StGH des Landes Hessen, Beschluss vom 14.06.2006 - P.St. 1910
Fundstelle
openJur 2012, 27666
  • Rkr:
Gründe

A

I.

Der Antragsteller wendet sich mit der Wahlprüfungsbeschwerde gegen den Beschluss des Wahlprüfungsgerichts beim Hessischen Landtag vom 16. Juli 2003 - WPG 16/1-2003 - (StAnz. 2003, S. 3198). Mit diesem Beschluss erklärte das Wahlprüfungsgericht die Wahl zum Hessischen Landtag vom 2. Februar 2003 für gültig und wies damit den Einspruch des Antragstellers vom 27. Februar zurück.

Sein Einspruch enthielt folgende Begründung: Wegen der unterschiedlichen Größe der Wahlkreise verletze die geltende Wahlkreiseinteilung in Verbindung mit dem Repräsentationsprinzip und mit dem Grundsatz der Unmittelbarkeit der Abgeordnetenwahl den Grundsatz der gleichen Wahl (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes - GG -, Art. 73 Abs. 2 Satz 1 und Art. 75 Abs. 1 sowie Art. 77 der Verfassung des Landes Hessen, kurz: Hessische Verfassung - HV -). In Hessen wichen fünf Wahlkreise (Nrn. 2, 19, 25, 26, 42) um mehr als 33 v. H. von der durchschnittlichen Bevölkerungszahl der Wahlkreise ab.

Die Ausgestaltung des Zwei-Stimmen-Verfahrens gemäß § 10 des Gesetzes über die Wahlen zum Landtag des Landes Hessen in der Fassung vom 19.02.1990 (GVBl. I S. 57, vor der Landtagswahl vom 02.02.2003 zuletzt geändert durch Gesetz vom 01.10.2002, GVBl. I S. 602, kurz: Landtagswahlgesetz - LWG -) verletze in Verbindung mit dem Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl insoweit den Grundsatz der gleichen Wahl (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 73 Abs. 2 Satz 1 und Art. 75 Abs. 1 HV), als ein doppeltes Stimmgewicht nicht stets ausgeschlossen sei. Bei zusammenfassender Betrachtung der beiden Stimmen ergebe sich ein ungleicher Erfolgswert. Der Wähler, der beide Stimmen für den Wahlkreisbewerber und die Landesliste derselben Partei abgebe, könne nur einem Wahlbewerber zum Sitz verhelfen. Derjenige Wähler aber, der seine Stimme splitte, also mit der Zweitstimme den Wahlbewerber einer anderen Landesliste wähle, könne zwei Bewerbern zum Sitz verhelfen. Bei getrennter Betrachtung der beiden Stimmen ergebe sich zudem ein ungleicher Zählwert. In den Fällen, in denen der Sitz des erfolgreichen Wahlkreisbewerbers von der für die Landesliste ermittelten Abgeordnetenzahl abgerechnet werde, bedeute dies im Grunde dasselbe, wie wenn - statt den Sitz anzurechnen - die Landesstimme nicht gezählt werde. Entsprechendes gelte, wenn bei einem Einzelbewerber als Wahlkreisbewerber gesplittet werde, da dann die Landesstimme gemäß § 10 Abs. 2 Satz 2 LWG nicht gezählt werde. Damit würden Einzelbewerber gegenüber Wahlkreisbewerbern mit zugeordneter Landesliste in verfassungswidriger Weise benachteiligt. Denn die über die Landesliste abgesicherten Direktkandidaten liefen nicht Gefahr, dass potentielle Wähler mit dem Hinweis abgeschreckt würden, dass im Erfolgsfall die maßgebende Landesstimme dieser Wähler nicht zähle.

Schließlich sei § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 LWG mit dem Demokratieprinzip sowie mit dem Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl (Art. 20 Abs. 1 und 2, Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG, Art. 70, Art. 71, Art. 73 Abs. 2 Satz 1 und Art. 75 Abs. 1 HV) nicht vereinbar. Nach dieser Regelung blieben bei der Nachfolge ausgeschiedener Abgeordneter diejenigen Ersatzleute von der Landesliste unberücksichtigt, die zwischenzeitlich aus der Partei oder Wählergruppe ausgeschieden seien. Ersatzleute könnten aber die ihnen am Wahltag vom Wähler unmittelbar verliehene Legitimation zur Nachfolge nur aus denselben Gründen verlieren, wie sie für gewählte Abgeordnete maßgeblich seien.

Generell sei die Ausgestaltung des Zweistimmenverfahrens insoweit mit dem Demokratieprinzip sowie mit den Wahlgrundsätzen gemäß Art. 20 Abs. 1 und 2 GG bzw. gemäß Art. 28 Abs. 1 Satz 2 GG sowie gemäß Art. 70 und Art. 71 HV bzw. Art. 73 Abs. 2 Satz 1 und Art. 75 Abs. 1 HV unvereinbar, als hiernach die sich im Wahlakt vollziehende Willensbildung der Staatsbürger und damit die Verwirklichung des Demokratieprinzips durch verfahrensbedingte Eigenheiten des Wahlrechts unterlaufen würden.

