FG Kassel, Urteil vom 16.03.2006 - 5 K 4400/02
Fundstelle
openJur 2012, 27384
  • Rkr:
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin anlässlich der Verschmelzung mit der ... Grunderwerbsteuer zu entrichten hat.

Die Klägerin ist eine ehemals gemeinnützige Wohnungsbau-Genossenschaft, die mit notariellem Vertrag vom 31.7.2000 (Nr. der Urkundsrolle für des Notars ) die Verschmelzung mit der ... vereinbarte. In der Präambel zum Vertrag wurde festgelegt, dass die Fusion der Sicherung und Förderung einer sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung diene. Die Fusion solle zu einer wirtschaftlichen Stärkung, zur rationellen Arbeitsabwicklung und zu einer zeitgemäßen Zusammenlegung genossenschaftlicher Leistungen führen. Nach Abschn. I des Vertrages übertrug die ... ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Ausschluss der Abwicklung auf die Klägerin „im Wege der Verschmelzung durch Aufnahme“. Die Mitglieder der ... als „übertragender Genossenschaft“ wurden Mitglieder der Klägerin „als übernehmender Genossenschaft im Wege der Gesamtrechtsnachfolge“. Die Satzungsbestimmungen der Klägerin sollten wie in der Anlage zum Vertrag (FG-Akte Bl. 88 ff) fortgelten. Abschn. II des Verschmelzungsvertrages legt fest, dass die Mitglieder der ... als Gegenleistung für die Vermögensübertragung Geschäftsanteile an der Klägerin erhalten sollten, die im Wert dem ehemaligen Geschäftsguthaben der einzelnen Mitglieder an der ... entsprachen. Der Verschmelzung wurde die Bilanz der ... zum 31.12.1999 zu Grunde gelegt (Abschn. III des Vertrages). Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Verschmelzungsvertrag verwiesen (FA-Ordner Bl.9 ff). Verschmelzungsstichtag war ebenfalls der 31.12.1999. Die Verschmelzung wurde am 24.10.2000 in das Genossenschaftsregister eingetragen.

Gemäß § 2 der o.g. Satzung kann die Klägerin Bauten in allen Rechts- und Nutzungsformen errichten, erwerben und betreuen. Die Geschäfte sollen nach den Grundsätzen der Wohnungsgemeinnützigkeit geführt werden. Nach § 3 der Satzung können Einzelpersonen, Personengesellschaften des Handelsrechts sowie juristische Personen des privaten und des öffentlichen Rechts die Mitgliedschaft an der Klägerin erwerben. Zu diesem Zweck ist u.a. ein Eintrittsgeld von 20,-- € zu zahlen (§ 5 der Satzung). Weiter sind mindestens 2 Geschäftsanteile zum Nominalwert von 200,-- € zu übernehmen; zusätzliche Anteile können mit Genehmigung des Vorstandes erworben werden (§ 17 der Satzung). Mitglieder können jederzeit aus der Klägerin ausscheiden, indem sie unter Zustimmung des Vorstandes ihr Geschäftsguthaben auf ein anderes Mitglied übertragen (§ 8 der Satzung). Im Übrigen kann ein Mitglied nach § 7 der Satzung seinen Austritt aus der Genossenschaft zum Schluss eines Geschäftsjahres erklären. Gemäß § 12 der Satzung hat mit einem Ausgeschiedenen eine Auseinandersetzung dergestalt zu erfolgen, dass lediglich das Geschäftsguthaben zurückzuzahlen ist, nicht dagegen ein Anteil an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der Genossenschaft. Die erzielten Bilanzgewinne können bis zur Höhe von 4 % der jeweiligen Geschäftsguthaben der Mitglieder an diese ausgeschüttet werden, überschießende Gewinne können in Ergebnisrücklagen eingestellt oder vorgetragen werden (§ 40 der Satzung). Bei Auflösung der Klägerin gemäß § 44 der Satzung ist das die Geschäftsanteile übersteigende Gesamtvermögen „unter Anwendung der Bestimmungen des Genossenschaftsgesetzes“ an die Mitglieder im Verhältnis ihrer Geschäftsguthaben zu verteilen. Wegen der weiteren Regelungen wird auf die Satzung verwiesen (FG-Akte Bl. 88 ff).

