Hessisches LSG, Urteil vom 27.04.2005 - L 6/7 KA 610/03
Fundstelle
openJur 2012, 26135
  • Rkr:
Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten werden das Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 26. März 2003 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Der Kläger hat die außergerichtlichen Kosten der Beklagten für beide Instanzen zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Es geht in dem Rechtsstreit um die sachlich-rechnerische Berichtigung von Leistungen nach Nr. 40 Einheitlicher Bewertungsmaßstab (EBM) bei der jeweiligen Rückfahrt des Klägers vom Rettungsdiensteinsatz.

Der Kläger ist Anästhesist und als Notarzt tätig (alter Landkreis W.).

Mit Honorarbescheid vom 25. März 1998 (betreffend das Quartal III/97) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Netto-Honorar für dieses Quartal DM 3.413,57 betrage.

Mit separatem Bescheid vom 26. Januar 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass die EBM Nr. 40 habe korrigiert werden müssen. Die Beklagte vertrete zur Berechnungsfähigkeit dieser Leistung im Rettungsdienst die Auffassung, dass diese Leistung nur gemäß den Vorgaben der Leistungslegende berechnungsfähig sei.

Hiergegen hat der Kläger am 30. Januar 1998 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 zurückgewiesen hat. Mit Honorarbescheid vom 23. Juni 1998 (betreffend das Quartal IV/97) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Netto-Honorar für dieses Quartal DM 2.192,50 betrage.

Mit separatem Bescheid vom 8. Juni 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass in 4 Fällen die EBM Nr. 40 abgesetzt worden sei. Die Beklagte vertrete zur Berechnungsfähigkeit dieser Leistung im Rettungsdienst die Auffassung, dass diese Leistung nur gemäß den Vorgaben der Leistungslegende berechnungsfähig sei.

Hiergegen hat der Kläger am 15. Juni 1998 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 zurückgewiesen hat.

Mit Honorarbescheid vom 3. August 1998 (betreffend das Quartal I/98) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Netto-Honorar für dieses Quartal DM 3.126,66 betrage.

Mit separatem Bescheid vom 29. Juli 1998 hatte die Beklagte dem Kläger mitgeteilt, dass in 13 Fällen die EBM Nr. 40 abgesetzt worden sei. Die Beklagte vertrete zur Berechnungsfähigkeit dieser Leistung im Rettungsdienst die Auffassung, dass diese Leistung nur gemäß den Vorgaben der Leistungslegende berechnungsfähig sei, nicht jedoch für die Rückfahrt nach erfolgter Transportbegleitung.

Hiergegen hat der Kläger am 3. August 1998 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 zurückgewiesen hat.

Mit Honorarbescheid vom 28. Oktober 1998 (betreffend das Quartal II/98) teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass sein Netto-Honorar für dieses Quartal DM 2.384,24 betrage.

Mit separatem Bescheid vom selben Tag teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass in 8 Fällen die EBM Nr. 40 abgesetzt worden sei. Die Beklagte vertrete zur Berechnungsfähigkeit dieser Leistung im Rettungsdienst die Auffassung, dass diese Leistung nur gemäß den Vorgaben der Leistungslegende berechnungsfähig sei, nicht jedoch für die Rückfahrt nach erfolgter Transportbegleitung.

Hiergegen hat der Kläger am 2. November 1998 Widerspruch eingelegt, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 25. Oktober 1999 zurückgewiesen hat.