Das Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag erklärte mit dem angefochtenen Beschluss vom 16. Juli 2003 die Wahl für gültig und sah den Einspruch des Antragstellers als zulässig, aber unbegründet an. Für die Feststellung der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Landtagswahlrechts sei es nicht zuständig. Weder dürfe es selbst die Verfassungswidrigkeit von Wahlrechtsnormen aussprechen noch diese dem Staatsgerichtshof zur Überprüfung ihrer Verfassungsmäßigkeit vorlegen. Das Wahlprüfungsgericht sei kein "Gericht“ im Sinne des Art. 100 Abs. 1 GG. Als "Parlamentarisches Wahlprüfungsorgan“ komme ihm weder nach dem Grundgesetz noch nach der Hessischen Verfassung eine Kompetenz oder gar eine Pflicht zu, ein vermeintlich verfassungswidriges Gesetz dem Bundesverfassungsgericht oder dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen vorzulegen.

Der Beschluss vom 16. Juli 2003 wurde dem Antragsteller am 19. Juli 2003 zugestellt. Seine Wahlprüfungsbeschwerde vom 15. August 2003 ist beim Staatsgerichtshof am 18. August 2003 eingegangen.

Mit der Beschwerdeschrift, der er die Einspruchsschrift in Kopie beigefügt hat, wiederholt, vertieft und ergänzt der Antragsteller seine gegenüber dem Wahlprüfungsgericht beim Hessischen Landtag abgegebene Einspruchsbegründung.

Darüber hinaus führt er aus, die Wahlprüfung könne nicht auf die Frage beschränkt werden, ob die gegebenen Wahlvorschriften richtig angewandt worden seien. Voraussetzung einer ordnungs- und gesetzmäßigen Durchführung einer Wahl sei vielmehr auch, dass sich die für diese geltenden gesetzlichen Bestimmungen als verfassungsmäßig erwiesen.

Bei der Ausgestaltung des Zweistimmenverfahrens sei nicht gewährleistet, dass der Wähler bestimme, wem seine Stimme zugute kommen solle. Das hessische Wahlsystem sei schon deshalb von Verfassungs wegen für den Wahlakt nicht geeignet, weil dessen wesentliche Eigenschaften der Mehrheit der Wähler nicht bekannt seien. Bei der Proporzermittlung sei die Beschränkung auf die Landesstimmen mit dem Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl nicht vereinbar. Selbst wenn der überwiegenden Mehrheit der Wähler die Bedeutung der Landesstimme bekannt wäre, bleibe die verfassungsrechtliche Frage, ob bei der Proporzermittlung die Wahlkreisstimmen unberücksichtigt bleiben dürften. Art. 75 Abs. 1 HV verlange stets, dass die Abgeordneten gewählt würden. Eine bloße Parteienwahl schließe die Verfassung aus. Der Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl verlange, dass für den Wähler die Wirkung seiner Stimmabgabe erkennbar sei. Gerade dies werde aber durch das hessische Wahlsystem nicht gewährleistet. So seien z.B. auf die Bewerber der SPD-Landesliste bei der letzten Landtagswahl 795.576 "maßgebende“ Landesstimmen entfallen. Dies entspreche einem Legitimationspotential für 33 Sitze. Dennoch habe der Bewerber auf Platz 33 der Landesliste keinen Sitz erhalten. Er sei von einem Bewerber verdrängt worden, der in einem anderen, eigenständigen Wahlakt durch "nicht maßgebende“ Wahlkreisstimmen legitimiert worden sei, nämlich vom erfolgreichen Bewerber des Wahlkreises 7. Für die Wähler im Wahlkreis 7 sei aber nicht erkennbar gewesen, dass durch die Wahl des von der SPD nominierten Wahlkreisbewerbers ein Landeslistenbewerber verdrängt werde. Der Wille des Wählers, einem Kandidaten der Landesliste zu einem Sitz im Landtag zu verhelfen, lasse sich nicht angemessen artikulieren, weil immer die Gefahr bestehe, dass dieser Bewerber durch einen Wahlkreisbewerber der gleichen Partei ersetzt werde.

Der Antragsteller beantragt sinngemäß,

1. festzustellen, dass die in der Beschwerdeschrift gerügten Regelungen des Landtagswahlgesetzes mit dem Grundgesetz sowie mit der Hessischen Verfassung nicht vereinbar und - soweit es sich nicht um Gesetzeslücken handelt - nichtig sind, insbesondere

(1.1) festzustellen, dass die Wahlkreiseinteilung gemäß Anlage zu § 7 Abs. 1 LWG mit der Hessischen Verfassung nicht vereinbar ist,

(1.2) festzustellen, dass die Ausgestaltung des Zweistimmenverfahrens gemäß § 10 LWG mit dem Grundgesetz und mit der Hessischen Verfassung insoweit nicht vereinbar sind,- als die Teilwahlsysteme nicht verfassungsgemäß kombiniert sind,- als doppeltes Stimmgewicht nicht ausgeschlossen ist,- als der Grundsatz der unmittelbaren Wahl nicht stets konkretisiert ist,- als die Chancengleichheit für die Einzelbewerber nicht gewahrt ist,- als die Wirkungen der Stimmabgabe nicht stets erkennbar sind,- als die Bemessungsgrundlage für den Proporz der Sitzverteilung nicht verfassungsgemäß ermittelt wird, - als implizit von einer Parteienwahl ausgegangen wird,

(1.3) festzustellen, dass § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LWG mit dem Grundgesetz und der Hessischen Verfassung nicht vereinbar und daher nichtig ist,