Mit unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehendem Bescheid vom 29.1.2001 (FA-Ordner Bl.44) setzte das Finanzamt anlässlich der Verschmelzung Grund-erwerbsteuer i.H.v. 1.639.684,-- DM fest. Der Wert der Gegenleistung für die übertragenen Grundstücke wurde hierbei zunächst anhand der Steuerbilanzwerte zum 31.12.1999 von 46.848.119,-- DM geschätzt.

Die Klägerin legte gegen den Bescheid am 28.2.2001 Einspruch ein (FA-Ordner Bl.66).

Nachdem zwischenzeitlich die Grundbesitzwerte für die Zwecke der Grunderwerbsteuer gemäß § 138 Bewertungsgesetz gesondert festgestellt worden waren, erließ das Finanzamt den Grunderwerbsteueränderungsbescheid vom 27.5.2002, der eine Steuer von 792.847,-- € (1.550.673,-- DM) festsetzte. Als Bemessungsgrundlage diente die Summe der Werte in den Feststellungsbescheiden vom 26.4.2002 (44.305.000,-- DM). Die vom Finanzamt erlassenen Feststellungsbescheide sind nach Rücknahme der zunächst eingelegten Einsprüche bestandskräftig.

Das Finanzamt wies den Einspruch mit Entscheidung vom 26.11.2002 (zur Post am 27.11.2002) als unbegründet zurück.

Mit der nunmehr erhobenen Klage ist die Klägerin der Auffassung, der angefochtene Grunderwerbsteuerbescheid vom 27.5.2002 sei rechtswidrig und verletze sie in ihren Rechten. Die Klage wird im Wesentlichen durch ein Rechtsgutachten der Prozessbevollmächtigten begründet. Hieraus ergibt sich die folgende Rechtsauffassung der Klägerin:

1. Der durch die Verschmelzung bewirkte Eigentumsübergang von der ... auf die Klägerin sei bereits nicht steuerbar i.S. des § 1 Abs.1 Nr.3 Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG). Der Gesetzgeber habe insoweit nur typischerweise Verkehrsvorgänge besteuern wollen, die in besonderer Weise Ausdruck einer steuerlichen Leistungsfähigkeit seien. Deshalb müsse eine teleologische Reduktion der Norm mit dem Ergebnis stattfinden, dass diese entgegen ihrem Wort-laut im Streitfall nicht anwendbar sei. Denn weder die Klägerin noch die ... hätten durch die Verschmelzung ihre steuerliche Leistungsfähigkeit gesteigert. Die Verschmelzung stelle vielmehr einen reinen Organisationsakt ohne Marktberührung dar. Die Vermögensübertragung gegen Gewährung von Mitgliedschaften in Höhe der ehemaligen Geschäftsguthaben der Mitglieder der ... sei wertneutral. Ein bloßer Anteilstausch solle aber nicht grunderwerbsteuerpflichtig sein, wie den §§ 5 Abs.1 und 6 Abs.3 GrEStG zu entnehmen sei.

2. Die vom Finanzamt gemäß §§ 1 Abs.1 Nr.3, 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG vorgenommene Steuerfestsetzung durchbreche systemfremd den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit, der auch – entgegen der Ansicht von Teilen des Schrifttums - bei der Besteuerung der Einkommensverwendung zu beachten sei. Sie verstoße deshalb gegen Art.3 Abs.1 Grundgesetz (GG), der auch die Klägerin als eingetragene Genossenschaft schütze. Die Grunderwerbsteuer sei insoweit eine besondere Einkommensverwendungssteuer, vergleichbar mit der Umsatzsteuer, die an die durch den Grunderwerb indizierte besondere wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erwerbers anknüpfe. Folge-richtig werde regelmäßig der Umfang der Gegenleistung als Bemessungsgrundlage für die Steuerfestsetzung herangezogen.

Bei Umwandlungen (Verschmelzung) schreibe § 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG vor, eine Besteuerung nach den Werten im Sinne des § 138 Abs.3 BewG vorzunehmen. Hierbei werde die Frage außer Acht gelassen, ob überhaupt eine Gegenleistung vorliege und in welcher Höhe. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) zur früheren Rechtslage seien bei Verschmelzungen z.B. auch die von der aufnehmenden Genossenschaft übernommenen Schulden als Gegenleistung anzusetzen gewesen. Nun werde typisierend gemäß § 138 Abs.3 BewG besteuert, was der von Verfassung wegen geforderten Gleichheit der Lastenzuteilung widerspreche. Auch wenn der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstandes einen weiten Gestaltungsspielraum habe, sei dies nicht sachgerecht.

