Hessischer VGH, Beschluss vom 26.03.2004 - 8 TG 721/04
Fundstelle
openJur 2012, 25025
  • Rkr:
Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Februar 2004 - 8 G 96/04 - wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert wird unter Abänderung der erstinstanzlichen Streitwertfestsetzung für beide Instanzen auf jeweils 4.250,00 € festgesetzt.

Gründe

I.

Der Antragsteller ist von Beruf Schausteller und betreibt auf Jahrmärkten und Messen einen Imbissstand.

Die Antragsgegnerin veranstaltet in jedem Jahr eine Frühjahrs- und eine Herbstmesse als festgesetzte Volksfeste gemäß § 60 b und § 69 Abs. 1 der Gewerbeordnung (GewO) unter Zugrundelegung der vom Magistrat erlassenen Richtlinien über die Durchführung der Frühjahrs- und Herbstmessen in der Universitätsstadt Gießen, zuletzt in der ab 1. September 2003 geltenden Fassung vom 14. Juli 2003.

Der Antragsteller begehrt die vorläufige Zulassung zur Frühjahrsmesse 2004, die vom 27. März bis 12. April 2004 stattfinden soll.

Mit Bescheid vom 27. Juni 2001 hatte der Magistrat der Antragsgegnerin die unbefristete Reisegewerbekarte des Antragstellers wegen bestehender Abgabenrückstände widerrufen; den Termin für die Rückgabe der Reisegewerbekarte hatte das Regierungspräsidium Gießen in dem zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 3. September 2002 auf den 30. September 2002 festgesetzt. Das anschließende Klageverfahren vor dem Verwaltungsgericht Gießen - 8 E 3754/02 - war durch gerichtlichen Vergleich vom 13. Juni 2003 beendet worden. Der Antragsteller hatte den Widerspruchsbescheid durch Nichtfortführung der Klage bestandskräftig werden lassen. Im Gegenzug hatte sich der Magistrat der Antragsgegnerin verpflichtet, aus dem Bescheid nicht zu vollstrecken und dem Antragsteller eine neue, befristete Reisegewerbekarte auszustellen, wenn er seine Verbindlichkeiten beim Finanzamt Gießen und bei der Berufsgenossenschaft zurückführte und eine erste Rate von 10.000,00 € an das Finanzamt bis zum 30. September 2003 zahlte und diese Zahlung nachwies.  

An der Frühjahrsmesse 2003 hatte nach Neuerteilung einer Reisegewerbekarte der Schwiegervater des Antragstellers als Neubewerber mit dem Betrieb des Antragstellers teilgenommen. Weil dies ein Verstoß gegen die Richtlinien gewesen sei, war ihm die Teilnahme an der Herbstmesse 2003 versagt worden; das dagegen eingeleitete Widerspruchsverfahren hatte der Magistrat der Antragsgegnerin nach Beendigung der Herbstmesse eingestellt.

Mit Formularanträgen vom 7. Oktober 2003 bewarben sich der Antragsteller und sein Schwiegervater für die Frühjahrs- und die Herbstmesse 2004 und begehrten die Zuteilung eines Standplatzes für einen 12 m x 12 m großen Imbissstand mit Festzelt.

Der Magistrat der Antragsgegnerin wies den Antragsteller über seinen Verfahrensbevollmächtigten unter dem 16. Oktober 2003 zunächst darauf hin, dass ein Nachweis über die Zahlung der im Vergleich vereinbarten ersten Rate nicht erbracht worden sei und deshalb die Vollstreckung eingeleitet werden dürfe, und forderte ihn dann mit Schreiben vom 7. November 2003 unter Fristsetzung zur Abgabe der Reisegewerbekarte auf. Nachdem dies nicht erfolgt war, beantragte der Magistrat der Antragsgegnerin am 24. November 2003 beim Amtsgericht Gießen eine Durchsuchungsanordnung, die mit Beschluss vom 29. Dezember 2003 - 22 II 49/03 - erlassen wurde.