(1.4) festzustellen, dass jedes Wahlsystem hinsichtlich der Grundsätze der unmittelbaren Abgeordnetenwahl und der gleichen Wahl einer Überprüfung standhalten muss, bei der jedem gewählten Abgeordneten individuell die Stimmen "seiner“ Wähler zahlenmäßig zugerechnet werden,

(1.5) den Gesetzgeber für den Fall, dass er die Abgeordneten ganz oder teilweise in Untergliederungen des Wahlgebietes (z.B. Wahlkreise, Wahlregionen) wählen lässt, zu verpflichten, das Wahlsystem so zu gestalten, dass für alle Untergliederungen die Verhältniszahlen von Wahlberechtigten zu Abgeordneten weitgehend - also im Rahmen des technisch Möglichen - gleich sind,

(1.6) den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber zu verpflichten, das Wahlverfahren so zu gestalten, dass die Wirkungen der Stimmabgabe für den Durchschnittswähler wenigstens intuitiv zu verstehen sind,

(1.7) den Gesetzgeber und den Verordnungsgeber zu verpflichten, das Wahlverfahren und insbesondere den Stimmzettel sowie die Veröffentlichung der Ergebnisse so zu gestalten, dass für den Durchschnittswähler zweifelsfrei erkennbar ist, dass die Landtagswahl als Abgeordnetenwahl durchgeführt wird,

2. festzustellen, dass der am 2. Februar 2003 gewählte Hessische Landtag insoweit nicht verfassungsgemäß zusammengesetzt ist, als nicht allen Abgeordneten Legitimation verliehen ist,

3. den Beschluss des Wahlprüfungsgerichts beim Hessischen Landtag vom 16. Juli 2004 zu B II 9 aufzuheben.

II.

Der Ministerpräsident hält die Wahlprüfungsbeschwerde für zulässig, aber unbegründet.

Soweit der Antragsteller die Nachrückerregelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 LWG beanstande, sei die Bedeutung dieses angeblichen Verfassungsverstoßes für das Ergebnis der Landtagswahl vom 2. Februar 2003 nicht zu erkennen. Nach Art. 78 Abs. 2 HV könnten Wahlfehler eine Wahl nur "im Falle ihrer Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl“ ungültig machen. Dieses im Wahlprüfungsrecht allgemein anerkannte Prinzip der potentiellen Kausalität fordere die auf Grund der praktischen Lebenserfahrung konkrete Möglichkeit, ein behaupteter Wahlfehler habe das Wahlergebnis in einer für die Zusammensetzung des Parlaments bedeutsamen Weise beeinflusst. Die in § 40 Abs. 1 und 2 LWG bezeichneten Fälle seien indessen im Verlaufe der Wahl und darüber hinaus bis zur Konstituierung des Landtages nicht eingetreten.

Im Übrigen macht sich der Ministerpräsident eine von ihm eingeholte Stellungnahme des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport zu eigen. Dort wird im Wesentlichen Folgendes ausgeführt: Für einen im wahlprüfungsrechtlichen Sinne (Art. 78 Abs. 2 HV) ursächlichen Zusammenhang zwischen der Wahlkreiseinteilung und dem Ergebnis der Landtagswahl vom 2. Februar 2003 gebe es keine Anhaltspunkte. Die Ausnahmesituation des § 10 Abs. 2 Satz 2 LWG, dass ein Wahlkreis von einem Einzelbewerber oder dem Bewerber einer Partei gewonnen werde, der in Landeslisten nicht an der Sitzverteilung teilnehme oder für die gar keine Landesliste zugelassen gewesen sei, habe bei der Landtagswahl 2003 nicht vorgelegen. Keiner der betroffenen nicht parteigebundenen Wahlkreisbewerber hätte nach der allgemeinen Lebenserfahrung auch bei einem veränderten Wahlkreiszuschnitt eine Chance auf ein Wahlkreismandat gehabt. Dementsprechend könne das Landesstimmenergebnis im ganzen Land aufrecht erhalten bleiben, ohne dass es auf den Wahlkreiszuschnitt ankomme.

Auch zwischen der behaupteten Verfassungswidrigkeit des Wahlkreiszuschnitts in den fünf Wahlkreisen, die um mehr als 33 v. H. von dem statistischen Durchschnittswahlkreis abweichen, und der Zusammensetzung des 16. Hessischen Landtages gebe es keinen ursächlichen Zusammenhang. Denn auch bei einer anderen Wahlkreisabgrenzung hätte es keine mandatsrelevanten Änderungen gegeben. Dies wird anhand eines hypothetischen Wahlkreiszuschnittes, der den bei der Landtagswahl geltenden Wahlkreisen gegenübergestellt wird, näher ausgeführt.

Ungeachtet dessen sei die Einteilung der hessischen Landtagswahlkreise nicht verfassungswidrig. Der hessische Landesgesetzgeber habe sich für die Verhältniswahl entschieden, in die Elemente der Personenwahl integriert seien. Dies entspreche der Erfolgswertgleichheit der gültigen Landesstimmen in nahezu idealer Form. Der in der zweiten Stufe der Sitzverteilung durchzuführende Verhältnisausgleich bewirke, dass die Landtagswahl trotz der integrierten Direktwahl der Wahlkreisbewerber den Charakter einer Verhältniswahl behalte. Jeder Wähler nehme nur einmal - verhältnisgemäßen - Einfluss auf die zahlenmäßige Zusammensetzung des Parlaments. Durch die Verrechnung der Wahlkreissitze werde der Erfolgswert, den eine Wählerstimme für die Zuteilung des Wahlkreismandats hatte, wieder aufgezehrt, so dass nur die im Proportionalverfahren der ersten Stufe berücksichtigte Landesstimme von Einfluss auf die zahlenmäßige Sitzvergabe und den Parteienproporz sei. Der Erfolgswertgleichheit werde damit uneingeschränkt Rechnung getragen, ohne dass es auf die Wahlkreisgröße ankomme.