3. Letztlich werde ein Verstoß gegen Art. 3 Abs.1 GG dadurch begründet, dass für die formwechselnde und die übertragende Umwandlung unterschiedliche steuerrechtliche Rechtsfolgen angeordnet seien.

Nach der Rechtsprechung des BFH stelle sogar der Formwechsel einer Kapitalgesellschaft in eine Personengesellschaft und umgekehrt keinen grunderwerb-steuerlichen Vorgang dar. Demgegenüber sei die übertragende Umwandlung zweier Rechtsträger zu besteuern, obwohl beide Konstruktionen wegen ihrer engen Verwandtschaft und vor allem wegen ihrer wirtschaftlichen Gleichartigkeit nicht unterschiedlich zu behandeln seien. Dies gelte trotz der im Umwandlungsgesetz geschaffenen grundlegend unterschiedlichen gesetzlichen Konstruktionen. Denn auch die gefestigte Auffassung in Schrifttum und Rechtsprechung, dass bei der formwechselnden Umwandlung alter und neuer Rechtsträger identisch seien, stelle lediglich ein „hoch angesiedeltes Abstraktum“ dar. Eben so gut sei vorstellbar, dass auch der Formwechsel einen Rechtsträgerwechsel hervorrufe. Dem Gesetzgeber habe es frei gestanden, auch den schlichten Formwechsel im UmwG als Rechtsträgerwechsel auszugestalten. Dies wer-de besonders deutlich, wenn beim Formwechsel aus dem Gesamthandseigentum der Personengesellschaft Einzeleigentum einer Kapitalgesellschaft werde. Umgekehrt könne auch die übertragende Umwandlung als bloßer Formwechsel definiert werden, wenn man davon ausgehe, dass die vereinigungswillige Gesellschaft allein durch entsprechende Gestaltungserklärung ohne Rechtsübertragungsakt in der aufnehmenden Gesellschaft identitätswahrend aufgehe. Beide Umwandlungsformen unterschieden sich so lediglich in der Rechtstechnik. Diese stelle aber keinen tragenden Grund dar, der eine grunderwerbsteuerliche Ungleichbehandlung rechtfertigen könne. Das gelte auch dann, wenn man beachte, dass sich die Umwandlung durch Formwechsel auf eine Vermögensmasse beziehe, die Umwandlung durch Übertragung jedoch auf zwei. Denn die Aufnahme des Vermögens beruhe nicht auf einer besonderen Leistungsfähigkeit des aufnehmenden Rechtsträgers. Es finde keine Wertverschiebung statt, obwohl aus zwei Rechtsträgern ein neuer und größerer Rechts-träger entstehe, ein Ergebnis, das eine wirtschaftliche Vergleichbarkeit des Formwechsels und der Verschmelzung durch Aufnahme allerdings ausschließe.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags wird auf das Gutachten vom April 2003 sowie den Schriftsatz vom 2.2.06 mit Anlagen verwiesen (FG 142ff).

Die Klägerin beantragt,

den Grunderwerbsteuerbescheid vom 29.1.2001 sowie den Änderungsbescheid vom 27.5.2002 in der Fassung der Einspruchsentscheidung vom 27.11.2002 ersatzlos aufzuheben.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es ist unter Hinweisen auf die Ausführungen in der Einspruchsentscheidung der Auffassung, die Festsetzung der Grunderwerbsteuer sei rechtmäßig. Die Grund-erwerbsteuer stelle eine Rechtsverkehrsteuer dar. Sie knüpfe an die freiwillige Vermögensdisposition an, die sich durch den Erwerb von Grundstücken im Inland gegen Hingabe von Geld oder geldwerten Gütern vollziehe. Als Rechtfertigung für die Besteuerung könne typisierend die im Grunderwerb zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit angesehen werden, der Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit sei im Grunderwerbsteuerrecht jedoch nicht normativ bindend. Die Steuer sei in Art. 106 Abs.2 Nr.4 GG verankert und setze keine weitere verfassungsrechtliche Legitimation voraus. Aus den Ausführungen der Klägerin folge so nur ein finanzwissenschaftliches Postulat, das die Anwendung und Auslegung des GrEStG nicht beeinflussen könne. Es sei auch kein Gleichheitsverstoß darin zu erblicken, dass § 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG die Besteuerung von Umwandlungen nach Bundes- oder Landesgesetzen anordne. Der Gesetzgeber habe bei der Auswahl von Besteuerungstatbeständen einen weiten Entscheidungsspielraum. Nur völlig willkürliche Gestaltungen könnten einen Verfassungsverstoß begründen.

