Hessisches LAG, Urteil vom 09.01.2008 - 18 Sa 2050/06
Fundstelle
openJur 2012, 29444
  • Rkr:
Tenor

Das Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007 – 18 Sa 2050/07 – wird teilweise aufgehoben und klarstellend wie folgt neu gefasst:

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2006 – 3 Ca 158/06 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt,

1.) an den Kläger 693,51 EUR (in Worten: Sechshundertdreiundneunzig und 51/100 Euro) brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 29. April 2006 zu zahlen.

2.) an den Kläger 694,48 EUR (in Worten: Sechshundertvierundneunzig und 48/100 Euro) brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 02. Dezember 2005 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 47 % zu tragen, der Kläger hat 53 % zu tragen. Die Kosten der Säumnis im Berufungsverfahren trägt der Kläger vorab.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Zahlung von Sondervergütungen, die einen tariflichen und einen durch Betriebsvereinbarung geregelten Anspruch übersteigen.

Der Kläger ist seit dem Beginn seiner Ausbildung im Jahre 1976 für die Beklagte bzw. deren Rechtsvorgängerin tätig. Seit 1984 arbeitet er als Schaltmeister in vollkontinuierlicher Wechselschicht. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag existiert nicht. Beide Parteien sind tarifgebunden, es gelten die Tarifverträge für die Beschäftigten der privaten Energiewirtschaft in Hessen.

Das Arbeitsverhältnis ist durch Betriebsübergang am 01. Juli 1992 auf die Beklagte übergegangen. Bei dieser ist ein Betriebsrat gebildet.

Arbeitnehmern der Beklagten steht nach § 17 des Rahmentarifvertrages vom 01. Juli 2002, geschlossen zwischen der Arbeitgebervereinigung energiewirtschaftlicher Unternehmen e. V.(AVE) und der Vereinigte Dienstleistungsgewerkschaft e.V. (ver.di), vertreten durch die Landesbezirksleitung Hessen, (folgend: RTV) ein Weihnachtsgeld zu. Die tarifliche Regelung lautet auszugsweise:

"Die Arbeitnehmer erhalten anlässlich des Weihnachtsfestes eine Weihnachtszuwendung mindestens in Höhe von 60 % der laufenden Arbeitsbezüge eines Monats. Diese Weihnachtszuwendung erhöht sich im zweiten Dienstjahr auf 80 % und im dritten Dienstjahr auf 100 % der laufenden Arbeitsbezüge eines Monats."

Zum Begriff der "laufenden Arbeitsbezüge" ist in § 9 Abs. 2 RTV geregelt:

"Die laufenden Arbeitsbezüge bestehen aus der nach dem Vergütungstarifvertrag für die regelmäßige Arbeitszeit zu zahlenden Tabellenvergütung sowie aus etwaigen, ständig wiederkehrenden Arbeitszulagen und -zuschlägen (z.B.: Dauerzulagen, Schichtzulagen, Fahrtdienstzulagen, ständige Prämien). Nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge (z. B.: stundenweise anfallende Zeit- und Erschwerniszuschläge) rechnen nicht zu den laufenden Bezügen, es sei denn, dass sie pauschaliert sind."

Der Kläger gehört zur Gruppe derjenigen Arbeitnehmer der Beklagten, die bis einschließlich für das Jahr 2004 ein 14. Monatsgehalt auf Grundlage der Betriebsvereinbarung Nr. 20 (folgend: BV Nr. 20) erhielten. Zu Höhe des 14. Gehalts war in dieser Betriebsvereinbarung bestimmt (vgl. Anlage B 2 zur Klageerwiderung, Bl. 35 d.A.):

"2.Die Sonderzuwendung beträgt 100 % der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat Dezember des Geschäftsjahres für das die Sonderzahlung gewährt wird. Sie wird mit der April-Vergütung des folgenden Jahres ausgezahlt."

Diese Leistung erhielt der Kläger zuletzt im April 2005.

Am 28. Oktober 2005 schlossen die Beklagte und weitere Mitglieder des A-Konzerns sowie der Spartenbetriebsrat "Energie & IT" im A-Konzern eine Betriebsvereinbarung "14. Gehalt und betriebliche Jahressonderzahlung 2005", welche am 01. November 2005 rückwirkend zum 01. Juli 2005 in Kraft trat (folgend: BV 14. Gehalt). Die zugleich die BV Nr. 20 ablösende BV 14. Gehalt setzt an die Stelle der bisher im April eine Folgejahres gezahlten Sondervergütung eine – eingefrorene – Ausgleichszulage, die monatlich in dem Jahr gezahlt wird, für welches der Anspruch besteht. Die Regelung zur Anspruchshöhe im § 3 Abs. 2 lautet (vgl. Anlage 8 zur Klage, Bl. 9 bis 11 d. A.):

"Die Höhe der Ausgleichszulage richtet sich nach der für das Jahr 2004 im April 2005 (Beschäftigte der ehemaligen A Versorgungs- AG) (...) gezahlten Zuwendung. Diese wird in Höhe der Steigerung der tariflichen Vergütung nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag zum 01.07.2005 letztmalig erhöht. Die anteilige Zuwendung (14. Gehalt) für das erste Kalenderhalbjahr 2005 wird ein Monat nach Abschluss dieser Betriebsvereinbarung im Rahmen der regulären Lohn- und Gehaltsabrechnung an die betroffenen Beschäftigten ausgezahlt."

Bereits vor dem Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse auf die Beklagte am 01. Juli 1992 erhielten der Kläger und weitere in den Netzleitstellen in vollkontinuierlicher Wechselschicht tätige Kollegen sowohl eine Weihnachtszuwendung als auch ein 14. Gehalt, wobei deren Höhe den nach § 17 RTV bzw. der einschlägigen Betriebsvereinbarung zustehenden Anspruch überstieg. In den seit Juli 1992 von der Beklagten erteilten Abrechnungen sind diese zusätzlichen Leistungen getrennt neben dem Weihnachtsgeld (im November) bzw. dem als Sonderzuwendung bezeichneten 14. Gehalt (im April) als "Z. aus D-Zuschl. und "Sonderzuw. aus D-Zuschl." ausgewiesen (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für die Monate November und April von 1992 bis 2005, Anlagekonvolut zum Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d.A.).

Als "D-Zuschl." werden Dienstzeitzuschläge bezeichnet. Darunter verstehen die Parteien Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit gemäß § 11 Abs. 1 A) RTV. Die Leistung der Sondervergütungen in einer den tarifvertraglichen Anspruch bzw. den Anspruch aus Betriebsvereinbarung überschreitenden Höhe erfolgte seitens der Beklagten ohne weitere Erklärungen insb. keinem Vorbehalt.

Im November 2004 leistete die Beklagte an den Kläger erstmals ein Weihnachtsgeld, welches nur in tariflicher Höhe aus laufenden Arbeitsbezügen gemäß § 9 Abs. 2 RTV berechnet war. Auf die schriftliche Aufforderung des Klägers, eine Weihnachtszuwendung auch aus Dienstzeitzuschlägen zu zahlen, erfolgte im Januar 2005 eine Nachzahlung der Beklagten. Die zusätzliche Leistung berechnete sich aus dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge, welche der Kläger in der Zeit von Oktober 2003 bis September 2004 erhalten hatte. Mit Schreiben vom 15. März 2005 erklärte die Beklagte, dass es sich hierbei um eine freiwillige Leistung gehandelt habe. Der Kläger widersprach dem Freiwilligkeitsvorbehalt durch Stellungnahme vom 29. März 2005.

Mit der Vergütung für April 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger auch eine Sondervergütung neben dem durch die BV Nr. 20 geregelten 14. Gehalt, dessen Höhe aus dem Monatsdurchschnitt der Dienstzeitzuschläge des Jahres 2004 berechnet worden war.

Im November 2005 zahlte die Beklagte an den Kläger ein Weihnachtsgeld nur in tariflicher Höhe. Die nach der BV 14. Gehalt dem Kläger geschuldete monatliche Ausgleichszulage, welche der Kläger rückwirkend ab 01. Januar 2005 erhalten hat, berechnet die Beklagte ausschließlich aus dem 14. Monatsgehalt, welches der Kläger im April 2005 gemäß der BV Nr. 20 erhielt, also ohne Berücksichtigung von im Jahr 2004 durch den Kläger erarbeiteten Nacht-, Sonntags- und Feiertagszuschlägen.