Bereits vorher, nämlich mit Schreiben vom 26. November 2003 hatte der Magistrat die Zulassung des Antragstellers zur Frühjahrsmesse 2004 abgelehnt, weil er nach Mitteilung des Ordnungsamtes inzwischen nicht mehr die Voraussetzungen für eine Zulassung erfülle. Unter Übersendung der Richtlinien über die Durchführung der Messen werde er auf Nummer 6.2 (der Bewerber muss zum Zeitpunkt der Bewerbung Inhaber des Geschäfts und im Besitz einer gültigen Reisegewerbekarte sein. ...) und auf Nummer 7.2 (Bewerber, die Platzgelder, Gebühren oder Steuern irgendwelcher Art schulden, scheiden bei der Entscheidung über die Zulassung automatisch aus. ...) hingewiesen; diese Ausschlussgründe träfen auf ihn zu.

Mit Schreiben seines Verfahrensbevollmächtigten vom 9. Dezember 2003 teilte der Antragsteller der Antragsgegnerin unter Einreichung entsprechender Unterlagen mit, dass er nach Zahlung eines einmaligen Betrages von 8.000,00 € auf die Steuerrückstände mit dem Finanzamt Gießen eine Ratenzahlungs- und Stundungsvereinbarung getroffen habe. Da er nunmehr die Voraussetzungen für eine Zulassung erfülle, bitte er, ihn - wie in der Vergangenheit - auch in Zukunft bei der Zuteilung zu den Frühjahrs- und Herbstmessen zu berücksichtigen. Vorsorglich lege er Widerspruch gegen die Nichtberücksichtigungsentscheidung im Schreiben vom 26. November 2003 ein und bitte im Falle der Ablehnung seiner Bewerbung um einen "rechtsbehelfsmäßigen Bescheid". Die Angelegenheit sei für ihn von existenzieller Bedeutung und müsse gegebenenfalls gerichtlich überprüft werden.

Am 13. Januar 2004 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Gießen einen einstweiligen Anordnungsantrag auf vorläufige Zulassung, hilfsweise Neubescheidung gestellt.

Er habe die Verpflichtung aus der Vergleichsvereinbarung, wenn auch mit zeitlicher Verzögerung, erfüllt und deshalb gemäß § 70 GewO einen Anspruch auf Zulassung, weil er im Besitz einer gültigen Reisegewerbekarte sei und wegen der noch vorhandenen Steuerrückstände mit dem Finanzamt eine Zahlungs- und Stundungsvereinbarung getroffen habe. Seine Reisegewerbekarte sei durch die Bestandskraft der Verwaltungsentscheidung nicht ungültig geworden; so sei die Antragsgegnerin selbst in einem Schreiben vom 18. Oktober 2003 noch von dem Bestehen der Erlaubnis zur Ausübung des Reisegewerbes ausgegangen. Die Nummer 7.2 der Richtlinien stelle zudem erkennbar nur auf solche Abgabenrückstände ab, die gegenüber der Antragsgegnerin bestünden. Für die Frage der Unzuverlässigkeit eines Gewerbetreibenden sei im vorliegenden Zusammenhang nicht auf § 35, sondern auf § 70 a GewO abzustellen, wonach dieser lediglich eine ordnungsgemäße Durchführung der fraglichen Veranstaltung gewährleisten müsse. Die Umstände, die zu dem Verfahren auf Widerruf seiner Reisegewerbekarte geführt hätten, rechtfertigten aber nicht den Schluss auf seine persönliche Unzuverlässigkeit bei der Teilnahme an Messen. Nach der Nichtberücksichtigung bei der Herbstmesse 2003 stelle der bloße Hinweis auf die Richtlinien keine ordnungsgemäße Ermessenabwägung unter Berücksichtigung seiner wirtschaftlichen Interessen dar.

Die besondere Dringlichkeit der begehrten Regelungsanordnung ergebe sich aus der drohenden Zulassung anderer Bewerber und aus der existenziellen Bedeutung seiner Teilnahme an der Frühjahrsmesse, weil er die Einnahmen für die Erfüllung der gegenüber dem Finanzamt eingegangenen Ratenzahlungsverpflichtungen benötige. Zudem sei zu befürchten, dass die Antragsgegnerin - wie schon bei der Herbstmesse 2003 - die Widerspruchsentscheidung bis nach der Durchführung der Frühjahrsmesse 2004 hinausziehen könnte.

