VG Gießen, Beschluss vom 07.05.2007 - 10 E 13/07
Fundstelle
openJur 2012, 28624
  • Rkr:
Tenor

I. Das Verfahren wird entsprechend § 94 VwGO bis zurEntscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaft überdie Vorlage (Ziffer II) ausgesetzt.

II. Gem. Art. 234 Abs. 1a EGV werden dem Gerichtshof derEuropäischen Gemeinschaft folgende Fragen zur Vorabentscheidungvorgelegt:

1. Sind die Art. 43 und 49 EGV dahingehend auszulegen, dass sieeinem innerstaatlichen Monopol auf bestimmte Glücksspiele wie z.B.Sportwetten entgegenstehen, wenn es in dem betreffendenMitgliedstaat insgesamt an einer kohärenten und systematischenPolitik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, insbesondere weildie innerstaatlich konzessionierten Veranstalter zur Teilnahme ananderen Glücksspielen - wie staatlichen Lotterien und Kasinospielen- ermuntern, und ferner andere Spiele mit gleichem oder höheremmutmaßlichen Suchtgefährdungspotential - wie Wetten auf bestimmteSportereignisse (wie Pferderennen) und Automatenspiel - vonprivaten Dienstleistungsanbietern erbracht werden dürfen?

2. Sind Art. 43 und 49 EGV dahingehend auszulegen, dass durchdafür berufene staatliche Stellen der Mitgliedstaaten ausgestellteGenehmigungen der Veranstaltung von Sportwetten, die nicht auf dasjeweilige Staatsgebiet beschränkt sind, den Inhaber der Genehmigungwie auch von ihm beauftragte Dritte berechtigen, auch im Bereichder anderen Mitgliedstaaten ohne zusätzlich erforderliche nationaleGenehmigungen die jeweiligen Angebote zum Abschluss von Verträgenanzubieten und durchzuführen?

Gründe

I.

Der Kläger begehrt die Aufhebung einer Ordnungsverfügung, die ihm die Vermittlung von Sportwetten untersagt.

Der Kläger vermittelt in seinem im Wetteraukreis gelegenen Geschäftslokal - neben dem Verkauf von Tabakwaren und anderen Artikeln - Sportwetten an den Veranstalter E in H, Österreich. Das Amt der Kärtner Landesregierung erließ auf Antrag am 27. Januar 2005 einen Bescheid, mit dem der E. die Bewilligung zum gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen und zur gewerbsmäßigen Vermittlung solcher Wetten für den Standort H. für die Dauer von drei Jahren erteilt wurde.

Der Kläger bietet in seinem öffentlich zugänglichen Geschäftslokal den Kunden über Bildschirme die Übertragung von Sportereignissen und über Internetverbindungen die Feststellung von Quoten der E.  für Sportveranstaltungen an und nimmt Sportwettangebote der Kunden im Auftrag des österreichischen Veranstalters an. Der Kläger nimmt auch den Spieleinsatz in Geld entgegen und zahlt entstandene Gewinne an die Kunden aus. Für seine Tätigkeit erhält er von dem Veranstalter eine am Umsatz orientierte Provision. Das Gewerbe meldete der Kläger am 9. November 2004 ordnungsgemäß bei der Kommune an.

Die Ordnungsbehörde des Wetteraukreises (Beklagter) erachtete diese Tätigkeit als verboten und teilte dem Kläger am 31. Mai 2006 mit, sie beabsichtige, die Vermittlung von Sportwetten zu untersagen und es bestehe Gelegenheit zur Stellungnahme. Der Kläger ließ über seinen Bevollmächtigten mitteilen, seine Tätigkeit sei nicht verboten, da sein Geschäftspartner über eine österreichische Konzession verfüge. Diese müsse in Deutschland nach dem Recht der Europäischen Gemeinschaft Anerkennung finden.

Am 18. August 2006 erließ der Beklagte eine Verbotsverfügung, mit der er dem Kläger untersagte, in seinem Geschäftslokal Sportwetten oder andere Glücksspiele mit anderen Veranstaltern als der Hessischen Lotterieverwaltung abzuschließen, die Einrichtungen dafür bereitzustellen oder für entsprechende Angebote zu werben. Der Betrieb des Wettbüros sei innerhalb einer Frist von sieben Tagen einzustellen.

Zur Begründung führte der Beklagte an, die konkrete Gewerbetätigkeit der Vermittlung von Sportwetten sei aufgrund der nationalen Gesetze verboten, da weder der Veranstalter noch der Kläger eine die Tätigkeit gestattende Genehmigung des Landes Hessen besäßen. Europäisches Recht stehe diesem Erfordernis der Erteilung einer Genehmigung nicht entgegen. Die Europäischen Verträge ließen es den Mitgliedstaaten nämlich unbenommen, Glücksspiele von einer nationalen Konzession abhängig zu machen, wenn dies zum Zwecke des Schutzes der Bevölkerung vor den Gefahren der Spielsucht erforderlich sei. Sportwetten zählten zu den Glücksspielen. Weder der Kläger noch die E. hätten vor Aufnahme der konkreten Vermittlungstätigkeit in Hessen bei ihm oder dem Hessischen Ministerium des Innern und für Sport eine Erlaubnis beantragt oder über einen gerichtlichen Antrag oder eine Klage eine Klärung ihres behaupteten Rechts herbeigeführt.