Bereits mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 hatte der Kläger gegenüber der Beklagten geltend gemacht, ihm stehe weiterhin eine Weihnachtszuwendung wie eine Sonderzuwendung aus Dienstzeitzuschlägen zu. Zur vollständigen Wiedergabe dieses Schreibens wird auf die als Anlage 5 zur Klageschrift überreichte Kopie verwiesen (Bl. 6 d.A.). Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 25. Januar 2006 die künftige Berücksichtigung von dienstplanmäßigen Zeitzuschlägen bei der Berechnung von Weihnachtsgeld und Sonderzuwendung für die Zukunft ab. Auch wegen des Inhalts dieses Schreibens wird auf die Anlage zur Klageschrift Bezug genommen (Anl. 6 zur Klage, Bl. 7 d.A.).

Mit am 04. April 2006 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt eingegangener Klage, welche der Beklagten am 12. April 2006 zugestellt wurde, begehrte der Kläger eine Weihnachtszuwendung aus Dienstzeitzuschlägen für 2005 in Höhe von 694,64 € brutto sowie die Berücksichtigung der ihm im April 2005 aus Zeitzuschlägen gezahlten Zuwendung bei der Berechnung der Ausgleichszulage aus der BV 14. Gehalt. Hierbei berechnete er die monatliche Differenz zwischen gezahlter und ihm zustehender Ausgleichszulage mit 63,08 € brutto und forderte Nachzahlung für die Zeit vom 01. Januar 2005 bis 31. März 2006. Zur Darstellung der vom Kläger vorgenommen Berechnung wird auf die von diesem mit der Klage eingereichte Tabelle verwiesen (Anlage 7 zur Klage, Bl. 8 d.A.). Der Kläger hat behauptet, seit 1984 sei ihm das tarifliche Weihnachtsgeld und das 14. Monatsgehalt unter Berücksichtigung des Durchschnitts der Dienstzeitzuschläge der jeweils letzten 12 Monate gezahlt worden. Dies sei mündlich vereinbart worden. Zum Nachweis der Zahlungen hat der Kläger Vergütungsabrechnungen für die Zeit von 1988 bis 2005 vorgelegt, jeweils für die Monate April und November eines Jahres (vgl. Kopien als Anlagen zum Schriftsatz des Klägers vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d. A.). Hilfsweise hat der Kläger vorgebracht, durch die langjährige Zahlung des tariflichen Weihnachtsgelds unter Berücksichtigung der Zeitzuschläge sei eine betriebliche Übung entstanden. In Bezug auf die geltend gemachte Erhöhung der monatlichen Ausgleichszahlung nach der BV 14. Gehalt hat der Kläger gemeint, sein Anspruch folge unmittelbar aus der Betriebsvereinbarung selbst. Diese nehme unter § 3 Abs. 2 BV 14. Gehalt Bezug auf die ihm im April 2005 unter Berücksichtigung der Zeitzuschläge gezahlte Sonderzuwendung. Die Höhe der ihm zustehenden monatlichen Leistungen bestimme sich nach der tatsächlich erfolgten Zahlung.

Der Kläger hat weiter vertreten, dass die Beklagte sich nicht darauf berufen könne, dass einer mündlichen Zusage oder einer betrieblichen Übung die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 RTV entgegenstehe. Dieses Verhalten sei treuwidrig.

Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.324,68 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus jeweils 63,08 EUR seit dem 02. Februar 2005, 02. März 2005, 02. April 2005, 03 Mai 2005, 02. Juni 2005, 02. Juli 2005, 02. August 2005, 02. September 2005, 02. Oktober 2005, 02. November 2005, 02. Dezember 2005, 03. Januar 2006, 02. Februar 2006, 02. März 2006, 02. April 2006, 03. Mai 2006, 02. Juni 2006, 02. Juli 2006, 02. August 2006, 02. September 2006 und 02. Oktober 2006 zu zahlen;

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01. November 2006 monatlich 63,08 EUR brutto zu zahlen;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 694,64 EUR brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat bestritten, dass mit dem Kläger jemals die Zahlung eines zusätzlichen Weihnachtsgeldes und eines Zusatzes zum 14. Gehalt aus Dienstzeitzuschlägen vereinbart worden sei. Sie hat gemeint, ein Anspruch aus betrieblicher Übung bestehe nicht, da sowohl der Anspruch auf Weihnachtsgeld als auch der (frühere) Anspruch auf ein 14. Gehalt ausdrücklich geregelt seien. Dem Entstehen einer betrieblichen Übung stehe jedenfalls die Formvorschrift des § 2 Abs. 2 RTV entgegen. Sie verhalte sich nicht treuwidrig, wenn sie sich auf die Formvorschrift berufe. Die Beklagte hat behauptet, sie und ihre Rechtsvorgängerin hätten sich zu keinem Zeitpunkt in irgendeiner Form zu einer Verpflichtung bekannt, nach der Vergütungen auch aus Dienstzeitzuschlägen zu zahlen seien. Weiter hilfsweise hat die Beklagte vorgebracht, den vorgelegten Vergütungsabrechnungen lasse sich nicht entnehmen, auf welcher Berechnungsgrundlage das Weihnachtsgeld und das 14. Gehalt um einen aus Dienstzeitzuschlägen ermittelten Wert erhöht worden sei.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat mit am 10. Oktober 2006 verkündetem Urteil die Klage abgewiesen. Das Arbeitsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe keinen Nachweis für eine wirksame, mündlich abgeschlossene Vereinbarung erbracht. Der möglichen Entstehung eines Anspruchs auf ein erhöhtes Weihnachtsgeld durch betriebliche Übung stehe § 2 Abs. 2 RTV entgegen. Das Berufen der Beklagten auf die tarifliche Formvorschrift sei nicht treuwidrig. Die Anträge des Klägers auf eine erhöhte und auch in Zukunft zu zahlende monatliche Ausgleichszulage seien unbegründet. Die BV14. Gehalt könne nicht so ausgelegt werden, dass es auf die tatsächlich zugeflossene Leistung im April 2005 ankomme. Vielmehr sei für die Berechnung der monatlichen Ausgleichszulage nur die aufgrund der BV Nr. 20 gezahlte Sondervergütung maßgeblich. Der Annahme einer betrieblichen Übung auf eine erhöhte Ausgleichszulage stehe ebenfalls § 2 Satz 2 RTV entgegen. Wegen der weiteren Einzelheiten der Entscheidung wird auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe Bezug genommen (Bl. 112 bis 121 d.A.).

Das Urteil wurde dem Kläger am 13. November 2006 zugestellt. Er hat hiergegen am 29. November 2006 Berufung eingelegt. Die Berufung wurde mit Schriftsatz vom 08. Februar 2007, eingegangen am 08. Februar 2007, nach rechtzeitig beantragter Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit der Berufung hat der Kläger zunächst an seinen in der 1. Instanz gestellten Anträgen festgehalten. In dem auf den 04. Juli 2007 angesetzten Kammertermin hat der Kläger keine Anträge gestellt und Versäumnisurteil gegen sich ergehen lassen. Die Kammer hat anlässlich der Verhandlung vom 04. Juli 2007 die Parteien darauf hingewiesen, dass hinsichtlich der in § 2 Abs. 2 RTV geregelten tariflichen Schriftformklausel zwischen der bis 30. Juni 1998 und der ab 01. Juli 1998 geltenden Fassung des Tarifvertrages unterschieden werden müsse. Weiter hat die Kammer einen rechtlichen Hinweis erteilt, dass die Voraussetzungen für eine erhöhte monatliche Ausgleichszulage aus der BV 14. Gehalt als nicht erfüllt angesehen würden.