Demgegenüber hat die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 26. Januar 2004 u.a. vorgetragen: Der Antragsteller habe keinen Zulassungsanspruch. Er verfüge nicht über eine gültige Reisegewerbekarte, weil sie bestandskräftig widerrufen sei. Er habe auch noch Steuerrückstände, die nicht zu dem im Vergleich vereinbarten Zeitpunkt zurückgeführt worden seien. Schon die erste Zahlung in Höhe von 10.000,00 € zum 30. September 2003 sei nicht erfolgt. Seine Behauptung, er sei durch die einmalige Zahlung im Dezember 2003 und den Abschluss der Ratenzahlungsvereinbarung mit dem Finanzamt seiner vergleichsweisen Verpflichtung "wenn auch mit zeitlicher Verzögerung" nachgekommen, offenbare darüber hinaus, auf welche Einstellung zu vertraglichen Pflichten sie sich bei einer Zulassung des Antragstellers einstellen müsste. Er könne auch nicht deshalb einen Zulassungsanspruch erwerben, weil ihm eine Chance zur Rückführung seiner Rückstände gegeben werden müsse. Das würde zu dem paradoxen Ergebnis führen, dass säumige Steuerschuldner bei Messen bevorzugt gegenüber regelmäßigen Steuerzahlern zugelassen werden müssten.

Unabhängig davon habe der Antragsteller auch deshalb keinen Zulassungsanspruch, weil sie, die Antragsgegnerin, ihr Auswahlermessen fehlerfrei dahingehend ausgeübt habe, dass zwei andere Imbissbetriebe zugelassen würden. Bei der Frühjahrsmesse seien 50 bis 55 Plätze unter 250 Bewerbern zu vergeben. Davon würden zwei Imbissbetriebe zugelassen, die in der Größe mit dem Betrieb des Antragstellers vergleichbar seien. Der eine Imbissbetrieb beschicke die Frühjahrsmesse seit sieben bis acht Jahren und verfüge über eine solidere Anlage in Gestalt eines festen Hauses mit der Abmessung 20 m x 7 m, das besser zu dem Qualitätskonzept der Frühjahrsmesse im Sinne von Nummer 7.3 der Richtlinien passe. Der zweite zugelassene Betrieb biete Fischgerichte an und sorge dadurch für eine insgesamt breitere Palette an gastronomischen Angeboten auf der Messe.

Nachdem ihm am 28. Januar 2004 die Reisegewerbekarte im Wege der Zwangsvollstreckung weggenommen worden war, wogegen er beim Verwaltungsgericht Gießen ein Verfahren auf Aufhebung der Vollziehung - 8 G 760/04 - führt, hat der Antragsteller dazu noch erwidert, diese neuen Ausführungen der Antragsgegnerin könnten bei dem allein auf die Ausschlussgründe der Richtlinien gestützten Nichtberücksichtigungsschreiben vom 26. November 2003 keine Rolle gespielt haben. Das jetzige Nachschieben derartiger Auswahlgesichtspunkte sei nicht beachtlich, weil es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung zum Zeitpunkt der Entscheidung gefehlt habe. Hinsichtlich seines Betriebes sei keine Abwägung in Bezug auf Attraktivität oder Anziehungskraft des Imbissgeschäftes erfolgt. Nach dem von der Rechtsprechung anerkannten Kriterium "bekannt und bewährt" hätte er ausgewählt werden müssen, weil er als Schausteller seit vielen Jahren auf den Messen und Märkten in Gießen tätig sei. Dabei habe es auch noch niemals Probleme gegeben. Im Verhältnis zu seinen Mitbewerbern habe er ein breiteres Angebot und betreibe als einziger einen Zeltbetrieb mit Bierausschank und Live-Musik. Neben der Herbstmesse sei ihm auch ein Stand als Betreiber bei dem Gießener Weihnachtsmarkt 2003 verweigert worden.

