Hessisches LAG, Urteil vom 12.02.2008 - 13 Sa 1120/07
Fundstelle
openJur 2012, 29608
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom

20. Juni 2007 – 7 Ca 1023/07 – wird auf deren Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von Schadensersatz für Detektivkosten.

Der Geschäftsführer der Klägerin ist der mittlerweile geschiedene Ehemann der Beklagten.

Die Beklagte war bei der Klägerin sei dem 5. März 1992 bei einem Bruttomonatsgehalt von 920 € zur Leistung von Büro – bzw. Sekretariatsarbeiten beschäftigt.

Nachdem sich die Ehegatten auseinander gelebt und sich die finanzielle Situation der Klägerin verschlechtert hatte, kam es auch zu Schwierigkeiten im Arbeitsverhältnis der Parteien.

Mit Schreiben vom 14. Juni 2006 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zum 31. Dezember 2006.

Mit Schreiben vom 12. September 2006 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der unterbliebenen Erbringung der Arbeitsleistung ab. Mit Schreiben vom 18. September 2006 forderte die Klägerin die Beklagte auf, ihre Arbeitsleistung in der Zentrale der Klägerin in A zu erbringen. Dem kam die Beklagte nicht nach unter Verweis auf eine ärztliche Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom Anfang September 2006, in der eine Arbeitsunfähigkeit der Beklagten bis einschließlich 1. Oktober 2006 festgestellt wurde (Blatt 36 der Akten). Mit Schreiben vom 26. September 2006 mahnte die Klägerin die Beklagte wegen der unterbliebenen Erbringung der Arbeitsleistung erneut ab. Mit Schreiben vom 29. September 2006 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis zur Beklagten sodann fristlos mit der Begründung, dass die Beklagte trotz Aufforderung und zweier Abmahnungen ihre Arbeitsleistungen nicht erbracht habe. Am 2. Oktober 2006 stellte der die Beklagte behandelnde Arzt eine Folgebescheinigung aus und attestierte dabei eine Arbeitsunfähigkeit der Beklagte bis 30. Oktober 2006 (Blatt 36 der Akten).

Am 10. Oktober 2006 erhob die Beklagte beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main eine Kündigungsschutzklage wegen der fristlosen Kündigung vom 29. September 2006 (Aktenzeichen 7 Ca 7143/06).

Nach dem Erhalt der oben angeführten Folgebescheinigung vom 2. Oktober 2006 hatte der Geschäftsführer der Klägerin die Firma B damit beauftragt, die Beklagte zu überwachen. Diese Detektei überwachte die Beklagte mit zwei Detektiven im Zeitraum vom Samstag, dem 7. Oktober 2006, bis zum Donnerstag, dem 12. Oktober 2006. Es wurden 64,5 Stunden Ermittlungstätigkeit ausgeführt. Die Detektei erstellte einen Ermittlungsbericht (Blatt 5 bis 14 der Akten), dem sich entnehmen lässt, dass die Klägerin an mehreren Tagen vormittags während des Überwachungszeitraum die C besucht hatte. Unter dem 16. Oktober 2006 erteilte die Detektei der Klägerin eine Rechnung über einen Gesamtbetrag vom 3546,12 € (Blatt 15 der Akte), den die Klägerin auch bezahlte.

Nach eigenem Vortrag wusste der Geschäftsführer der Klägerin allerdings schon, dass die Beklagte bereits "seit langem" bzw. "seit mehreren Monaten" diese Heilpraktikerschule besuchte und zwar mit Unterricht in der Regel von Montag bis Freitag vormittags mindestens drei Stunden.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 kündigte die Klägerin das Arbeitsverhältnis mit der Beklagten erneut fristlos, diesmal mit der Begründung, dass "berechtigte Zweifel" an der Arbeitsunfähigkeit bestünden nach "Erlangung gesicherter Erkenntnisse" (Blatt 16 der Akte 7 Ca 7143/06). Auch gegen diese Kündigung setzte sich die Beklagte durch entsprechende Erweiterung der Kündigungsschutzklage 7 Ca 7143/06 zur Wehr.

Mit Schreiben vom 17. Oktober 2006 forderte die Klägerin die Beklagte erfolglos auf, die Detektivkosten in Höhe von 3546,12 € bis zum 31. Oktober 2006 zu zahlen.