Gegen das ihm am 16. Juli 2007 zugestellte Versäumnisurteil hat der Kläger mit am 23. Juli 2007 bei dem Hess. Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Einspruch eingelegt. Zugleich hat er seine Anträge um einen Hilfsantrag erweitert, dessen Berechnung die Annahme zugrunde liegt, dass die Beklagte ungeachtet der Ablösung der BV Nr. 20 durch die BV 14. Gehalt weiterhin im April eines Jahres zur Zahlung einer Sonderzuwendung aus dem Monatsdurchschnitt der Dienstzeitzuschläge eines Vorjahres verpflichtet seit.

Wegen der Berechnung der Ansprüche wird auf die vom Kläger mit der Einlegung des Einspruch erweiterten Tabellen verwiesen (Anlage zur Einspruchsschrift, Bl. 290 f. d.A.).

Im Übrigen hat der Kläger mit der Berufung nicht mehr geltend gemacht, die Beklagte schulde ihm die geforderten Leistungen aus einer mündlichen Vereinbarung.

Der Kläger vertritt die Ansicht, die geforderten zusätzlichen Leistungen aus Zeitzuschlägen seien nicht als Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV in der bis 30. Juni 1998 geltenden Fassung zu verstehen. Hilfsweise wiederholt er seine Bewertung, die Beklagte verhalte sich treuwidrig, wenn sie sich auf die Formvorschrift berufe, obwohl kein schriftlicher Arbeitsvertrag der Parteien geschlossen wurde. Weiter vorsorglich macht der Kläger geltend, durch die Nachzahlung der erhöhten Weihnachtszuwendung für November 2004 im Januar 2005 habe die Beklagte ihre Leistungsverpflichtung anerkannt. Dies folge auch aus der vorbehaltlosen Zahlung eines erhöhten 14. Gehaltes im April 2005 trotz des durch die Beklagte mit Schreiben vom 15. März 2005 erklärten Freiwilligkeitsvorbehalts.

Der Kläger beantragt,

1. das Versäumnisurteil des erkennenden Gerichts vom 04. Juli 2007 aufzuheben;

2. das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2006 mit dem Az.: 3 Ca 158/06 abzuändern;

3. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.324,68 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus jeweils 63,08 € seit dem 02. Februar 2005, 02. März 2005, 02. April 2005, 03. Mai 2005, 02. Juni 2005, 02. Juli 2005, 02. August 2005, 02. September 2005, 02. Oktober 2005, 02. November 2005, 02. Dezember 2005, 03. Januar 2006, 02. Februar 2006, 02. März 2006, 02. April 2006, 03. Mai 2006, 02. Juni 2006, 02. Juli 2006, 02. August 2006, 02. September 2006 und 02. Oktober 2006 zu zahlen;

4. die Beklagte zu verurteilen, an ihn ab dem 01. November 2006 monatlich 63,08 € brutto zu zahlen;

5. für den Fall des vollständigen oder teilweisen Unterliegens mit den Anträgen zu 3) oder 4) die Beklagte zu verurteilen, an ihn eine Sonderzuwendung aus Dienstzeitzuschlägen für das Kalenderjahr 2006 in Höhe von 705,44 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01. Mai 2006 zu zahlen;

6. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 694,64 € brutto zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 02. Dezember 2005 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

1. das Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007 aufrecht zu erhalten;

2. die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2006 (3 Ca 158/06) zurückzuweisen und den hilfsweise zu den Anträgen zu 3) und 4) gestellten Antrag zu 5) abzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung. Sie ist der Auffassung, soweit die Möglichkeit einer betrieblichen Übung bejaht werde, scheitere die Entstehung einer solchen daran, dass sich bei den zusätzlichen Leistungen um Nebenabreden im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV gehandelt habe. Hierzu sei anzuführen, dass es sich sowohl bei dem Weihnachtsgeld als auch bei dem 14. Gehalt um Sondervergütungen mit Mischcharakter und damit nach Maßgabe der Rechtsprechung des Vierten Senats des BAG nicht um Entgelt im engeren Sinne gehandelt habe. Dabei sei auch zu berücksichtigen, dass Zeitzuschläge teilweise steuerfrei gezahlt würden und dem Ausgleich einer besonderen Erschwernis dienten.

Die Beklagte ist der Auffassung, sie habe eine Leistungsverpflichtung zu keinem Zeitpunkt, weder durch Vergütungsabrechnung noch durch ihr Schreiben vom 15. März 2005 oder durch die Zahlung eines erhöhten 14. Gehalts im April 2005 anerkannt.

Äußerst vorsorglich macht die Beklagte geltend, dass der Kläger in Bezug auf eine erst mit dem Einspruch geforderte Weiterzahlung eines 14. Gehalts aus Dienstzeitzuschlägen im April eines Folgejahres die in § 26 Abs. 2 RTV bestimmte Ausschlussfrist nicht gewahrt habe.

Wegen des weiteren Sachvortrages wird auf den vorgetragenen Inhalt der von den Parteien gewechselten Schriftsätze sowie die Sitzungsniederschriften vom 04. Juli 2007 (Bl. 264 d. A.) und vom 09. Januar 2008 (Bl. 344 f. d.A.) verwiesen.

Gründe

Der Einspruch des Klägers vom 23. Juli 2007 gegen das ihm am 16. Juli 2007 zugestellte und die Berufung zurückweisende Versäumnisurteil vom 04. Juli 2007 ist statthaft und zulässig, da frist- und formgerecht durchgeführt (§§ 338 ff, 539 Abs. 3 ZPO, 59, 64 Abs. 7 ArbGG). Auf den Einspruch ist das Versäumnisurteil teilweise aufzuheben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Darmstadt vom 10. Oktober 2006 war gemäß §§ 8 Abs. 2, 64 Abs. 2 b ArbGG statthaft. Sie ist gemäß §§ 64 Abs. 7, 66 Abs. 1 ArbGG in Verbindung mit §§ 519, 520 ZPO nach den im Tatbestand angeführten Daten form- und fristgerecht eingelegt sowie ordnungsgemäß und rechtzeitig begründet worden.

Die Beklagte war verpflichtet, dem Kläger mit der Vergütung für November 2005 auch ein sogenanntes Weihnachtsgeld aus Dienstzeitzuschlägen (folgend bezeichnet als: "Novemberzahlung") und mit der Vergütung für April 2006 eine Vergütung aus dem Durchschnitt der Dienstzeitzuschläge des Jahres 2005 rückwirkend für dieses Jahr (folgend bezeichnet als: "Aprilzahlung") zu leisten. Die Berufung des Klägers ist zurückzuweisen, soweit er seinen Anspruch auf die Betriebsvereinbarung "14. Gehalt und betriebliche Jahressonderzahlung 2005" (BV 14. Gehalt) stützt oder zu hohe Beträge fordert und die tarifliche Ausschlussfrist nicht gewahrt hat

I.

Dem Kläger steht für das Jahr 2005 eine mit der Novembervergütung fällig gewordene "Novemberzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen in Höhe von 694,48 € brutto aus betrieblicher Übung zu.

An seinem Vortrag, die Rechtsvorgängerin der Beklagten habe ihm eine derartige Leistung ausdrücklich zugesagt, hat er in der Berufung nicht mehr festgehalten.

1.

Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung sind erfüllt.

a)

Unter einer betrieblichen Übung ist die regelmäßige Wiederholung bestimmter Verhaltensweisen des Arbeitgebers zu verstehen, aus denen die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder eine Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden. Aus diesem als Vertragsangebot zu wertenden Verhalten des Arbeitgebers, das von den Arbeitnehmern in der Regel stillschweigend angenommen wird (§ 151 BGB), erwachsen vertragliche Ansprüche auf die üblich gewordenen Leistungen. Entscheidend für die Entstehung eines Anspruchs ist nicht der Verpflichtungswille, sondern wie der Erklärungsempfänger die Erklärung oder das Verhalten des Arbeitgebers nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung aller Begleitumstände (§§ 133, 157 BGB) verstehen musste und durfte. Im Wege der Auslegung des Verhaltens des Arbeitgebers ist zu ermitteln, ob die Arbeitnehmer davon ausgehen durften, eine Leistung werde vom Arbeitgeber über seine gesetzlichen, kollektivrechtlichen und vertraglichen Pflichten hinaus erbracht werden (BAG Urteil vom 21.01.1997 – 1 AZR 572/96NZA 1997, 1009; BAG Urteil vom 13.06.2007, a. a. O.). Will der Arbeitgeber verhindern, dass der Arbeitnehmer den Schluss auf einen dauerhaften Bindungswillen zieht, muss er einen entsprechenden Vorbehalt konkret zum Ausdruck bringen (BAG Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01NZA 2003, 337; BAG Urteil vom 13.06.2007 – 5 AZR 849/06 – AP BGB § 242 Betriebliche Übung, Nr. 78).