Gegen sämtliche vier Widerspruchsbescheide hat der Kläger am 9. November 1997 Klage erhoben und vorgetragen, er sei als Notarzt im Altkreis W. tätig. Nachts und am Wochenende erhalte er eine Bereitschaftsdienstpauschale, um von zu Hause aus ein Notarzteinsatzfahrzeug bei Bedarf sofort zu besetzen und zum Patienten zu fahren. Zusätzlich zum ärztlichen Notdienst versorge er Patienten mit eher lebensbedrohlichen Erkrankungen und begleite diese fast immer in das weiter versorgende Krankenhaus. Im Altkreis werde ein Gebiet von ca. 30 km Durchmesser betreut. Zentral liege das Krankenhaus W-Stadt. Viele Patienten würden auch in K. Kliniken gebracht. Dadurch entstünden nach der Hinfahrt, der Erstversorgung des Patienten und der Begleitung in das Krankenhaus weitere Zeiten durch die Rückfahrt zum Ausgangsort (Privatwohnung) von mindestens 25 Minuten, meistens 45 bis 55 Minuten. Für diese Zeit habe er schon immer die Nr. 40 EBM beantragt, was erst seit Januar 1998 überraschend zu Problemen geführt habe. Noch 1994 habe der Geschäftsausschuss die Auffassung vertreten, dass zur Verweilzeit auch die Zeit gehöre, die der Arzt zur Rückfahrt benötige. Bei ihm sei die Konstellation gegeben, dass er regelhaft eine Transportbegleitung durchführen müsse. Da einige Bezirksstellen die Nr. 40 EBM in vergleichbaren Fällen vergüteten, sei der Gleichheitssatz verletzt. Die Wege in die geeigneten Krankenhäuser i.d.R. in K-Stadt dauerten relativ lange (ca. 30 Minuten), diese Leistungen seien durch die Ziffer für Begleitung und die kontinuierlichen Überwachungs- und Behandlungsmaßnahmen abgegolten. Nach der Übergabe erfolge die Rückkehr, die meist über eine halbe Stunde betrage. In dieser Zeit könne er keinerlei private oder berufliche Tätigkeit ausüben. Dafür sei die Ziffer 40 ausdrücklich auch gedacht.

Der Kläger hat ein Schreiben der Bezirksstelle der Beklagten vom 19. Mai 1994 vorgelegt.

Die Beklagte hat u. a. vorgetragen, u. U. komme die Abrechnung einer Verweilgebühr bei einer Transportbegleitung eines Patienten im Transportfahrzeug, im Krankenwagen oder ähnlichem in Betracht. Voraussetzung sei jedoch in jedem Fall die Anwesenheit beim Patienten. Nicht in Betracht komme deshalb die Abrechnung der Ziffer 40 für die Rückfahrt von einer Transportbegleitung, einem Hausbesuch oder ähnlichem. Diese Tätigkeit sei mit der Abrechnung anderer Ziffern aus dem Bereich der Besuchsleistungen/Wegepauschalen als abgegolten anzusehen.

Mit Urteil vom 26. März 2003 hat das Sozialgericht Frankfurt am Main die angefochtenen Bescheide aufgehoben, soweit es um die Berichtigung der Nr. 40 EBM gegangen sei und die Beklagte verurteilt, insoweit einen Vergütungsanspruch anzuerkennen.

In der Begründung hat es ausgeführt, dem Grunde nach stehe dem Kläger gegen die Beklagte ein Vergütungsanspruch zu. Seit 1. Juli 1997 sei Anknüpfungspunkt hierfür § 3 Abs. 2 des Hessischen Rettungsdienstgesetzes (HRDG) vom 24. November 1998 (GVBl. I S. 499). Bei einer Gesamtschau der EBM Nrn. 33 und 40 ergebe sich, dass die Begleitung eines Patienten auf dem Transport ins Krankenhaus nur nach der Nr. 33 abgerechnet werden könne, auch wenn der Arzt dem Rettungswagen folge und Telefon- oder Funkkontakt bestehe. Eine Verweilgebühr für die Transportzeit selbst sei nicht berechnungsfähig. Dauere die Begleitung im Sinne der Nr. 33 EBM aber länger als eine halbe Stunde, so werde der zusätzliche Zeitverlust nach der Nr. 40 EBM vergütet. Entscheidend sei nach der Leistungslegende der Nr. 40 EBM nicht die Begleitung eines Patienten, sondern das Fehlen der Erbringung berechnungsfähiger Leistungen. Dann sei es aber nur konsequent, dass als gesamte Verweildauer die Summe der Zeitabschnitte berechnungsfähig sei, in denen – über eine halbe Stunde Verweilzeit hinaus – keine berechnungsfähigen Leistungen erbracht würden. Zur gesamten Verweilzeit gehöre damit auch die Zeit der Rückfahrt des Arztes, auch wenn er zu seinem Wohnort zurückfahre.

