OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 16.02.2005 - 23 U 52/04
Fundstelle
openJur 2012, 25883
  • Rkr:
Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das am 4.2.2004 verkündete Urteil der 7. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wie folgt abgeändert:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 21.802,27 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2002 zu zahlen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die weitergehende Berufung wird zurückgewiesen.

Von den Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte 98 % und der Kläger 2 % zu tragen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Parteien dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die jeweils andere Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil, die keiner Änderung bedürfen, wird zunächst gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen.

Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass sich die vom Kläger mit der Ablösung der bestehenden Verbindlichkeiten beauftragte ... ... Bank eG mit Schreiben vom 27.8.2002 an die Beklagte (dort eingegangen am 29.8.2002) gewandt und ihr den Auftrag zur Ablösung mit der Bitte um Bekanntgabe der Ablösebeträge übermittelt hat (Bl. 56 d.A.). Im Anschluss daran richtete die Beklagte ein Schreiben an den Kläger unter dem Datum vom 13.9.2002, mit dem sie den Eingang der „Kündigung“ für das Darlehenskonto ... bestätigte und die Zahlung eines Vorfälligkeitsentgeltes verlangte (Bl. 58 d.A.). Ferner wurde der Kläger aufgefordert, sein Einverständnis hiermit auf der beigefügten Briefdurchschrift zu bestätigen, was jedoch unstreitig nicht erfolgt ist.

Gegen das ihm am 11.2.2004 zugestellte Urteil des Landgerichts hat der Kläger am 9.3.2004 fristgerecht Berufung eingelegt und diese am 8.4.2004 innerhalb der Berufungsbegründungsfrist begründet.

Mit der Berufung greift der Kläger das klageabweisende Urteil des Landgerichts an und stellt insbesondere darauf ab, dass die vorzeitige Ablösung des vorgenannten Darlehensvertrages zum 30.9.2002 alleine von der Beklagten veranlasst und daher nur auf ihr Betreiben hin geschehen sei. Die Aufhebung sei danach im alleinigen Interesse der Beklagten erfolgt, weshalb es sich nicht um eine vertragswidrige vorzeitige Rückzahlung handele, sondern der Kläger vielmehr der Forderung der Beklagten nach vorzeitiger Rückzahlung nachgekommen sei. Die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigungen in Höhe von 21.674,85 € sowie des Mehraufwandes in Höhe von 127,82 €, mithin eines Betrages von 21.802,27 € sei mangels entsprechender Vereinbarung danach ohne Rechtsgrund im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB erfolgt.

Auch sei kein Rechtsgrund für eine Nichtabnahmegebühr in Höhe von 501,94 € gegeben, weil die Beklagte insoweit zunächst von ihrem so genannten Nachsicherungsrecht habe Gebrauch machen müssen. Im Übrigen habe der Kläger die baulichen Verzögerungen nicht zu vertreten und sei die Beklagte selbst in die Sanierungsmaßnahme mit eingebunden gewesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 8.4.2004 (Bl. 231-241 d.A.) verwiesen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Landgerichts Frankfurt am Main vom 4.2.2004 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 22.304,64 € nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit dem 1.10.2002 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtene Entscheidung und vertritt die Auffassung, dass die Darlehensverbindung einvernehmlich durch Vertrag auf der Grundlage ihres Schreibens vom 13.9.2002 beendet worden sei einschließlich einer Einigung über die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung. Der Kläger habe freiwillig und aus eigenem Antrieb die Auflösung der Darlehensverbindung betrieben. Das Schreiben der Beklagten vom 11.7.2002 sei dagegen nicht als Angebot zum Abschluss eines Ablösevertrages und das Schreiben der ... Bank vom 27.8 2002 nicht als Annahmeerklärung zu werten.

Wegen der weiteren Einzelheiten des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf die Schriftsätze vom 15.6.2004 (Bl. 248-254 d.A.) und vom 20.1.2005 (Bl. 271-276 d.A.) verwiesen.

II.

Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht eingelegt sowie begründet und auch im Übrigen zulässig. Sie hat in der Sache weitestgehend Erfolg.

Es liegt nämlich ein Berufungsgrund im Sinne des § 513 ZPO vor, weil die Entscheidung des Landgerichts auf einer Rechtsverletzung nach § 546 ZPO beruht.

Zu Unrecht hat das Landgericht einen Bereicherungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte auf Zahlung von 21.802,27 € wegen insoweit ohne Rechtsgrund erhaltener Vorfälligkeitsentschädigung sowie Mehraufwandsentschädigung verneint; hinsichtlich eines Betrages in Höhe von 501,94 € wegen gezahlter Nichtabnahmegebühr ist die Klageabweisung hingegen zu Recht erfolgt.