Bei diesem Befund - Verhältniswahl mit gesicherter Erfolgswertgleichheit - verbleibe es auch beim Auftreten von sogenannten Überhangmandaten. Nach § 10 Abs. 5 LWG werde in einem derartigen Fall, der bisher in Hessen nicht praktisch geworden sei, die Gesamtzahl der regulär 110 Abgeordnetensitze so lange erhöht, bis das Wahlkreisergebnis mit dem Ergebnis der mathematischen Proportion auf der Basis der Landesstimmen übereinstimme. Die Gewährung von Ausgleichsmandaten stelle sicher, dass jeder Wahlvorschlagsträger die Zahl von Mandaten erhalte, die dem Anteil seines Landesstimmenergebnisses entspreche.

Die Mehrheitswahl im Wahlkreis stelle somit regelmäßig lediglich eine personelle Vorentscheidung bei der Gesamtverteilung der Mandate im Land dar. Gewonnene Wahlkreissitze würden in einem System wie dem hessischen ausschließlich von den für die jeweiligen Landeslisten abgegebenen Stimmen getragen. Nach diesem Verständnis des Landtagswahlsystems als Verhältniswahlsystem ließen sich aus dem Grundsatz der Wahlrechtsgleichheit keine Anforderungen an die Wahlkreiseinteilung ableiten.

Auch Überlegungen zur Regionalrepräsentanz führten nicht zur Verfassungswidrigkeit der Wahlkreiseinteilung. Einen von der Verfassung gebotenen Regionalvertretungsanspruch in dem Sinne, dass Gebietskörperschaften proporzgemäß im Hessischen Landtag vertreten sein müssten, gebe es nicht. Eine solche Betrachtungsweise ignoriere auch die verfassungsrechtliche Vorgabe des Art. 77 HV, nach der die Mandatsträger Vertreter des ganzen Volkes und nicht eines einzelnen Wahl- oder gar Landkreises seien.

Der Ministerpräsident weist ergänzend darauf hin, dass der hessische Gesetzgeber die Wahlkreiseinteilung durch Gesetz vom 27. Dezember 2005 (GVBl. I S. 839) neu vorgenommen hat.

Die Ausgestaltung des in § 8 LWG angelegten Zweistimmensystems durch § 10 LWG sei verfassungsgemäß. So genannte Splittingwähler, die mit ihrer Wahlkreisstimme den erfolgreichen Wahlkreisbewerber wählen, mit ihrer Landesstimme dagegen eine andere Partei als die des Wahlkreissiegers, die überdies die Fünfprozent-Hürde überwindet, übten nicht gleichheitswidrig doppelten Einfluss auf die Zusammensetzung des Landtages aus. Die Ergebnisse der Mehrheitswahl im Wahlkreis würden somit vollständig - auch in den Splittingfällen - von denen der Verhältniswahl aufgezehrt. Auch die Regelung des § 10 Abs. 2 Satz 2 LWG sei verfassungskonform. Sie diene gerade dem von ihm hervorgehobenen Zweck, einen doppelten Erfolgswert von Wahlkreis- und Landesstimme zu vermeiden. Bei einer derartigen Konstellation - Wahlkreissieger ohne Landesliste - scheide jede Verrechnung der erfolgreichen Wahlkreisstimme mit dem Landesstimmenergebnis aus, so dass die Nichtberücksichtigung der Landesstimme sachlich gerechtfertigt sei. Im Übrigen sei für eine Bewertung dieses Sonderfalls, der bisher in Hessen nicht - auch nicht bei der Landtagswahl 2003 - praktisch geworden sei, § 10 Abs. 2 Satz 3 LWG heranzuziehen. Er schreibe vor, die auf dem in Rede stehenden Weg erworbenen Mandate von der Gesamtzahl der zu vergebenden Sitze abzuziehen. Der Mandatserwerb durch einen Einzelbewerber stehe somit völlig außerhalb der oben aufgezeigten systematischen Zusammenhänge zwischen Wahlkreis- und Landesstimmen.

Ungeachtet der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser Variante des Hessischen Landtagswahlsystems seien auch keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass das Wahlverhalten von Splittingwählern bei der Landtagswahl 2003 einen Einfluss auf die konkrete Sitzverteilung im Hessischen Landtag gehabt hätte oder hätte haben können.

Ob einer Mehrheit der Wählerschaft die unterschiedliche Bedeutung von Wahlkreis- und Landesstimme in ihren Auswirkungen auf das Wahlergebnis bekannt gewesen sei, sei unerheblich.

Die Rüge, § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LWG sei verfassungswidrig, könne nur im Wege einer abstrakten Normenkontrolle, nicht dagegen im Rahmen einer Wahlprüfungsbeschwerde geltend gemacht werden. Ein irgendwie gearteter Zusammenhang mit dem Ergebnis der Landtagswahl 2003 sei weder behauptet worden noch sonst ersichtlich. Unabhängig davon erweise sich die Regelung, die inhaltlich dem § 48 Abs. 1 Satz 2 des Bundestagswahlgesetzes entspreche, als verfassungskonform.