Gegen das am 1. Juli 2003 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 8. Juli 2003 Berufung eingelegt.

Die Beklagte trägt vor, schon aus dem Begriff des Verweilens ergebe sich, dass damit das ärztliche untätige Zusammensein des Arztes mit dem Kranken zu verstehen sei. Das untätige Verweilen an einem anderen Ort (z.B. bei Pausen) habe keinen Bezug mehr zu dem Patienten. Es sei nicht einleuchtend, dass ein Arzt, der ohne jeden Patientenkontakt für eine gewisse Zeitspanne auswärts weile, eine Vergütung erhalten solle. Es sei auch nicht die Aufgabe der Gerichte, mit punktuellen Entscheidungen zu einzelnen Leistungen in ein umfassendes Tarifgefüge einzugreifen. Die Rückfahrt von einem Einsatzort werde auch nicht wegen der Erkrankung dieses Patienten erforderlich, sondern um für einen neuen Patienten verfügbar zu sein.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 26. März 2003 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, das angefochtene Urteil sei sorgfältig erarbeitet, logisch und konsequent. Durch die Erkrankung des Patienten werde auch der Zeitaufwand durch die anschließende Rückfahrt verursacht, weshalb ein Vergütungsanspruch entstehe. Das zu einem anderen Ergebnis kommende Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 12. März 2003 (S 29/KA 3659/00) gehe auf die Kommentare und die Problematik nicht ein. Es könne deshalb nicht überzeugen.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Der turnusgemäß zur Sitzung eingeteilte ehrenamtliche Richter Dr. Sch., dessen Amtszeit am 23. Januar 2005 abgelaufen war, teilte vor Beginn der Sitzung mit, dass seine Zulassung als Vertragsarzt am 31. März 2004 geendet hatte. Durch anschließenden Telefonanruf im Hessischen Justizministerium und dort erfolgende Ermittlungen konnte in Erfahrung gebracht werden, dass zunächst die Wiederberufungen der ehrenamtlichen Richter betrieben und abgeschlossen worden seien, deren Amtszeiten im Jahr 2004 geendet hätten. Die Wiederberufung der ehrenamtlichen Richter mit Amtsablauf im Jahr 2005 werde derzeit nicht betrieben.

Der Senat hat sodann nach Anhörung der Beteiligten ohne den betroffenen ehrenamtlichen Richter über die Ordnungsmäßigkeit der Besetzung des Gerichts beraten und folgenden Beschluss verkündet:

Es wird festgestellt, dass der Senat mit dem ehrenamtlichen Richter Dr. Sch. nicht ordnungsgemäß besetzt ist.

Gründe

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, § 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Abs. 1 SGG liegen nicht vor.

Der Senat konnte auch in Abwesenheit des Klägers im Termin am 27. April 2005 verhandeln und entscheiden, da der Kläger rechtzeitig und ordnungsgemäß zum Termin geladen und dabei darauf hingewiesen worden war, dass auch im Falle seiner Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne. Soweit in der Ladung auch auf die Möglichkeit einer Entscheidung nach Aktenlage hingewiesen wurde, kam eine solche nach § 126 SGG nicht in Betracht, da die Beklagte im Termin vertreten war, jedoch keinen Antrag auf Entscheidung nach Aktenlage gestellt hat.

Bei dem vorliegend zu entscheidenden Streitgegenstand der sachlich-rechnerischen Berichtigung entscheidet der Senat in der sich aus §§ 33, 12 Abs. 3 Satz 2 SGG ergebenden Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus dem Kreis der Vertragsärzte und Psychotherapeuten.

Der Senat ist mit der ehrenamtlichen Richterin Dr. W und dem ehrenamtlichen Richter Dr. Dr. S, der turnusmäßig nach Dr. Sch. herangezogen wurde, ordnungsgemäß besetzt.

