FG Kassel, Beschluss vom 16.09.2005 - 6 V 2616/05
Fundstelle
openJur 2012, 26653
  • Rkr:
Tatbestand

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Die Antragstellerin begehrt die Aussetzung der Vollziehung des Umsatzsteuerbescheides 2001 vom 08.04.2005 insoweit, als der Antragsgegner (das Finanzamt - FA - ) darin den Vorsteuerabzug aus Rechnungen der Firma A über 44.314,54 DM versagt hat.

Die Antragstellerin ist ein Familienunternehmen, das sich Teilleistungen von diversen Subunternehmern erbringen lässt. Im Streitjahr arbeitete die Antragstellerin u.a. mit der Subunternehmerfirma A zusammen. Diese stellte der Antragstellerin insgesamt 321.280,00 DM brutto in Rechnung:

Re.dat. u. -nr.LeistungsgegenstandUmsatzsteuer/DM24.01.2001, 001/01 GLFenster Montagearbeiten laut Verabredung1.775,1828.01.2001 ,001/01HOMontagearbeiten und Lieferung der Stahlelemente6.256,5627.02.2001, 001/01FEGlasarbeiten in der Dachfläche und Rahmenlieferung4.863,4506.03.2001, 001/01GLDemontage und Montagearbeiten 11.120,68 DM1.779,3229.09.2001, 001/01MAVerglasungsarbeiten und Lieferung Elemente montiert4.766,9012.04.2001, 001/01RMFenster Montagearbeiten laut Verabredung8.131,0402.09.2001, 001/01DALieferung4.914,4929.09.2001, 002/01DALieferung5.475,8702.10.2001, 001/01DAFenster Montagearbeiten3.200,0028.10.2001, 001/01FFMFenster Montagearbeiten und Innenwandmontage3.151,73SUMME44.314,54Nachdem die Antragstellerin die ihr in Rechnung gestellte Umsatzsteuer im Streitjahr als Vorsteuer geltend gemacht hatte, versagte das FA im Anschluss an eine Betriebsprüfung den Vorsteuerabzug, weil die A bestritten habe, für die Antragstellerin tätig gewesen zu sein, Verträge über die anzufertigenden Arbeiten nicht vorlägen und die vorliegenden Rechnungen keine oder keine ausreichenden Leistungsbezeichnungen über den Ort und die Art der Leistung, die gelieferten Waren sowie den Zeitpunkt der Arbeiten enthielten.

Gegen den Änderungsbescheid vom 08.04.2005 legte die Antragstellerin Einspruch ein und beantragte die Aussetzung der Vollziehung, die das FA am 28.07.2005 ablehnte. Mit ihrem bei Gericht gestellten Aussetzungsantrag begehrt die Antragstellerin den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der A und trägt dazu vor:

Das FA gehe zu Unrecht davon aus, dass es sich bei der A um eine Scheinfirma handele. Vor Beginn der Zusammenarbeit habe sie sich einen Handelsregisterauszug von der A besorgt, um sich über deren Seriosität zu informieren. Nachdem sie festgestellt habe, dass die Gesellschaft im Handelsregister eingetragen sei, habe sie keinerlei Anhaltspunkte mehr für Zweifel gehabt. Die von der A in Rechnung gestellten Beträge seien ausweislich der als Kopie beigefügten Quittungen auch beglichen worden. In die Entscheidung über den Aussetzungsantrag sei auch mit einzubeziehen, dass die Nichtgewährung der Aussetzung die existenzielle Vernichtung der Antragstellerin und ihrer Gesellschafter zur Folge habe.

Gründe

Der Antrag ist unbegründet.

Gemäß § 69 Abs. 3 i.V.m. Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) kann das Gericht der Hauptsache die Vollziehung eines angefochtenen Steuerbescheides auf Antrag aussetzen, wenn ernstliche Zweifel an seiner Rechtmäßigkeit bestehen oder wenn seine Vollziehung für den Betroffenen eine unbillige und nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte. Die Rechtmäßigkeit eines Steuerbescheides ist ernstlich zweifelhaft, wenn die Prüfung der Sach- und Rechtslage auf Grund der präsenten Beweismittel, der gerichtsbekannten Tatsachen und des unstreitigen Sachverhaltes in entscheidungserheblicher Weise zu Unsicherheiten in der Beurteilung der Rechtslage oder zu Unklarheiten in der Beurteilung von Tatfragen führt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 17. Mai 1978 I R 50/77, BFHE 125, 423, BStBl II 1978, 579; Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 3. Aufl., § 69 Anm. 76 ff. m.w.N.). Eine unbillige Härte ist i.S. des § 69 Abs. 2 FGO anzunehmen, wenn dem Steuerpflichtigen durch die Vollziehung des angefochtenen Bescheides wirtschaftliche Nachteile drohen, die über die eigentliche Steuerzahlung hinausgehen und die nicht oder nur schwer wieder gutzumachen sind (vgl. BFH-Beschluss vom 24. November 1988 IV S 1/86, BFH/NV 1990, 295). Derartige Aussetzungsgründe sind im Streitfall nicht zu erkennen.

1. Nach der im summarischen Verfahren gebotenen summarischen Prüfung bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Umsatzsteuerbescheides 2001. Das FA hat den Vorsteuerabzug aus den Rechnungen der A zu Recht versagt.

Nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG kann der Unternehmer die in Rechnungen im Sinne des § 14 UStG gesondert ausgewiesene Steuer für sonstige Leistungen als Vorsteuerbeträge abziehen. Dabei wird vorausgesetzt, dass die Abrechnungspapiere den Leistungsgegenstand bezeichnen. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesfinanzhofes dient das Abrechnungspapier (Rechnung oder Gutschrift) für den Vorsteuerabzug als Belegnachweis. Insoweit ist die Abrechnung die vorrangige Nachweismöglichkeit für den Bezug einer steuerbaren und steuerpflichtigen Leistung, die dem Leistungsempfänger den Vorsteuerabzug eröffnet. Das Abrechnungspapier muss daher Angaben tatsächlicher Art enthalten, welche die Identifizierung der abgerechneten Leistung ermöglichen. Der Aufwand zur Identifizierung der Leistung muss dahingehend begrenzt sein, dass die Rechnungsangaben eine eindeutige und leicht nachprüfbare Feststellung der Leistung ermöglichen, über die abgerechnet worden ist. Dadurch soll insbesondere eine mehrfache Abrechnung der damit verbundenen Leistungen (in einer anderen Rechnung) ausgeschlossen werden. Was zur Erfüllung dieser Voraussetzungen erforderlich ist, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls (vgl. BFH-Beschluss vom 14.10.2002 V B 9/02, BFH/NV 2003, 213; vom 22.12.2002 V B 53/02, BFH/NV 2003, 522; vom 18.05.2000 V B 178/99, BFH/NV 2000, 1504f sowie BFH-Urteile vom 24. September 1987 V R 50/85, BFHE 153, 65, BStBl II 1988, 688; vom 24. September 1987 V R 125/86, BFHE 153, 77, BStBl II 1988, 694; vom 10. November 1994 V R 45/93, BFHE 176, 472, BStBl II 1995, 395; vom 1. August 1996 V R 9/96, BFH/NV 1997, 381; vom 12. Dezember 1996 V R 16/96, BFH/NV 1997, 717; BFH-Beschluss vom 9. November 1998 V B 55/98, BFH/NV 1999, 683, jeweils m.w.N.). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat der BFH eine Fakturierung mit der Angabe "Für Bauarbeiten berechnen wir Ihnen laut Vertrag und nach gemeinsamem Aufmaß" in seinem Urteil vom 10.11.1994 V R 45/93 (BStBl II 1995, 395) nicht als ausreichende Leistungsbeschreibung genügen lassen, weil diesen Abrechnungen nicht einmal ansatzweise zu entnehmen war, wann und wo die abgerechneten Arbeiten ausgeführt worden sind und um welche Art von Bauarbeiten es sich dabei handelte. So liegen die Verhältnisse auch im Streitfall:

Die vorliegenden Rechnungen weisen als Leistungsbeschreibung lediglich "Montagearbeiten laut Verabredung", "Glasarbeiten in der Dachfläche", "Demontage und Montagearbeiten", "Fenster Montagearbeiten" sowie "Verglasungsarbeiten" auf, sodass bereits ungewiss bleibt, ob ein bestimmter Leistungserfolg oder nur eine bestimmte Leistungshandlung (Glasarbeiten, Verglasungsarbeiten) erbracht wurde. Hinzu kommt, dass in keiner der Rechnungen erwähnt wird, wann die abgerechneten Leistungen ausgeführt wurden und darüber hinaus auch der Leistungsort ungewiss bleibt: in sechs der zehn Rechnungen ist der Leistungsort nicht einmal ansatzweise, in den übrigen vier Rechnungen lediglich durch Nennung der Stadt und damit - wegen fehlender Angaben zur Straße, Hausnummer und Auftraggeber - unzureichend bezeichnet. Die Angaben sind insgesamt derart lückenhaft, dass sie einer Überprüfung in keiner Weise zugänglich sind und damit eine mehrfache Abrechnung der erbrachten Leistungen in einer anderen Rechnung nicht ausgeschlossen wird. Soweit in den Rechnungen auch über Lieferungen abgerechnet wird, sind diese nicht nach Menge und handelsüblicher Bezeichnung, sondern lediglich pauschal mit "Stahlelementen", "Rahmenlieferung", "Lieferung Elementen", "Dichtung Lieferung" bezeichnet, sodass auch eine Identifizierung des Gegenstands der Lieferung nicht leicht und einwandfrei möglich ist. Die Antragstellerin hat die fehlenden Angaben zwar in ihrer Antragsschrift vom 12.09.2005 zum Teil nachgeholt. Dadurch wird die fehlende bzw. unzulängliche Leistungsbeschreibung in den streitgegenständlichen Rechnungen aber nicht geheilt. Die erforderliche Konkretisierung der Leistung kann auch durch andere Unterlagen erfolgen, auf diese muss jedoch - woran es im Streitfall fehlt - in der Rechnung konkret Bezug genommen worden sein (vgl. BFH-Beschluss vom 29.11.2002 V B 119/02, BFH/NV 2003, 518).

2. Eine Aussetzung der Vollziehung kann auch nicht im Hinblick auf eine "unbillige Härte" gewährt werden.

a) Die Antragstellerin hat insoweit lediglich vorgetragen, dass die Nichtgewährung der Aussetzung ihre existenzielle Vernichtung zur Folge habe, diesen Vortrag aber in keiner Weise substantiiert, geschweige denn glaubhaft gemacht.

b) Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass auch eine Aussetzung der Vollziehung wegen Unbilligkeit nicht völlig unabhängig von den Erfolgsaussichten des Verfahrens in der Hauptsache ist. Eine Aussetzung ist daher nur vertretbar, wenn gewisse Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen VA bestehen. Sind indessen - wie im Streitfall - Zweifel so gut wie ausgeschlossen, hat also der Rechtsbehelf in der Hauptsache keine Aussicht auf Erfolg, ist eine Aussetzung der Vollziehung wegen unbilliger Härte nicht zulässig (BFH-Beschluss vom 19.04.1968, BStBl II 1968, 538).

Der Antrag war daher insgesamt abzulehnen.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 135 Abs. 1 FGO.