Das Verwaltungsgericht Gießen hat den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung mit Beschluss vom 19. Februar 2004 - 8 G 96/04 - mit im Wesentlichen folgender Begründung abgelehnt:

Der Antrag sei zwar zulässig; insbesondere sei das Rechtsschutzbedürfnis durch die Erschöpfung der Platzkapazitäten nicht entfallen.

Der Antrag sei jedoch unbegründet, weil der Antragsteller einen Anordnungsanspruch in Form eines Zulassungsanspruchs gemäß § 70 GewO nicht glaubhaft gemacht habe. Die Antragsgegnerin habe ihn in rechtlich nicht zu beanstandender Weise gemäß § 70 Abs. 3 GewO von der Teilnahme an der Gießener Frühjahrsmesse 2004 ausgeschlossen. Dies könne jedoch nicht auf Nummer 6.2 der Richtlinien gestützt werden, weil der Antragsteller nach dem gerichtlichen Vergleich vom 13. Juni 2003 so zu behandeln sei, als sei er im Besitz einer gültigen Reisegewerbekarte. Die Antragsgegnerin könne sich auch nicht auf Nummer 7.2 ihrer Richtlinien berufen, weil der automatische Ausschluss von Bewerbern, die Gebühren oder Steuern jeglicher Art und selbst in geringster Höhe schulden, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße und deshalb unwirksam sei. Zudem verstoße diese Richtlinienbestimmung gegen § 70 Abs. 3 GewO, weil sie der Antragsgegnerin keinen Ermessensspielraum eröffne.

Die Antragsgegnerin habe aber in rechtlich zulässiger Weise nicht angreifbare Ermessenserwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO nachgeschoben. Unter Berücksichtigung ihres weiten Entscheidungsspielraums auch im Hinblick auf ihre Platz- und Gesamtkonzeption sei es rechtlich nicht zu beanstanden, dass sie zwei andere Imbissbetriebe zugelassen habe, die besser zu dem Qualitätskonzept der Frühjahrsmesse passten bzw. durch das Angebot an Fischgerichten für eine insgesamt breitere Palette an gastronomischen Angeboten sorgten.

Der Antragsteller habe auch keinen Zulassungsanspruch gemäß § 20 Abs. 3 und 1 der Hessischen Gemeindeordnung, weil dieser kommunalrechtliche Anspruch durch die Vorschriften des Gewerberechts beschränkt sei.

Gegen den seinem Verfahrensbevollmächtigten am 19. Februar per Fax bekannt gegebenen und am 21. Februar 2004 per PZU zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 2. März 2004 die vorliegende Beschwerde eingelegt und zur Begründung mit am 19. März 2004 eingegangenen Schriftsatz seines Verfahrensbevollmächtigten im Wesentlichen noch geltend gemacht:

Zwar sei das Verwaltungsgericht seiner Ansicht gefolgt, dass seine Nichtberücksichtigung als Schausteller bei der Frühjahrsmesse 2004 unter Berufung auf die Ausschlussgründe der Richtlinien fehlerhaft und rechtswidrig gewesen sei. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts sei es aber nicht zulässig gewesen, dass die Antragsgegnerin im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mit Schriftsätzen vom 26. Januar und 13. Februar 2004 neue Ermessenserwägungen nachgeschoben habe. Die Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO lasse lediglich eine "Ergänzung", nicht aber eine "Auswechselung" der Begründung bei Ermessensentscheidungen zu. Die sachwidrig auf die Nummern 6.2 und 7.2 der Richtlinien gestützten Ablehnungsgründe könnten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht durch andere, eventuell sachgemäße Gründe ersetzt werden. Die ausgewechselten Gründe seien vorher niemals erwähnt worden und er habe insoweit auch keine Möglichkeit des rechtlichen Gehörs gehabt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung einer Ermessensentscheidung sei deren Erlass, an dem sich die Behörde festhalten lassen müsse. Die Begründung müsse gemäß § 39 Abs. 1 Satz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen sei.