Dabei hatte der Senat gemäß Artikel 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Prüfung der ordnungsgemäßen Besetzung bei den hier aufgetretenen Zweifeln in eigener Zuständigkeit und ohne Mitwirkung des Richters, dessen Berechtigung zur Mitwirkung zweifelhaft erscheint, zu prüfen und darüber durch Beschluss zu entscheiden (vgl. Beschluss HLSG 22.7.1985 – L-6/Ar-477/84 = NJW 1985, 2358, BVerfG 3.12.1975 – 2 BvL 7/74 = BVerfGE 40, 356, BVerfG 5.10.1977 2 BvL 10/75 = BverfGE 46, 35, Peters-Sautter-Wolff, SGG, 4. Aufl., 77. Lieferung, § 12 RdNr. 11). Daran ändert nichts, dass die durch den zuständigen Spruchkörper (bei dem HLSG der 2. Senat) zu treffende Entscheidung über die Amtsenthebung eines ehrenamtlichen Richters, bei dem die Voraussetzung für das Richteramt (hier die Zulassung als Vertragsarzt gemäß § 12 Abs. 3 S. 2 SGG) nach der Berufung zum ehrenamtlichen Richter entfallen ist, konstitutive Wirkung hat (vgl. BSG 18.8.1992 – 1 S 8/92 = SozR 3-1500 § 22 Nr. 1). Denn jeder Spruchkörper hat in eigener Zuständigkeit zu gewährleisten, dass niemand seinem gesetzlichen Richter entzogen wird (Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG). Dies gilt umso mehr bei solchen Fallgestaltungen, bei denen erst kurz vor Sitzungsbeginn der bereits länger zurückliegende Wegfall einer Voraussetzung für das Richteramt bekannt wird und die (auch im vorliegenden Fall später erfolgte) Einschaltung des für die Amtsentbindung zuständigen Senats zu einer Vertagung aller zu diesem Sitzungstag geladenen Rechtsstreitigkeiten führen würde mit dem Effekt, dass bei dem nächstmöglichen Termin zur mündlichen Verhandlung der Senat in anderer Besetzung (mit den dann turnusgemäß zuständigen ehrenamtlichen Richtern) verhandeln würde und damit faktisch die Mitwirkung des ehrenamtlichen Richters, dessen Mitwirkung zweifelhaft ist, verhindert würde.

Mit dem ehrenamtlichen Richter Dr. Sch. wäre der erkennende Senat nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen. Zwar bleiben nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGG die ehrenamtlichen Richter nach Ablauf ihrer Amtszeit im Amt, bis ihre Nachfolger berufen sind, jedoch kann dies nicht bedeuten, dass damit eine unbegrenzte Fortdauer des Amtes oder eine Fortdauer auf unabsehbare Zeit vom Gesetz gebilligt wird. Bei zeitlich unbegrenzter Fortdauer des Amtes des ehrenamtlichen Richters läge ein Verstoß gegen die in Art. 97 GG geschützte richterliche Unabhängigkeit vor (so HLSG 14.11.1990 – L-6/Ar-1686/90 – unveröffentlicht – unter Hinweis auf SaarlVerfGH 19.5.1987 – Lv 3/86 = NJW 1987, 3247). Dabei ist eine absolute zeitliche Grenze schwer vorstellbar, da es bei längerem Zeitablauf gute Gründe für eine auch längere Verzögerung der Berufung eines Nachfolgers geben kann und umgekehrt bei einer relativ kurzen Verzögerung – wie hier mit etwa drei Monaten – ein Tatbestand vorliegen kann, der eine Fortdauer des Amtes unter keinen Gesichtspunkten als noch annehmbar erscheinen lässt. Bei verfassungskonformer Auslegung der Vorschrift des § 13 Abs. 2 S. 1 SGG ist deshalb darauf abzustellen, dass die Fortdauer des Amtes nur solange in Betracht kommt, als sachgerechte und billigenswerte Gründe die Berufung eines Nachfolgers verhindern (vgl. BVerfG 10.7.1990 – 1 BvR 985/87 = BVerfGE 82, 286, SaarlVerfGH s. o., HLSG 14.11.1990 s. o.). Solche Gründe vermochte der erkennende Senat aus der telefonischen Auskunft des Hessischen Justizministeriums am 27. April 2005 nicht zu erkennen. Die Mitteilung, dass die Wiederberufung der ehrenamtlichen Richter mit Amtsablauf im Jahr 2005 derzeit nicht betrieben werde, kann nicht als sachgerecht und billigenswert angesehen werden. Mit der derzeitigen Untätigkeit des Hessischen Justizministeriums ist hinsichtlich des ehrenamtlichen Richters Dr. Sch. eine ordnungsgemäße Besetzung des erkennenden Senates gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 SGG nicht vereinbar.

