OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 11.05.2000 - 6 U 32/00
Fundstelle
openJur 2012, 22388
  • Rkr:
Tenor

Die Berufung gegen das am 22.12.1999 verkündete Urteil der 6. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main wird auf Kosten des Antragsgegners zu 3) zurückgewiesen.

Das Urteil ist rechtskräftig.

Tatbestand

Die Antragsgegnerin zu 1) ist eine GmbH & Co. KG; die Antragsgegner zu 2) und 3) sind die jeweils alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der Komplementär-GmbH der Antragsgegnerin zu 1). Die Parteien streiten im Eilverfahren um Unterlassungsansprüche wegen des Verkaufs von Möbeln durch die Antragsgegnerin zu 1) während der gesetzlichen Ladenschlusszeiten und wegen einer Werbung mit Preisreduzierung.

Die Antragstellerin hat die Antragsgegnerin zu 1) am 13.10.1999 abgemahnt (Bl. 26/27 d.A.). Es meldeten sich die Rechtsanwälte ... mit Schreiben vom 14.10.99, zeigten die Vertretung der Antragsgegnerin zu 1) an und verteidigten deren Geschäftsgebaren (Bl. 29 ff. d.A.). Ihr Schreiben endet mit dem Satz:

"Sollten Sie gerichtliche Schritte gegen unsere Mandantschaft einleiten, gehen wir davon aus, dass Sie entsprechend guter Übung dieses Schreiben dem Gericht mit vorlegen." (Bl. 31 d.A.).

Die Klägerin hat daraufhin eine einstweilige Verfügung vom 26.10.1999 gegen alle drei Antragsgegner erwirkt (Bl. 33 ff. d.A.), die am 2.11.1999 den Rechtsanwälten ... in dreifacher Ausfertigung zugestellt worden ist (Bl. 127 d.A.). Die Rechtsanwälte ... übersandten die Ausfertigungen mit Schreiben vom 2.11.1999 an die Antraggegnerin zu 1). In dem Schreiben wird der Antragsgegner zu 2) wie folgt persönlich angesprochen:

"Sehr geehrter

in obengenannter Angelegenheit hat die Wettbewerbszentrale den Erlass einer einstweiligen Verfügung gegen die Firma ... sowie Sie persönlich und ... als Geschäftsführer der Komplementär GmbH erwirkt. ... Die Verfügung ist uns am 2.11.99, 9.30 Uhr zugestellt worden. Sie ist damit wirksam und von Ihnen so lange zu beachten, bis sie gerichtlich aufgehoben wird." (B. 140 ff. d.A.).

Mit Schriftsatz vom 18.11.1999 haben die jetzigen Prozessbevollmächtigten des Antragsgegners zu 3) angezeigt, dass sie die Interessen der Verfügungsbeklagten mit dem Ziel vertreten, die einstweilige Verfügung insgesamt auf Kosten der Antragstellerin aufzuheben (Bl. 39 ff. d.A.). In der mündlichen Verhandlung vom 22.12.1999 vor dem Landgericht ist Rechtsanwältin ... im Beisein des Rechtsanwalts ... und des Antragsgegners zu 2) für alle drei Antragsgegner aufgetreten und hat für alle drei Antragsgegner beantragt (Bl. 74/75), den Beschluss – einstweilige Verfügung – vom 26.10.1999 aufzuheben und den Antrag auf seinen Erlass zurückzuweisen.

Das Landgericht hat mit am 22.12.1999 verkündeten Urteil, auf das wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, die einstweilige Verfügung bestätigt (Bl. 78 ff. d.A.).

