Hessischer VGH, Beschluss vom 07.02.2008 - 3 UZ 473/07
Fundstelle
openJur 2012, 29685
  • Rkr:

Zur baurechtlichen Legalisierung eines Bordellbetriebs reicht eine Baugenehmigung für "Gewerbliche Zimmervermietung" nicht aus.

Aus dem bauordnungsrechtlichen Schriftformerfordernis folgt, dass Inhalt der Baugenehmigung nur dasjenige sein kann, was schriftlicher Inhalt der Genehmigungsurkunde einschließlich der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen geworden ist. Das gilt auch für Umstände, für die zwischen Bauaufsichtsbehörde und Bauherrschaft Einigkeit besteht.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen dasUrteil des Verwaltungsgerichts Frankfurt am Main vom 18. Januar2007 - 8 E 275/05 (3) - wird abgelehnt.

Die Klägerin hat auch die Kosten des Zulassungsverfahrens zutragen.

Der Streitwert wird auch für das Zulassungsverfahren auf438.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das im Tenor genannte Urteil des Verwaltungsgerichts hat keinen Erfolg. Zulassungsgründe im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO sind nicht hinreichend dargelegt.

Dies gilt zunächst für die geltend gemachten ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat die Verpflichtungsklage auf Erteilung einer Nutzungsänderungsgenehmigung für "Gewerbliche Zimmervermietung" in der ... in B-Stadt zu Recht abgelehnt. Zur Begründung nimmt der Senat gemäß § 122 Abs. 2 Satz 3 VwGO Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des Verwaltungsgerichts. Der Zulassungsantrag rechtfertigt keine der Klägerin günstigere Entscheidung.

Die Klägerin, die die Umnutzung ihres genehmigten Hotels in ein Bordell legalisieren will, hat diesbezüglich keinen Anspruch auf Erteilung einer Baugenehmigung für "Gewerbliche Zimmervermietung". Das, was sie plant, nämlich die Betreibung eines Bordells bzw. einer Vergnügungsstätte, hat die Klägerin nicht beantragt, d. h. der gestellte Antrag umfasst das rechtlich und tatsächlich Gewollte nicht. Bei alledem folgt aus § 64 Abs. 3 HBO, wonach die Baugenehmigung der Schriftform bedarf, dass Inhalt der Baugenehmigung nur dasjenige sein kann, was schriftlicher Inhalt der Genehmigungsurkunde geworden ist. Der Inhalt und der Umfang einer Baugenehmigung werden durch den Bauschein und die darin enthaltenen Nebenbestimmungen sowie die mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen des Bauantragstellers bestimmt (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 09.04.2001 - 9 UE 1066/97 -; OVG Berlin, Beschluss vom 26.01.1995 - 2 S 35.94 - BRS 57 Nr. 193; OVG des Saarlandes, Urteil vom 03.12.1982 - 3 R 182/81 - BRS 220 Nr. 220; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 21.06.1993 - 5 S 874/92 - BRS 55 Nr. 162; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.1996 - 10 A 4248/92 - BRS 58 Nr. 216). Die nicht mit einem Genehmigungsvermerk versehenen Zeichnungen oder Dokumente, ungeachtet dessen, ob sie in der Baugenehmigungsakte enthalten sind, werden nicht zum Bestandteil der Baugenehmigung. Ohne den Genehmigungsvermerk nehmen Pläne und andere Dokumente nicht an der Schriftform der Baugenehmigung und damit an ihrer Beweisfunktion teil, gleichgültig, ob und inwieweit mündliche Absprachen zwischen Bediensteten der Bauverwaltung bzw. der das Einvernehmen zur Baugenehmigung erteilenden Gemeinde und dem Bauherrn erfolgt sind. Maßgeblich ist allein, was als objektiver Erklärungsinhalt in der Baugenehmigung zum Ausdruck gebracht worden ist. Stillschweigende oder konkludente Genehmigungen sind dem Baurecht angesichts der zwingend vorgeschriebenen Schriftform fremd (vgl. Hess. VGH, Urteil vom 09.04.2001 - 9 UE 1066/97 -; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 10.12.1996 - 10 A 4248/92 - a. a. O.). Umstände, die nicht im Bauschein selbst oder aus den mit Genehmigungsvermerk versehenen und vom Bauherrn eingereichten Bauvorlagen hervorgehen, können nicht zum Regelungsinhalt der Baugenehmigung werden. Dies gilt selbst für Umstände, über die zwischen Bauaufsichtsbehörde und Bauherr bei Erteilung Einigkeit bestanden hat.

Diese Auslegung ist nicht nur aufgrund der Regelung des Gesetzgebers geboten, dass eine Baugenehmigung schriftlich zu erteilen ist. Auch der dingliche Charakter einer Baugenehmigung, der darin zum Ausdruck kommt, dass die Baugenehmigung auch für und gegen den Rechtsnachfolger wirkt, macht es notwendig, einer Baugenehmigung nur den Inhalt beizumessen, der ihr bei objektiver Betrachtung des Bauscheins und der mit Genehmigungsvermerk versehenen Bauvorlagen zukommt. Absprachen oder einseitige Vorbehalte sind für den Inhalt der Baugenehmigung solange belanglos, wie sie nicht ihren Niederschlag im Bauschein oder den genehmigten Bauvorlagen gefunden haben (vgl. insgesamt Hess. VGH, Urteil vom 09.04.2001 - 9 UE 1066/97 -; Beschluss vom 16.01.2006 - 3 UZ 2024/05 -).