Des Weiteren ordnete der Beklagte den Sofortvollzug der Ordnungsverfügung an und drohte dem Kläger für den Fall der Zuwiderhandlung und nicht fristgerechten Einstellung des Betriebes ein Zwangsgeld in Höhe von 10.000,00 Euro an.

Mit Widerspruch vom 22. August 2006 wandte sich der Kläger gegen die Verfügung und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die von ihm betriebene Vermittlung von Sportwetten an den Veranstalter sei nach europäischem Recht zulässig und die Verbotsverfügung somit rechtswidrig.

Gleichzeitig beantragte der Kläger die Gewährung von Eilrechtsschutz gegen die Anordnung des Sofortvollzugs bei dem Verwaltungsgericht Gießen. Mit Beschluss vom 12. Oktober 2006 stellte das Gericht die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Klägers wieder her bzw. ordnete sie an. Zur Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf die vom Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 28. März 2006 festgestellten Verstöße des nationalen (bayerischen) Rechts gegen Grundrechte sowie die unter Berücksichtigung des Rechts der Europäischen Gemeinschaft gegebenen erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Verfügung und sah nach einer umfassenden Abwägung der öffentlichen Interessen mit dem Interesse des Betroffenen die Eilbedürftigkeit der Durchsetzung der Verfügung als nicht gegeben an (Az. 10 G 2062/06). Auf die Beschwerde des Beklagten hin hob der Hessische Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 22. Januar 2007 den Beschluss des erkennenden Gerichts auf und lehnte den Antrag des Klägers ab (Az. 2 TG 2615/06). Hierbei stellte der Hessische Verwaltungsgerichtshof darauf ab, die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts ließen die Geltung der als verfassungswidrig erkannten nationalen Normen bis zum 31. Dezember 2007 zu. Auch seien aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Veränderungen in den Verkaufs- und Werbepraktiken von Lotto - Hessen keine Verstöße gegen europäisches Recht mehr festzustellen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 8. Dezember 2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen die Verfügung vom 18. August 2006 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Verbotsverfügung basiere auf der Rechtsprechung des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs in vergleichbaren Fällen, nach der ein Verbot der Vermittlung von Sportwetten auch in der genannten Übergangsfrist zulässig und sachgerecht sei. Das öffentliche Interesse am Sofortvollzug der Maßnahme sei ebenfalls zu bejahen.

Am 3. Januar 2007 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung verweist er auf die europäische Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit, die es ihm ermöglichen müsse, die von dem Veranstalter aus Österreich angebotenen Sportwetten auch in Deutschland zu vermitteln. Der Veranstalter habe eine gültige staatliche österreichische Konzession und dürfe die Wetten selbst oder durch Vermittlung des Klägers in Deutschland anbieten.

Der Kläger beantragt,

die vom 18. August 2006 datierende Ordnungsverfügung des Beklagten in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2006 aufzuheben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er tritt der Klage unter Hinweis auf die Änderungen im Modus des Anbietens und der Werbung für Sportwetten in Hessen und die damit einhergehende Rechtmäßigkeit der Weitergeltung des Verbots entgegen.

II.

Die Rechtslage stellt sich für die Kammer nach Durchführung der mündlichen Verhandlung wie folgt dar:

1. Nach § 11 Hessisches Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung vom 14. Januar 2005 (GVBl. I S. 14; - HSOG -) können die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden die erforderlichen Maßnahmen treffen, um eine im einzelnen Fall bestehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwehren. Dazu gehört auch die Verhütung von Straftaten und Ordnungswidrigkeiten. Von einer Gefahr bzw. einem Verstoß gegen die öffentliche Sicherheit ist unter anderem dann auszugehen, wenn die Verletzung von (nationalen) Rechtsnormen zu befürchten ist.

Der Beklagte geht von einer Verletzung nationaler Gesetze bei der gewerbsmäßigen Vermittlung von Sportwetten aus. Durch die Werbung, das Vorhalten von entsprechenden Geräten, die Entgegennahme von Spielangeboten und die weiteren im Zusammenhang mit den angebotenen Sportwetten notwendigen Handlungen verstoße der Kläger gegen § 284 Strafgesetzbuch (StGB) und § 5 Abs. 1 Gesetz über staatliche Sportwetten, Zahlenlotterien und Zusatzlotterien in Hessen vom 3. November 1998 (GVBl. I S. 406, im Weiteren: Sportwettengesetz). Nach § 284 StGB ist es in Deutschland verboten, ohne behördliche Erlaubnis öffentlich ein Glücksspiel zu veranstalten oder zu halten oder die Einrichtungen hierfür bereitzustellen. Der Beklagte nimmt an, bei Sportwetten handele es sich um Glücksspiele und der Kläger sei nicht in Besitz einer behördlichen Erlaubnis. Deshalb begehe er beim Betrieb der Vermittlung von Sportwetten eine Straftat, was zu verhindern die Aufgabe der Ordnungsverfügung sei.

