FG Kassel, Urteil vom 13.12.2005 - 3 K 3562/03
Fundstelle
openJur 2012, 26992
  • Rkr:
Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob Aufwendungen, die der Kläger zu 1. aus Anlass der Beerdigung seines Schwiegervaters getragen hat, als außergewöhnliche Belastungen steuermindernd berücksichtigt werden können. Dem Rechtsstreit liegt im Wesentlichen folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Kläger wurden vom Beklagten (dem Finanzamt) für das Streitjahr 2002 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Bei den steuerpflichtigen Einkünften handelte es sich im Wesentlichen um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, die der Kläger zu 1. als ... bezogen hatte (Bruttoarbeitslohn in Höhe von xxx.xxx €). Die Klägerin zu 2. hatte lediglich Einkünfte aus einer geringfügigen Beschäftigung bezogen.

In ihrer Einkommensteuererklärung für das Streitjahr machten die Kläger bei den außergewöhnlichen Belastungen u. a. einen Betrag von x.xxx € abzüglich einer Erstattung in Höhe von x.xxx € geltend. Die betreffenden Aufwendungen waren dem Kläger zu 1. im Zusammenhang mit dem Tod seines Schwiegervaters bzw. des Vaters der Klägerin zu 2. entstanden. Im Einzelnen ging es um Folgendes:

Der Vater der Klägerin zu 2. war am ... 2002 verstorben. Er war beerbt worden von seiner Ehefrau zu einem Einhalb-Anteil und den beiden gemeinsamen Töchtern, der Klägerin zu 2. und deren Schwester, zu je einem Viertel-Anteil (gesetzliche Erbfolge). Zum Nachlass gehörte eine Eigentumswohnung, die die Eltern der Klägerin zu 2. im Jahr 1982 gemeinsam erworben hatten und die die Mutter nach dem Tod des Vaters weiter für sich nutzte. Nach dem Tod ihres Ehemannes erhielt die Mutter der Klägerin zu 2. von der ... einmalig ein Sterbegeld in Höhe von x.xxx € sowie monatlich eine Witwenrente in Höhe von x.xxx €. Sonstige Vermögensgegenstände waren zum Todeszeitpunkt nicht vorhanden.

Der Kläger zu 1. erteilte im eigenen Namen den Auftrag für die Dienstleistungen, die im Zusammenhang mit der Beerdigung seines Schwiegervaters angefallen waren. Er beglich auch die entsprechenden Rechnungen aus eigenen Mitteln. Rückgriffsansprüche gegenüber den Erben seines Schwiegervaters machte er nicht geltend.

Das Finanzamt ließ die geltend gemachten Beerdigungskosten bei den außer- gewöhnlichen Belastungen unberücksichtigt. Zur Begründung führte es aus: Die Aufwendungen seien durch den Nachlass gedeckt bzw. es liege keine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 des Einkommensteuergesetzes (EStG) vor (Bescheid vom 05.06.2003).

Mit seinem hiergegen gerichteten Einspruch machten die Kläger zunächst geltend:

Der Kläger zu 1. sei aus sittlichen Gründen verpflichtet gewesen, die Kosten für die Beerdigung seines Schwiegervaters zu übernehmen. Die Erben hätten über keine nennenswerten Einkünfte verfügt. Zudem sei es seiner Schwiegermutter nicht zuzumuten gewesen, die bisher gemeinsame genutzte Eigentumswohnung zu verkaufen.

Später erweiterten die Kläger ihr Rechtschutzbegehren um einen weiteren Punkt. Das Finanzamt setzte die Steuer insoweit geringfügig herab. Wegen der Beerdigungskosten wies es den Einspruch jedoch als unbegründet zurück. Zur Begründung führte es u. a. aus: Es handele sich hier um Aufwendungen, die aus dem Nachlass gedeckt werden könnten. Daran ändere sich auch nichts durch die Tatsache, dass der Nachlass (hier: der Einhalb-Anteil an der Eigentumswohnung) nur schwer zu verwerten sei (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Nürnberg vom 26.04.1968 III 121/67, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 1968, 410). Die Entscheidung der Kläger, der Mutter bzw. Schwiegermutter weiterhin die Eigentumswohnung zur Nutzung zu überlassen, sei ein nicht einkünfterelevantes Verfügen über den Erbteil. Im Übrigen bestünde weiterhin die Möglichkeit, im Rahmen einer Erbauseinandersetzung einen Rückgriffsanspruch geltend zu machen (Hinweis auf das Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 06.08.1998 VI 148/98, juris). Der Einwand, ein Rückgriff sei aus wirtschaftlichen und sittlichen Gründen nicht möglich, sei nicht entscheidungserheblich (Einspruchsentscheidung vom 08.08.2003).