Ausgehend von diesen Grundsätzen konnten die in der Netzleistelle im vollkontinuierlichen Wechselschichtdienst tätigen Arbeitnehmer der Beklagten davon ausgehen, dass diese sich individualrechtlich binden wollte und nicht nur irrtümlich neben dem in § 17 RTV geregelten Weihnachtsgeld eine zusätzliche Leistung aus dem Monatsdurchschnitt der Dienstzeitzuschläge der letzten 12 Monate zahlen wollte.

Der Kläger und seine ebenfalls in der Netzleitstelle tätigen und Rechtsstreite mit derselben Zielsetzung führenden Kollegen (vgl. Az.: 18 Sa 2050/06 – 18 Sa 2053/06) haben alle zumindest seit Ende der 80iger Jahre bis November 2004 zeitgleich und über das tarifliche Weihnachtsgeld hinaus eine "Novemberzahlung" erhalten. Bis zu dem Schreiben vom 15. März 2005 (vgl. Kopie Anlage 2 zur Klageschrift in der Akte des Parallelrechtsstreits 18 Sa 20 52/06, dort Bl. 8 d.A.) haben weder die Beklagte noch eine Rechtsvorgängerin einen Vorbehalt bei dieser Leistung gemacht.

aa)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist ein Anspruch aus betrieblicher Übung bereits nicht deshalb ausgeschlossen, weil für die Zahlung eine kollektivrechtliche Grundlage durch § 17 RTV bestand (vgl. BAG Urteil vom 24.11.2004 – 10 AZR 202/04NZA 2005, 349). Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte und/oder ihre Rechtsvorgängerin annahmen, nur eine tarifliche Verpflichtung zu erfüllen, sind nicht dargelegt worden. § 9 Abs. 2 RTV, der den in § 17 Abs. 1 RTV benutzten Begriff der "laufenden Arbeitsbezüge" definiert, schließt in Satz 2 nur zeitweise zu zahlende Arbeitsbezüge, wie stundenweise anfallende Zeitzuschläge aus, soweit sie nicht pauschaliert sind. Die dem Kläger bis einschließlich 2004 neben dem tariflichen Weihnachtsgeld geleistete "Novemberzahlung" beruhte jeweils auf dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit (§ 11 RTV) aus der Zeitspanne von Oktober des Vorjahres bis einschließlich September des laufenden Jahres. Es handelte sich damit nicht um eine tarifliche, sondern eine übertarifliche Leistung (vgl. BAG Urteil vom 07.02.2007 – 5 AZR 41/06NZA 2007, 934). Dies ist in den ab dem Betriebsübergang auf die jetzige Beklagte am 01. Juli 1992 erstellten Vergütungsabrechnungen auch dokumentiert worden. Dort ist zwischen einer "Weihnachtszuwendung" und einer "Weihnachtsz. aus d. Zuschl." differenziert worden (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für den Monat November von 1992 bis 2004 als Teil des Anlagekonvoluts zum Schriftsatz vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d.A.).

bb)

Zu den tatsächlichen Voraussetzungen für die Entstehung einer betrieblichen Übung ist auch entgegen der Wertung durch das Arbeitsgericht Darmstadt ausreichend vorgetragen worden. Der Kläger hat zumindest im Berufungsverfahren seine Vergütungsabrechnungen seit 1992 vollständig vorgelegt und behauptet, dass er – jedenfalls seit dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte zum 01. Juli 1992 – jeden November eine zusätzliche Zahlung aus Dienstzeitzuschlägen neben dem tariflichen Anspruch erhielt. Das Vorbringen der Beklagten, es könne nicht nachvollzogen werden, wann welche Zuschläge in welcher Höhe bei der Berechnung der zusätzlichen Zuwendung eingeflossen seien, ist nach § 138 ZPO unzureichend, da es sich um Leistungen handelt, die von ihr selbst erbracht wurden. Die Beklagte hat nicht dargelegt, worauf die Zahlungen beruhten, wenn nicht aus einer Ermittlung des Durchschnitts der Dienstzeitzuschläge in den jeweils maßgeblichen Zeitraum.

b)

Dem auf einer betrieblichen Übung beruhenden Anspruch des Klägers steht nicht das Schriftformgebot für Änderungen und Nebenabreden gemäß § 2 Abs. 2 RTV in der seit 01. Juli 1998 geltenden Fassung entgegen.

Der Anspruch betrifft keine Nebenabrede im Sinne der Tarifnorm, sondern eine "Hauptabrede". Für die beiderseitigen Hauptrechte und Hauptpflichten aus dem Arbeitsverhältnis nach § 611 BGB bestand bis 01. Juli 1998 noch keine konstitutive Schriftformklausel im Sinne des § 126 BGB.

aa)

Der Anspruch des Klägers auf eine "Novemberzahlung" in Höhe des Monatsdurchschnitts der Dienstzeitzuschläge auf Grund betrieblicher Übung war bereits vor dem 01. Juli 1998 entstanden. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte die Beklagte bereits so häufig Einzelleistungen erbracht, dass ein zurechenbarer objektiver Bindungswille angenommen werden kann.

Eine allgemein verbindliche Regel, ab welcher Anzahl von Leistungen auf deren künftige Gewährung geschlossen werden kann, gibt es nicht. Für Gratifikationen, die jährlich an die gesamte Belegschaft geleistet werden, ist jedoch festgestellt worden, dass die dreimalige vorbehaltlose Gewährung zur Verbindlichkeit erstarkt (BAG Urteil vom 28.07.2004 – 10 AZR 19/04NZA 2004, 1152; BAG Urteil vom 28.06.2006 – 10 AZR 385/05NZA 2006, 1174). Die neben dem tariflichen Weihnachtsgeld erbrachte Leistung ist nicht an die gesamte Belegschaft gezahlt worden, sondern nur an diejenigen Arbeitnehmer, bei denen überhaupt regelmäßig Dienstzeitzuschläge anfielen. Diese wurden zur Berechnungsgrundlage der zusätzlichen Leistungen. Da es sich um eine jährliche Einmalzahlung handelt und alle Arbeitnehmer begünstigt wurden, bei denen überhaupt neben dem laufen Arbeitsentgelt im Sinne des § 9 Abs. 2 Satz 1 RTV ständig und in unterschiedlicher Höhe Zeitzuschläge gezahlt wurden, spricht viel dafür, die vorbehaltlose Gewährung in einem Zeitraum von drei Jahren genügen zu lassen.

Die Beklagte hat spätestens ab Juni 1992, nachdem sie den Betrieb übernommen hatte, durch Leistung der Novemberzahlung und deren gesonderte Ausweisung in den Vergütungsabrechnungen den Anschein eines objektiven Verpflichtungswillens gesetzt. Bei dreimaliger Gewährung wäre eine betriebliche Übung bereits mit der Zahlung im November 1994 entstanden. Es bestehen deshalb keine Bedenken, das Bestehen einer betrieblichen Übung nach sechsmaliger Gewährung zum Ende des Jahres 1997 anzunehmen.

bb)

Die betriebliche Übung wird nicht durch eine tarifvertragliche Formvorschrift ausgeschlossen, die bei Entstehung dieser Anspruchsgrundlage noch nicht galt.

Bis zum 30. Juni 1998 lautete § 2 Abs. 2 RTV in seiner jeweiligen Fassung (vom 06.12.1974, 06.06.1978, 20.03.1990 und 19.05.1994):

"Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden".

Erst in der seit 01. Juli 1998 und weiterhin bis heute geltenden Fassung hat § 2 Abs. 2 RTV den Inhalt:

"Änderungen und Nebenabreden sind nur wirksam, wenn sie schriftlich vereinbart werden."

