A 10 BBO x 6,5) ist im Hinblick auf die Vorläufigkeit der Entscheidung im Eilverfahren auf die Hälfte zu verringern.

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