Mithin hat das klägerische Verpflichtungsbegehren keinen Erfolg, weil das Gewollte nicht beantragt und das Beantragte nicht gewollt ist. Bei alledem verhilft es der Klage nicht zum Erfolg, dass die Betriebsbeschreibung, wie die Klägerin näher darlegt, Umstände beinhaltet, die auf einen bordellartigen Betrieb schließen lassen könnten. Dazu zählen etwa die Öffnungszeiten von 09.00 bis 04.00 Uhr, der Umstand, dass keine Speisen und Getränke verabreicht werden, eine gemeinsame externe Reinigung stattfindet, ebenso eine Bewirtschaftung durch eine Aufsicht, dass keine Kühlschränke und Kochgelegenheiten vorhanden sind und die Zimmer im Wesentlichen nur Waschbecken und Betten enthalten. Gleichwohl ändert dies nichts daran, dass zur Vermeidung von Irritationen im Rechtsverkehr und zur Bestimmtheit und Klarheit der Reichweite einer Baugenehmigung, die für Jahrzehnte, wenn nicht länger, in Bestandskraft erwachsen kann, die Nutzungsart und der Nutzungsumfang schriftlich, ggf. auch zeichnerisch eindeutig bestimmt sein müssen, zumal davon weitere bauaufsichtliche Anforderungen abhängen können.

Unabhängig davon bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils auch deshalb nicht, weil das Vorhaben nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig erscheint. Im Hinblick auf die vorfindliche Anzahl von mehr als 12 bordellartigen Betrieben mit über 600 Betten spricht viel dafür, dass das Hinzutreten des klägerischen Bordells die Nutzungsmischung im durch den Bebauungsplan Nr. 526 von 1996 festgesetzten Kerngebiet, wenn auch in der sog. Toleranzzone gelegen, so stark beeinträchtigt, dass es der Eigenart des Baugebiets widerspricht. Für diese Annahme in der den Bauantrag ablehnenden Verfügung vom 15. Oktober 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Darmstadt vom 26. Januar 2005 durfte die Beklagte sich auf das Schreiben des Polizeipräsidiums B-Stadt vom 8. Januar 2004 stützen, wo der Polizeipräsident plausibel und widerspruchsfrei geäußert hat, in dem ohnehin schon stark mit Kriminalität belasteten Bahnhofsviertel solle es beim derzeitigen Stand genehmigter Etablissements bleiben. Für die Prägung der Eigenart des planerisch festgesetzten Kerngebiets kommt es nicht entscheidend auf den Inhalt und die Reichwerte der den vorfindlichen bordellartigen Betrieben erteilten Baugenehmigungen an, da die Eigenart eines Gebietes jedenfalls auch durch geduldete bauliche Anlagen und deren Nutzung geprägt werden kann, wovon der Senat hier ausgeht. Die anderweitig erteilten Baugenehmigungen dürften im Übrigen bestandskräftig sein, ohne dass für ihre Nichtigkeit im Sinne des § 44 Abs. 1 HVwVfG etwas vorgetragen oder sonst ersichtlich wäre.

Die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist ebenfalls nicht dargelegt. Der Zulassungsantrag stellt schon keine konkrete, in einem möglichen Berufungsverfahren grundsätzlich klärungsfähige und klärungsbedürftige Frage, sondern lässt es bei einer argumentativen Bewertung der vorliegenden Fallumstände bewenden. Es ist jedoch nicht die Aufgabe des Gerichts, sich aus dem jeweiligen Vorbringen eines Beteiligten eine bestimmte Frage selbst herauszuschälen. Ohnehin ist der von der Klägerin umrissene Problemkreis der beantragten Nutzungsänderung von einem Hotel in "Gewerbliche Zimmervermietung" mit der nicht offen gelegten Absicht, ein Bordell als Vergnügungsstätte zu legalisieren, aus den bereits dargelegten Gründen nicht entscheidungserheblich. Das gilt jedenfalls insoweit, als das Vorhaben hier auch nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO unzulässig erscheint.

Die geltend gemachte Divergenz im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO führt ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung. Die Klägerin stellt schon keine einander widersprechenden abstrakten Rechtssätze des Verwaltungsgerichts und eines Obergerichts konkret gegenüber. Im Übrigen wäre die geltend gemachte Divergenz im Hinblick auf die nach § 15 Abs. 1 Satz 1 BauNVO anzunehmende Unzulässigkeit des Vorhabens ebenfalls nicht entscheidungserheblich.

Letzteres führt auch dazu, dass der geltend gemachte Verfahrensfehler im Sinne des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO nicht zur Zulassung der Berufung führt. Im Übrigen hat das Verwaltungsgericht ausweislich der Niederschrift über die öffentliche Sitzung am 18. Januar 2007 die Problematik der unklaren Bauantragstellung ausgiebig erörtert, womit ein diesbezüglicher Verfahrensfehler ausscheidet. Gegebenenfalls hätte es der anwaltlich vertretenen Klägerin oblegen, sich durch einen Antrag etwa auf Schriftsatznachlass weiteres rechtliches Gehör selbst zu verschaffen. Bei alledem war der Richter nicht gehalten, seine Bewertung der aufgeworfenen Rechtsfragen vorab mit den Beteiligten zu erörtern, zumal sich auch bei einem Einzelrichter die endgültige Entscheidung oftmals erst in der abschließenden Beratung bildet.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die in Übereinstimmung mit dem Verwaltungsgericht und seiner Begründung vorgenommene Streitwertfestsetzung für das Zulassungsverfahren auf den §§ 52 Abs. 1, 47 Abs. 1 und 3 GKG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO, § 68 Abs. 1 Satz 5 i. V. m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).