III.

Die Landesanwältin bei dem Staatsgerichtshof des Landes Hessen hält die Wahlprüfungsbeschwerde im Ergebnis für unbegründet.

Zwar liege in der extrem unterschiedlichen Größe der Wahlkreise ein Verstoß gegen die Wahlgleichheit nach Art. 73 Abs. 2 HV. Darauf komme es aber in diesem Verfahren nicht an. Denn insoweit fehle es an der nach Art. 78 Abs. 2 HV notwendigen Erheblichkeit bzw. Mandatsrelevanz des Wahlfehlers. Auch bei verfassungsmäßigem Zuschnitt der Wahlkreise wären im Landtag nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit andere Abgeordnete vertreten. Die Landesanwältin begründet dies mit einer hypothetischen Betrachtung, der sie das tatsächliche Ergebnis der Landtagswahl gegenüberstellt.

Auch die Ausgestaltung des Zweistimmensystems begegne keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Alle etwaigen Auswirkungen der Ausgestaltung des Zweistimmensystems, die ohnehin nicht gleichheitswidrig seien, seien darüber hinaus zwingende Folge des Wahlsystems der personalisierten Verhältniswahl. An der grundsätzlichen Verfassungsmäßigkeit dieses Wahlsystems bestehe kein Zweifel, so dass auch strukturbedingte Verwerfungen als deren notwendige Konsequenz nicht als Verstoß gegen die Wahlgleichheit angesehen werden könnten.

Ob die Nachrückerregelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 LWG der Hessischen Verfassung entspreche, könne dahingestellt bleiben. Denn ein Zusammenhang mit dem Ergebnis der Landtagswahl 2003 sei vom Antragsteller weder behauptet worden noch ersichtlich. Auf die Mandatsverteilung habe die Regelung keinen Einfluss gehabt, da ein Nachrückerfall nicht eingetreten sei.

IV.

Die CDU-Fraktion im Hessischen Landtag hält die Wahlprüfungsbeschwerde für unzulässig, soweit der Antragsteller begehre, Regelungen des Landtagswahlgesetzes für nichtig zu erklären. Einen solchen Antrag könne er lediglich im Rahmen einer Grundrechtsklage gegen eine Rechtsvorschrift gemäß §§ 43, 45 Abs. 2 des Gesetzes über den Staatsgerichtshof - StGHG - stellen.

Soweit der Antragsteller die Zusammensetzung des Hessischen Landtags für verfassungswidrig halte, könne die Wahlprüfungsbeschwerde keinen Erfolg haben. Der Antragsteller verkenne, dass das Bundesverfassungsgericht das Zweistimmenwahlsystem für das Bundesrecht bereits ausdrücklich als verfassungskonform bestätigt habe.

V.

Den übrigen Fraktionen des Hessischen Landtages, dessen Präsident und Abgeordneten, dem Hessischen Minister des Innern und für Sport sowie dem Landeswahlleiter ist Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Die Akten des Wahlprüfungsgerichts beim Hessischen Landtag - WPG 16/1 - sind beigezogen worden.

B

I.

Die Wahlprüfungsbeschwerde ist teilweise unzulässig, im Übrigen offensichtlich unbegründet.

1. Im Wahlprüfungsverfahren ist nur der sinngemäß gestellte Antrag zulässig, den Beschluss des Wahlprüfungsgerichts beim Hessischen Landtag aufzuheben und die Landtagswahl für ungültig zu erklären (vgl. § 52 Abs. 1 Satz 1 StGHG i.V.m. § 17 Satz 1 Wahlprüfungsgesetz vom 5. November 2002, GVBl. I S. 676 - WPG -).

Soweit der Antragsteller die Feststellung der Unvereinbarkeit von landeswahlrechtlichen Bestimmungen mit der Hessischen Verfassung und die Feststellung der Nichtigkeit dieser Bestimmungen beantragt, kann dieses auf eine abstrakte Normenkontrolle gerichtete Begehren nicht zulässiger Gegenstand des Wahlprüfungsbeschwerdeverfahrens sein, unbeschadet der verfassungsrechtlichen Inzidentkontrolle des anzuwendenden Landeswahlrechts durch den Staatsgerichtshof.

2. Der Antragsteller hat nur teilweise die konkrete Möglichkeit eines erheblichen Wahlfehlers im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV in einer § 52 Abs. 2 Satz 1 StGHG entsprechenden und damit zulässigen Weise dargetan.