Für die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung sowie einer Mehraufwandsgebühr für die Ablösung des Darlehensvertrages Nummer ... in Höhe von insgesamt 21.802,27 € ist kein Rechtsgrund gegeben und somit der geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte insoweit aus § 812 Abs. 1 S. 1 2. Alt. BGB gerechtfertigt.

Ein solcher Rechtsgrund ergibt sich weder aus dem vorgenannten Darlehensvertrag selbst oder den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten noch aus dem zwischen den Parteien zustande gekommenen Aufhebungsvertrag sowie ferner auch nicht aus § 490 Abs. 2 BGB.

Ziffer 9.2 Abs. 2 des Darlehensvertrages Nummer ... (Bl. 38 d.A.) kommt als Anspruchsgrundlage zugunsten der Beklagten nicht in Betracht, da dort ein Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung lediglich für den Fall einer außerordentlichen Kündigung des Darlehens durch die Beklagte geregelt ist; eine solche Kündigung durch die Beklagte ist jedoch unstreitig nicht erfolgt.

Die im vorgenannten Darlehensvertrag in Bezug genommenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Beklagten enthalten keine Regelung für die Entstehung eines Anspruchs auf Vorfälligkeitsentschädigung, auch nicht im Kapitel „Auflösung der Geschäftsbeziehung“ (Bl. 131 d.A.).

Zwischen den Parteien ist zwar auf nachdrückliches Betreiben der Beklagten ein Aufhebungsvertrag im Sinne einer einvernehmlichen Beendigung des Darlehensvertrages zustande gekommen, eine Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung wurde dort jedoch im Gegensatz zur Ansicht der Beklagten gerade nicht getroffen.

Sowohl mit Schreiben vom 26.6.2002 (Bl. 4 f. d.A.) als auch vom 11.7.2002 (Bl. 6 f. d.A.) hat die Beklagte den Kläger ultimativ und unter Androhung einer Kündigung zur Ablösung der Gesamtverbindlichkeiten, also auch des vorgenannten Darlehensvertrages, bis spätestens zum 30.8.2002 aufgefordert. Diese Schreiben der Beklagten sind als Angebot zum Abschluss eines Aufhebungsvertrages zum Zweck vorzeitiger Rückzahlung der betreffenden Darlehen zu verstehen, wobei dort der Aufhebungsvertrag jedoch nicht von einer Vorfälligkeitsentschädigung abhängig gemacht worden ist, denn hiervon ist in den beiden vorgenannten Schreiben der Beklagten nicht die Rede.

Diese Auslegung als Vertragsangebot entspricht den Grundsätzen der §§ 133, 157 BGB, wonach empfangsbedürftige Willenserklärungen so auszulegen sind, wie sie der Erklärungsempfänger nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen musste BGH NJW 1992, 1446; st. Rspr.). Die Auslegung ist auf den Horizont und die Verständnismöglichkeit des Erklärungsempfänger abzustellen, und zwar auch dann, wenn der Erklärende die Erklärung anders verstanden hat und auch verstehen durfte (Palandt-Heinrichs, BGB, 64. Aufl. 2005, § 133 Rdnr. 9); dies wird von der Beklagten verkannt. Aus der maßgeblichen Sicht des Klägers wollte die Beklagte mit den beiden vorgenannten Schreiben auf ihre Initiative eine vorzeitige Beendigung der zwischen den Parteien bestehenden Darlehensverträge herbeiführen, ohne dies von der Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung anhängig zu machen. An diesem objektiven Erklärungswert ihres Verhaltens muss sich die Beklagte festhalten lassen.

Auch das Abstellen der Beklagten auf den Begriff der abzulösenden „Gesamtverbindlichkeiten“ führt zu keinem anderen Ergebnis, denn hiervon musste nach dem Empfängerhorizont keineswegs die Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung zwangsläufig mit umfasst sein; ganz im Gegenteil sieht der Darlehensvertrag einen Anspruch auf Vorfälligkeitsentschädigung lediglich für den Fall einer außerordentlichen Kündigung des Darlehens durch die Beklagte vor, die nach den vorgenannten Schreiben der Beklagten mit dem Zustandekommen des Aufhebungsvertrages jedoch gerade vermieden werden sollte.