Dem Gericht lag zu Steuernummer ein Ordner Grunderwerbsteuerakten sowie ein Prüfungsbericht der ... zum 31.12.1999 vor.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Der durch die Verschmelzung bewirkte Eigentumsübergang an den streitigen Grundstücken ist entgegen der Auffassung der Klägerin steuerbar i.S. des § 1 Abs.1 Nr.3 Satz 1 GrEStG. Nach dieser Vorschrift unterliegt der Übergang des Eigentums an einem inländischen Grundstück (auch) der Grunderwerbsteuer, wenn kein Rechtsgeschäft vorausgegangen ist, das den Anspruch auf Übereignung begründet. In diesem Sinne fand im Streitfall eine Umwandlung der ... auf die Klägerin durch aufnehmende Verschmelzung i.S. der §§ 1 Abs.1 Nr.1, 2 Nr.1 Umwandlungsgesetz 1995 (UmwG) statt. Der Vertrag vom 31.7.2000 zwischen der Klägerin und der ... sah vor, dass letztere ihr Vermögen als Ganzes mit allen Rechten und Pflichten unter Ausschluss einer Abwicklung im Wege der Verschmelzung auf die Klägerin übertrug. Die Klägerin trat als übernehmende Genossenschaft die Rechtsnachfolge der ... an. Die ehemaligen Genossen der ... erhielten Mitgliedschaften an der Klägerin in Höhe ihrer ehemaligen Geschäftsguthaben. Damit ging gemäß § 20 Abs.1 Nr.1 UmwG das Vermögen des übertragenden Rechtsträgers einschließlich der Verbindlichkeiten mit Eintragung der Verschmelzung in das Register des Sitzes des übernehmenden Rechtsträgers kraft Gesetzes auf diesen über.

1.1. Für eine „teleologische Reduktion“ des § 1 Abs.1 Nr.3 Satz 1 GrEStG dahin gehend, dass eine Anwendung dieser Norm bei der im Streitfall vorliegenden Sachgestaltung entgegen ihrem Wortlaut entfällt, besteht kein Anlass.

An dieser Stelle konnte der Theorienstreit in der Methodenlehre, auf welchem Weg zu erreichen ist, dass eine Norm entgegen ihrem Wortlaut nicht angewandt wird (s. Tipke/Kruse, Kommentar zur Abgabenordnung und Finanzgerichtsordnung, § 4 AO Rz. 377 ff, m.w.N.: „Auslegung gegen den Wortlaut“, „abändernde Rechtsfortbildung“), unentschieden bleiben. Jedenfalls setzt das von der Klägerin begehrte Ergebnis hiernach voraus, dass eine Vorschrift Folgen herbeiführt, die bei Erlass des Gesetzes nicht erkannt oder bedacht worden sind, und die, wären sie erkannt oder bedacht worden, vernünftigerweise anders geordnet worden wären. Die wortgetreue Anwendung einer Norm muss zu einem der wirtschaftlichen Vernunft widersprechenden Ergebnis führen, das den Schluss erlaubt, es sei vom Gesetzgeber nicht gewollt worden.

Wenn die Klägerin in diesem Zusammenhang anführt, der Gesetzgeber habe nur solche Verkehrsvorgänge mit Grunderwerbsteuer belegen wollen, die in besonderer Weise Ausdruck einer steuerlichen Leistungsfähigkeit seien, durch die Verschmelzung hätten aber weder die Klägerin noch die ... ihre steuerliche Leistungsfähigkeit gesteigert, vielmehr stelle die Verschmelzung einen reinen Organisationsakt ohne Marktberührung dar, so war dem nicht zu folgen.