Die Berufung ist auch begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichtes Frankfurt am Main vom 26. März 2003 ist rechtsfehlerhaft und war deshalb aufzuheben. Die Klage war abzuweisen. Die streitbefangenen Bescheide in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 25. Oktober 1999 haben in Übereinstimmung mit den Regelungen des EBM (1996) die vom Kläger geltend gemachten Honoraransprüche hinsichtlich der Nr. 40 EBM zutreffend sachlich-rechnerisch berichtigt. Der Honoraranspruch des Klägers beruht dem Grunde nach auf Leitzahl (LZ) 102 des Honorarverteilungsmaßstabes der Beklagten (HVM - in der ab 1. Juli 1997 geltenden Fassung). Danach haben Anspruch auf Teilnahme an der Honorarverteilung außerdem in Notfällen in Anspruch genommene Nichtvertragsärzte. Damit kann der Kläger gegenüber der Beklagten die Honorierung der von ihm in Notfällen an Versicherte der gesetzlichen Krankenversicherung erbrachten Leistungen verlangen. Der erkennende Senat sieht darin eine landesrechtliche Regelung im Sinne der Rechtsprechung des BSG für die Zeit ab dem Quartal III/97 (vgl. Urteil BSG 5.2.2003 – B 6 KA 11/02 = SozR 4-2500 § 75 Nr. 1).

Soweit das Sozialgericht auf § 3 Abs. 2 Hessisches Rettungsdienstgesetz 1998 (HRDG) als Rechtsgrundlage des Honoraranspruches des Klägers verweist, trifft dies für den vorliegenden Fall schon deshalb nicht zu, da dieses Gesetz vom 28.11.1998 datiert (GVBl. 499) und gemäß § 29 Abs. 2 erst am 1. März 1999 in Kraft getreten ist, die streitbefangenen Quartale (III/97 bis II/98), in denen der Vergütungsanspruch des Klägers entstanden ist, jedoch früher liegen.

Die vom Kläger begehrte und vom Sozialgericht bestätigte Abrechnung der Nr. 40 EBM neben der von der Beklagten anerkannten Nr. 33 EBM (Transportbegleitung) befindet sich nicht in Übereinstimmung mit den Bestimmungen des EBM. Bei der Auslegung der vertragsärztlichen Gebührenordnung ist in erster Linie vom Wortlaut auszugehen, da es in erster Linie dem Bewertungsausschuss obliegt, Unklarheiten zu beseitigen. Punktuelle Eingriffe der Rechtsprechung widersprächen der Grundlage dieses vertraglichen Regelwerkes, das dem Austausch der unterschiedlichen Interessen zwischen Ärzten und Krankenkassen dient (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. 12.12.2001 – B 6 KA 88/00 R = SozR 3-5533 Nr. 443 Nr. 1). Die Grenzen des dem Bewertungsausschuss zustehenden Gestaltungsspielraumes mit einer Möglichkeit des Eingreifens der Gerichte sind erst dann verletzt, wenn der Regelungsspielraum überschritten oder die Bewertungskompetenz missbräuchlich ausgeübt wurde (vgl. BSG 12.12.2001 s. o.). Dies kann im vorliegenden Fall hinsichtlich der beanstandeten Leistung nach Nr. 40 EBM (auch nicht in Zusammenschau mit der Leistung nach Nr. 33 EBM) nicht festgestellt werden.