Dieses Angebot für einen Aufhebungsvertrag wurde vom Kläger ausweislich des Schreibens der ... ... Bank eG vom 27.8.2002 (Bl. 56 d.A.) an die Beklagte zumindest konkludent angenommen, indem ihre Beauftragung zur vollständigen Ablösung der Verbindlichkeiten mitgeteilt wurde. Das Schreiben der ... ... Bank eG vom 27.8 2002 ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach den §§ 133, 157 BGB als konkludente Annahmeerklärung und nicht nur als bloße Absichtserklärung zu werten, denn ihm ist aus der Sicht der Beklagten der objektive Erklärungswert zu entnehmen, dass der Kläger das Angebot der Beklagten für einen Aufhebungsvertrag angenommen und auf dieser Grundlage die ... ... Bank eG zur vollständigen Ablösung beauftragt hat. Dass hiermit noch keine Zahlung verbunden sein konnte, liegt daran, dass die Beklagte in der vorangegangenen Korrespondenz die Höhe der Gesamtverbindlichkeiten und damit des Ablösungsbetrags selbst noch nicht beziffert hatte. Das steht jedoch der Annahme einer Einigung (dem Grunde nach) über die vorzeitige Ablösung der Gesamtverbindlichkeiten (ohne Vorfälligkeitsentschädigung) auf der Grundlage des Parteivorbringens, wozu auch der vorgelegte Schriftwechsel gehört, nicht entgegen.

Damit war nach den Grundsätzen des Allgemeinen Schuldrechts über Angebot und Annahme ein Aufhebungsvertrag ohne Regelung über eine Vorfälligkeitsentschädigung zwischen den Parteien zustande gekommen, der danach von der Beklagten nicht mehr einseitig modifiziert werden konnte, wie sie das mit ihrem Schreiben vom 13.9.2002 an den Kläger (Bl. 58 f. d. A.) versucht hat. Das hierin liegende Angebot auf eine Änderung des bereits zustande gekommenen Aufhebungsvertrages durch Aufnahme einer Regelung über ein Vorfälligkeitsentgelt wurde nämlich unstreitig vom Kläger nicht angenommen, weshalb es beim ursprünglichen Aufhebungsvertrag ohne Vorfälligkeitsentschädigung bleibt.

Damit ist die Zahlung der Vorfälligkeitsentschädigung in Höhe von 21.674,88 € sowie des berechneten Mehraufwandes in Höhe von 127,82 € hinsichtlich des Darlehensvertrages Nummer ... an die Beklagte ohne Rechtsgrund erfolgt.

Schließlich lässt sich ein Anspruch der Beklagten auf Vorfälligkeitsentschädigung auch nicht auf § 490 Abs. 2 BGB stützen, der zwar im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten gemäß Artikel 229 § 5 S. 2 EGBGB auch auf vor dem 1.1.2002 begründete Dauerschuldverhältnisse anzuwenden ist, aber den hier nicht einschlägigen Fall einer vorzeitigen Kündigung des Darlehensvertrages durch den Darlehensnehmer, also den Kläger, betrifft.

Die vom Landgericht herangezogene Rechtsprechung des BGH hinsichtlich eines Rechtes des Darlehensnehmers auf vorzeitige Ablösung des Vertrages gegen Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung bei Darlehensverträgen mit langfristiger Zinsbindung ist vorliegend offenkundig nicht einschlägig und ebenfalls nicht geeignet, der Beklagten einen Rechtsgrund für das Behalten des vom Kläger verlangten Betrages zu vermitteln. Die vom Landgericht vorgenommene Übertragung dieser Rechtsprechung auf die vorliegende Fallkonstellation überzeugt nicht und hat weder in den individualvertraglichen Vereinbarungen zwischen den Parteien noch in der gesetzlichen Regelung des § 490 BGB eine tragfähige Grundlage.

Dieses Ergebnis entspricht der vom Senat bereits im Verfahren 23 U 301/03 vertretenen Rechtsauffassung, wonach ein Anspruch der Bank auf Vorfälligkeitsentschädigung nicht gegeben ist, wenn die Initiative für die Ablösung der Gesamtverbindlichkeiten alleine von der Bank ausging und diese die betreffenden Darlehen weder vor Ablauf der Festschreibungsfrist durch Kündigung fällig gestellt noch sich auf Wunsch bzw. Initiative des Darlehensnehmers mit einer vorzeitigen Darlehensrückzahlung einverstanden erklärt hat.

Ohne Erfolg bleibt die Berufung lediglich hinsichtlich eines Betrages von 501,94 € als Nichtabnahmegebühr für das Darlehen Nummer ..., denn in dieser Hinsicht sind die zutreffenden Erwägungen des Landgerichts, auf die hiermit Bezug genommen wird, von der Berufung nicht in erheblicher Weise angegriffen worden.

Da die Beklagte dem geltend gemachten Zinsanspruch nicht entgegen getreten ist, waren die Zinsen antragsgemäß zuzusprechen.

Die Kostenentscheidung entspricht dem Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen und beruht auf §§ 92, 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, da der Rechtsstreit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 ZPO).