Der Gesetzgeber führt zwar, wie von der Klägerin zitiert, zur Begründung des Entwurfs des Grunderwerbsteuergesetzes 1980 (Bundestags-Drucksache 9/251 S.4ff; s.a. 8/2555 S.5ff) an, die Reform des ehemaligen zersplitterten Grunderwerbsteuerrechts solle nicht durch eine Beseitigung der Grunderwerbsteuer als solcher, sondern durch die Beseitigung der mannigfachen Grunderwerbsteuerbefreiungen erfolgen. Es wird weiter auch ausgeführt, die Fortsetzung der Besteuerung des Grunderwerbs sei sachgerecht, weil dieser eine gewisse steuerliche Leistungsfähigkeit offenbare, die den Beleg des Rechtsvorgangs mit einer Verkehrssteuer rechtfertige. Als Kern der Überlegungen (Bundestags-Drucksache 9/251 S.14, 15) wird aber angeführt, dass zur durchgreifenden Vereinfachung des Grunderwerbsteuerrechts der drastische Abbau der Grunderwerbsteuerbefreiungen (u.a. für Wohnungsbau und Siedlungswesen) bei weitest möglicher Senkung des Steuersatzes erforderlich sei. Hier wird die Absicht des Gesetzgebers offenbar, Grunderwerbsvorgänge typisierend mit einem hinnehmbaren (den Grundstücksverkehr nicht wesentlich behindernden) Steuersatz zu belegen. Wegen des beabsichtigten Rückbaus der Steuerbefreiungen sollten gerade keine Einzelfallüberlegungen für die Besteuerung maßgeblich sein. Damit sollte die Besteuerung insbesondere nicht, wie die Klägerin meint, daran anknüpfen, ob ein Erwerbsvorgang im Einzelfall die wirtschaftliche und damit auch die steuerliche Leistungsfähigkeit eines Erwerbenden erhöhen kann. Diese Absicht des Gesetzgebers gilt gleichermaßen für die im Streitfall zur Anwendung kommende spätere Fassung des GrEStG 1997 (vgl. in diesem Zusammenhang auch Fischer in Boruttau, Kommentar zum Grunderwerbsteuergesetz, 15. Auflage, Vorb. Rz. 122, 123: der Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts - Bundestags-Drucksache 14/6882 S.44f. -, wonach u.a. auf Betreiben von Vertretern der Wirtschaft ein Abs.7 zu § 1 GrEStG eingeführt werden sollte, der konzerninterne Umstrukturierungen von der Steuer freistellte, passierte insoweit nicht den Vermittlungsausschuss).

1.2. Im Übrigen ist nicht ersichtlich, worauf die Ansicht der Klägerin zurückzuführen ist, die im Streitfall erfolgte (sowie jede andere) Verschmelzung von Genossenschaften sei kein Anhaltspunkt für die Leistungsfähigkeit des übernehmenden Rechtsträgers. So steht die Ansicht der Klägerin im offensichtlichen Widerspruch zur Präambel des hier vorliegenden Verschmelzungsvertrages, wonach die Fusion der Sicherung und Förderung der sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung durch wirtschaftliche Stärkung der Klägerin unter Aufnahme der ... dienen sollte. Die Klägerin trägt hier selbst vor, die ... habe sich vor der Fusion verlustträchtig als Bauträger betätigt, woraus sich die relativ schwache Eigenkapitalbasis ergeben habe. Die Übernahme des Grundvermögens der ... zu Buchwerten mit der hiermit verbundenen Übernahme stiller Reserven, die Straffung der Verwaltung mit der verbundenen Kostensenkung sowie die Erweiterung ihres Wirkungskreises stellen sich dementsprechend als wirtschaftliche Maßnahmen dar, die auch die Wettbewerbsfähigkeit und steuerliche Leistungsfähigkeit der Klägerin zu steigern versprachen. Ein reiner Formalakt, wie ihn die Klägerin sehen möchte, scheidet damit aus.

2. Die Klägerin kann sich nicht darauf berufen, die Besteuerung des Grunderwerbs nach erfolgter übertragender Umwandlung gemäß §§ 1 Abs.1 Nr.3, 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs.2 oder 3 Bewertungsgesetz (BewG) durchbreche systemfremd den Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit und verstoße deshalb gegen Art.3 Abs.1 GG.

2.1. Zunächst ist die Grunderwerbsteuer als solche nicht verfassungswidrig (Beschluss der 3. Kammer des Ersten Senats des BVerfG vom 8. Januar 1999 1 BvL 14/98, BStBl II 1999, 152). Zwar ist der allgemeine Gleichheitssatz des Art.3 Abs.1 GG verletzt, wenn der Staat eine Gruppe von Normadressaten im Vergleich zu anderen Normadressaten anders behandelt, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen könnten (ständige Rspr. des BVerfG, z.B. Beschluss des Ersten Senats vom 29. Mai 1990 1 BvL 20/84, 1 BvL 26/84, 1 BvL 4/86, BStBl II 1990, 653). Um den Finanzbedarf des Staates zu decken, hat der Gesetzgeber aber einen weiten Gestaltungsspielraum bei der Ausgestaltung von Steuern. Soll eine bestimmte Steuerquelle ausgeschöpft werden, eine andere dagegen nicht, so ist der allgemeine Gleichheitssatz zumindest dann nicht verletzt, wenn finanzpolitische, volkswirtschaftliche, sozialpolitische oder steuertechnische Erwägungen die verschiedene Behandlung motivieren. Dabei genügt es, wenn einer der genannten Gründe die verschiedene Behandlung trägt. Der Gesetzgeber ist bei seiner Vorgehensweise allein durch das Willkürverbot beschränkt. Hier können sogar rein finanzielle Erwägungen einen sachgerechten Differenzierungsgrund darstellen.