Eine tarifvertragliche Formvorschrift hindert in ihrem Anwendungsbereich das Entstehen einer betrieblichen Übung. Sofern für eine ausdrückliche Verpflichtungserklärung der Vertragsparteien die Schriftform erforderlich ist, kann für die stillschweigende Zusage durch eine betriebliche Übung nichts anderes gelten (BAG Urteil vom 15.01.1987 – 6 AZR 602/85ZTR 1987, 244; BAG Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01NZA 2003, 337).

cc)

Die "Novemberzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen ist nicht als Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV zu qualifizieren.

Die vor dem 01. Juli 1998 entstandene Verpflichtung der Beklagten aus betrieblicher Übung wird nicht durch die erst zu diesem Zeitpunkt erweiterte tarifliche Schriftformklausel zerstört. Die Arbeitnehmer der Beklagten konnten dem Erklärungswert der vorbehaltlosen Leistungsgewährung vertrauen, weil in diesem Zeitraum keine den Leistungsgegenstand betreffende Regelung für eine konstitutive Schriftform bestand.

Zur Auslegung von § 2 Abs. 2 RTV in der bis 30. Juni 1998 geltenden Fassung kann auf die zu § 4 Abs. 2 BAT und § 4 Abs. 2 BMT-G II und gleichlautenden Vorschriften in anderen Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes ergangene Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Die für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer bei energiewirtschaftlichen Unternehmen geltenden Tarifverträge "kommen" aus dem öffentlichen Dienst. Die wörtliche Übereinstimmung des § 2 Abs. 2 RTV in der bis 30. Juni 1998 geltenden Fassung mit § 4 Abs. 2 BAT und § 4 Abs. 2 BMT-G II lässt die Schlussfolgerung zu, dass die Tarifpartner einen diesen tariflichen Regelungen entsprechende Vereinbarung treffen wollten.

(1)

Nach als gefestigt anzusehender Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts betreffen Nebenabreden nicht den Bereich der Hauptrechte und Hauptpflichten eines Arbeitsvertrages, insbesondere des Arbeitsentgelts und der Arbeitsleistung, sondern sonstige Gegenstände, die entweder Sekundärcharakter und jedenfalls nichts unmittelbar mit den Hauptrechten und Pflichten aus dem Arbeitsvertrag zu tun haben (BAG Urteil vom 07.05.1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE, 52, 33; BAG Urteil vom 15.01.1987 – 6 AZR 602/85ZTR 1987, 244; BAG Urteil vom 17.12.1997 – 5 AZR 178/97 – veröffentlicht in juris; BAG Urteil vom 18.09.2002 – 1 AZR 477/01NZA 2003, 337).

(2)

Entgegen der Auffassung der Beklagten ist die aus Zeitzuschlägen berechnete "Novemberzahlung" als Hauptabrede und nicht als Nebenabrede im Arbeitsverhältnis anzusehen, so dass die Vereinbarung über eine solche Leistung bis 30. Juni 1998 nur einem deklaratorischen, nicht aber einem konstitutiven Schriftformerfordernis unterlag.

Die Novemberzahlung ist einerseits als Aufstockung des tariflichen Weihnachtsgeldes nach § 17 RTV bezahlt worden, andererseits hat die Beklagte durch diese auf bereits geleistete tarifliche Zuschläge für Nacht-, Sonntags- und Feiertagsarbeit nochmals einen Aufschlag gezahlt. Die faktische Erhöhung der tariflichen Zeitzuschläge lässt die Auslegung zu, dass durch die "Novemberzahlung" eine besondere Belastung der Arbeitnehmer ausgeglichen werden sollte. Dies könnte als Argument dafür herangezogen werden, die Leistung als Nebenabrede zu qualifizieren. Die jährliche Zahlungsweise zusammen mit dem tariflichen Weihnachtsgeld spricht jedoch eher dafür, die Leistung als eigentliches Arbeitsentgelt anzusehen. Die "Novemberzahlung" war ihrer Höhe nach von den tatsächlich geleisteten zuschlagspflichtigen Stunden des Berechnungszeitraums abhängig. Insoweit bestand eine unmittelbare Abhängigkeit von Leistung und Gegenleistung.

Die zusätzliche "Novemberzahlung" teilt die rechtliche Einordnung des tariflichen Anspruchs, den sie faktisch erhöhte. Das tarifliche Weihnachtsgeld war bis 30. Juni 1998 eine Sondervergütung mit Mischcharakter, die sowohl erbrachte Betriebstreue belohnte, als auch Entgeltcharakter hatte. Sie war an die im Arbeitsverhältnis erzielte Vergütung ("laufende Arbeitsbezüge") und das tatsächliche Erbringen von Arbeitsleistung gekoppelt und den Hauptabreden im Arbeitsverhältnis zuzurechnen.

Der Gratifikationscharakter lässt – entgegen der Ansicht der Beklagten – die Qualifikation dieser Sondervergütung als Entgelt im Sinne des § 611 BGB nicht entfallen. Dafür ist anzuführen, dass es sich um eine Leistung handelte, die unmittelbar vom Umfang der zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden abhängig war. Gegen den Entgeltcharakter spricht auch nicht, dass Zeitzuschläge teilweise steuerfrei gezahlt werden können, worauf die Beklagte hingewiesen hat. Dies gilt gerade nicht für die Einmalzahlung, die sich am Durchschnitt der Zeitzuschläge orientierte. Zeitzuschläge sind auch nach § 850 a Nr. 3 ZPO in voller Höhe pfändbar, im Gegensatz zu Erschwerniszuschlägen, welche von der Beklagten als Beispiel angeführt wurden (vgl. auch BAG Urteil vom 07.05.1986 – 4 AZR 556/83BAGE 52, 33).

Als weiteres Argument ist zu berücksichtigen, dass § 9 Abs.2 Satz 2 RTV selbst die Einbeziehung von Zeitzuschlägen bei der Ermittlung der laufenden Arbeitsbezüge zulässt. Zeitzuschläge zählen danach – als Ausnahme zur Regel – doch zu den laufenden Bezügen, wenn sie pauschaliert sind. Dies ist im Betrieb der Beklagten nicht geschehen. Der Umstand, dass die Tarifpartner die Möglichkeit zur Einbeziehung der Zeitzuschläge bei der Bemessung des Weihnachtsgelds vorgesehen haben, zeigt aber, dass es sich nicht um eine vom Tarifvertrag ausgeschlossene Leistung handelt. Dies rechtfertigt es, die vom Tarifvertrag abweichende Handhabung bei der Berücksichtigung der Zuschläge nicht als solche von "sekundärem, außergewöhnlichen Charakter" zu qualifizieren, sondern den Hauptpflichten des Arbeitsverhältnisses zuzurechnen. Dabei ist auch zu werten, dass die zusätzliche Leistung aus Dienstzeitzuschlägen der Höhe nach nicht unerheblich ist und den tariflichen Anspruch um mehr als 15 % erhöht.