Die insoweit maßgebenden Normen des Sportwettengesetzes lauten:

§ 1

(1) Das Land Hessen ist allein befugt, innerhalb seines Staatsgebietes Sportwetten zu veranstalten. Sportwetten sind Wettbewerbe mit Voraussagen zum Ausgang sportlicher Ereignisse. Satz 1 gilt nicht für Wetten aus Anlaß von öffentlichen Pferderennen und anderen öffentlichen Leistungsprüfungen für Pferde, soweit sie durch einen hierfür zugelassenen Renn- oder Pferdezuchtverein durchgeführt oder durch Buchmacher abgeschlossen oder vermittelt werden.(2) Das Land Hessen veranstaltet Zahlenlotterien (Zahlenlotto).(3) Das Land Hessen kann zu allen von ihm veranstalteten Sportwetten und Lotterien Zusatzlotterien veranstalten. Gleiches gilt bei Sportwetten und Lotterien, deren Veranstalter ein Dritter im Sinne des Abs. 4 ist.(4) Mit der Durchführung der vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien kann eine juristische Person des Privatrechts beauftragt werden.(5) Die vom Land Hessen veranstalteten Sportwetten und Lotterien dürfen nur in den von ihm zugelassenen Annahmestellen gewerbsmäßig vermittelt werden.

§ 5(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe wird, soweit die Tat nicht nach § 287 des Strafgesetzbuches mit Strafe bedroht ist, bestraft, wer in Hessen ohne Genehmigung des Landes für eine Sportwette oder Zahlenlotterie1. wirbt,2. zum Abschluß oder zur Vermittlung von Spielverträgen auffordert oder sich erbietet,3. Angebote zum Abschluß oder zur Vermittlung von Spielverträgen entgegennimmt.(2) Die Strafvorschrift des Abs. 1 Nr. 1 gilt nicht für grenzüberschreitende Werbung von Sportwetten- und Zahlenlotterie-Veranstaltern anderer Länder der Bundesrepublik Deutschland im Rundfunk, Fernsehen und Internet, sofern die Gegenseitigkeit verbürgt ist.(3) Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Abs. 1 bezieht, können eingezogen werden.

2. Die Schlussfolgerung zum Vorliegen einer Gefahr teilt das Gericht nicht:

a) Bereits die hier einschlägige Rechtslage in der Bundesrepublik Deutschland und in Hessen widerspricht zwar dem Grundgesetz, nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts können die Rechtsnormen jedoch übergangsweise weiter angewendet werden.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seiner Entscheidung vom 28. März 2006 (- 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276 = NJW 2006, 1261) festgestellt, dass die dort angegriffene bayerische Regelung vor dem Hintergrund des § 284 StGB nicht den Anforderungen des Grundgesetzes an einen verhältnismäßigen Eingriff in die durch Art. 12 Abs. 1 Grundgesetz geschützte Berufsfreiheit entspricht. Jedoch hat das Bundesverfassungsgericht das staatliche Sportwettmonopol nicht für nichtig erklärt, sondern eine Übergangsfrist bis zum 31. Dezember 2007 bestimmt, in der die bisherige Rechtslage Anwendung finden könne, wobei der betroffene staatliche Sportwettveranstalter unverzüglich ein Mindestmaß an Konsistenz zwischen dem Ziel der Begrenzung der Wettleidenschaft und der Bekämpfung der Wettsucht einerseits und der tatsächlichen Ausübung seines Monopols andererseits herzustellen habe. Die gleichen beanstandeten Regelungen finden sich auch im Sportwettengesetz des Landes Hessen, so dass davon ausgegangen werden muss, dass auch diese Normen trotz ihrer Verfassungswidrigkeit zunächst weiter anzuwenden sind. Damit wäre für das nationale Recht von einer strafrechtlich relevanten Handlung des Klägers (weiter) auszugehen.

b) Die Verwirklichung des Tatbestandes des § 284 StGB durch den Kläger ist insoweit zu bejahen, als der Beklagte annimmt, bei den konkret angebotenen Sportwetten handele es sich um Glücksspiel. Ein Glücksspiel liegt vor, wenn nicht Fähigkeiten, Kenntnisse oder Aufmerksamkeit des Spielers, sondern im Wesentlichen der Zufall über Gewinn und Verlust des Einsatzes entscheidet. Dazu sind Wetten auf das Ergebnis von Sportereignissen zu rechnen. Hierzu verweist die Kammer auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 28.03.2001 - 6 C 2.01 -, BVerwGE 114, 92, und vom 21.06.2006 - 6 C 19.06 -, BVerwGE 126, 149).

c) Zweifelhaft ist jedoch, ob das (negative) Tatbestandsmerkmal der fehlenden staatlichen Erlaubnis in § 284 StGB und in § 5 Abs. 1 Sportwettengesetz zu bejahen ist. Zwar verfügen weder der Kläger noch die E. über eine Zulassung als Wettunternehmer oder Vermittler durch dafür zuständige Behörden in Deutschland oder in Hessen. Dies ist jedoch unschädlich, da die Erteilung einer Erlaubnis dem Kläger wie der E. in Hessen bereits zu Unrecht dem Grunde nach verwehrt ist, wie § 1 Abs. 1 Satz 1 Sportwettengesetz für den Veranstalter zeigt.

Das Land gibt vielmehr in § 1 Abs. 1 Sportwettengesetz ein Monopol vor, das auch entsprechend umgesetzt wurde. Träger der Sportwette "ODDSET-Kombi-Wette" ist danach das Land Hessen, wobei diese Staatslotterie von der Hessischen Lotterieverwaltung im Namen des Landes Hessen veranstaltet und betrieben wird. Die technische Durchführung ist indes der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen übertragen.