Der Gesetzgeber konnte sich so zur Deckung seines Finanzbedarfs für eine Steuer entscheiden, die wie die GrESt an schlichte Verkehrsvorgänge (Wechsel des Eigentums an Grundstücken) anknüpft. Dies geschah zudem bereits in vorkonstitutioneller Zeit, die Entscheidung wurde vom Grundgesetz rezipiert (anfangs Art. 105 Abs.2 Nr.1 GG, nunmehr unter der Sammelbezeichnung „Verkehrssteuern“ in Art. 106 Abs.2 Nr.4 GG), was bereits für sich gesehen eine Verfassungswidrigkeit der Grunderwerbsteuer als solcher ausschließt (Fischer in Boruttau a.a.O., Vorb. Rz. 115 m.w.N.).

2.2. Die Grunderwerbsteuer unterliegt nicht, wie die Klägerin meint, dem Gebot einer Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Die Klägerin kann hieraus deshalb schon dem Ansatz nach nichts für die Begründetheit der Klage herleiten.

Aus dem allgemeinen Gleichheitssatz nach Art.3 Abs.1 GG wird zwar für die Besteuerung nach dem Einkommen und nach dem Vermögen geschlossen, diese sei an der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Steuerpflichtigen auszurichten (vgl. Druen in Tipke/Kruse, Kommentar zur AO und FGO, § 3 AO, Rz. 50, 50a m.w.N.). Dies gilt allerdings u.a. nicht für die Grunderwerbsteuer als Verkehrssteuer (BVerfG 1 BvL 14/98 a.a.O.; vgl. BFH-Urteil vom 26. Juni 1984 VI R 60/83, BFHE 141, 369; Druen a.a.O.; Fischer a.a.O.).

Selbst unterstellt, es sei vertretbar, die Besteuerung des Grunderwerbs werde (auch) durch die (vom Gesetzgeber vermutete) wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Erwerbenden gerechtfertigt (Hinweis der Klägerin auf Bundestags-Drucksache 9/251 S.4ff und 8/2555 S.5ff), könnte sich hieraus keine Verfassungswidrigkeit der Besteuerung nach §§ 1 Abs.1 Nr.3, 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs.2 oder 3 BewG ergeben. Denn der Gesetzgeber ist nach den obigen Ausführungen unter 2.1. nicht zur reinen Verwirklichung des Prinzips der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit verpflichtet. Er kann auch Verkehrsvorgänge besteuern, die keine besondere Leistungsfähigkeit des Steuerpflichtigen voraussetzen. Damit ist er auch berechtigt, den Grunderwerb nach erfolgter übertragender Umwandlung i.S. des § 2 Nr.1 UmwG zu besteuern, selbst wenn die Klägerin meint, dieser Tatbestand knüpfe nicht an eine steuerliche Leistungsfähigkeit an. Dies gilt schon deshalb, weil die durch das Jahressteuergesetz 1997 vom 20.12.1996 (BGBL I 1995, 2049) zum 1.1.1997 neu eingeführte Vorschrift des § 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG in erster Linie einer Vereinfachung des Gesetzesvollzugs diente. In Umwandlungsfällen mit den häufig verbundenen Übergängen von Sachgesamtheiten sollte nämlich die oft schwierige Ermittlung einer Gegenleistung i.S. des § 8 Abs.1 GrEStG vermieden werden (Viskorf in Boruttau, Kommentar zum GrEStG, 15. Auflage, § 8 Rz. 61). Hierin liegt jedenfalls ein ausreichender Differenzierungsgrund, der eine Willkür des Gesetzgebers i.S. der bereits erfolgten Darlegungen ausschließt.