Schließlich ist folgende Überlegung anzustellen: Nach einem Urteil des – später nicht mehr zuständigen – Dritten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 03. August 1982 liegt keine Nebenabrede im Sinne des § 4 Abs. 2 BMT-G II vor, wenn ein Arbeitgeber allen Arbeitnehmern anstelle eines tariflich vorgeschriebenen Schichtzuschlages einen höheren Wechselschichtzuschlag zahlt, für den die tariflichen Voraussetzungen fehlen (– 3 AZR 503/79BAGE 39, 271). Nach der immer noch maßgeblichen Entscheidung des Vierten Senats vom 07. Mai 1986 ist von einer Nebenabrede auszugehen, wenn ein Arbeitgeber einen nach dem einschlägigen Tarifvertrag als Sonderleistung für die besonderen Erschwernisse des Flugverkehrskontrolldienstes für Fluglotsen vorgesehene Zulage für den Flugverkehrsdienst zahlt, obwohl die begünstigte Arbeitnehmerin die Voraussetzungen dafür in ihrer Person nicht erfüllt (– 4 AZR 556/83BAGE 52, 33). In beiden Fällen ging es um die Leistung eines tariflichen Anspruchs, dessen Voraussetzungen nicht erfüllt waren (keine Wechselschicht, kein Einsatz im Flugverkehrskontrolldienst). Die Leistungsgewährung im ersten Fall zielte jedoch auf eine Überschreitung des tariflichen Anspruchs der als Entgelt, d.h. als Gegenleistung für erbrachte Arbeit im Sinne des § 611 BGB, zu qualifizieren war. Demgegenüber war die Zahlung einer Erschwerniszulage, obwohl solche Erschwernisse weder bestehen noch eintreten konnten, ein Plus, welchem keine Leistungserbringung gegenüberstand. Nach diesem Unterscheidungsmaßstab ist die tariflich nicht ausgeschlossene Berücksichtigung von Zeitzuschlägen (s. § 9 Abs. 2 Satz 2, 2. Halbsatz RTV) bei der Bemessung einer Sonderzuwendung den Hauptpflichten und -rechten zuzurechnen, da auf die Erhöhung des leistungsabhängigen Entgelts und nicht auf die über ihre Zielsetzung hinausgehende Zubilligung einer Aufwandsausgleichszahlung gerichtet. Dies entspricht auch der Rechtsprechung des Vierten Senats, wonach die Vereinbarung einer übertariflichen Vergütung nicht unter § 4 Abs. 2 BAT als Nebenabrede zu subsumieren ist (Beschluss vom 09.09.1981 – 4 AZN 213/81BB 1982,739).

2.

Die dem Kläger noch zu leistende "Novemberzahlung" aus dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge des Zeitraum Oktober 2004 bis September 2005 beträgt 694,48 € brutto.

Soweit der Kläger 694,64 € brutto verlangt hat, ist sein Anspruch unbegründet. Der Kläger trägt die Darlegungs- und Beweislast für die zutreffende Höhe der ihm zu leistenden Novemberzahlung. Nach der von der Beklagten als Anlage BB 1 mit der Berufungserwiderung vorgelegten Tabelle (Bl. 233 d. A.) erhielt der Kläger in dem Zeitraum von Oktober 2004 bis September 2005 insgesamt Zeitzuschläge in einer Höhe von 8.333,79 € brutto und nicht wie von ihm angegeben in Höhe von 8.335,73 € brutto. Der Kläger hat mit dem Einspruch vom 23. Juli 2007 die Richtigkeit der von ihm vorgelegten Aufstellung nicht mehr geltend gemacht, wie gemäß § 138 Abs.2 ZPO geboten. Der Ermittlung des maßgeblichen Monatsdurchschnitts kann daher nur der Betrag von 8.333,79 € brutto zugrunde gelegt werden. Dies ergibt 694,48 € brutto als Monatsdurchschnitt..

3.

Der Anspruch ist nicht nach § 26 Abs. 2 RTV verfallen.

§ 26 Abs. 2 RTV lautet:

"Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen spätestens innerhalb einer Ausschlussfrist von 3 Monaten nach Entstehen des Anspruchs schriftlich geltend gemacht werden. Bei Ablehnung durch den Arbeitgeber müssen sie innerhalb einer weiteren Ausschlussfrist von drei Monaten nach Zugang der schriftlichen Ablehnung gerichtlich geltend gemacht werden."

Die "Novemberzahlung" ist bis 2003 zusammen mit dem tariflichen Weihnachtsgeld gemäß § 14 RTV bezahlt worden. Dieses ist nach § 17 Abs. 2 RTV mit der Novembervergütung fällig, nicht jedoch vor dem 30. November eines Jahres.

Die Beklagte hat die "Novemberzahlung" im November 2005 nicht erbracht. Der Kläger hat diese mit Schreiben vom 21. Dezember 2005 gefordert, was die Beklagte durch Schreiben vom 25. Januar 2006 ablehnte (Kopien als Anlagen 5 + 6 zur Klage, Bl. 6 f. d. A.). Der Kläger hat am 04. April 2006, innerhalb einer dreimonatigen Frist nach Ablehnung seines Anspruchs durch die Beklagte, rechtzeitig Klage erhoben.

Der Zinsanspruch des Klägers ist der Höhe nach gemäß § 288 Abs. 1 BGB gerechtfertigt. Da die Forderung mit Ablauf des 30. November 2005 fällig wurde, kann der Kläger nach § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB Zinsen zumindest seit dem 02. Dezember 2005 fordern.

II.

Der Kläger ist auch berechtigt, von der Beklagten die Zahlung einer mit dem Arbeitsentgelt für April 2006 fällig gewordenen Sondervergütung aus Dienstzeitzuschlägen ("Aprilzahlung") zu verlangen.

Soweit er jedoch diesen Anspruch auf die BV 14. Gehalt gestützt hat, ist das Versäumnisurteil von 04. Juli 2007 teilweise aufrechtzuerhalten und auch der mit dem Einspruch zusätzlich erhobene Hilfsantrag zurückzuweisen.

1.

Aus der rückwirkend zum 01. Juli 2005 in Kraft getretenen BV 14. Gehalt folgt nicht, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger ab 01. Januar 2005 eine monatliche Zulage zu zahlen, in deren Berechnung auch die im April 2005 aus dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für das Jahr 2004 gezahlte Leistung einzustellen ist.

Die BV 14. Gehalt löst die BV Nr. 20 vom 21. Dezember 2001 ab. Dies folgt aus § 3 Abs. 1 BV 14. Gehalt, der dazu regelt:

"Das derzeit bei der B (...) gezahlte 14. Gehalt wird ab dem 01.07.2005 als monatliche Zulage (Ausgleichszulage) den Beschäftigten gewährt, die einen Anspruch aus der Betriebsvereinbarung Nr. 20, (...) haben."

Durch die BV 14. Gehalt wird das bisher im April eines Folgejahres gezahlte 14. Gehalt, welches 100 Prozent der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 RTV ohne Sozialzulagen im Monat Dezember eines Geschäftsjahres betrug (so Ziffer 2 der BV Nr. 20) unter Berücksichtigung der Steigerung der tariflichen Vergütung nach dem AVE-Vergütungstarifvertrag zum 01. Juli 2005 eingefroren. Der sich danach ergebende Anspruch wird monatlich anteilig im jeweiligen Kalenderjahr gezahlt und nicht erst im April eines Folgejahres.

Das Arbeitsgericht Darmstadt hat zu Recht festgestellt, dass der Kläger nicht verlangen kann, dass die monatliche Zulage aus dem Wert berechnet wird, welcher sich aus der Addition des nach der BV Nr. 20 im April 2005 gezahlten 14. Gehalts und der weiter im April 2005 erhaltenen Leistung aus dem Monatsmittel der Zeitzuschläge des Jahres 2004 ergibt.

a)

Betriebsvereinbarungen sind wegen ihrer normativen Wirkung (§ 77 Abs. 4 Satz 1 BetrVG) wie Tarifverträge auszulegen. Auszugehen ist dementsprechend zunächst vom Wortlaut und dem durch ihn vermittelten Wortsinn. Darüber hinaus kommt es auf den Gesamtzusammenhang und die Systematik der Bestimmung an. Von besonderer Bedeutung sind ferner der Sinn und der Zweck der Regelung. Der tatsächliche Wille der Betriebspartner ist zu berücksichtigen, soweit er in dem Regelungswerk seinen Niederschlag gefunden hat. Im Zweifel gebührt derjenigen Auslegung der Vorzug, die zu einem sachgerechten, zweckorientierten, praktisch brauchbaren und gesetzeskonformen Verständnis der Regelung führt (BAG Urteil vom 26.09.2007 – 10 AZR 657/06NZA 2007, 1426 m. w. N.).

b)

Nach dem Wortlaut der Regelung in § 3 Abs. 2 BV 14. Gehalt scheint zunächst nahe zu liegen, dass der Kläger verlangen kann, dass seine Ausgleichszulage aus der letzten "Aprilzahlung" berechnet wird. Dort ist bestimmt:

"Die Höhe der Ausgleichszulage richtet sich nach der für das Jahr 2004 im April 2005 (Beschäftigte der ehemaligen A Versorgungs-AG) (...) gezahlten Zuwendung."