Gleiches ergibt sich für den Vermittler eines Veranstalters außerhalb Hessens zwar nicht unmittelbar aus dem Sportwettengesetz, jedoch aus der Rechtsansicht des für Fragen der Erlaubnis zuständigen hessischen Ministeriums des Innern und für Sport und der auf dieser Ansicht beruhenden behördlichen Praxis, die bislang entsprechende Anträge von Vermittlern wie ausländischen Veranstaltern (vgl. Urteil des VG Wiesbaden vom 20.03.2007 - 5 E 1329/06 -) ablehnt. Das Land Hessen - vertreten durch das Hessische Ministerium des Innern und für Sport - geht nach den Erklärungen in dem Verwaltungsstreitverfahren 10 E 872/05 vor dem Verwaltungsgericht Gießen davon aus, es bestehe nach dem geltenden Recht überhaupt keine Möglichkeit, das Veranstalten oder das Vermitteln von Sportwetten in Hessen zu genehmigen. So führte das Land mit Schriftsatz vom 2. November 2005 aus: "Da danach materiellrechtlich andere als das Land Hessen in Hessen keine Sportwetten veranstalten dürfen, wurde auch keine Behörde dafür als zuständig bestimmt, anderen eine Erlaubnis zum Veranstalten von Sportwetten zu erteilen (weil es eine derartige Erlaubnis materiellrechtlich nicht gibt)."

Lehnt die zuständige Behörde es aber aufgrund ihrer Interpretation der gesetzlichen Regelungen ab, überhaupt eine Genehmigungsmöglichkeit zu bejahen, handelt sie widersprüchlich zum Wortlaut des § 5 Abs. 1 Sportwettengesetz, der eine Genehmigung gerade als möglich voraussetzt. Regelungen zur Erteilung einer Erlaubnis der Vermittlung von Sportwetten bestehen weder im Sportwettengesetz noch in anderen Gesetzen oder Verordnungen.

Da das Land somit weder durch Gesetz noch durch Rechtsverordnung auch nur im Ansatz geregelt hat, für welche Spielverträge oder Vermittlung es Genehmigungen erteilen will und unter welchen Voraussetzungen dies geschehen soll, muss ein Antragsteller mit seinem Begehren erfolglos bleiben. Ausgehend hiervon hat das vorlegende Gericht mit Urteil vom 21. November 2005 (Az. 10 E 872/05) bereits entschieden, dass ein Vermittler von Sportwetten dann keiner innerstaatlichen bzw. landesrechtlichen Genehmigung bedürfe, wenn der Veranstalter des Glücksspiels über eine gültige Konzession oder Genehmigung eines anderen Mitgliedstaates verfügt. Mangels eines Verstoßes gegen Strafnormen ist es dem Beklagten daher bereits verwehrt, sich zur Gefahrabwehr auf die fehlende Erlaubnis zur Vermittlung von Sportwetten zu berufen. Die Entscheidung vom 21. November 2005 ist indes vom Land Hessen mit der Berufung angegriffen worden und in der zweiten Instanz anhängig.

3. Nach Ansicht des Gerichts steht der Verwirklichung einer Straftat durch den Kläger oder die E. und damit der Bejahung einer "Gefahr“ jedenfalls die Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 43 und 49 EGV entgegen.

Der Europäische Gerichtshof hat entschieden, dass nationale Regelungen, die strafbewehrte Verbote des Sammelns, der Annahme und der Übertragung von Sportwetten enthalten, Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des Dienstleistungsverkehrs darstellen, wenn der betreffende Mitgliedstaat keine Genehmigung erteilt (Urteil vom 06.11.2003 - Rs. C-243/01 -, Gambelli). Beschränkungen in diesem Sinne sind nach Art. 49 EGV grundsätzlich verboten, können indes im Ausnahmefall zulässig sein. Die Beschränkungen müssen nach der Rechtsprechung des EuGH aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt und geeignet sein, die Verwirklichung des mit ihnen verfolgten Zieles zu gewährleisten. Sie dürfen nicht über das zur Zielerreichung erforderliche Maß hinausgehen. Zu den zwingenden Gründen des Allgemeininteresses, die derartige Beschränkungen rechtfertigen könnten, gehört u.a. die Vermeidung von Anreizen zu überhöhten Ausgaben für Glücksspiele. Unverhältnismäßig können allerdings strafrechtliche Sanktionen sein, wenn staatlich zugelassene nationale Einrichtungen zur Teilnahme an Sportwetten ermutigten.

Es ist nicht zweifelhaft, dass die genannten Vorschriften des § 284 StGB und §§ 1 Abs. 1 und 5 Abs. 1 Sportwettengesetz derartige Beschränkungen im Sinne der Rechtsprechung des EuGH darstellen, da sie Angehörigen anderer Mitgliedstaaten sowohl das unmittelbare Tätigwerden in Deutschland untersagen wie eine Vermittlungstätigkeit dieser Dienste durch Dritte zulassen. Es spricht zudem vieles dafür, dass die Regelungen unzulässige Beschränkungen darstellen, da sie nicht sachlich begründet und im Übrigen unverhältnismäßig sind.