Abgesehen von der unzulässigen Auswechselung der Begründung habe das Verwaltungsgericht auch nicht überzeugend begründet, dass das Auswahlermessen sachgerecht ausgeübt worden sei. Die beiden zugelassenen Imbissbetreiber seien keine neuen Bewerber. Außerdem seien zwei weitere Imbissbetriebe zugelassen worden. Seine, des Antragstellers, Angebotspalette sei deutlich größer als die der anderen Bewerber und er sei schon bei der Herbstmesse und dem Weihnachtsmarkt 2003 nicht als Schausteller berücksichtigt worden. Weiter seien zwei Schausteller zugelassen worden, die nach der Definition der Gießener Frühjahrsmesse als Volksfest nicht zu den Anbietern gehören dürften, so dass auch die Zuweisung von Standplätzen ermessensfehlerhaft erfolgt sei.

Zudem habe Herr W. als Vertreter der Schausteller bei der Entscheidung mitgewirkt, obwohl er selbst und einige seiner Familienmitglieder Mitbewerber gewesen seien. Das verstoße gegen § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes und gegen den Grundsatz eines fairen Verfahrens.

Da eine Beschwerdeentscheidung wohl nicht vor dem Beginn der Frühjahrsmesse am 27. März 2004 ergehen werde, habe er unter dem Gesichtspunkt der Wiederholungsgefahr ein besonderes berechtigtes Interesse daran, dass das Gericht gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO die Rechtswidrigkeit des Ausschlussbescheides vom 26. November 2003 feststelle.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Verwaltungsgerichts Gießen vom 19. Februar 2004

- 8 G 96/04 - aufzuheben und ihn als Schausteller/Imbissbetreiber vorläufig zu der Gießener Frühjahrsmesse 2004 zuzulassen,

hilfsweise festzustellen,

dass seine Ausschließung durch die Entscheidung der Antragsgegnerin vom 26. November 2003 rechtswidrig gewesen sei und ihn in seinen subjektiv-öffentlichen Rechten gemäß Art. 12 GG verletzt habe.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen,

und macht zur Begründung u.a. noch geltend:

Da es hier um ein Verpflichtungsbegehren gehe und das Widerspruchsverfahren noch nicht abgeschlossen sei, sei auf die aktuelle Sach- und Rechtslage abzustellen. Nach der am 28. Januar 2004 erfolgten Wegnahme sei der Antragsteller nicht mehr im Besitz einer Reisegewerbekarte, so dass er schon gemäß § 55 Abs. 2 GewO nicht zu dem festgesetzten Volksfest zugelassen werden dürfe. Dies gelte allerdings auch schon entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts für den Zeitpunkt der ursprünglichen behördlichen Ablehnung seines Zulassungsantrags, weil er der Verpflichtung aus dem gerichtlichen Vergleich nicht nachgekommen sei und sie deshalb nicht mehr zum Verzicht auf die Vollstreckung des bestandskräftigen Widerrufsbescheides verpflichtet gewesen sei. Abgesehen von den vom Verwaltungsgericht nicht erwähnten Rückständen gegenüber der Berufsgenossenschaft habe sie unabhängig von Nummer 7.2 der Richtlinien die noch in erheblicher Höhe bestehenden Steuerschulden im Rahmen ihrer Ermessenserwägungen berücksichtigen dürfen. Da die Heranziehung der Richtlinienbestimmungen eine Ermessensentscheidung dargestellt hätten, habe sie auch gemäß § 114 Satz 2 VwGO und gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 2 und Abs. 2 HVwVfG ihre Ermessenserwägungen ergänzen und die Begründung vervollständigen dürfen. Eine solche Ergänzung sei im Rahmen des Widerspruchsverfahrens nicht nur durch die Widerspruchs-, sondern auch durch die Ausgangsbehörde möglich. Die Angriffe des Antragstellers gegen ihre Auswahlentscheidung seien im Übrigen nicht zutreffend; diese sei auch ausschließlich durch sie selbst und ohne Beteiligung des Herrn W. erfolgt.