a) Der Antragsteller hat mit der Wahlprüfungsbeschwerde von einem statthaften Rechtsbehelf Gebrauch gemacht. Die diesbezügliche Regelung des § 52 StGHG steht mit der Hessischen Verfassung in Einklang. Die Vorschrift wurde eingefügt, nachdem das Bundesverfassungsgericht die Regelung des § 17 Wahlprüfungsgesetz alter Fassung, wonach das Urteil des Wahlprüfungsgerichts mit seiner Verkündung rechtskräftig wurde, für nichtig erklärt hatte (BVerfG, Urteil vom 08.02.2001 - 2 BvF 1/00 -, BVerfGE 103, 111 [125, 136 ff.]). Aus Art. 92 GG folge, dass die abschließende verbindliche Entscheidung über die Gültigkeit einer Wahl nur von einem unabhängigen Gericht getroffen werden könne. Diese Voraussetzung erfüllt das Wahlprüfungsgericht nicht, denn ihm gehören gemäß Art. 78 Abs. 3 HV und § 1 WPG neben zwei Berufsrichtern - den Präsidenten des Hessischen Verwaltungsgerichtshofs und des Oberlandesgerichts - auch drei Abgeordnete des Hessischen Landtages an (BVerfG, Urteil vom 08.02.2001, a.a.O., S. 139 f.; ebenso: StGH, Beschluss vom 09.08.2000 - P.St. 1547 -, StAnz. 2000, S. 2922 [2923]). Damit hat das Bundesverfassungsgericht eine Anforderung formuliert, die für den hessischen Gesetzgeber bindend ist, auch wenn sie möglicherweise nicht den Vorstellungen des historischen Landesverfassungsgebers entsprechen mag (vgl. Günther, Verfassungsgerichtsbarkeit in Hessen, 2004, § 52 Rdnr. 1). Der hessische Gesetzgeber durfte in Übereinstimmung mit der Hessischen Verfassung durch § 52 StGHG ein zweistufiges Wahlprüfungsverfahren - Wahlprüfung durch das Wahlprüfungsgericht, Beschwerde zum Staatsgerichtshof - einführen. Die Ermächtigung dazu enthält Art. 131 Abs. 1 HV. Danach entscheidet der Staatsgerichtshof über die Verfassungsmäßigkeit der Gesetze, die Verletzung der Grundrechte, bei Anfechtung des Ergebnisses einer Volksabstimmung sowie in den in der Verfassung und den Gesetzen vorgesehenen Fällen. Art. 131 Abs. 1 HV überlässt es dem einfachen Landesgesetz zu bestimmen, in welchen nicht in der Verfassung selbst genannten Fällen der Staatsgerichtshof zu entscheiden hat (StGH, Urteil vom 03.07.1968 - P.St. 486 -, StAnz. 1968, S. 1180 [1182]). Daraus folgt zugleich die Befugnis, durch einfaches Gesetz zu bestimmen, wer berechtigt sein soll, den Staatsgerichtshof in diesen weiteren Fällen anzurufen; die Aufzählung von möglichen Antragsberechtigten in Art. 131 Abs. 2 HV ist nicht abschließend (vgl. StGH, Urteil vom 03.07.1968, a.a.O.). Dementsprechend hat der Gesetzgeber in § 19 Abs. 2 Nr. 11 StGHG ausdrücklich den Kreis der Antragsberechtigten um die in § 52 StGHG genannten ergänzt.

b) Der Antragsteller hat seine Wahlprüfungsbeschwerde nur zum Teil ausreichend begründet, wie dies § 52 Abs. 2 Satz 1 StGHG verlangt.

Dazu ist es erforderlich, dass die Begründung vom Antragsteller substanziiert wird (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 24.11.1981 - 2 BvC 1/81 -, BVerfGE 59, 119 [124], und vom 12.12.1991 - 2 BvR 562/92 -, BVerfGE 85, 148 [159 f.]; Schreiber, Handbuch des Wahlrechts zum Deutschen Bundestag, 7. Auflage 2002, § 49 Rdnr. 20, 17; Aderhold, in: Umbach/Clemens/Dollinger (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 2. Auflage 2005, § 48 Rdnr. 33 m.w.N.). Deshalb genügen Wahlbeanstandungen, die über nicht belegte Vermutungen oder die bloße Andeutung der Möglichkeit von Wahlfehlern nicht hinausgehen und einen konkreten, der Überprüfung zugänglichen Tatsachenvortrag nicht enthalten, nicht den Darlegungserfordernissen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 12.12.1991, a.a.O., S. 159 f.). Das Substanziierungsgebot dient des Weiteren dazu, das Prüfprogramm des Staatsgerichtshofs zu konkretisieren. Denn es ist praktisch unmöglich, die Gültigkeit der Landtagswahl auf jeden theoretisch denkbaren und lediglich abstrakt vorgetragenen Wahlfehler hin zu überprüfen. Der Antragsteller muss die Voraussetzungen des Art. 78 Abs. 2 HV darlegen. Nach Art. 78 Abs. 2 HV machen Unregelmäßigkeiten im Wahlverfahren und strafbare oder gegen die guten Sitten verstoßende Handlungen, die das Wahlergebnis beeinflussen, eine Wahl ungültig, wenn sie für den Ausgang der Wahl erheblich waren. Nach allgemeiner Auffassung und der wahlprüfungsrechtlichen Praxis, in deren Tradition und Weiterentwicklung Art. 78 Abs. 2 HV steht, liegt eine unzulässige, einen Wahlfehler begründende Wahlbeeinflussung nur vor, wenn durch die in Rede stehende Einwirkung auf die Wählerwillensbildung schwerwiegend gegen die Grundsätze der Freiheit oder der Gleichheit der Wahl verstoßen wurde. Denn grundsätzlich soll das demokratisch gewählte Parlament durch die Wahlprüfung in der Wahrnehmung seiner Aufgaben nicht beeinträchtigt werden (vgl. BVerfG, Urteil vom 08.02.2001, a.a.O., S. 134). Das Erfordernis des Bestandsschutzes einer gewählten Volksvertretung (vgl. BVerfG, Urteil vom 20.10.1993 - 2 BvC 2/91 -, BVerfGE 89, 243 [253]; Nds. StGH, Urteil vom 24.02.2000 - StGH 2/99 -, DVBl. 2000, S. 627 [628]) und somit der Erheblichkeitsgrundsatz bzw. das Prinzip der potentiellen Kausalität (vgl. dazu Günther, a.a.O., § 52 Rdnr. 20 m.w.N. in Fn. 104) sind Ausfluss eines fundamentalen Prinzips der Demokratie (Art. 65 HV): Ein Wahlfehler kann nur dann gegen den Volkswillen verstoßen, wenn sich ohne ihn die Mehrheit anders gebildet hätte bzw. das Parlament ohne ihn anders zusammengesetzt wäre (vgl. BVerfG, Beschluss vom 10.04.1984 - 2 BvC 2/83 -, BVerfGE 66, 369 [378]; Benda/Klein, Verfassungsprozessrecht, 2. Auflage 2001, § 33 Rdnr. 1171). Der danach gebotene Bestandsschutz schließt es zumindest aus, Wahlbeeinflussungen einfacher Art und ohne jedes Gewicht zum Wahlungültigkeitsgrund zu erheben. Der Eingriff in die Zusammensetzung einer gewählten Volksvertretung durch eine wahlprüfungsrechtliche Entscheidung muss vor diesem Bestandserhaltungsinteresse gerechtfertigt werden. Je tiefer und weiter die Wirkungen eines solchen Eingriffs reichen, desto schwerer muss der Wahlfehler wiegen, auf den dieser Eingriff gestützt wird (zu alledem: BVerfG, Urteil vom 08.02.2001, a.a.O., S. 135).