Nach Nr. 40 EBM lautet die zu honorierende Leistung:

Verweilen, ohne Erbringung berechnungsfähiger Leistungen, wegen der Erkrankung erforderlich, je vollendete halbe Stunde - 900 Punkte Die Leistung nach Nr. 40 ist im Zusammenhang mit der Durchführung von Leistungen in der Praxis nicht berechnungsfähig.

Demgegenüber lautet die Nr. 33 EBM:

Begleitung eines Patienten durch den behandelnden Arzt beim Transport zur unmittelbar notwendigen stationären Behandlung, ggf. einschl. organisatorischer Vorbereitung der Krankenhausaufnahme – 600 Punkte.

Dabei ist durchaus zweifelhaft, ob die Leistung nach Nr. 33 EBM auch dann erbracht ist, wenn der Arzt – wie im vorliegenden Fall – nicht den Patienten unmittelbar begleitet und dessen Gesundheitszustand kontrollieren kann, sondern in seinem eigenen Fahrzeug hinter dem Rettungsfahrzeug fährt, auch wenn er mit der Besatzung des Rettungsfahrzeuges in Funkkontakt steht, bzw. über Funk im Notfall erreichbar wäre. Darüber hatte der Senat jedoch nicht zu entscheiden, da die Beklagte die vom Kläger nach Nr. 33 EBM geltend gemachten Leistungen honoriert hat.

Soweit das Sozialgericht die Nrn. 33 und 40 EBM dermaßen im Zusammenhang sieht, wonach die Transportbegleitung nach Nr. 33 EBM eine Begleit- (bzw. Verweil-)zeit bis zu einer halben Stunde abdecken solle, bei einer darüber hinausgehenden Dauer (Zeit ohne die Möglichkeit zur Erbringung ärztlicher Leistungen auch bei der Rückfahrt des Klägers nach Ablieferung des Notfallpatienten im Krankenhaus) zusätzlich die Nr. 40 EBM abgerechnet werden könne (vgl. Kölner Kommentar zum EBM Stand 1.10.2003 Nr. 33, S. 198), übersieht es zum einen, dass bei der Transportbegleitung nach Nr. 33 EBM keine zeitliche Grenze besteht, die Leistung also nur einmal abgerechnet werden kann, auch wenn ein erheblicher Zeitaufwand damit verbunden ist (vgl. hierzu bereits BSG 26.4.1978 – 6 RKa 11/77 = BSGE 46, 140 hinsichtlich Infusionen bei Säuglingen und Kleinkindern mit einem ca. dreimal so hohen Zeitaufwand wie bei Erwachsenen). Zum anderen stünden der vom Sozialgericht vorgenommenen Nebeneinanderabrechnung der Nrn. 33 und 40 die Allgemeinen Bestimmungen des EBM (A I. 1.) entgegen, wonach eine Leistung dann nicht neben oder anstelle einer anderen Leistung berechnungsfähig ist, wenn sie Teil des Leistungsinhaltes einer anderen berechnungsfähigen Leistung oder eines Leistungskomplexes ist. Würde aber schon die Hinterherfahrt hinter dem Notfallfahrzeug bis zum Krankenhaus sowohl als Transportbegleitung nach Nr. 33 EBM als auch als Verweilen nach Nr. 40 EBM interpretiert, bestünde eine Überschneidung im Sinne der allgemeinen Regeln des A I. 1. EBM, wodurch eine Nebeneinanderabrechnung ausgeschlossen würde.