Hiergegen wendet sich der Antragsgegner zu 3) mit seiner Berufung. Er trägt vor, die einstweilige Verfügung sei mangels Vollziehung aufzuheben, da sie ihm nicht zugestellt worden sei. Erst durch die Übersendung des landgerichtlichen Urteils vom 22.12.1999 am 2.2.2000 habe er Kenntnis von dem Rechtsstreit und dem Wettbewerbsverstoß erhalten. Die Geschäftsführung der Antragsgegnerin zu 1) im operativen und Tagesgeschäft – einschließlich der Angelegenheiten, die mit der Werbung zu tun haben (Bl. 132 d.A.) – sei dem Antragsgegner zu 2) überlassen gewesen. Von der beanstandeten Werbung habe er zu keinem Zeitpunkt Kenntnis gehabt, an der Durchführung der Veranstaltung habe er nicht mitgewirkt (Bl. 106/107 d.A.). Seine jetzigen Prozessbevollmächtigten und die Rechtsanwälte ... seien vom Antragsgegner zu 2) mit der Wahrnehmung der Interessen der Antragsgegnerin beauftragt worden. Beide Anwaltskanzleien seien dabei davon ausgegangen, dass der Antragsgegner zu 2) auch den Mitgeschäftsführer, den Antragsgegner zu 3), entsprechend unterrichtet habe und den Verteidigungsauftrag auch in dessen Namen erteilt habe, was jedoch, wie sich jetzt herausgestellt habe, nicht der Fall gewesen sei. Die auf Seiten der Antragsgegner mitwirkenden Rechtsanwälte hätten sich irrtümlich für prozessvertretungsberechtigt gehalten (Bl. 134, 137 d.A.). Die Sekretärin des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin habe gegenüber Rechtsanwalt ... nicht erwähnt, dass die einstweilige Verfügung außer gegen die Antragsgegnerin zu 1) auch gegen die Antragsgegner zu 2) und 3) ergangen sei, weswegen jener sich auch nicht für diese legitimiert habe (Bl. 133 d.A.).

Der Antragsgegner zu 3) beantragt,

die einstweilige Verfügung des Landgerichts Frankfurt am Main vom 26.10.1999 – Aktenzeichen 2/6 O 461/99 – wird aufgehoben, soweit sie gegen ihn gerichtet ist.

Die Antragstellerin beantragt,

die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.

Sie trägt vor, ihr Prozessbevollmächtigter habe nach Erhalt der einstweiligen Verfügung seine Sekretärin angewiesen, sich unmittelbar mit Rechtsanwalt ... in Verbindung zu setzen und zu klären, ob dieser auch für die Zustellung gegenüber den Antragsgegnern zu 2) und 3) zustellungsbevollmächtigt sei. Die Sekretärin habe am 26.10.1999 bei Rechtsanwalt ... angerufen, habe ihn auf sein Schreiben vom 14.10.1999 angesprochen und gefragt, ob er auch in bezug auf die Antragsgegner zu 2) und 3) zustellungsbevollmächtigt sei. Er habe daraufhin erklärt, die Beschlüsse bezüglich der Antragsgegner zu 2) und 3) könnten ihm zugestellt werden (Bl. 115 d.A.).

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Eilantrag ist auch in bezug auf den Antragsgegner zu 3) zulässig und begründet.

Die Verbotsverfügung ist nicht wegen fehlender Zustellung aufzuheben (§§ 936, 929 Abs. 2, 922 Abs. 2 ZPO). Allerdings wäre die Vollziehung der einstweiligen Verfügung unzulässig, wenn sie nicht innerhalb von einem Monat nach ihrer Zustellung an die Antragstellerin im Parteibetrieb dem Antragsgegner zugestellt worden wäre. Vorliegend ist die Verbotsverfügung jedoch innerhalb der Vollziehungsfrist an Rechtsanwalt ... aus der Kanzlei der Rechtsanwälte ... zugestellt worden. Diese Zustellung wirkt nach § 176 ZPO gegenüber dem Antragsgegner zu 3), weil die Rechtsanwälte ... für das einstweilige Verfügungsverfahren auch von ihm bevollmächtigt waren (§ 81 ZPO).