Zu berücksichtigen ist aber, dass die Leistung eines 14. Gehaltes aus Dienstzeitzuschlägen, die "Aprilzahlung", nicht in der BV Nr. 20 geregelt war. Diese bestimmte zweifelsfrei:

"2. Die Sonderzuwendung beträgt hundert Prozent der laufenden Arbeitsbezüge gemäß § 9 Abs. 2 Rahmentarifvertrag ohne Sozialzulagen im Monat Dezember des Geschäftsjahres, für das die Sonderzuwendung gewährt wird. Sie wird mit der Aprilvergütung des folgenden Jahres ausgezahlt."

Die Regelung unter § 3 Abs. 2 der BV 14. Gehalt ist deshalb so zu verstehen, dass sie gedanklich um die (folgend unterstrichenen) Worte " aus der BV Nr. 20 gezahlten Zuwendung" zu ergänzen ist.

Die Systematik der Betriebsvereinbarung wie der aus ihr zu erkennenden Sinn und Zweck der Regelung sprechen gegen die vom Kläger vorgenommene Auslegung. Das die Betriebspartner den Willen gehabt hätten, eine bisher nicht durch Betriebsvereinbarung geregelte Leistung nunmehr durch eine solche zu erfassen, hat auch über den unmittelbaren Wortlaut des Abs. 2 des § 3 BV 14. Gehalt hinaus keinen Niederschlag gefunden. Die Bestimmung kann deshalb nicht so ausgelegt werden, dass in die Berechnung der Ausgleichszulage auch die Aprilzahlung 2005 aus Dienstzeitzuschlägen einfließt. Die BV 14. Gehalt löst die Betriebsvereinbarung Nr. 20 ab. Sinn ist die Umwandlung einer jährlichen in eine monatliche Zahlungsweise bei gleichzeitigem Einfrieren des Anspruchs. Es ist nicht vorstellbar, dass durch die Betriebsvereinbarung weitergehende Ansprüche der Arbeitnehmer geregelt werden sollten, die bisher nicht Gegenstand einer solchen Regelung waren. Dies wird durch die Ablösungsregel in § 3 Abs. 1 BV 14. Gehalt bestätigt, die ausdrücklich auf den Anspruch der Arbeitnehmer aus der BV Nr. 20 bzw. -einer hier nicht erheblichen – Betriebsvereinbarung Nr. 21 Bezug nimmt. Schließlich kann nicht unterstellt werden, dass das in Abs. 1 angeführte 14. Gehalt für die Arbeitnehmer der Beklagten anders berechnet sollte als für die Arbeitnehmer der im übrigen angeführten Unternehmen C Vertrieb, C Services und der D.

2.

Die Beklagte ist jedoch zur Leistung einer "Aprilzahlung" aus dem Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge für das Jahr 2006 verpflichtet. Der Anspruch besteht ebenfalls aus betrieblicher Übung. Die dem Kläger mit der Aprilvergütung 2006 für das Vorjahr zustehende Anspruch beträgt allerdings nur 693,51 € brutto. Im Übrigen ist der vom Kläger geltend gemachte Anspruch nicht begründet.

a)

Die Voraussetzungen einer betrieblichen Übung für die "Aprilzahlung" sind ebenso wie bei der "Novemberzahlung" erfüllt.

Die Beklagte hat nach den eingereichten Abrechnungen seit April 1993 bis April 1998 insgesamt sechs Mal neben der "Sonderzuwendung" auch eine "Sonderz. aus D-Zuschlägen" ausgewiesen (vgl. Kopien der jeweiligen Abrechnungen für den Monat April von 1994 bis 1998 als Teil des Anlagekonvoluts zum Schriftsatz vom 04.09.2006, Bl. 42 bis 91 d. A.). Ein Vorbehalt ist nicht erfolgt. Damit sind die Voraussetzungen erfüllt. Insoweit kann auf die Ausführungen zur Novemberzahlung unter l. 1. b) aa) verwiesen werden.

b)

Auch die Vereinbarung der "Aprilzahlung" aus Dienstzeitzuschlägen ist nicht als Nebenabrede im Sinne des § 2 Abs. 2 RTV zu qualifizieren. Die bis 30. Juni 1998 geltende tarifliche Schriftformregelung hat nicht gemäß § 126 BGB die Entstehung der betrieblichen Übung verhindert.

Die "Aprilzahlung" ist eine Leistung, welche über einen in einer Betriebsvereinbarung geregelten Anspruch hinausgeht. Auch diese Leistung zählt zum Entgelt im Sinne des § 611 BGB und leitet so seinen Charakter von dem Anspruch ab, der bewusst überschritten wurde.

Das in der BV Nr. 20 geregelte 14. Gehalt war eine Sondervergütung mit überwiegendem Entgeltcharakter. Dies wird aus der Bestimmung zur Zeit anteiligen Berechnung für befristet Beschäftigte (Abs. 4) und der Verrechnung mit einer möglichen Gewinnbeteiligung (Abs. 5) deutlich.

Wegen der von der Beklagten für eine Bewertung der Aprilzahlung angeführten Argumente der teilweisen Steuerfreiheit von Zeitzuschlägen kann auf die bei der "Novemberzahlung" erörterten Argumente Bezug genommen werden. Auch die "Aprilzahlung" ist der Höhe nach von den tatsächlich erbrachten Nacht-, Sonntags- und Feiertagsstunden abhängig. Der kollektivrechtliche Anspruch ist erhöht worden, um auch ein höheres Arbeitsentgelt zu erreichen. Die Zubilligung einer Sozial- oder Ausgleichsleistung, auf die die Beschäftigten im vollkontinuierlichen Wechselschichtbetrieb keinen Anspruch hatten, war nicht die Zielsetzung.

3.

Dem mit dem Einspruch als Antrag zu 3) bezifferten Leistungsantrag war nur in Höhe von 693,51 € brutto nebst Zinsen stattzugeben. Der auf monatliche künftige Leistungen gerichtete Antrag zu 4) sowie der mit dem Einspruch erhobenen Hilfsantrag waren zurückzuweisen.

a)

Der Anspruch des Klägers auf eine "Aprilzahlung" besteht aufgrund betrieblicher Übungen und hat seine Grundlagen nicht in der BV 14. Gehalt. Die Beklagte ist daher nicht zur Erhöhung der von ihr rückwirkend ab 01. Januar 2005 erbrachten monatlichen Ausgleichszahlungen aufgrund dieser Betriebsvereinbarung verpflichtet. Ein Anspruch auf künftige monatliche Zusatzleistungen nach § 259 ZPO besteht nicht. Dies führt zur Zurückweisung des Antrags zu 4).

b)

Der Kläger hat behauptet, im Jahre 2005 insgesamt Zeitzuschläge in Höhe von 8.465,25 € brutto erhalten zu haben. Die Beklagte hingegen hat die Gesamthöhe der Zeitzuschläge nach der mit der Berufungserwiderung vorgelegten Tabelle (Bl. 233 d. A.) mit insgesamt nur 8.322,07 € brutto beziffert. Da der Kläger dieser Darlegung nicht entgegengetreten ist, kann nur der von der Beklagten unstreitig gestellte Gesamtbetrag an Dienstzeitzuschlägen der Berechnung zugrunde gelegt werden. Der sich daraus ergebende Monatsdurchschnittsbetrag macht 693,51 € brutto aus. In dieser Höhe ist der Anspruch begründet. Die Ausschlussfrist nach § 26 Abs. 2 RTV ist gewahrt.

Der Kläger hat mit der am 04. Juli 2006 bei dem Arbeitsgericht Darmstadt eingereichten Klageschrift 946,20 € brutto verlangt (damaliger Klageantrag zu 1)). Dies genügt, soweit er damit Leistungen für das Jahr 2005 forderte, also in Höhe von 12 x 63,08 € brutto. Der sich daraus ergebende Betrag von 756,96 € brutto übersteigt die von der Beklagten zu erbringende Leistung von 693,51 € brutto.

Dem liegt folgende Überlegung zugrunde:

aa)

Zur Wahrung einer Ausschlussfrist ist ein Anspruch (mündlich, schriftlich, durch Klageerhebung) geltend zu machen. Eine Geltendmachung erfordert keine Substantiierung, sondern nur eine Spezifizierung des Anspruchs, welche der Gegenseite eine Prüfung der gegen sie erhobenen Forderung erlaubt (BAG Urteil vom 11.12.2003 – 6 AZR 539/02BAGE 109, 100 m. w. N.).