Soweit nach A I. 1. EBM bei Ausschluss der Nebeneinanderberechnung von Leistungen die jeweils höher bewertete Leistung berechnet werden kann, führt dies nach Auffassung des erkennenden Senates jedoch nicht zu einem teilweisen Obsiegen des Klägers dergestalt, dass er statt der honorierten Nr. 33 EBM (600 Punkte) jeweils die höher bewertete Nr. 40 EBM (900 Punkte) zugestanden bekommen müsste. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen eines Verweilens des Klägers bei dem jeweiligen Notfallpatienten im Sinne der Nr. 40 EBM liegen weder bei der Fahrt hinter dem Krankentransportfahrzeug (bis zum Krankenhaus) noch bei der Rückfahrt (nach Ablieferung des Notfallpatienten im Krankenhaus) zum Ausgangsort des Notfalleinsatzes (Wohnung oder Arbeitsplatz) vor. Ein Verweilen als Aufhalten an einem bestimmten Ort oder bei einer bestimmten Person kann im Zusammenhang mit dem Gebührentatbestand der Nr. 40 EBM nur in Bezug auf einen behandlungsbedürftigen Versicherten ausgelöst werden, es wird also ein Verweilen beim Patienten vorausgesetzt, das wegen der Erkrankung erforderlich ist (vgl. Kölner Kommentar, Nr. 40 EBM S. 198). Entsprechend der Ausschlussregelung „Die Leistung nach Nr. 40 ist im Zusammenhang mit der Durchführung von Leistungen in der Praxis nicht berechnungsfähig“ wird nur das Verweilen an einem anderen Ort als der Praxis honoriert. Nur wenn und soweit das Verweilen bei einem Patienten außerhalb der Praxis aus gesundheitlichen Gründen des Patienten erforderlich ist und der Arzt in dieser Zeit keine sonstigen abrechnungsfähigen Leistungen erbringen kann, erfolgt für die Zeit der erzwungenen Untätigkeit eine besondere Honorierung, aber auch nur dann, wenn die Untätigkeit mindestens eine halbe Stunde andauert. Der Grund des erforderlichen Verweilens kann sich begrifflich nur aus der besonderen Situation des Kranken ergeben, der einer ärztlichen Überwachung bedarf, damit z.B. bei einer nahe liegenden Verschlechterung, einer zu erwartenden kritischen Entwicklung, des Abwartens der Wirkung eines Medikamentes oder eines vergleichbaren Ereignisses ein sofortiges Eingreifen des Arztes möglich ist. Bei der Fahrt des Arztes hinter einem Krankentransportwagen kann schon begrifflich nicht von einem Verweilen beim Patienten gesprochen werden. Auch der Hinweis auf den Funkkontakt mit der Besatzung des Krankentransportwagens und die Möglichkeit des jederzeitigen Eingreifens des Klägers lässt außer Acht, dass bei der Entstehung einer kritischen Situation des Notfallpatienten zunächst die Besatzung des Krankentransportwagens eine kritische Situation erkennen muss, diese mit ihren Mitteln nicht selbst beherrschen kann, den hinterherfahrenden Kläger davon verständigen muss, beide Fahrzeuge zum Stillstand gebracht werden müssen und der Kläger aus seinem Fahrzeug aussteigen und in den Krankentransportwagen einsteigen muss, um alsdann in eigener Verantwortung zunächst zu prüfen, ob sein weiteres Eingreifen erforderlich ist. Diese vielen Zwischenschritte vor einem erneuten Eingreifen des Klägers zeigen, dass der den Honoraranspruch der Nr. 40 EBM auslösende Tatbestand eines „Verweilens“ beim Patienten mit ständiger Überwachung durch den Arzt und dessen sofortiger Eingreifmöglichkeit bei einer Hinterherfahrt jedenfalls nicht vollständig erfüllt und damit nicht im Sinne der Nr. 40 EBM abrechenbar ist.

Es brauchte deshalb auch nicht der vom Sozialgericht aufgeworfenen Fallgestaltung nachgegangen zu werden, ob es denn überhaupt Fahrten nach Abschluss der Notfallbehandlung bis zum Krankenhaus in den vom Kläger abgerechneten Fällen gegeben hat, die mindestens eine halbe Stunde gedauert haben unter Berücksichtigung der Entfernungen und der bei Verwendung von Sondersignalen (Blaulicht und Sirene) üblichen starken Verkürzung der Fahrzeiten.