Das Begründungserfordernis des § 52 Abs. 2 Satz 1 StGHG verlangt für die Zulässigkeit einer Wahlprüfungsbeschwerde jedenfalls, dass sich dem tatsächlichen Vorbringen des Antragstellers die konkrete Möglichkeit eines für den Ausgang der Wahl erheblichen Wahlfehlers im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV hinreichend deutlich entnehmen lässt (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 03.07.1985 - 2 BvC 2/85 -, BVerfGE 70, 271 [276] m.w.N., und vom 12.12.1991, a.a.O., S. 159 f.; Schreiber, a.a.O., § 49 Rdnr. 20; Storost, in: Umbach/Clemens (Hrsg.), Bundesverfassungsgerichtsgesetz, 1992, § 48 Rdnr. 39; Aderhold, a.a.O., § 48 Rdnr. 39; Günther, a.a.O., § 52 Rdnr. 14).

Ein Antragsteller hat für die Zulässigkeit seiner Wahlprüfungsbeschwerde die tatsächlichen Umstände eines (möglichen) schwerwiegenden Wahlfehlers vorzubringen und dessen (mögliche) Erheblichkeit für den Ausgang der Wahl und damit die Zusammensetzung des Parlaments darzulegen.

Diesen Anforderungen wird die Wahlprüfungsbeschwerde des Antragstellers nicht in vollem Umfang gerecht. Sie ist unzulässig, soweit er sie darauf stützt, die Wahlberechtigten könnten das Ergebnis ihres Wahlakts nicht von vornherein abschätzen, das Wahlsystem sei nicht verständlich und gewähre den Bürgern zu wenig Einflussnahme auf die Zusammensetzung des Landtags. Diese Rügen sind offensichtlich unsubstanziiert. Der Antragsteller trägt weder einen konkreten Wahlfehler noch dessen Auswirkung auf die Zusammensetzung des Landtags in nachvollziehbarer Weise vor.

c) Darüber hinaus erweist sich die Wahlprüfungsbeschwerde des Antragstellers jedoch als zulässig. Dies gilt für die von ihm erhobenen Rügen, die Wahlkreiseinteilung, das Zwei-Stimmen-Verfahren des § 10 LWG und die Nachrückerregelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 LWG seien verfassungswidrig, verletzten Wahlrechtsgrundsätze und hätten sich auf die Landtagswahl ausgewirkt. Insofern schildert er Sachverhalte, die grundsätzlich geeignet sein könnten, erhebliche Wahlfehler i.S.d. Art. 78 Abs. 2 HV zu begründen.

3. Die insoweit zulässige Wahlprüfungsbeschwerde ist aber offensichtlich unbegründet (§ 24 Abs. 1 StGHG). Denn Wahlfehler im Sinne von Art. 78 Abs. 2 HV, durch die schwerwiegend gegen die Freiheit oder die Gleichheit der Wahl verstoßen wurde und die für den Ausgang der Wahl erheblich waren und die wegen ihres Gewichts die beantragte Auflösung des demokratisch gewählten und deshalb in seinem Bestand grundsätzlich geschützten Landtags rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.

a) Die Rüge des Antragstellers, die Größenunterschiede der hessischen Wahlkreise überschritten in fünf Fällen sogar die vom Bundesverfassungsgericht für Bundestagswahlen nicht mehr tolerierte 33  -Prozent-Grenze, führt nicht zum Erfolg seiner Wahlprüfungsbeschwerde.