Die Bestimmungen des EG-Vertrages über den freien Dienstleistungsverkehr finden auch auf Tätigkeiten Anwendung, die darin bestehen, den Nutzern gegen Entgelt die Teilnahme an einem Glücksspiel zu ermöglichen. Eine solche Tätigkeit fällt in den Anwendungsbereich des Art. 49 EGV, wenn zumindest einer der Dienstleistenden in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig ist, in dem die Dienstleistung angeboten wird (EuGH, Urteil vom 13.11.2003 - C-42/02 -, Lindman).

Für die eingangs gestellte Frage nach dem Vorliegen einer Gefahr muss demnach die in Art. 43 und 49 EGV garantierte Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit ausgelegt werden. Zu fragen ist bereits, ob die Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit durch nationale Regelungen - wie sie der Europäische Gerichtshof nach den oben genannten Erwägungen zulässt - nur dann zulässig sein kann, wenn der jeweilige Gesetzgeber des MitgliedstaatesvorSchaffung und Inkraftsetzung der einschränkenden Normen diese auf Übereinstimmung mit Art. 49 EGV hin prüft.

Nach der Entscheidung des EuGH im Fall Lindman sind Rechtfertigungsgründe, die von einem Mitgliedstaat zur Einschränkung der Dienstleistungsfreiheit geltend gemacht werden, nur anzuerkennen, wenn sie von einer Untersuchung zur Zweckmäßigkeit und zur Verhältnismäßigkeit der von diesem Staat erlassenen beschränkenden Maßnahme begleitet werden. Diesen Gedanken führt der EuGH in dem Urteil vom 6. März 2007 (Rs. C-338/04 u.a., Placanica) weiter dahingehend aus, es sei anerkannt, dass eine Reihe von zwingenden Gründen des Allgemeininteresses zur Begründung einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs herangezogen werden dürften. So könnten die sittlichen, religiösen oder kulturellen Besonderheiten und die sittlich und finanziell schädlichen Folgen für den Einzelnen wie für die Gesellschaft, die mit Spielen und Wetten einhergehen, ein ausreichendes Ermessen der staatlichen Stellen für eine Beschränkung rechtfertigen. Dabei müssten die von den Mitgliedstaaten vorgeschriebenen Beschränkungen jedoch der Verhältnismäßigkeit genügen. Die nationale Beschränkung müsse geeignet sein, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten und dürfe nicht über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich sei. Auf jeden Fall dürfe die Beschränkung nicht diskriminierend sein. Ausgehend von dieser Maxime stellt der EuGH weiter fest, dass das zur Vorlage führende italienische Konzessionssystem ein wirksamer Mechanismus sein könne, die im Bereich der Glücksspiele tätigen Wirtschaftsteilnehmer mit dem Ziel zu kontrollieren, der Ausbeutung dieser Tätigkeiten zu kriminellen oder betrügerischen Zwecken vorzubeugen. Hierbei sei nach den Ausführungen im Urteil zu berücksichtigen, dass der zuständige Ausschuss des italienischen Senats eine Untersuchung des Spiel- und Wettwesens durchgeführt habe.

Mängel des Konzessions- und Genehmigungsverfahrens hätten zur Konsequenz, dass Personen, die sich staatliche Genehmigungen nicht hätten beschaffen können, weil deren Erteilung den Besitz einer Konzession voraussetzt, von deren Erhalt sie unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht ausgeschlossen worden waren, dies auf jeden Fall nicht zum Vorwurf gemacht werden dürfte. Ein Mitgliedstaat dürfe mithin keine strafrechtlichen Sanktionen wegen einer nicht erfüllten Verwaltungsformalität verhängen, wenn er die Erfüllung dieser Formalität unter Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht abgelehnt oder vereitelt habe.

4. Die Verhinderung des Zugangs von Angehörigen anderer Mitgliedstaaten zum Lotterie- und Wettmarkt in Hessen ist jedoch bereits dadurch gegeben, dass bezüglich der Veranstalter rechtlich (§ 1 Abs. 1 Sportwettengesetz), bzw. bezüglich der Vermittler faktisch ein staatliches Monopol geschaffen wurde.

Die Regelungen zur Veranstaltung oder Vermittlung von Sportwetten in Hessen sind daher im Lichte der genannten Anforderungen der Rechtsprechung des EuGH in zwei Punkten zu prüfen. Zum einen ist zu fragen, ob das Land Hessen bzw. die Bundesrepublik Deutschland vor dem Erlass der hier zu betrachtenden Norm(en) oder doch zumindest im Zusammenhang damit eine Untersuchung über die Gegebenheiten des Spiel- und Wettmarktes, die damit einhergehenden Gefahren und die Ziele und Möglichkeiten ihrer Beseitigung sowie die eventuellen Nebenfolgen einer einschränkenden Maßnahme hätten durchführen müssen. Des Weiteren ist zu hinterfragen, ob die gewählte Maßnahme für eine Beschränkung der Gefahren "kohärent und systematisch zur Begrenzung der Wetttätigkeiten beitragen" (EuGH, Urteil vom 06.11.2003 - C 243/01 -, Gambelli), also verhältnismäßig ist.

a) Nach den von den Beteiligten im hier anhängigen Verfahren vorgelegten Unterlagen und abgegebenen Begründungen ist eine entsprechende Untersuchung über die Gefahren der Spielsucht und die Möglichkeit deren Verhinderung durch den Landesgesetzgeber aber weder vor dem Erlass des Sportwettengesetzes im Jahr 1998 noch vor der Änderung im Jahr 2001 und der Verlängerung der Gültigkeit durch Gesetz vom 14. Dezember 2006 (GVBl. I S. 656) durchgeführt worden. Gleiches gilt hinsichtlich der Gesetzgebung bezüglich des § 284 StGB, da die nationale Gesetzgebung ursprünglich und auch noch zum Zeitpunkt des Abschlusses des Lotteriestaatsvertrags von einer Einnahmeerzielungsabsicht getragen war (vgl. BVerfG, Urteil vom 28.03.2006, a.a.O.).