Für die Rückfahrt des Klägers vom Krankenhaus (nach Ablieferung des Notfallpatienten) zur Wohnung oder zur Arbeitsstelle kann ein „Verweilen“ beim Patienten im Sinne der Nr. 40 EBM unter keinen rechtlichen Gesichtspunkten vorliegen. Denn spätestens zu diesem Zeitpunkt war für den Kläger die Behandlung des Notfallpatienten abgeschlossen (wenn nicht sogar bei Beginn der Hinterherfahrt hinter dem Rettungswagen) und er entfernte sich anschließend zunehmend von diesem. Die Verantwortung für den Patienten war auf die Ärzte des Krankenhauses übergegangen und der Kläger befand sich auf dem Rückweg von einem Notfalleinsatz, für dessen Hinfahrt er ebenfalls nicht die Nr. 40 EBM beanspruchen konnte.

Ob dem Kläger für die Fahrten die Pauschalen der Nrn. 7234 bis 7239 EBM in Verbindung mit LZ 401 HVM wenigstens teilweise (bei Wegfall eigener Fahrtkosten bei Stellung des Notarzteinsatzfahrzeuges) zu zahlen wären, da diese neben einer Kostenerstattung auch eine zeitliche Komponente enthalten, wie den bis zu 100 % (Entfernungsbereich bis 2 km) höheren Pauschalen bei Einsätzen bei Nacht (20 bis 8 Uhr) zu entnehmen ist, ist nicht Gegenstand des Rechtsstreites und mag von der Beklagten gesondert geprüft werden. Entsprechende Honorarforderungen oder Erstattungen nach den Nrn. 7234 bis 7239 EBM lassen sich den Honorarabrechnungen des Klägers jedenfalls nicht entnehmen und sind auch nicht Gegenstand dieses Rechtsstreites.

In dem Ausschluss der Nr. 40 EBM für die Rückfahrt nach dem Notfalleinsatz liegt auch keine willkürliche Benachteiligung des im Notfalldienst tätigen Arztes gegenüber dem behandelnden Arzt; der Ausschluss beruht auch nicht auf sachfremden Erwägungen, weshalb auch eine ausnahmsweise zulässige Korrektur des Bewertungsmaßstabes durch die Gerichte im vorliegenden Fall nach Auffassung des erkennenden Senates zu unterbleiben hat (vgl. BSG 12.12.2001 s. o.). Denn auch der behandelnde Vertragsarzt kann bei Hausbesuchen, die er - auch zur Unzeit (Nr. 5 EBM – 300 Punkte) und/oder unverzüglich nach der Bestellung ausführt (Nr. 26 EBM – 600 Punkte) – durchführt, für die Rückfahrt zu seiner Praxis oder Wohnung keine Leistung nach Nr. 40 EBM abrechnen. Die pauschale Abgeltung des Aufwandes für das Zurücklegen von Wegstrecken bei Besuchen wird nach Nrn. 7234 bis 7239 EBM vielmehr nach Entfernungsbereichen gestaffelt (bis 2 km, 2 bis 5 km, mehr als 5 km) und für Besuche in der Nacht (zwischen 20 und 8 Uhr) um bis zu 100 % (bis 2 km) erhöht. Ein Grund für eine Besserstellung des Nicht-Vertragsarztes ist insoweit nicht erkennbar.

Es brauchte aus den oben genannten Gründen deshalb nicht geprüft zu werden, ob der Kläger in allen von ihm abgerechneten Fällen mindestens eine halbe Stunde benötigt hat, um vom Krankenhaus zu seiner Wohnung (oder gegebenenfalls seinem Arbeitsplatz) zurückzukehren, obwohl es zumindest in verkehrsschwachen Zeiten zweifelhaft erscheint, dass der Kläger ab der Einlieferung eines Patienten in eine K. Klinik bis zur Rückkehr in seiner Wohnung (im Januar 1998 noch K-Straße in K-Stadt, im Juni 1998 A-Stadt) Fahrzeiten von mindestens einer halben Stunde benötigt hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision hat der erkennende Senat auch unter Berücksichtigung der im Wesentlichen gleichlautenden Formulierung der streitbefangenen Leistung in Nr. 01440 EBM (Stand 1.4.2005) zugelassen, da er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung zumisst, § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.

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