Demgegenüber hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 25. März 2004 sein bisheriges Vorbringen vertieft und u.a. dahin ergänzt, dass er trotz der Bindungswirkung des Vollstreckungsvergleichs berechtigt gewesen sei, mit dem Finanzamt Zahlungsvereinbarungen zu treffen. Er sei auch in Verhandlungen mit der Berufsgenossenschaft eingetreten. Die Antragsgegnerin habe ihr Auswahlermessen fehlerhaft ausgeübt, da seine reine Verkaufsfläche mit den weiter zugelassenen zwei Imbissbetrieben vergleichbar, sein Angebot aber deutlich umfangreicher sei. Zudem könnten nach den Richtlinien drei Bewerber von Imbissbetrieben zugelassen werden. Da er der einzige Bewerber mit einem Zelt sei, sei durch seinen Ausschluss der Frühjahrsmesse ein Stück Attraktivität genommen worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Beteiligtenvorbringens wird auf den Inhalt der Streitakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge verwiesen.

II.

Die Beschwerde des Antragstellers ist zulässig, insbesondere innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 147 Abs. 1 VwGO eingelegt und innerhalb der Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO begründet worden. Das gilt unabhängig davon, ob für den Beginn dieser Fristen auf die Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses per Telefax am 19. Februar oder auf die Zustellung am 21. Februar 2004 abgestellt oder ob die Jahresfrist des § 58 Abs. 2 VwGO deshalb zu Grunde gelegt wird, weil die Rechtsmittelbelehrung des Beschlusses entgegen dem Wortlaut dieser Vorschriften nicht die Bekanntgabe, sondern die Zustellung des Beschlusses als Fristbeginn bezeichnet.

Die Beschwerdebegründung vom 28. Februar 2004 erfüllt auch die formalen Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO und setzt sich insbesondere hinreichend mit dem angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschluss auseinander, während die mit Schriftsatz vom 25. März 2004 geltend gemachten Gründe nicht mehr die Monatsfrist des § 146 Abs. 4 Satz 1 VwGO wahren.

Die Beschwerde ist in der Sache aber nicht begründet.

Die vom Antragsteller hinreichend und fristgemäß dargelegten Gründe, auf die die Prüfungskompetenz des Senats gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO zunächst in einer ersten Prüfungsstufe beschränkt ist (vgl. dazu und zum Folgenden: Hess. VGH, Beschluss vom 3. Dezember 2002 - 8 TG 2413/02 - NVwZ-RR 2003 S. 756 = juris m.w.N.), sind inhaltlich - in Anlehnung an die Darlegungsvoraussetzungen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 i.V.m. § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO - nicht geeignet, tragende Erwägungen des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Gegenargumenten so in Frage zu stellen, dass die Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses letztlich erfolgreich in Zweifel gezogen wird. Damit ist es dem Senat verwehrt, den einstweiligen Rechtsschutzantrag darüber hinaus uneingeschränkt und umfassend selbst in der Sache zu prüfen.

Es ist dem Antragsteller zwar zuzugeben, dass bei der hier allein gebotenen summarischen Prüfung einiges dafür spricht, dass der Magistrat der Antragsgegnerin bei Erlass seiner Ablehnungsentscheidung vom 26. November 2003 lediglich die in diesem Schreiben zitierten Ausschlussgründe der Richtlinien zu Grunde gelegt und den Antragsteller deshalb von vornherein nicht in eine Auswahlentscheidung zwischen mehreren Bewerbern mit vergleichbaren Imbissbetrieben einbezogen hat, und dass weiterhin die im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2004 nachgeholte Darlegung der Gründe für die Bevorzugung der beiden zugelassenen Imbissbetriebe und damit des betriebsbezogenen Auswahlermessens wohl nicht als "Ergänzung" unvollständiger Ermessenserwägungen im Sinne des § 114 Satz 2 VwGO, sondern eher als ein Austausch der entscheidungstragenden Gründe oder ein Nachschieben neuer Ermessenserwägungen anzusehen ist, die nicht unter diese Vorschrift fallen (vgl. dazu etwa Schenke, in Kopp/Schenke, VwGO, 13. Aufl. 2003, Rdnr. 50 zu § 114).