Die Bundesregierung verweist in ihrer Stellungnahme vom 24. April 2007 an die Europäische Kommission zur Anfrage vom 22. März 2007 darauf, die Länder hätten derartige Untersuchungen zum Entwurf des Glücksspielstaatsvertrags herangezogen. Zudem kündigten die Länder an, im Rahmen einer noch vorzuschreibenden Evaluierung würden Untersuchungen und Forschungen zu dem Problemkreis des auffälligen Spielverhaltens in Auftrag gegeben werden.

Nach Ansicht des vorlegenden Gerichts ist damit den Anforderungen aus der Rechtsprechung des EuGH nicht hinreichend Rechnung getragen. Die bestehenden hessischen gesetzlichen Regelungen enthalten nämlich keine Regelungen, die dem geforderten Anliegen Rechnung tragen, mittels des Staatsmonopols die Spielleidenschaft zu begrenzen und der Spielsucht vorzubeugen. Das Sportwettengesetz beschränkt sich im Wesentlichen darauf, das Alleinrecht des Staates zur Veranstaltung von Sportwetten zu begründen und die Durchführung und die Verteilung der Einnahmen zu regeln. Ebenso enthält auch der derzeit geltende Staatsvertrag zum Lotteriewesen, der in Hessen durch Gesetz zu dem Staatsvertrag über die Regionalisierung von Teilen der von den Unternehmen des Deutschen Lotto- und Totoblocks erzielten Einnahmen vom 18. Mai 2004 (GVBl. I S. 194) gilt, keine an den Zielen der Bekämpfung von Wettsucht und problematischem Spielverhalten ausgerichtete Festlegungen (so bereits: BVerfG, Urteil vom 28.03.2006, a.a.O.).

Damit dürfte es für die Frage der Zulässigkeit einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit bereits an der geforderten Untersuchung vor oder im Zusammenhang mit der Schaffung der rechtlichen Grundlagen mangeln.

Nicht ausreichend erachtet das Gericht in diesem Zusammenhang die möglicherweise inzwischen eingetretenen tatsächlichen Änderungen im Werbe- und Angebotsverhalten des im Land Hessen mit der Durchführung der Sportwetten nach § 1 Abs. 4 Sportwettengesetz beauftragten privaten Unternehmens, der Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen. Auch die - nachträgliche - Zusammenarbeit dieser Gesellschaft mit Gutachtern und öffentlichen wie privaten Stellen zur Erstellung von Konzepten, Informationsschriften und Angeboten gegen die Spielsucht kann die geforderte Prüfung der Geeignetheit und der Verhältnismäßigkeit vor dem Erlass der entsprechenden Normen bzw. die Einbeziehung der geforderten ordnungsrechtlichen Ziele in den Gesetzes- und Verordnungstext nicht ersetzen.

b) Hinsichtlich der Frage der kohärenten und systematischen Begrenzung der Wetttätigkeit vermag das erkennende Gericht gleichfalls nicht zu erkennen, dass den Anforderungen des EuGH an den Erlass einer zulässigen Beschränkung Genüge getan worden wäre. Ersichtlich fehlt es bislang an einer Gesamtschau der zugelassenen bzw. erlaubten Angebote von Glücksspielen. Nur eine solche Gesamtschau kann dem zur Entscheidung berufenen Gesetzgeber die Möglichkeiten eröffnen, die angenommenen Gefahren der Spiel- und Wettsucht für den Einzelnen wie die Gesellschaft zu erfassen und für eine Abhilfe Sorge zu tragen.

Entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts Hamburg im Beschluss vom 9. März 2007 (Az. 1 Bs 378/06, DVBl. 2007, 647) ergibt sich aus der Entscheidung des EuGH vom 6. März 2007 keine Trennung des Marktes in verschiedene Glücksspielsektoren. Der EuGH verwendet vielmehr nur den Begriff des "Glücksspielsektors" (Rn. 42, 64, 65, 72). Insoweit sind auch die Zweifel an einer Sinnhaftigkeit der einheitlichen Betrachtung, die die Bundesregierung in dem bereits erwähnten Schreiben vom 24. April 2007 äußert, zwar nachvollziehbar, jedoch nicht zwingend. Steht Art. 49 EGV einer Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs grundsätzlich entgegen, so sind Ausnahmen hiervon eng zu fassen und bedürfen besonderer Begründung. Das Gericht versteht daher die bisherige Rechtsprechung des EuGH im Sinne der Notwendigkeit einer umfassenden Begründungspflicht einer beabsichtigten Beschränkung unter Berücksichtigungallerin Betracht zu ziehenden Formen von Glücksspielen.