Mit der Klage verfolgen die Kläger ihr Rechtsschutzbegehren weiter. Hierzu tragen sie im Wesentlichen Folgendes vor: Der Kläger zu 1. habe als Nichterbe gegenüber seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2., sowie gegenüber seiner Schwägerin und seiner Schwiegermutter die sittliche Verpflichtung gehabt, die Beerdigungskosten zu übernehmen. Die Merkmale, die nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für das Vorliegen einer sittlichen Verpflichtung im Sinne des § 33 EStG gefordert würden, seien aufgrund der Besonderheiten des Streitfalles gegeben gewesen. Entgegen der Auffassung des Finanzamts sei es nicht möglich gewesen, die Beerdigungskosten aus dem Nachlass zu bestreiten. Dieser sei „faktisch“ bedürftig gewesen. Insofern sei die rechtliche Durchsetzbarkeit von irgendwelchen Rückgriffsansprüchen nicht gegeben gewesen. Anders als in dem Fall, über den das Finanzgericht Nürnberg entschieden habe, sei hier die Verwertbarkeit des Nachlasses nicht nur erschwert, sondern ganz ausgeschlossen gewesen. Auch sei der Streitfall nicht mit dem Sachverhalt zu vergleichen, der dem Urteil des Finanzgerichts Hamburg zugrunde gelegen habe. Dort habe einer von mehreren Erben die Bezahlung der Beerdigungskosten übernommen, ohne einen entsprechenden Rückgriffsanspruch gegenüber seinen Miterben geltend zu machen. Der Kläger zu 1. sei jedoch nicht Erbe gewesen.

Die Kläger haben zunächst den Betrag von x.xxx,xx € (x.xxx,xx € abzgl. x.xxx,xx €) steuermindernd geltend gemacht. Später haben sie diesen Betrag um ein Viertel gemindert mit dem Hinweis, gegenüber der Schwester der Klägerin zu 2. habe keine sittliche Verpflichtung zur Übernahme der Beerdigungskosten bestanden.

Die Kläger beantragen nunmehr,

den Einkommensteuerbescheid vom 05.06.2003 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 08.08.2003 in der Weise zu ändern, dass bei den außergewöhnlichen Belastungen weitere Aufwendungen in Höhe von x.xxx,xx € berücksichtigt werden.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist es auf seine Ausführungen in der Einspruchsentscheidung.

Die den Streitfall betreffenden Akten waren Gegenstand des Verfahrens.

Gründe

Die Klage ist unbegründet.

1. Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, Aufwendungen, die der Kläger zu 1. anlässlich der Beerdigung seines Schwiegervaters getragen hat, als außer- gewöhnliche Belastungen zu berücksichtigen.

Erwachsen einem Steuerpflichtigen zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse und gleichen Familienstands (außergewöhnliche Belastung), so wird nach § 33 EStG auf Antrag die Steuer dadurch ermäßigt, dass ein bestimmter Teil der Aufwendungen vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen wird.