Eine Vollmachtserteilung ist zwar nicht durch den Antragsgegner zu 3) persönlich, jedoch zulässigerweise durch den Antragsgegner zu 2) erfolgt. Der Antragsgegner zu 2) hat die Rechtsanwälte ... beauftragt, für alle drei Antragsgegner tätig zu werden, was sich insbesondere aus der Tatsache ergibt, dass in der mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht der Antragsgegner zu 2) mit diesen Anwälten persönlich zugegen war, als gegen alle drei Antragsgegner verhandelt wurde, ohne dass eine mangelnde Bevollmächtigung seitens des Antragsgegners zu 3) gerügt wurde. Der Antragsgegner zu 2) ist aufgrund der internen Geschäftsverteilung zwischen ihm und dem Antragsgegner zu 3) ermächtigt, alle Handlungen mit Wirkung für und gegen den Antragsgegner zu 3) vorzunehmen, die sich aus der werblichen Tätigkeit der Antragsgegnerin zu 1) im Geschäftsverkehr ergeben. Dies folgt unmittelbar daraus, dass die Geschäftsführung im operativen und Tagesgeschäft einschließlich aller Angelegenheiten, die mit der Werbung zu haben, intern ausschließlich dem Antragsgegner zu 2) obliegt. Bei Wettbewerbshandlungen handelt es sich eindeutig um das operative Geschäft eines Unternehmens, für das der Geschäftsführer aufgrund seiner Stellung im Unternehmen grundsätzlich auch persönlich einzustehen hat. Die persönliche Inanspruchnahme eines Geschäftsführer wegen eines Wettbewerbsverstoßes der Gesellschaft beruht auf der Geschäftstätigkeit des Unternehmens, nicht auf einer daneben begangenen persönlichen Verfehlung des Geschäftsführers. Die Abwehr einer solchen akzessorischen Inanspruchnahme gehört bei interessengerechter Auslegung (§§ 133, 157 BGB) der internen Aufgabenverteilung zum Inhalt der Vertretungsmacht des Antragsgegners zu 2), so dass dieser insofern auch im Namen des Antragsgegners zu 3) die Prozessvollmacht erteilen durfte.

Aber selbst wenn keine Bevollmächtigung des Antragsgegners zu 2) aufgrund der internen Absprache vorläge, so wären die Rechtsanwälte ... jedenfalls aufgrund einer Anscheinsvollmacht des Antragsgegners zu 2) ihrerseits bevollmächtigt worden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGHZ 40, 197, 203) sind die Grundsätze über die Anscheinsvollmacht auch auf die Prozessvollmacht anzuwenden. Auf den Mangel der Vollmacht eines Scheinvertreters kann sich danach derjenige nicht berufen, der dessen Verhalten bei pflichtgemäßer Sorgfalt hätte erkennen und verhindern können und wenn der andere Teil das Verhalten des Vertreters nach Treu und Glauben dahin auffassen durfte, dass es dem Vertretenen bei verkehrsgemäßer Sorgfalt nicht habe verborgen bleiben können, dass dieser es also dulde (BGH a.a.O. S. 204). So liegt der Fall hier. Die Rechtsanwälte ... sind vom Antraggegner zu 2) in dieser Sache beauftragt worden. Sie sind dabei davon ausgegangen, dass dieser auch den Mitgeschäftsführer unterrichtet hatte und den Verteidigungsauftrag auch in dessen Namen erteilt hat (Bl. 107, 134 d.A.). Dieser Auffassung durften sie auch sein, denn nach der eidesstattlichen Versicherung des Rechtsanwalts ... war ihm der Antragsgegner zu 2), der seine Anwaltskanzlei zuvor schon wegen wettbewerbsrechtlicher Angelegenheiten in bezug auf die Antragsgegnerin zu 1) beauftragt hatte, als Hausleiter und Verantwortlicher der Antragsgegnerin zu 1) persönlich bekannt. Dem Antragsgegner zu 3) als erfahrenem Geschäftsmann mit mehreren Möbelgesellschaften im gesamten Bundesgebiet musste bei gehöriger Sorgfalt bekannt sein, dass bei Wettbewerbsverstößen auch der Geschäftsführer persönlich in Anspruch genommen wird. Aufgrund der internen Geschäftsverteilung musste er damit rechnen, dass der Antragsgegner zu 2) sich auch in seinem Namen gegen den Vorwurf wettbewerbswidrigen Verhaltens zur Wehr setzen würde. Wer so wie der Antragsgegner agiert, nimmt es bewusst in Kauf, dass in seinem Namen Erklärungen abgegeben werden, von denen er nichts weiß. Wenn sich dieses bewusst eingegangene Risiko verwirklicht, kann er sich nach Treu und Glauben nicht auf seine bewusst herbeigeführte Unkenntnis berufen. Ein gesetzlicher Vertreter einer Gesellschaft kann nicht risikolos einen anderen für die Gesellschaft handeln lassen und so seiner eigenen Verantwortung entgehen.