Mit Schriftsatz und 22. November 2006 nahm die Beklagte dann ihre Kündigungsschutzklage 7 Ca 7143/06 zurück.

Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, dass die Beauftragung der Detektei notwendig gewesen sei, da die Beklagte eine vorsätzliche, vertragswidrigen Handlung begangen habe, indem sie sich die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschlichen habe, denn wer eine Heilpraktikerschule besuchen könne, der könne auch Büroarbeiten ausführen. Die Beklagte habe "bei der Erlangung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung Beschwerden geschildert", die bei dem behandelnden Arzt den Eindruck erweckt hätten, dass sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht fähig sei, Sekretariatstätigkeiten auszuüben.

Nach Rücknahme der Klage in Höhe von 371,20 € im Hinblick auf die Detektivkosten für Samstag, den 7. Oktober 2006,

hat die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3174,92 und Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte ist der Ansicht gewesen, sie habe keine arbeitsvertragliche Pflichtverletzung begangen. Die Beauftragung der Detektei sei nach den vorhandenen Kenntnissen der Klägerin über ihre Ausbildung nicht notwendig gewesen.

Durch Urteil vom 20. Juni 2007 hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen, im Wesentlichen mit der Begründung, die ärztliche Folgebescheinigung vom 2. Oktober 2006 habe in ihrem Beweiswert nicht erschüttert werden können. Eine vertragliche Nebenpflichtverletzung der Beklagten durch den Besuch der Heilpraktikerschule sei nicht auszumachen. Die Beauftragung der Detektei und die damit verbundenen Kosten sei nicht erforderlich gewesen, da die Klägerin immer wusste, dass die Beklagte die fragliche Heilpraktikerschule besuchte. Wegen der Einzelheiten wird auf

Tatbestand und Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (Blatt 49 bis 61 der Akten).

Gegen dieses der Klägerin am 2. Juli 2007 zugestellte Urteil hat diese mit einem beim erkennenden Gericht am 26. Juli 2007 eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis 2. Oktober 2007 mit einem am 2. Oktober 2007 eingegangenen Schriftsatz vom selben Tage begründet.

Die Klägerin wiederholt und vertieft ihr erstinstanzliches Vorbringen. Insbesondere habe sie, so meint sie, ein Rechtsschutzinteresse an der vorliegenden Klage und müsse sich nicht auf ein Kostenfestsetzungsverfahren zur Erstattung ihrer Detektivkosten verweisen lassen.

Erst durch die Ermittlungen der Detektei habe der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 2. Oktober 2006 entkräftet werden können. Ein Schulbesuch sei wesentlich anstrengender als die arbeitsvertraglich geschuldeten Sekretariatsarbeiten. Sie, die Klägerin, habe zwar von dem Schulbesuch der Beklagten gewusst, aber nur bis zum 1. September 2006 und auch nicht, welche Schule genau die Beklagte besuchte. Dies habe nicht anders als durch Einschaltung einer Detektei ermittelt werden können.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 20. Juni 2007 (7 Ca 1023/07) abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an sie 3174,290 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1. November 2006 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil. Die Klägerin hätte sie, die Beklagte, schlicht fragen können, welche Heilpraktikerschule sie besuche. Die Kosten für die Detektei seien deshalb überflüssig gewesen und nicht von ihr zu tragen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien im zweiten Rechtszug wird auf die in der mündlichen Verhandlung vom 15. Januar 2008 vorgetragenen Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Akten der Rechtsstreite 7 Ca 5001/06 und 7 Ca 7143/06 des Arbeitsgerichts Frankfurt am Main waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die gemäß den §§ 8 Abs. 2 ArbGG, 511 ZPO an sich statthafte Berufung begegnet hinsichtlich des Wertes des Beschwerdegegenstandes (§ 64 Abs. 2 ArbGG) keinen Bedenken. Sie ist nach Maßgabe der im Tatbestand mitgeteilten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie rechtzeitig und ordnungsgemäß begründet worden (§§ 66 Abs. 1 ArbGG, 517, 519, 520 ZPO) und damit insgesamt zulässig.

In der Sache ist die Berufung erfolglos. Das Arbeitsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

Der Begründung des Arbeitsgerichts folgt die Berufungskammer allerdings nicht.