Nach der früheren Rechtsprechung des BFH konnten Aufwendungen dann nicht als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden, wenn der Steuerpflichtige für die Aufwendungen einen Gegenwert oder einen bestimmten - nicht nur vorübergehenden - Vorteil erhielt (sog. Gegenwertstheorie). Diese Auffassung hat der BFH inzwischen zwar aufgegeben. Das bedeutet aber nicht, dass der Gedanke des Vorteilsausgleichs bei der Auslegung des Begriffs „Aufwendungen“ im Sinne des § 33 EStG ganz zu vernachlässigen wäre. Nur dann, wenn bei dem Steuerpflichtigen durch die betreffenden Aufwendungen endgültig Vermögenswerte abgeflossen sind, liegt eine entsprechende Belastung vor. Es muss sich um einen verlorenen Aufwand handeln. Hieran fehlt es, wenn das Tätigen von Aufwendungen lediglich zu einer Vermögensumschichtung geführt hat (vgl. BFH-Urteil vom 06.05.1994 III R 27/92, Bundessteuerblatt Teil II - BStBl II - 1995, 104; Schmidt/Drenseck, Einkommensteuergesetz, 24. Aufl,. § 33 Rdnr. 7 ff.).

Für den Fall, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Versterben eines Angehörigen angefallen sind, gilt im Grundsatz nichts anderes. Solche Aufwendungen betreffen grundsätzlich die Vermögenssphäre. Sie sind daher als außergewöhnliche Belastungen nur insoweit zu berücksichtigen, als sie nicht aus dem Nachlass bestritten werden können oder durch Ersatzleistungen gedeckt sind (vgl. Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuergesetz/Körperschaftsteuergesetz, § 33 EStG Anm. 141 m. w. N.). Dabei kommt es nicht darauf an, in welcher Weise die den Nachlass bildenden Vermögensgegenstände verwertet werden können. Insofern führt auch eine erschwerte Verwertbarkeit des Nachlasses nicht dazu, dass Todesfallkosten, die den Wert des Nachlasses nicht übersteigen, als außergewöhnliche Belastungen berücksichtigt werden können (vgl. Urteil des Finanzgerichts Nürnberg in EFG 1968, 410).

Nach dem (bereits zitierten) Urteil des Finanzgerichts Hamburg liegt auch insoweit keine außergewöhnliche Belastung vor, als ein Miterbe über seinen Erbanteil hinaus die Beerdigungskosten allein getragen hat. Denn alle Erben haften nach §§ 1967, 1968 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) als Gesamtschuldner für die Nachlassverbindlichkeiten und somit für die Beerdigungskosten. Dem Miterben, der die Verbindlichkeit allein erfüllt, steht im Rahmen des Gesamtschuldverhältnisses nach § 426 BGB ein Rückgriffsrecht gegen die übrigen Miterben zu.

Das erkennende Gericht sieht keinen Grund, für den Streitfall von den vorstehenden Grundsätzen abzuweichen. Dabei hält es die Sachverhalte, die den vorgenannten Finanzgerichtsurteilen (Finanzgericht Nürnberg und Finanzgericht Hamburg) zugrunde lagen, mit dem hier vorliegenden Sachverhalt dem steuerrechtlichen Grundgedanken nach für durchaus vergleichbar.

Dies gilt - entgegen der Auffassung der Kläger - insbesondere für das Urteil des Finanzgerichts Hamburg. Zwar hat der Kläger zu 1. nicht - wie im Urteilsfall - als Erbe die Bezahlung der Beerdigungskosten übernommen. Er kann insofern keinen im Erbrecht begründeten Ersatzanspruch geltend machen.

Gleichwohl steht ihm ein Ersatzanspruch zu, und zwar nach den Grundsätzen des allgemeinen Schuldrechts, möglicherweise aufgrund Geschäftsführung ohne Auftrag (§§ 677 ff. BGB). Denn zivilrechtlich hat er mit der Übernahme der Kosten für die Beerdigung seines Schwiegervaters nicht eine eigene Verpflichtung, sondern eine Verpflichtung der Erben („Geschäft“ im Sinne des § 677 BGB) erfüllt. In wirtschaftlicher und damit auch in steuerrechtlicher Hinsicht macht es jedenfalls keinen Unterschied, ob der (durch die Übernahme der Beerdigungskosten entstandene) Ersatzanspruch im allgemeinen Schuldrecht oder im Erbrecht begründet ist.