Da danach von einer Bevollmächtigung der Rechtsanwälte ... auszugehen ist, ist die Verbotsverfügung ordnungsgemäß zugestellt worden. Dabei kann dahinstehen, ob Rechtsanwalt ... gegenüber der Sekretärin des Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sich für zustellungsbevollmächtigt erklärt hat, da die Rechtsanwälte ... nach oben Gesagtem tatsächlich zustellungsbevollmächtigt waren und die Zustellung auch an sie erfolgt ist.

Der Eilantrag ist auch begründet. Die Wettbewerbswidrigkeit der beanstandeten Werbung hat das Landgericht zutreffend festgestellt, der Senat schließt sich dem an und verweist insofern auf das landgerichtliche Urteil (§ 543 ZPO). Hiergegen wendet sich der Antragsgegner zu 3) auch nicht. Soweit er sich gegen seine Inanspruchnahme mit dem Argument wendet, er habe von der Werbeaktion nichts gewusst und hätte diese sofort unterbunden, wenn er von ihr erfahren hätte (Bl. 107 d.A.), kann er damit nicht gehört werden. Nach gefestigter Rechtsprechung (vgl. BGH, GRUR 1986, 248, 251 – Sporthosen; Senatsurteil vom 24.2.2000 – 6 U 190/99 – D-Info) entfällt die – grundsätzlich gegebene – Störerhaftung eines Geschäftsführers oder Vorstandes einer Kapitalgesellschaft nur, wenn er die beanstandete Werbung weder veranlasst noch Kenntnis von ihr hatte. Die Fälle, in denen eine Verantwortlichkeit des Organs einer Kapitalgesellschaft verneint wurde, betrafen aber Sachverhalte, bei denen sich der Geschäftsführer im Ausland bzw. der Vorstand im Gefängnis befand. Diese Rechtsprechung ist vorliegend nicht einschlägig. Ein Geschäftsführer, der wie der Antragsgegner zu 3) grundsätzlich eine Einwirkungsmöglichkeit auf die Gesellschaft hätte, sich dieser aber selbst begibt, indem er sich in einem bestimmten Bereich nicht um die von ihm vertretene Gesellschaft kümmert, sondern diesen Bereich einem anderen Geschäftsführer überlässt, kann sich nicht darauf berufen, nichts von dem Wettbewerbsverstoß gewusst zu haben. Er muss sich das Wissen der Person zurechnen lassen, die er bewusst eigenverantwortlich für sich handeln lässt (§ 166 Abs. 1 BGB analog). Der Senat (OLG Report Frankfurt, 2000, 107, 109 – Wissensvertreter m.w.N.) hat bereits entschieden, dass innerhalb einer juristischen Person vorhandenes Wissen an die zuständigen Entscheidungsträger weiterzuleiten bzw. von diesen abzufragen ist, da es die Gleichstellung zwischen natürlicher und juristischer Person verbietet, einer juristische Person durch Aufspaltung von Wissen und Kompetenz die Möglichkeit zu eröffnen, einmal erlangtes Wissen unter Verweis auf die interne Aufgabenverteilung leugnen zu können. Es kann dahinstehen, ob diese Zurechnungskriterien allgemein auch in bezug auf das Verhältnis von Gesellschaft zu ihrem Geschäftsführer gelten. Jedenfalls im vorliegenden Fall ist es aufgrund der ausdrücklich vereinbarten internen Geschäftsverteilung zwischen den Antragsgegnern zu 2) und zu 3) gerechtfertigt, das Wissen des Antragsgegners zu 2) dem Antragsgegner zu 3) entsprechend § 166 Abs. 1 BGB zuzurechnen. Infolge dieser Wissenszurechnung war er auch verpflichtet, den Wettbewerbsverstoß zu unterbinden, was er nicht getan hat.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.