Dem ist aber - im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Beschwerdeerwiderung der Antragsgegnerin - entgegenzuhalten, dass das vorliegende gerichtliche Verfahren kein Klageverfahren ist, für das die Möglichkeit der Ergänzung von Ermessenserwägungen durch § 114 Satz 2 VwGO verfahrensrechtlich regelungsbedürftig war, sondern ein einstweiliges Rechtsschutzverfahren, das der vorläufigen Sicherung eines noch im Verwaltungsverfahren anhängigen Anspruchs dient, auf das diese Vorschrift systematisch und nach ihrem Regelungszweck nicht anwendbar ist. Für die Frage, ob ein der Behörde eingeräumtes Ermessen fehlerfrei ausgeübt worden ist, ist nämlich nicht entscheidend auf den Erstbescheid, sondern maßgeblich auf die das Verwaltungsverfahren erst abschließende Entscheidung, also auf den hier noch nicht ergangenen Widerspruchsbescheid abzustellen. Nach Erhebung des Widerspruchs und vor dessen Bescheidung können sowohl die Ausgangsbehörde - insbesondere etwa im Abhilfeverfahren gemäß § 72 VwGO - wie auf Grund des sog. Devolutiveffekts auch die Widerspruchsbehörde ohne verfahrensrechtliche Beschränkung und deshalb unabhängig von der in § 114 Satz 2 VwGO eingeräumten Möglichkeit neue Ermessenserwägungen anstellen oder die bisherigen auswechseln oder ergänzen.

Der Einwand des Antragstellers zieht damit die tragende Begründung des angefochtenen verwaltungsgerichtlichen Beschlusses zwar in ihrer normativen Herleitung, nicht aber im Ergebnis in Zweifel. Dabei bedarf es hier keiner Entscheidung, ob die Zulassung von Bewerbern durch die Gemeinde als Veranstalter eines festgesetzten Volksfestes gemäß § 70 GewO eine Selbstverwaltungsangelegenheit oder eine gewerberechtliche Maßnahme darstellt, ob also Widerspruchsbehörde gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 oder Nr. 3 VwGO die Antragsgegnerin selbst oder das Regierungspräsidium Gießen ist. Deshalb bedarf es weiterhin auch keiner Entscheidung, ob die Ausgangsbehörde auch nach Vorlage des Widerspruchs an die Widerspruchsbehörde noch selbst neue Ermessenserwägungen nachschieben darf, da hier bei Abfassung des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2004 der Widerspruch dem Regierungspräsidium offensichtlich noch nicht vorgelegt worden war.

Die weiteren "höchstvorsorglich" erhobenen Einwände des Antragstellers, das Verwaltungsgericht habe die in den Schriftsätzen vom 26. Januar und 13. Februar 2004 von der Antragsgegnerin vorgetragenen Gründe für die Auswahl der beiden mit seinem Betrieb vergleichbaren Imbissbetriebe nicht als sachgerecht bewerten dürfen, sind schon deshalb nicht überzeugend, weil die herangezogenen Kriterien der Qualitätssteigerung durch ein festes Haus und der Erhöhung der Angebotsvielfalt durch einen Fischbetrieb nicht gezielt in Frage gestellt werden. Der Antragsteller benennt vielmehr nur andere Gesichtspunkte, die zwar möglicherweise auch hätten berücksichtigt werden können, die aber nicht in dem Sinne als zwingend vorrangig anzusehen sind, dass sie zu einer Entscheidung zu Lasten seiner Mitbewerber hätten führen müssen.