Die Klage ist nämlich bereits unzulässig.

Ihr fehlt das Rechtsschutzinteresse. Der Klägerin steht zur Durchsetzung ihres vermeintlichen Kostenerstattungsanspruchs für Detektivkosten ausschließlich das Kostenfestsetzungsverfahren gemäß den §§ 103 ff. ZPO zur Verfügung. Auf diesen einfacheren und kostengünstigeren Weg muss sich die Klägerin verweisen lassen (ebenso BGH vom 24. April 1990, NJW 1990, 2060; BGH vom 11. Dezember 1986,

WM 1987, 247; LAG Hamm vom 28. August 1991, LAGE Nr. 34 zu § 1 KSchG verhaltensbedingte Kündigung; Lepke, DB 1985, 1131; Frölich, NZA 1996, 464; anderer Ansicht GK-ArbGG-Wenzel, § 12 a Randziffer 30). Nach der Klagerücknahme der Beklagten als Klägerin in dem Rechtsstreit 7 Ca 7143/06 beim Arbeitsgericht Frankfurt am Main hätte es der Klägerin und dortigen Beklagten freigestanden, eine Kostengrundentscheidung gemäß § 269 Abs. 3 und 4 ZPO zu erwirken, in der ausgesprochen worden wäre, dass die Beklagte und dortige Klägerin nach ihrer Klagerücknahme die Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. Aus diesem Titel hätte die Klägerin und Beklagte des dortigen Rechtsstreits die Kostenfestsetzung gemäß den §§ 103 ff. ZPO betreiben können, für das gemäß § 104 Abs. 1 S. 1 ZPO; § 21 Abs. 1 RPflG der Rechtspfleger zuständig ist. Dieses Verfahren ist schneller und mit weniger Aufwand verbunden. Eine mündliche Verhandlung ist regelmäßig nicht nötig. Für die Voraussetzungen und die Höhe der geltend gemachten Prozesskosten genügt eine Glaubhaftmachung (§§ 104 Abs. 2, 294 ZPO). Auch das Rechtsmittelverfahren ist als Beschwerdeverfahren einfacher und braucht weniger formalen Aufwand als ein Berufungsverfahren.

§ 12 a Abs. 1 Satz 1 ArbGG steht einer Erstattungspflicht für Detektivkosten im übrigen nicht entgegen. Diese Vorschrift verwehrt es der obsiegenden Partei lediglich, im Urteilsverfahren vor dem Arbeitsgericht eine Entschädigung wegen Zeitversäumnis sowie die Erstattung der Kosten für die Zuziehung eines Prozessbevollmächtigten oder Beistandes geltend zu machen. Sie ist durch § 12 a ArbGG jedoch nicht gehindert, Detektivkosten der hier zu beurteilenden Art erstattet zu verlangen (LAG Berlin vom 20. September 2001, NZA RR 2002, 98; GK-ArbGG-Wenzel, § 12 a Randziffer 28).

Im Kostenfestsetzungsverfahren wird auch über die Prozessbezogenheit der angefallenen Detektivkosten zu befinden seien, zu der es divergierende Ansichten gibt. Zu erstatten sind jedenfalls Prozessvorbereitungskosten, soweit die entsprechenden Aufwendungen mit einem konkreten bevorstehenden Rechtsstreit in Beziehung stehen und seiner Vorbereitung dienen sollen (GK-ArbGG-Wenzel, § 12 a Randziffer 28; Frölich, NZA 1996,464; BAG vom 17. September 1998, NZA 1998, 1334; BAG vom 3. Dezember 1985, BB 1987, 689; LAG Rheinland-Pfalz vom 15. Juni 1999, NZA 2000, 260; LAG Düsseldorf vom 13. Juli 1989, JurBüro 1989, 1702; LAG Berlin vom 20. Januar 2001, NZA RR 2002, 98; anderer Ansicht für Detektivkosten zur Vorbereitung einer Kündigungsschutzklage LAG Düsseldorf vom 19. August 2003, LAGE Nr. 2 zu § 91 ZPO 2002; Hessisches LAG vom 23. Oktober 1998, NZA RR 1999, 322).

Die Klägerin hat die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

Die Zulassung der Revision beruht auf § 72 Abs. 2 ArbGG.