2.3. Soweit aus dem Vortrag der Klägerin entnommen werden kann, die Regelung der §§ 1 Abs.1 Nr.3, 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG i.V.m. § 138 Abs.2 oder 3 BewG sei deshalb verfassungswidrig, weil der Gesetzgeber von vornherein auf die Feststellung einer Gegenleistung im Sinne realistischer Verkehrswerte der betroffenen Grundstücke verzichtet habe (s.a. Viskorf in Boruttau a.a.O. § 8 Rz. 15 unter Äußerung verfassungsrechtlichen Bedenken), gilt unter Hinweis auf 2.2. wieder die Vereinfachung der Steuererhebung als ausreichender Differenzierungsgrund i.S. des Art. 3 Abs.1 GG.

Im Übrigen kann sich die Klägerin in diesem Zusammenhang nicht auf eine Verletzung des Gleichheitssatzes berufen. Denn die Grundrechte sollen in erster Linie die Freiheitssphäre des Einzelnen schützen und Eingriffe der staatlichen Gewalt in den Schutzbereich des Grundrechts abwehren (Schmidt-Bleibtreu-Klein, Kommentar zum GG, 9. Auflage, Vorb. v. Art.1 Rz. 2c). Hier beruft sich die Klägerin auf die Verfassungswidrigkeit einer sie in der behaupteten Ungleichbehandlung begünstigenden Norm. Denn die als zutreffend angesehene Besteuerung nach § 8 Abs.1 GrEStG erfordert die Ermittlung des tatsächlichen Werts der Gegenleistung, also im Regelfall des Verkehrswerts, und stellt so eine noch eingreifendere Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer dar, als dies bei Anwendung des geltenden Rechts der Fall wäre.

3. Art.3 Abs.1 GG ist nicht deshalb verletzt, weil der Eigentumswechsel an Grundstücken im Rahmen einer übertragenden Umwandlung mit Grunderwerbsteuer belegt wird, nicht dagegen im Rahmen einer formwechselnden Umwandlung.

§ 1 Abs.1 Nr.4 UmwG sieht neben der von der Klägerin und der ... gewählten Umwandlung durch (übertragende) Verschmelzung nach § 1 Abs.1 Nr.1 UmwG auch die Umwandlung durch bloßen Formwechsel vor. Der Gesetzgeber hat den Formwechsel als einen identitätswahrenden Umwandlungsvorgang gekennzeichnet. Anders als bei der Verschmelzung wird hier kein Vermögen von einem Rechtsträger auf einen anderen übertragen, es ändert sich lediglich die Rechtsform des Rechtsträgers. Selbst bei der sogenannten rechtsformwechselnden Umwandlung wird wegen der Identität des Rechtsträgers auch dann kein die Grunderwerbsteuer auslösender Eigentumsübergang angenommen (im Gegensatz zur Rechtslage vor Einführung des UmwG 1995: Heckschen in Widmann/Mayer, Kommentar zum Umwandlungsrecht Bd.2, § 1 UmwG Rz. 381), wenn hierbei z.B. Grundstücke aus dem Gesamthandseigentum von Personengesellschaftern in das Alleineigentum einer Kapitalgesellschaft übergehen (vgl. BFH-Beschluss vom 4. Dezember 1996 II B 116/96, BStBl II 1997, 661).

Entgegen der Auffassung der Klägerin bestehen gleichwohl keine verfassungsrechtlichen Bedenken im Hinblick darauf, dass Eigentumsänderungen an Grundstücken bei der übertragenden Verschmelzung gemäß § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegen. Denn die Grunderwerbsteuer erfasst grundsätzlich alle Änderungen der eigentumsmäßigen Zuordnung von inländischen Grundstücken, die mit einem Rechtsträgerwechsel verbunden sind. Dies ist, wie bereits dargelegt, systemgerecht. Ausgehend von der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Belastungsentscheidung des Steuergesetzgebers knüpft die Grunderwerbsteuer notwendigerweise an die zivilrechtlichen Gegebenheiten an. Diese wurden zum einen wiederum durch den Gesetzgeber dahingehend festgelegt, dass eine Verschmelzung von Genossenschaften durch Vermögensübertragung i.S. der §§ 1 Abs.1 Nr.1, 2 Nr.1 UmwG stattfinden kann. Zum anderen wurde diese Gestaltungsmöglichkeit durch die Klägerin gewählt. Damit rechtfertigt der zivilrechtliche Unterschied beider Umwandlungsarten das unterschiedliche steuerliche Ergebnis. Die Regelung des § 1 Abs.1 Nr.3 GrEStG steht daher nicht in Widerspruch zu Art. 3 Abs.1 GG.