Die Rechtsprechung verschiedener Verfassungsgerichte bewertet eine zu große Differenz in der Größe von Wahlkreisen als Verstoß gegen die Wahlgleichheit (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.04.1997 - 2 BvF 1/95 -, BVerfGE 95, 335 [363 ff.] m.w.N.; Nds. StGH, Urteil vom 24.02.2000, a.a.O., S. 627 f.; vgl. auch BayVerfGH, Entscheidung vom 10.10.2001 - Vf. 2-VII-01 u.a. -, BayVBl. 2002, S. 11 [12], wonach der Grundsatz der Wahlgleichheit die Bildung möglichst gleich großer Stimmkreise erfordere). Das überwiegende Schrifttum sieht dies ebenso (vgl. nur Schreiber, a.a.O., § 3 Rdnr. 3 m.w.N. in Fn. 6).

Die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur höchst zulässigen Abweichung der Größe unterschiedlicher Wahlkreise orientiert sich maßgeblich daran, der Bildung von nicht ausgleichsfähigen Überhangmandaten entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, Urteil vom 10.04.1997, a.a.O., S. 363). Anders als das Wahlrecht des Bundes sieht aber das hessische Wahlrecht die Bildung von Ausgleichsmandaten vor (§ 10 Abs. 5 Satz 2 LWG). Dies bedeutet, dass Überhangmandate durch ein Anwachsen der gesetzlichen Mitgliederzahl des Landtages ausgeglichen werden, so dass sich dadurch jedenfalls der Parteienproporz und somit die politische Mehrheit im Hessischen Landtag nicht verändern. Nicht zuletzt deshalb ist die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Wahlkreiseinteilung des Bundes auf das hessische Wahlrecht nicht übertragbar.

Soweit es um die personelle Zusammensetzung des Parlaments geht, stellt die der Landtagswahl 2003 zugrunde liegende Wahlkreiseinteilung unter Berücksichtigung des demokratisch gewählten Parlamenten zukommenden Bestandsschutzes offensichtlich keinen erheblichen Wahlfehler im Sinne des Art. 78 Abs. 2 HV dar. Die mit der Wahlprüfungsbeschwerde beantragte Ungültigerklärung einer gesamten Wahl setzt einen erheblichen Wahlfehler von solchem Gewicht voraus, dass ein Fortbestand der in dieser Weise gewählten Volksvertretung unerträglich erschiene (BVerfG, Urteil vom 08.02.2001, a.a.O., S. 134). Die Wahlkreiseinteilung obliegt dem Gesetzgeber, der bei seiner Aufgabe, dem Prinzip der Wahlrechtsgleichheit Wirksamkeit zu verschaffen, einen weiten Gestaltungsspielraum hat. Dabei darf er insbesondere regionalen und historischen Umständen Rechnung tragen.

In Anbetracht dieser Erwägungen kann die vom Antragsteller gerügte Wahlkreiseinteilung kein so gewichtiger Wahlfehler sein, dass er die Auflösung des Parlaments mit all ihren weittragenden Folgen für alle Abgeordneten und die Kontinuität der Arbeit des Parlaments rechtfertigen könnte. Ebenso hat auch der Staatsgerichtshof des Landes Niedersachsen entschieden (Urteil vom 24.02.2000, a.a.O., S. 628), der zwar von der Verfassungswidrigkeit der dort geltenden Wahlkreiseinteilung ausgegangen ist, aber dennoch die Wahlprüfungsbeschwerde zurückgewiesen hat. Der Staatsgerichtshof kann daher im Rahmen dieses Wahlprüfungsbeschwerdeverfahrens offen lassen, ob die seinerzeit geltende Wahlkreiseinteilung in vollem Umfang den verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt hatte.

b) Soweit der Antragsteller die Ausgestaltung des Zwei-Stimmen-Verfahrens durch § 10 LWG mit der Begründung rügt, Wählern, die die Wahlkreis- und Landesstimme den Vorschlägen unterschiedlicher Parteien gäben (sog. Splitting-Wähler), komme in gleichheitswidriger Weise ein doppeltes Stimmgewicht zu, da sie sowohl dem Wahlkreissieger der einen wie auch dem Listenbewerber der anderen Partei zu einem Mandat verhälfen, liegt ebenfalls ein erheblicher Wahlfehler im vorgenannten Sinne offensichtlich nicht vor. Die Ausgestaltung des Zwei-Stimmen-Systems durch § 10 LWG verstößt nicht gegen den Grundsatz der Wahlgleichheit des Art. 73 Abs. 2 Satz 1 HV. Die Hessische Verfassung schreibt kein bestimmtes Wahlsystem vor, sondern räumt dem Gesetzgeber einen Gestaltungsspielraum ein (Art. 73 Abs. 3 und Art. 75 Abs. 3 Satz 1 HV). Das Zwei-Stimmen-System und die damit verbundene Möglichkeit eines Stimmensplittings liegt innerhalb dieses Gestaltungsspielraums (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23.11.1988 - 2 BvC 3/88 -, BVerfGE 79, 161 [167 f.]). Davon abgesehen ist auch nicht ersichtlich, dass sich der vom Antragsteller behauptete Wahlfehler auf das Ergebnis der Landtagswahl 2003 in erheblicher Weise ausgewirkt hätte. c) Schließlich liegt auch hinsichtlich der Rüge des Antragstellers, die Nachrückerregelung des § 40 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 1 LWG verstoße gegen das Demokratieprinzip und den Grundsatz der unmittelbaren Abgeordnetenwahl, ein erheblicher Wahlfehler, der die vorzeitige Auflösung des Parlaments rechtfertigen würde, offensichtlich nicht vor.

II.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 28 Abs. 1 StGHG.