Der Kläger hat mit der Klage die Berücksichtigung der Dienstzeitzuschläge bei der Bemessung seines Anspruchs auf eine höhere monatliche Ausgleichszulage gefordert, die ab 2005 rückwirkend an die Stelle des durch die BV Nr. 20 geregelten 14. Gehalts getreten war. Dies ist ausreichend. Der Kläger hat mit Ankündigung dieses Antrags seinen Standpunkt verfolgt, dass der Monatsdurchschnitt der Zeitzuschläge weiter gezahlt werden muss. Der Eingangssatz der Darstellung der rechtlichen Argumente unter Punkt ll. in der Klageschrift lautet: "Der Kläger hat sowohl Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes wie der Sonderzuwendung in der Höhe, die sich einschließlich der Dienstzeitzuschläge errechnet" (S. 3 der Klageschrift, Bl. 3 d. A.).

Dass der Kläger die rechtliche Beurteilung vorgenommen hatte, Anspruchsgrundlage für die Berücksichtigung der Zeitzuschläge bei dem bisherigen 14. Gehalt sei die neue BV 14. Gehalt und deshalb ab 01. Februar 2005 fällige monatliche Zahlungen verlangte, ist unschädlich. Zur Wahrung einer Ausschlussfrist ist die Darlegung des Lebenssachverhalts, aus dem sich der streitige Anspruch ergibt, notwendig und auch ausreichend, nicht die rechtlich zutreffend Benennung der Anspruchsgrundlage. Ein Anspruch ist spezifiziert, wenn er von anderen möglichen Ansprüchen unterschieden werden kann und das tatsächliche Vorbringen die Subsumtion unter eine Anspruchsgrundlage gestattet (BAG Urteil vom 22.06.2005 – 10 AZR 459/04ZTR 2006, 140). Besteht ein Streit der Parteien bereits darüber, ob überhaupt eine Anspruchsgrundlage für die geforderte Leistung besteht, kommt es auf die Erkennbarkeit des Anspruchs durch den ihm zugrunde liegenden Sachverhalt an.

Durch die mit der Anspruchsschrift vom 23. Juli 2005 mit einem Hilfsantrag (Antrag zu 5) geforderte Zahlung der Sondervergütung aus Dienstzeitzuschlägen für 2005 mit der Vergütung für 2006 der Kläger den dem streitigen Anspruch zugrunde liegenden Sachverhalt nicht ausgetauscht. Der Streitgegenstand der die "Aprilzahlung" betreffenden Haupt- und Hilfsanträge ist identisch (s. unten). Die hilfsweise vorgenommene rechtliche Bewertung führt nur zu einer anderen Fälligkeit und Zahlungsweise.

bb)

Die Klageerhebung vom 04. April 2006 war auch im Übrigen ausreichend. Es ist unschädlich, dass der Anspruch des Klägers bei seiner klageweisen Geltendmachung noch nicht fällig war. § 26 Abs. 2 RTV knüpft an das Entstehen des Anspruchs und ein nicht an dessen Fälligkeit an. Die Voraussetzungen des auf betrieblicher Übung beruhenden Anspruchs auf eine "Aprilzahlung" bestimmen sich – soweit nicht die Anspruchshöhe betroffen ist – nach den Regelungen der abgelösten BV Nr. 20, da diese Leistung immer gleichzeitig als Erhöhung des Anspruchs aus der Betriebsvereinbarung erbracht wurde. Danach müssten alle Zeitzuschläge des abgeschlossenen Jahres angefallen sein. Dies tritt mit Jahresablauf ein. Weiter muss der begünstigte Arbeitnehmer am Tage der Auszahlung der Aprilvergütung des Folgejahres noch in einem ungekündigten Arbeitsverhältnis stehen. Insoweit fallen Entstehung und Fälligkeit des Anspruchs zusammen.

Nach dem übereinstimmenden Vortrag der Parteien ist der Beklagte jeweils am 28. eines laufenden Monats zur Leistung der Vergütung verpflichtet. Fälligkeit trat daher erst am 28. April 2006 ein.

Der Kläger hat sein Begehren in der am 05. Mai 2006 durchgeführten Güteverhandlung bestätigt und den Rechtsstreit danach fortgeführt. Es wäre eine unnötige Förmelei, vom Kläger eine Klageerhebung erst nach dem 28. April 2006 zu verlangen, da die Beklagte bereits mit Schreiben vom 25. Juni 2006 (Kopie s. Anlage 6 zur Klage, Bl. 7 d. A.) den Anspruch aus betrieblicher Übung ausdrücklich abgelehnt hatte.

cc)

Die Geltendmachung durch Klageerhebung und Fortführung des Rechtsstreits nach dem 28. April 2006 ist für den Teilbetrag erfolgt, den der Kläger tatsächlich für das Jahr 2005 gefordert hat.

Aus der Klagebegründung ergibt sich, dass der Kläger für das Jahr 2005 insgesamt 756,96 € brutto, dies sind 12 x 63,08 € brutto geltend gemacht hat. Soweit die Klageforderung diesen Betrag um 189,24 € brutto (3 x 63,08 € brutto) überschreitet, sind dies Leistungen, die dem Kläger nach seiner Auffassung schon anteilig für 2006 zustanden. Dieser Unterschied ergibt sich daraus, dass die "Aprilzahlung" jeweils für ein abgeschlossenes Jahr mit der Aprilvergütung des Folgejahres zu zahlen ist, wie früher die Leistungen nach der BV Nr. 20, während ein (rechtsirrig) auf die BV 14. Gehalt gestützter Anspruch im laufenden Jahr in monatlichen Teilbeträgen und nicht nachschüssig zu erbringen ist.

c)

Die Höhe der dem Kläger zustehenden Zinsen ergibt sich § 288 Abs. 1 BGB. Nach der im Betrieb des Beklagten unstreitig geltenden Fälligkeit von Vergütungsansprüchen zum 28. eines laufenden Monats war die Beklagte ab dem 29. April 2007 gemäß § 286 Abs. 2 Nr. 1 BGB in Verzug. Der weitergehende Zinsanspruch des Klägers, welcher von einer monatlichen Fälligkeit im laufenden Jahr ausgeht, ist nicht begründet.

4.

Der als Antragserweiterung erhobene Hilfsantrag zu 5) ist unbegründet.

Über diesen Antrag war zu entscheiden, da der Kläger auf seinen Einspruch mit den Anträgen zu 3) und 4) nicht in vollem Umfange obsiegt hat. Der Antrag ist zurückzuweisen, da zwischen den Anträgen zu 3) und 4) einerseits und dem Hilfsantrag zu 5) andererseits eine Identität des Streitgegenstandes vorliegt. Hauptanträge einerseits und Hilfsantrag andererseits unterscheiden sich hinsichtlich des anspruchsbegründenden Lebenssachverhalts nicht, nur durch ihre rechtliche Bewertung. Soweit und in der Höhe in der ein Anspruch des Klägers auf eine Aprilzahlung im April 2006 für das Jahr 2005 besteht, ist seinem Anspruch durch die teilweise Abänderung des Versäumnisurteils bereits stattgegeben.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 92 Abs. 1, 344, 539 Abs. 3 ZPO. Die in der Einspruchsschrift als Anträge zu 3 und 4 benannten Anträge waren gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 2. Halbsatz GKG insgesamt mit dem dreifachen Jahresbetrag zu bewerten. Der vor Antragstellung reduzierte Hilfsantrag wirkte nach § 85 Abs. 1 Satz 3 GKG nicht werterhöhend, so dass der Kostenentscheidung die erste und zweite Instanz derselbe Gebührenwert zugrunde zu legen war.

Die Revision ist nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zuzulassen. Von der Frage, ob die auf betriebliche Übung gestützten Ansprüche als Nebenabreden im Tarifsinne zu qualifizieren sind, sind nicht nur bei der Beklagten Beschäftigten, sondern auch in anderen Unternehmen des Konzerns tätige Arbeitnehmer betroffen.