Auch die in § 1 Abs.1 Nr.1, 2 Nr.1 UmwG vorgenommene zivilrechtliche Differenzierung verstößt nicht gegen Art.3 Abs.1 GG. Denn die Frage, wie Änderungen der Unternehmensform zivilrechtlich auszugestalten sind, ist vom Gesetzgeber, wie oben dargelegt, nach Zweckmäßigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden. Die Klägerin trägt in diesem Zusammenhang zwar zutreffend vor, der Gesetzgeber hätte sich auch anders entscheiden können, z.B. indem er die formübergreifende Umwandlung ebenfalls als übertragenden Verschmelzung angesehen hätte. Gleichwohl ist Art.3 Abs.1 GG erst dann verletzt, wenn der Gesetzgeber eine völlig willkürlich erscheinende Gestaltung gewählt hätte (s. insgesamt BFH-Beschlüsse vom 26. Januar 2000 II B 108/98, BFH/NV 2000, 1136, vom 20. Dezember 2000 II B 53/00, BFH/NV 2001, 817, und vom 19. August 2004 II B 60/03, BFH/NV 2005, 69). Eine solche ist hier nicht erkennbar. Wollen zwei Genossenschaften vielmehr ihre Unternehmen vereinigen, so ist es naheliegend und keineswegs willkürlich, wenn der Gesetzgeber für die Erreichung dieses Zieles anordnet, dass die eine Genossenschaft ihr gesamtes Vermögen nebst Verbindlichkeiten auf die andere zu übertragen hat.

4. Soweit sich die Klägerin schließlich zur Begründung der Klage auf die von Fischer (Boruttau a.a.O., Vorb. Rz.118 ff) geäußerten verfassungsrechtlichen Bedenken beruft, waren diese im Streitfall nicht einschlägig.

Dort wird die Frage nach der Sachgerechtigkeit der Besteuerung von Rechtsträgerwechseln ohne Gegenleistung sowie einer sachgerechten Bemessungsgrundlage gestellt, nachdem mit dem Jahressteuergesetz 1997 die Grundbesitzwerte „hochgeschleust“ (§ 138 BewG) und der Steuersatz mit 3,5% „nahezu verdoppelt“ worden sei. Als Beispielsfall werden konzerninterne Umstrukturierungsmaßnahmen angeführt, wobei die Frage aufgeworfen wird, ob ein Konzern nicht als einheitlicher Rechtsträger i.S. der Grunderwerbsteuer anzusehen sei, weil die Sachherrschaft bei der Konzernspitze liege und bei Umstrukturierungen von Tochtergesellschaften nicht wechsele.

Die im Streitfall vorliegende Umwandlung durch übertragende Verschmelzung erfolgte jedoch mit Gegenleistung. Schon der Gesetzgeber differenziert in diesem Sinne zwischen Umwandlungen auf Grund eines Landes- oder Bundesgesetzes (§ 8 Abs.2 Nr.1 GrEStG) sowie Erwerbsvorgängen ohne Gegenleistung (§ 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG). Auch nach der ständigen Rechtsprechung des BFH schließt der Umstand, dass sich aus dem Übergang des Eigentums mit der Eintragung der Umwandlung in das Register selbst keine Gegenleistung ergibt, das Vorhandensein einer Gegenleistung nicht aus. Diese ist vielmehr einem ersetzenden Rechtsakt zu entnehmen, nämlich dem Umwandlungsvertrag (hier z.B. die Übernahme von Schulden der ... zum 31.12.1999 von ca. 40 Mio. DM). Damit bemisst sich die Steuer über § 8 Abs.2 Nr.2 GrEStG nicht wegen des Fehlens einer Gegenleistung nach den Werten des § 138 Abs. 2,3 BewG, sondern trotz des Vorliegens einer solchen (Viskorf in Boruttau a.a.O., § 8 Rz. 44).

Die Klage war nach alledem mit der Kostenfolge aus § 135 Abs.1 FGO abzuweisen.

Die Revision wird gemäß § 115 Abs.2 Nr.1 FGO zugelassen.

Die Entscheidung erging in Absprache mit den Beteiligten wegen der ausschließlich zu beurteilenden Rechtsfragen gemäß § 90a Abs.1 FGO durch Gerichtsbescheid.