OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 06.10.2006 - 6 U 109/06
Fundstelle
openJur 2012, 28058
  • Rkr:

Zur Anzeigenkennzeichnung und Lesbarkeit der Pflichtangaben

Tenor

In dem Rechtsstreit … beabsichtigt der Senat, die Berufung der Beklagten gegen das am 09.06.2006 verkündete Urteil der 12. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Frankfurt am Main durch Beschluss zurückzuweisen, da die Berufung keine Aussicht auf Erfolg hat und auch die weiteren Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO erfüllt sind.

Gründe

1.) Wie das Landgericht zutreffend und mit überzeugender Begründung ausgeführt hat, sind die Werbeanzeigen auf Seite 12 und Seite 15 der Zeitschrift „A“ vom Juli 2005 redaktionell aufgemacht und verstoßen daher gegen §§ 3, 4 Nr. 3 UWG. Die Berufungsbegründung rechtfertigt keine abweichende Beurteilung.

Die Beklagte hat den Werbecharakter beider Anzeigen mit Rücksicht auf ihre Aufmachung nicht hinreichend kenntlich gemacht. Die Anzeige auf Seite 12, rechte Spalte, ist wie ein redaktioneller Beitrag gestaltet. Entgegen der Auffassung der Beklagten deutet die Überschrift „Generika schonen Ihre Gesundheit – und Ihr Portemonnaie!“ keineswegs auf eine Werbeanzeige hin, da sie weder auf ein bestimmtes Produkt noch auf ein bestimmtes Unternehmen hinweist. Besonders deutlich wird die redaktionelle Aufmachung gegenüber der sofort als solcher zu erkennenden Werbeanzeige in der linken Spalte der Seite. Daher genügte das kleingedruckte Wort „Anzeige“ über der linken Spalte nicht, um mit hinreichender Deutlichkeit darauf hinzuweisen, dass sich auch in der rechten Spalte die Werbung eines Unternehmens befindet.

Entsprechendes gilt für die Seite 15. Die dort abgedruckte – einheitliche – Werbeanzeige zerfällt angesichts ihrer Aufmachung in zwei Teile, wobei die linke Spalte als Fortsetzung der redaktionellen Beiträge auf Seite 14 erscheint und nur die rechte Spalte als Werbeanzeige. Daher hätte auch hier deutlicher auf den Anzeigencharakter der gesamten Seite hingewiesen werden müssen.

2.) Beizupflichten ist dem Landgericht auch darin, dass die Anzeigen auf Seiten 9 und 12 des betreffenden Journals die gemäß § 4 HWG vorgeschriebenen Pflichtangaben nicht bzw. nicht in der gebotenen Form enthalten und daher gegen §§ 3, 4 Nr. 11 UWG verstoßen. Auch insoweit führt die Berufungsbegründung nicht zu einem anderen Ergebnis.

Insbesondere kann der Entscheidung „Lesbarkeit von Pflichtangaben IV“ des BGH (WRP 1989, 482) nicht entnommen werden, dass die Verwendung einer Schriftgröße von 6 pt ohne weiteres zu einer hinreichend guten Lesbarkeit der Pflichtangaben führt. Der BGH hat lediglich festgestellt, dass Pflichtangaben, die diese Grenze unterschreiten – wenn überhaupt – nur in Ausnahmefällen zulässig sein können. Dagegen hat der BGH in der Entscheidung „Lesbarkeit I“ (GRUR 1988, 68, 70), auf die er in der Entscheidung „Lesbarkeit von Pflichtangaben IV“ Bezug nimmt ausgeführt:

„Wie der Senat in dem genannten Urteil ausgeführt hat, lag eine Schrift in der hier gegebenen 6-Punkt-Größe, die von der in den genannten Zeitschriften sonst üblichen Schriftgröße erheblich abweicht, schon nach der früheren gesetzlichen Regelung an der unteren Grenze der bei Gestaltung der Pflichtangaben noch vertretbaren Schriftgröße. Ob sie den nunmehr verschärften Anforderungen noch genügen kann, bedarf im vorliegenden Fall keiner Entscheidung; denn der Grad der Lesbarkeit hängt, wie der Senat (...) bereits ausgeführt hat, nicht allein von der Schriftgröße, sondern auch von anderen für das Druckbild maßgeblichen Umständen wie Wort- und Zeilenanordnung, Gliederung, Papier, Farbe und ähnlichem ab. Diese Umstände stehen aber im vorliegenden Fall im Zusammenhang mit der geringen Schriftgröße der Annahme einer guten Lesbarkeit der Pflichtangaben entgegen.“

Die genannten Umstände stehen auch der Lesbarkeit der Pflichtangaben in der Werbeanzeige auf Seite 9 des Journals entgegen. Zum einen sind die Pflichtangaben in weißer Schrift auf blauem Untergrund gehalten, was die Lesbarkeit erschwert. Des weiteren sind sie von der eigentlichen Werbung für das Arzneimittel abgesetzt unterhalb der Nummer der kostenlosen Hotline und der E-Mail-Adresse aufgeführt. An dieser Stelle erwartet der Leser keine Informationen mehr, die das beworbene Produkt betreffen.

Die Verstöße gegen § 4 HWG waren für die Beklagte als Verlagsgesellschaft, die sich auf das Verlegen von …-Zeitschriften spezialisiert hat, unschwer zu erkennen. Es gehört zur täglichen Arbeit der Beklagten, Werbeanzeigen auf ihre Vereinbarkeit mit § 4 HWG zu prüfen. Sie weiß aus dem Vergleich mit einer Vielzahl von Werbeanzeigen, wie die Pflichtangaben gestaltet werden können. So befindet sich auf Seite 11 des betreffenden Journals eine Werbeanzeige, bei der die Pflichtangaben den Anforderungen des § 4 HWG genügen.

Schließlich handelt es sich bei den Verletzungshandlungen nicht um Bagatellverstöße gemäß § 3 UWG. Denn sowohl die Verschleierung des Werbecharakters von Werbeanzeigen als auch die nicht dem § 4 Abs. 4 HWG entsprechende Gestaltung der Pflichtangaben ist geeignet, für die Verbraucher einen nicht unerheblichen Nachteil zu bewirken (vgl. zu diesem Kriterium Hefermehl/Köhler/Bornkamm, Wettbewerbsrecht 24. Auflage, § 3 Rn. 56).

Die Beklagte erhält Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 06.11.2006.