Bei der Betrachtung des einheitlichen Glücksspielsektors müssen demnach nicht nur die Sportwetten der hier im Vordergrund stehenden Ausgestaltung (Sportwetten privater Ausrichtung sowie des staatlichen Angebots "Oddset"), sondern auch die sonstig vielfältigen Formen des Glücksspiels Berücksichtigung finden. Dies sind eben auch das Lottospiel, die Schaffung von Möglichkeit von Glücksspielen "im Vorbeigehen" durch den Erwerb von Losen, die Zulassung von Geldspielautomaten mit Gewinnmöglichkeiten in Kasinos, Gaststätten und Vergnügungsstätten und die Ausweitung des Angebots von Kasinospielen, etwa durch sogenannte Internetübertragung (vgl. www.spielbank-wiesbaden.de).

Eine Zusammenschau aller von staatlicher Seite angebotenen (Kasinospielen, Lotto und Toto) wie zugelassenen und durch private Unternehmen betriebenen Glücksspielmöglichkeiten ist bei der gesetzlichen Beschränkung des Wettangebots gerade nicht ersichtlich. So ist auch das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 28. März 2006 davon ausgegangen, das Gefährdungspotential von Sportwetten sei nicht ausreichend erforscht, nach dem derzeitigen Stand der Erkenntnisse müsse pathologisches Spielverhalten am ehesten bei den Geldspielautomaten gesehen werden.

Fehlt es aber an der Prüfung, ob die Beschränkung der Sportwetten durch ein tatsächliches oder auch nur faktisches staatliches Monopol - wobei die Pferdewetten ausdrücklich ausgeschlossen sind - zur Vermeidung oder Verminderung der Spielsucht ausreichend sein kann, so ist bereits ungeklärt, ob diese Maßnahme überhaupt geeignet sein kann, den genannten angestrebten Zweck zu erreichen.

Darüber hinaus muss auch festgestellt werden, dass die Angemessenheit der gewählten Maßnahme zweifelhaft ist. Es darf unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH nur die Beschränkung der Grundfreiheit gewählt werden, die abstrakt die Dienstleistungsfreiheit und konkret den Marktteilnehmer am wenigsten beeinträchtigt. Wenn es nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts bereits ausreichend sein soll, den erkannten Grundrechtsverstoß dadurch für eine Übergangszeit hinzunehmen, dass die Art und Weise des Angebots und der Werbung von staatlichen Anbietern in einer bestimmten (einschränkenden) Weise geändert wird, spräche zur Vermeidung von unverhältnismäßigen Beschränkungen bei grenzüberschreitenden Dienstleistungen nichts dagegen, derartige oder vergleichbare Auflagen auch den privaten Anbietern oder Vermittlern von Sportwetten aufzuerlegen. Die Einführung einer staatlichen Kontrolle über die Anmeldung, die Durchführung und die tatsächliche Ausgestaltung der Wettangebote wäre - etwa ähnlich wie bei Spielhallen in § 33i Gewerbeordnung - gesetzlich ohne weiteres möglich.

Derartige Maßnahmen erscheinen zudem geeignet, auch die Folge- oder Begleitkriminalität zu verhindern oder zu minimieren. Hierbei muss zudem beachtet werden, dass die Veranstalter von Sportwetten regelmäßig im Mitgliedstaat der Niederlassung einer Kontroll- und Sanktionsregelung unterliegen. Ein Mitgliedstaat wird nicht ohne weiteres davon ausgehen dürfen, die Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten des anderen Mitgliedstaates seien nicht ausreichend, die aufgestellten Anforderungen zu erfüllen; d.h. betrügerische und sonstige kriminelle Machenschaften auszuschließen.

Im Rahmen der Prüfung der Verhältnismäßigkeit der durch den nationalen Gesetzgeber gewählten Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit ist ebenfalls zu bedenken, dass mögliche Alternativen einen weniger belastenden oder beschränkenden Charakter aufweisen und damit dem Anspruch des Art. 49 EGV eher Rechnung tragen können.

c) Auf die Umsetzung von Vorgaben im rein tatsächlichen Bereich durch die Lotterie-Treuhandgesellschaft mbH Hessen (etwa die Erstellung eines Sozialkonzepts, Verbesserung des Jugendschutzes, Möglichkeit der Selbstsperre), die auch jederzeit wieder rückgängig gemacht werden können, ist daher hinsichtlich der hier zu prüfenden Ordnungsverfügung nicht abzustellen. Wie bereits das Verwaltungsgericht Köln in seinem Vorlagebeschluss vom 21. September 2006 (1 K 591/05, GewArch 2006, 467) ausgeführt hat, kann eine rein tatsächliche Änderung der Sportwettpraxis der staatlichen Wettunternehmen an dem Verstoß gegen europäisches Gemeinschaftsrecht nichts ändern. Zu fordern sei eine an den Vorgaben des Grundgesetzes wie des Europäischen Rechts ausgerichtete rechtliche Ausgestaltung des staatlichen Wettmonopols, die bislang nicht erfolgt sei. Deshalb sei, so das Verwaltungsgericht Köln, dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorzulegen, ob trotz des grundsätzlichen Anwendungsvorrangs unmittelbar geltenden Gemeinschaftsrechts ausnahmsweise auch für eine Übergangszeit entgegenstehendes nationales Recht weiterhin angewandt werden dürfe.

