AG Bensheim, Beschluss vom 04.12.2007 - 52 Ds 130 Js 19869/05
Fundstelle
openJur 2012, 29335
  • Rkr:
Tenor

wird auf Erinnerung von Rechtsanwalt ... der Kostenfeststellungsbeschluss vom 17.09.07 aufgehoben.

Die Sache wird dem Rechtspfleger zur Neubescheidung zurückgegeben.

Gründe

Die Erinnerung ist begründet.

Der Bezirksrevisorin war es versagt die vom Erinnerungsführer errechnete Terminsgebühr zu korrigieren. Das ist nur bei einer im Sinne des § 14 I 1 RVG unbilligen Gebührenberechnung durch den Rechtsanwalt möglich. Dies kann hier allerdings nicht bejaht werden. Davon kann nur bei einer 20 %igen Überschreitung des zulässigen Gebührenrahmens durch den Rechtsanwalt ausgegangen werden. Die vom Erinnerungsführer errechnete Gebühr war aber billig. Sie ist nämlich auch dann noch als billig anzusehen, wenn sie an den oberen Rand des durch die Umstände bestimmten Rahmens geht (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/Müller-Rabe, RVG, § 14 Rn 9). Die Voraussetzungen für die Erhebung der durchschnittlichen Terminsgebühr von 230,– Euro gemäß VV 4108 Anlage 1 RVG sind erfüllt.

Die Bedeutung des Falles war überdurchschnittlich. Der Angeklagten drohte nicht nur Geldstrafe von mindestens 50 Tagessätzen, sondern darüber hinaus noch ein Fahrverbot gemäß § 44 StGB von mindestens einem Monat (in der Regel sogar drei Monaten). Gerade auch im Hinblick auf einen eventuellen zivilrechtlichen Prozess auf Grund des Schadens am PKW des Geschädigten, der eventuell von der Angeklagten hätte verursacht worden sein können, hat der Fall eine erhöhte Bedeutung (Gerold/Schmidt/von Eicken/ Madert/Müller-Rabe, RVG, § 14 Rn 89). Zwar ist der Zivilrichter nicht an das Urteil gebunden, wird sich aber sicherlich gründlich damit auseinandersetzen.

Die Länge der Verhandlung ist entgegen der Bezirksrevisorin nicht als deutlich unterdurchschnittlich anzusehen. Die angegebene durchschnittliche Verhandlungsdauer ist zu hoch angesetzt worden. Bei einem Amtsrichter ist eine Hauptverhandlungsdauer von einer Stunde keinesfalls als unterdurchschnittlich anzusehen (Gerold/Schmidt/von Eicken/Madert/ Müller-Rabe, RVG, § 14 Rn 41). Der Erinnerungsführer war hier jedoch annähernd so lange beschäftigt. Die Verhandlung dauerte 25 Minuten zuzüglich 10 Minuten Wartezeit, die in jedem Fall berücksichtigt werden müssen. Hinzu kamen noch 10 bis 15 Minuten aus Vorgesprächen zwischen dem Vorsitzenden, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und dem Erinnerungsführer als Verteidiger. Dies kann im Verhältnis zur durchschnittlichen Hauptverhandlungsdauer am Amtsgericht nur als minimal unterdurchschnittlich gewertet werden und deswegen nicht ins Gewicht fallen.

Im Übrigen kann dem Erinnerungsführer die zügige Verhandlungsführung des Vorsitzenden nicht zur Last gelegt werden. Es wäre geradezu widersinnig einen Verteidiger auch noch für eine langsame Verhandlungsführung durch den Vorsitzenden zu "belohnen". Dem Verteidiger darf gerade kein Vorteil dadurch entstehen, dass er eine Verhandlung bewusst in die Länge zieht beziehungsweise eine langsame Verhandlungsführung des Vorsitzenden noch durch dies begünstigendes Verhalten unterstützt.

Die Schwierigkeit des Falls muss ebenfalls als durchschnittlich eingestuft werden. Auf Grund der Aussageverweigerung der Angeklagten musste vor allem die Belastungszeugin genauestens vernommen werden. Zwischen dem Vorsitzenden, dem Vertreter der Staatsanwaltschaft und dem Erinnerungsführer als Verteidiger der Angeklagten kam es danach noch zu kontrovers geführten Diskussionen über das rechtliche Problem wie der Fall letztlich zu lösen sei. Hierbei wurden sehr unterschiedliche Auffassungen vertreten. Zumal die Staatsanwaltschaft auf eine Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO drängte.

Eine andere Bewertung ist auch nicht dadurch gerechtfertigt, dass letztlich der Vertreter der Staatsanwaltschaft Freispruch beantragte und der Erinnerungsführer sich diesem anschloss (LG Osnabrück AnwBl 84, 263). Die Aufklärung des Sachverhalts durch die Zeugin beruhte eben auch auf der Tätigkeit des Erinnerungsführers. Außerdem musste er hier im Plädoyer gerade Ausführungen zum Freispruch machen, da der Vertreter der Staatsanwaltschaft (zulässigerweise) nur Freispruch beantragte ohne größere Ausführungen dazu zu machen.

Einzig und allein die wirtschaftlichen Verhältnisse der Angeklagten sind mit einem Einkommen von durchschnittlich 900,– Euro als unterdurchschnittlich anzusehen. Dies allein genügt jedoch nicht, um in der Gesamtbewertung von einer unterdurchschnittlichen Terminsgebühr für den Erinnerungsführer auszugehen.

Des Weiteren war hier nach § 14 I 2+3 RVG ein besonderes Haftungsrisiko für den Erinnerungsführer positiv zu berücksichtigen. Er hat dem Einstellungsvorschlag der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gerade nicht zugestimmt und stattdessen weiter auf einen Freispruch hingewirkt. Hätte er sich hier geirrt und wäre es entgegen seiner Vorstellung zu einer Verurteilung gekommen, hätte der Erinnerungsführer in jedem Fall haften müssen.

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