Es kommt hinzu, dass die vom Antragsteller begehrte vorläufige Zulassung zur Frühjahrsmesse eine Vorwegnahme der Hauptsache bedeuten würde, so dass der Erlass einer entsprechenden einstweiligen Anordnung neben den hier glaubhaft gemachten unzumutbaren Nachteilen auch eine hohe Wahrscheinlichkeit des Bestehens eines zu sichernden Anordnungsanspruchs voraussetzt. Der vom Antragsteller geltend gemachte und nach den Grundsätzen des Überschreitens der Hauptsache für den Erlass der einstweiligen Anordnung erforderliche strikte Zulassungsanspruch setzt aber angesichts der gemäß § 70 Abs. 3 GewO zu treffenden Ermessensentscheidung nicht nur eine ermessensfehlerhafte Ablehnung seines Antrages, sondern darüber hinaus eine Ermessensreduzierung auf Null dahin voraus, dass nach der gegenwärtigen Sach- und Rechtslage allein eine Zulassungsentscheidung zu Gunsten des Antragstellers ermessensfehlerfrei wäre. Das kann seinem Vorbringen aber nicht mit der erforderlichen hohen Gewissheit entnommen werden, sondern dürfte angesichts der Zweifel an seiner gewerberechtlichen Zuverlässigkeit, die zum Widerruf seiner Reisegewerbekarte geführt haben und durch die verzögerte bzw. unvollständige Erfüllung seiner in dem gerichtlichen Vergleich übernommenen Verpflichtungen nicht ausgeräumt sind, wohl eher zu verneinen sein. Abgesehen davon spricht bei summarischer Prüfung auch einiges dafür, dass die Nichteinhaltung des gerichtlichen Vergleichs, der immerhin gemäß § 168 Abs. 1 Nr. 3 VwGO einen wörtlich zu befolgenden und nicht einseitig abänderbaren Vollstreckungstitel darstellt, zur Vollziehbarkeit des bestandskräftigen Widerrufs seiner Reisegewerbekarte geführt hat und dass deshalb schon § 55 Abs. 2 GewO einer Zulassung des Antragstellers entgegensteht.

Die vom Antragsteller weiter gerügte Zulassung von zwei für ein Volksfest angeblich unpassenden Schaustellern berührt die ihn betreffende Auswahlentscheidung nicht. Die von ihm geltend gemachte Mitwirkung eines Mitbewerbers könnte zwar gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 und 2 HVwVfG bedenklich erscheinen, wird aber von der Antragsgegnerin unter Hinweis auf Nummer 7.3 ihrer Richtlinien bestritten, wird vom Antragsteller auch nicht ausdrücklich auf die mit Schriftsatz der Antragsgegnerin vom 26. Januar 2004 erstmals dargelegte Auswahlentscheidung bezogen, dürfte insoweit auch eher zweifelhaft sein und würde letztlich allenfalls die Ablehnungsentscheidung rechtswidrig machen, nicht aber dazu führen, dass deshalb im Wege einer Ermessensreduktion ein strikter Zulassungsanspruch des Antragstellers begründet würde.

Die von ihm für den hilfsweise gestellten Fortsetzungsfeststellungsantrag gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO aufgestellte Bedingung, dass eine gerichtliche Entscheidung im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nicht vor Beginn der Frühjahrsmesse 2004 am 27. März 2004 ergehen werde, ist zum einen nicht eingetreten, zum anderen könnte die begehrte Feststellung der Rechtswidrigkeit seines Ausschlusses vom Frühjahrsfest auch allenfalls Gegenstand eines Klage-, nicht aber eines auf eine vorläufige Regelung gerichteten einstweiligen Rechtsschutzverfahrens sein, das lediglich eine summarische Prüfung erlaubt.

Nach alledem ist die Beschwerde des Antragstellers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Die das erstinstanzliche Verfahren gemäß § 25 Abs. 2 Satz 2 GKG einbeziehende Streitwertfestsetzung beruht auf § 20 Abs. 3 i.V.m. § 13 Abs. 1 Satz 1 und § 14 GKG und orientiert sich an Nr. 14.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit (vgl. NVwZ 1996 S. 563 <565>), wonach für einen Streit um die Zulassung zu einem Markt der erwartete Gewinn, mindestens 500,00 DM (angepasst an die Währungsumstellung: 250,00 €) zu Grunde gelegt werden soll. Angesichts der Dauer der Frühjahrsmesse von 17 Tagen errechnet sich der Streitwert von 4.250,00 €, der nicht zu reduzieren ist, weil der Antragsteller mit der beantragten einstweiligen Anordnung eine Vorwegnahme der Hauptsache erstrebt.

Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO und § 25 Abs. 3 Satz 2 GKG unanfechtbar.