Nach dem Rechtsgedanken, der sich aus dem Urteil des Finanzgerichts Nürnberg ergibt, muss sich der Kläger zu 1. das Bestehen eines Ersatzanspruchs entgegenhalten lassen ungeachtet der Tatsache, dass dessen Durchsetzbarkeit für eine gewisse Zeit praktisch nicht gegeben ist. In dem genannten Urteilsfall geht es um die erschwerte Verwertbarkeit von Nachlassgegenständen. Im Streitfall geht es darum, dass ein auf den Nachlass bezogener Ersatzanspruch - aus praktischen Gründen - vorübergehend nicht zu verwirklichen ist. Beide Sachverhalte sind in wirtschaftlicher wie steuerrechtlicher Hinsicht miteinander vergleichbar. In beiden Fällen ist jeweils die Vermögenssphäre betroffen.

Nach den Gesamtumständen des Streitfalles besteht kein Grund für die Annahme, für den Kläger zu 1. sei die Durchsetzbarkeit seines Ersatzanspruches. auf Dauer ausgeschlossen. Nach seinem Vorbringen sieht der Kläger zu 1. sich gegenüber seiner Schwiegermutter an einem Rückgriff gehindert, weil diese nur im geringen Umfang über eigene Einkünfte verfügt und insofern auf die Weiternutzung der (teilweise zum Nachlass gehörenden) Wohnung angewiesen ist. Das geltend gemachte Hindernis wird aber zu einem späteren Zeitpunkt mit Sicherheit entfallen. Spätestens dann, wenn die Wohnung - in irgendeiner Form - verwertet werden sollte, wird der Kläger zu 1. die Gelegenheit haben, seinen Ersatzanspruch durchzusetzen.

Nach alledem hat der Kläger zu 1. dadurch, dass er für die Beerdigung seines Schwiegervaters die entsprechenden Kosten übernommen hat, keinen verlorenen Aufwand im Sinne der oben dargestellten Grundsätze getätigt. Die betreffenden Vermögenswerte sind bei ihm nicht endgültig abgeflossen. Dies gilt auch im Verhältnis zwischen dem Kläger zu 1. und seiner Ehefrau, der Klägerin zu 2. Denn die Verwertung des Nachlasses wird ihm - wirtschaftlich gesehen - in jedem Fall zu gute kommen, entweder im Rahmen der ehelichen Gemeinschaft oder aufgrund des oben dargestellten Ersatzanspruchs.

2. Auf den Einwand, der Kläger zu 1. sei aus sittlichen Gründen verpflichtet gewesen, die durch die Beerdigung seines Schwiegervaters angefallenen Kosten zu übernehmen, kommt es nicht an.

Wie sich aus dem Gesetzeswortlaut ergibt, betreffen die Frage, ob „Aufwendungen“ vorliegen, und die Frage, ob solche Aufwendungen dem Steuerpflichtigen „zwangsläufig“ erwachsen sind, unterschiedliche Tatbestandsmerkmale. Bei den Erwägungen, die in dem vorstehenden Abschnitt 1 abgehandelt worden sind, geht es um das Merkmal der Aufwendungen. Der hier geltend gemachte Einwand (sittliche Verpflichtung) betrifft das Merkmal der Zwangsläufigkeit. Da beide Tatbestandsmerkmale (kumulativ) vorliegen müssen, braucht das zweite (Zwangsläufigkeit) nicht mehr geprüft zu werden, wenn das erste (Aufwendungen) nicht erfüllt ist.

An dem vorstehenden Ergebnis würde sich auch nichts ändern, wenn man davon ausginge, der Kläger zu 1. habe auf die Durchsetzung seines Ersatzanspruchs - aus sittlichen Gründen - verzichtet. Denn nach der dargelegten Rechtsprechung kommt es nur auf das Vorhandensein eines verwertbaren Nachlasses an. Die Frage, ob der Steuerpflichtige bewusst darauf verzichtet hat, den Nachlass wegen seiner Aufwendungen in Anspruch zu nehmen, ist demgegenüber nicht entscheidungserheblich.

Nach alledem bracht das Gericht auf die Gründe, die den Kläger zu 1. veranlasst haben, die hier streitigen Beerdigungskosten zu übernehmen, nicht einzugehen. Dass diese Gründe - gerade angesichts der Einkunftsverhältnisse des Klägers zu 1. - durchaus anzuerkennen sind, steht dabei nicht in Frage.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 135 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO).

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