Aus dem Placanica-Urteil des EuGH vom 6. März 2007 kann zudem gefolgert werden, dass es nicht ausreichend ist, eine gemeinschaftsrechtswidrige Rechtslage durch eine andere, bestimmten Vorgaben angepasste Verwaltungspraxis zu modifizieren. Der EuGH stellt vielmehr auf den nationalen Gesetzgeber und die von ihm erlassenen Rechtsvorschriften bzw. Regelungen ab.

Im vorliegenden Fall der - bereits vom Bundesverfassungsgericht geforderten - Änderung der tatsächlichen Geschäftsabläufe ist dabei auch zu berücksichtigen, dass die tatsächliche Durchführung der Lotterien und Sportwetten in Hessen durch eine juristische Person des Privatrechts erfolgt, die zwar mittelbar der Staatsaufsicht unterliegen dürfte, jedoch in ihren Geschäftsentscheidungen nach dem Recht der Kapitalgesellschaften frei ist. Auch die Stellung der öffentlichen Hand als Gesellschafter der Kapitalgesellschaft ist nicht zwingend. So sind etwa die Eigentümer der in dem Land Rheinland-Pfalz tätig werdenden LOTTO Rheinland-Pfalz GmbH drei in diesem Land tätige Sportbünde. Diese GmbH wird aufgrund eines Staatsvertrags zudem auch in Luxemburg tätig und eröffnet auf diese Weise ihrerseits den Zutritt des deutschen Lotto-Angebots im Ausland.

5. Für die Entscheidung im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren kommt es zudem nicht darauf an, ob mit einer Änderung der Gesetzeslage gerechnet werden kann. Die Bemühungen der Länder und der Bundesrepublik Deutschland sind derzeit darauf gerichtet, die durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und die Beanstandungen der Europäischen Kommission aufgezeigten komplexen Regelungskreise neu zu ordnen. Im Bereich des Bundesrechts führt die Europäische Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren durch, mit dem die Bundesrepublik Deutschland angehalten werden soll, die nach Ansicht der Kommission dem Art. 49 EGV entgegenstehende nationale Regelung des § 284 StGB abzuändern oder aufzuheben. Die Bundesregierung hat indes erklärt, sie erachte die Ansicht der Kommission, § 284 StGB stünde dem europäischen Recht entgegen, nicht für zwingend.

Des Weiteren bemühen sich die Länder aufgrund eigener Kompetenzen um den Abschluss eines Staatsvertrages zur Neugestaltung des Rechts der Lotterien und Sportwetten. Hierbei sollen die zur Gesetzgebung in den Ländern berufenen Gesetzgebungsorgane Zustimmungsgesetze erlassen. In dem erforderlichen Notifikationsverfahren hat die Europäische Kommission jedoch gleichfalls Bedenken geäußert (vgl. die Stellungnahme vom 22. März 2007).

Daraus folgt für das erkennende Gericht, dass im gegenwärtigen Zustand keine Klarheit darüber besteht, in welcher Form und wann das nationale Recht geändert werden soll.

Für die im vorliegenden Verfahren in Streit stehende Ordnungsverfügung sind indes im Gegensatz zu den ebenfalls vorliegenden Anträgen auf Gewährung gerichtlichen Eilrechtsschutzes die zukünftigen Entwicklungen nicht relevant. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Anfechtungsklagen vielmehr die Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also dem Erlass des Widerspruchsbescheides, abzustellen (Urteil vom 21.06.2006 - 6 C 19.06 -, BVerwGE 126, 149 = NVwZ 2006, 1175). Daher kann im vorliegenden Verfahren nicht berücksichtigt werden, ob in dem künftigen Staatsvertrag oder auch im Gesetzgebungsverfahren in Hessen zukünftig besondere Ziele zur Vermeidung von Gefahren in die jeweiligen Normen aufgenommen werden.

6. Aus alledem folgt nach Auffassung der Kammer, dass es in Hessen an einer kohärenten und systematischen Politik zur Beschränkung des Glücksspiels fehlt, insbesondere weil der staatlich beauftragte Veranstalter von Sportwetten auch zu anderen Glücksspielen ermuntert, das Land zudem durch die Schaffung eines Kasinoangebots weitere Möglichkeiten selbst eröffnet und es des Weiteren im Rahmen der bundesgesetzlichen Möglichkeiten zulässig ist, dass Private andere Glückspiele durchführen und anbieten. Wenn dies der Möglichkeit der Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit nicht entspricht, müssen Art. 43 und 49 EGV der Beschränkung und damit der Rechtmäßigkeit der Ordnungsverfügung entgegenstehen.

Da des Weiteren nach den Feststellungen des Gerichts der Kläger die Sportwetten an einen Veranstalter vermittelt, der über eine gültige österreichische Erlaubnis verfügt, die es ihm ermöglicht, von seinem Geschäftssitz in H. aus mittels technischer Möglichkeiten auch Sportwetten in Deutschland anzubieten, könnte aus Art. 49 EGV folgen, dass diese außerstaatliche Genehmigung als in Deutschland gültige Genehmigung angesehen werden muss. In diesem Fall bedürfte es ergänzender oder zusätzlicher nationaler Genehmigungen nicht mehr. Auch für diesen Fall wäre die streitbefangene Ordnungsverfügung rechtswidrig.

Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt deshalb von der Beantwortung der im Tenor genannten Fragen ab.